Deutschlands letzter, Oesterreichs erster Kaiser, Zeuge
großer Wandlungen in des Vaterlandes Geschicken, Zeuge
und Genosse einer bedeutenden Zeit, von der noch keine
Ahnung an seiner Wiege sang. Franz war der Sohn
Kaiser Leopold II. und Marie Louisens, Infantin von
Spanien. Seine Erziehung war der hohen Geburt
angemessen, seine Neigung ritterlich. Mit 20 Jahren
vermählte er sich mit Prinzessin Elise Wilhelmine Ludovica
von Würtemberg, wurde nach 2 Jahren schon
Wittwer, und schloß 1790 ein zweites Bündniß
mit Prinzessin Maria Theresia von Neapel, die ihm
13 Kinder schenkte. Die ersten Kriegslorbeeren pflückte
der junge Erzherzog unter Laudon’s kundiger Leitung
und als Oberbefehlshaber des 1788 gegen die Türken
ziehenden Heeres. Diese Vorschule war ihm nützlich,
denn seinem Leben war nicht das Loos gefallen, in
friedlicher Stille und Ruhe sein Volk zu regieren, sondern
der Kriegsgott warf ihm die Würfel und führte ihn
von Kampf zu Kampf. Als Kaiser Leopold gestorben war,
trat Franz am 1. März 1792 die Regierung der kaiserlichen
Erblande an und ließ sich am 6. Juni desselben
Jahres zum König von Ungarn krönen, am 7. Juli
erfolgte seine Wahl zum römisch-deutschen Kaiser, am
14. Juli die Kaiserkrönung, am 4. August die zum
König von Böhmen. Die Republik Frankreich erklärte ihm
den Krieg und begann denselben in Belgien, wohin der
Kaiser selbst eilte und als oberster Kriegsherr sein Heer
mit persönlicher Tapferkeit befehligte. Hier erfocht er
bedeutende Siege, schlug im Jahre 1794 die Schlachten
bei Cateau, Landrecy und Tournay als Held,
sah sich aber dennoch zum Rückzug und zur Heimkehr
genöthigt, weil Bonaparte aus Italien vorrückte und
die Hauptstadt Wien bedrohte. Der Friede von Campo
Formio am 17. Oct. 1797 endete diesen Krieg, Oesterreich
verlor Belgien und Mailand und bekam dafür
Venedig bis an die Etsch. Im nächsten Jahre verband
sich Oesterreich mit Rußland und England zu
neuem Feldzug gegen die französische Republik, schritt
gegen den Rhein vor und drang in Italien ein, war aber
nicht siegreich und sah sich zum Frieden von Luneville
genöthigt, der am 9. Februar 1801 abgeschlossen wurde.
Ebenso wenig war das Glück der Waffen Franz II.
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/111&oldid=- (Version vom 14.9.2022)