Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/132

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zu machen, daher entstanden auch seine Briefe über den guten Geschmack, und alles an und von ihm athmete die persönliche Liebenswürdigkeit des feingebauten, liebevollen und freundlichen jungen Gelehrten, dem sich in einem seltenen Maße das Vertrauen ihm ganz unbekannter Menschen zuwandte. Seine Lehren der Moral bestätigte Gellert durch den eigenen sittenreinen Wandel und durch ein Herz voll Güte, Schonung und Menschenliebe. Er begründete mit den Freuden die Zeitschrift: »Bremer Beiträge«, gab seine Fabeln heraus, welche durch die schlichte einfache Sprache, Empfindung und Frische allgemein ansprachen, versuchte sich auch – doch mit minderem Glück – im Lustspiel, Schäferspiel und im Roman, gab auf Rabener’s Anregung Briefe über Briefstyl heraus und blieb dabei zwölf Jahre hindurch Privatdocent. Endlich gelang es ihm, 1751 eine außerordentliche Professur mit hundert Thalern Gehalt zu erlangen, das war damals schon etwas großes. Leider raubte ihm der siebenjährige Krieg bald genug dieses bescheidene Glück, welches ohnehin durch die Gellert mehr und mehr beherrschende Hypochondrie getrübt wurde. Er bestand Körper- und Seelenqualen zugleich, die Natur seiner furchtbaren Krankheit raubte ihm den innern Frieden, füllte sein Gemüth mit Traurigkeit und seinen Schlummer mit ängstigenden Träumen. Gellert wurde unzugänglicher und kämpfte vergebens mit Badekuren und anderen Heilmitteln gegen sein Leiden. Er gab diesen sogar eine dauernde Sichtbarkeit, indem er sie geistig mit dem Buche: "Von den Trostgründen Wider ein sieches Leben" überwand. Auch litt er keinen Mangel; Geschenke und Aufmerksamkeiten aller Art strömten ihm aus vielen Gegenden zu. Gellert’s Lehren der christlichen Moral, Tugend und Weisheit, seine religiösen Gedichte, denen der eigentliche kirchliche Charakter zwar fehlt, die aber harmonisch mit dem Gefühl der leidenden zusammenklangen, fanden einen Wiederhall in allen Herzen; er wurde der Mann, der Dichter, der Freund des Volkes, seine Schriften fanden ungemein viel Verbreitung. Prinz Heinrich von Preußen schenkte ihm ein Pferd, und selbst König Friedrich II. unterhielt sich mit ihm über die deutsche Literatur und fand so viel Wohlgefallen an ihm, daß er ihn gegen seine Umgebung den vernünftigsten aller deutschen Gelehrten nannte, von denen er nicht viel hielt. Auch der kurfürstliche Hof von Sachsen ehrte Gellert und sorgte nach wiederhergestellten Frieden für eine anständige Gehaltserhöhung, die der rührend bescheidene Mann kaum annehmen wollte. Doch alles dessen konnte er sich nicht lange erfreuen, die Natur eilte mit dem siechen Leibe zu Ende, und nach einem Besuche in der Heimath 1769 ging er unter Gebet und Segnungen im Frieden Gottes als ein frommer und getreuer Knecht ein zu seines Herrn Freuden. Ganz Sachsen, ganz Deutschland trauerte um ihn, beklagte aufrichtig des Edeln Scheiden und er wird unvergessen bleiben durch die Gesinnung, die er lebend und sterbend bewährte, wenn ihn auch nicht die Geiste-Schwingen eines Klopstock, Schiller oder Goethe zum Tempel unsterblichen Nachruhms trugen.