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machen; dieß sagte Geßner nicht zu, er verließ den strengen Principal und warf sich auf die Malerei, befreundete sich mit Künstlern und Gelehrten, mit Ramler, Hempel, Sulzer u. a. und lebte ein zwar ungebundenes, aber doch streng sittenreines Künstlerleben. Anfangs zürnte der Vater über die eigenmächtige Lossagung vom Buchhändlergeschäft, doch ließ er den Sohn nicht ohne Stütze. Ramler übte mächtigen und guten Einfluß auf Geßner, und da dieser sich durchaus nicht in die Formen des Versbaues finden konnte, so rieth ihm Ramler zu jener Form poetischer Prosa, in welcher es Geßner dann gelang, den besten seiner Zeit genug zu thun. Jetzt war Hagedorn Geßner’s Ideal und Lieblingsdichter, diesen wollte er sehen, und reiste eigens nach Hamburg, wo sich schnell das Band der Freundschaft um beider Herzen schlang.

Von Hamburg begab sich Geßner in seine Heimath zurück, in welcher sich Bodmer mit dem ihn umgebenden Dichterkreise voll Kraft und Genialität dem Gottschedschen Einfluß und dessen angemaßter Oberherrschaft über den deutschen Parnaß zu entziehen begonnen hatten. Freudig dichtete Geßner mit den Dichtern, aber er kritisirte nicht mit den Kritikern; seine Dichtungen fanden vielen Beifall und leicht und ohne Kampf errang er sich den Lorbeer. Im Gedichte »Phyllis« feierte er seine Liebe; die Klassiker Theokrit und Longus hatten in des Dichters Gemüth Vorliebe für den Hirtenroman geweckt, der Rococogeschmack der Zeit, die tändelnden Franzosen mit ihren Schäferspielen und Watteau-Fächern begünstigten diese Richtung, die Wett wiegte sich in idyllische Träume. Geßner wurde der Vater der deutschen Idylle, doch bildete und hielt er sie rein von allem geschmacklosen und frivolen, aller widernatürlichen Empfindelei. Zartgefühl, Natur- und Sitteneinfachheit, edles Maaß und schuldlose Heiterkeit charakterisiern sämmtlich Geßner’s Dichtungen. Als Bodmer, der des Freundes Begabung zwar anerkannte, aber ihre beschränkte Sphäre richtig bezeichnete, geäußert hatte, Geßner werde nicht vermögend sein, ein Epos zu dichten, dichtete Geßner seinen »Tod Abel’s« und zeigte mit dieser, an sich lieblichen biblischen Paramythie, daß Bodmer Recht hatte, obschon »der Tod Abel’s« sich in Deutschland und noch mehr in Frankreich, großen Beifall gewann, die Herzen waren eben noch offen für den ewig schönen Strahl der Poesie, in welcher Farbe er sie auch erreichte und traf und entzückte. Wenn Geßner heute mit seinen Idyllen käme, wenn er zu jenen Dichtern gekommen wäre, die alle Kirchhofkreuze aus der Erde reißen wollten, um Schwerter daraus zu machen, wie übel würde er angesehen worden sein!

Gleiche Freude – wie an seiner poetisch schöpferischen Thätigkeit – fand der liebenswürdige Schweizerdichter, der durch und durch eine Künstlernatur war, an den bildenden Künsten, und übte dieselben werkthätig aus. Ein großer Kunstfreund, Heidegger, lebte zu Zürich, der herrliche Bildersammlungen besaß, und in deren Anschau fand Geßner reichen Stoff zu Kunststudien, und bildete mit eisernem Fleiß sich um so mehr zum praktischen Maler und Radirer, als er der von ihm geliebten Tochter des nicht sehr bemittelten Heidegger ein sorgenfreies Dasein an seiner Seite zu bereiten strebte. Doch athmeten auch seine Malereien, meist in Wasserfarben, wie seine zahlreichen Radirungen, meist Vignetten und kleinere Blätter, mit denen er zum Theil seine eigenen Werke schmückte, die idyllische Anmuth und den Frieden, oft mit antikem Anhauch, der das Glück dieses edeln Dichters bildete, wenn auch die Blätter nicht fehlerlos waren.

Geßner lebte vollbeglückt durch seine Liebe, durch seine Familie, durch seine Kunst, oft besucht, heiter, unschuldvoll und gastfrei. Eine Tochter Wieland’s wurde seine Schwiegertochter. Früher, als seinem einfach patriarchalen Leben nach zu erwarten war, steckte im 58. Lebensjahre ein Schlagfluß ihm das Pilgerziel, sanft und ohne Schmerz. Seine Mitbürger, die ihn ehrten, zumal er auch eine Stelle im täglichen Rathe Zürichs und sonstige Ehrenämter bekleidete, setzten ihm ein Denkmal an einer schönen Stelle.