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gemeinsam dichtete. Leider erlebte er den Schmerz, seinen geliebten Gebieter, den Prinzen Wilhelm, durch eine Kanonenkugel in seiner Nähe niedergeschmettert zu sehen, dessen Verlust er mit heißen Thränen beweinte.

Eine Stellung in gleicher Eigenschaft als Secretair, die ihm beim alten Dessauer, auf eigene Empfehlung König Friedrichs II., zu Theil ward, hielt Gleim nicht lange aus, denn diese beiden Naturen paßten wirklich nicht zusammen. Gleim ging nach Magdeburg und Berlin, wurde von Berlin aus durch den Domherrn v. Berg 1747 dem Domkapitel zu Halberstadt als Secretair vorgeschlagen und angenommen. Von da an begann für den Dichter, welcher bisher schon sich vielfach in naiver, anakreontisch-lyrisch-tändelnder Weise versucht hatte, eine schöne, glückliche Zeit. Seine »Kriegslieder«, zuerst nach Art fliegender Blätter in und unter das Volk gestreut, athmeten eine höhere und edlere Begeisterung, wagten kühneren Aufflug, wandten dem »preußischen Grenadier«, wie der Dichter sich nannte, alle patriotischen Herzen zu. Die, welche auch seine übrigen Lieder, die scherzhaften, heitern, sinnlichen Genuß preisenden, befriedigten, nannten Gleim den deutschen Anakreon, ein bescheidenes Lob, doch hatte Gleim mit den anakreontischen Liedern Kleist’s Muse geweckt, und schon dadurch seine wichtige Sendung auf Erden, anzuregen, aufzumuntern, geistig zu fördern, das Reich der Schönheit anzubauen, die Zaubergärten der Poesie durch treue Gärtner pflegen zu lassen, mit Glück begonnen. Auch der Karschin nahm Gleim sich väterlich an, dem Dichter Michaelis, der sich wie so viele andere, der Poesie ohne nachhaltige Begabung und ohne etwas Rechtes lernen und treiben zu wollen, in die Arme geworfen, drückte Gleim die Augen zu, Klamer Schmidt wurde durch ihn auf das erfreulichste gefördert, auch Voß, Tiedge, Jean Paul, zog Vater Gleim an sein Herz, und bald sah sich der Dichtervater im Mittelpunkt fast des ganzen damals bedeutenden deutschen Poetenkreises stehen, gleich einer hellen Sonne voll ächter Wärmestrahlung. Klopstock neigte sich ihm vor allen mit herzlicher Liebe zu und fand bei ihm Trost im Schmerz; andere folgten, Gleim’s Haus in Halberstadt, und später in Walbeck, wo er ein Canonicat erhalten hatte, war ein Poetenasyl. Er blieb in Folge einer tiefschmerzlichen Herzenstäuschung unvermählt, und suchte in der Freundschaft das Glück des Herzens, das ihm die Liebe versagte, daher wurde ihm stete Gastlichkeit nicht schwer, da er selbst in einfacher Weise hinlebte, auch die Einfachheit jener Zeit die Ansprüche der späteren nicht kannte. Persönlicher Freundesumgang und ein überaus umfassend geführter Briefwechsel nach allen Richtungen, fast nach jedem Winkel hin, wo irgend ein Poet oder eine Poetin saß, verschönte sein langes Leben neben dem Schmucke, den er diesem durch seine Lieder verlieh. Gleim ahmte nach und übersetzte horazische Oden, anakreontische Dichtungen, deutsche Minnesängerlieder, zu denen Bodmer’s Sammlung ihm die Bahn brach und die Liebe weckte, schrieb »Lieder für das Volk«, »die Preußischen Kriegslieder«, voll Kraft und Feuer, wo die ewige Vergleichungssucht den deutschen Anakreon nun wieder als deutschen Tyrtäus pries, dichtete Elegien, Romanzen und Fabeln, letztere meist nach Phädus und Lafontaine, ja er versuchte sich auch in dramatischen und didaktischen Gedichten, und gab auch freundschaftliche Briefe heraus, welche als Poesien lange nicht den Werth haben, wie die wirklich trefflichen Briefe, die er ohne Absicht für den Druck an seine Freunde schrieb. Auch Satyren und Sinngedichte schrieb der fleißige, nie rastende Poet, erreichte aber in keiner seiner Schöpfungen mehr geistige Höhe, als in seinen Kriegsliedern und seinem »Halladat oder das rothe Buch«, in welchem letzteren alkoranische Weisheit und der Geist von Lessing’s Nathan weht.

Freundschaft verklärte Gleim’s Leben bis zum hohen Alter, in das er die Jugendfrische einer reinen und edlen Seele rettete, auch die Musen verließen ihn nicht und verleiteten ihn, noch mit erlöschenden Kräften zu dichten. Da nun diese Altersschwäche scharfen Tadel der Kritik fand, so warf letztere ihren Wermuth in den sonnengoldnen Abendtrunk des liebenswürdigen Dichter-Greises, und trübte diesen ganz ohne Noth. Indeß auch diese Schmerzen wurden überwunden; und Vater Gleim blieb den Poeten Vater Gleim, wie er in dem ihm eng verbundenen gräflich Stolberg’schen Hause nur der Onkel genannt ward. Dem französischen Freiheitschwindel, der Tyrannenriecherei und den Weltbeglückungsträumen der Philosophen der Revolutionszeit schloß Gleim sich völlig ab, durchschauend, was da keimen und kommen wollte, obschon sein irdisches Auge sich dem Lichte verschloß, ein blinder Seher, ein Ossian des preußischen Königshauses, wie die unvergeßliche hochherrliche Königin Louise von Preußen selbst ihn nannte; er konnte dem wälschen Freiheitgezeter kein günstig Ohr leihen, er sah mit prophetischer Ahnung Deutschlands Unglück voraus. – So reiste der edle Vater Gleim der Verklärung zu, und ordnete noch scheidend an, daß Urnen mit den Namen seiner vorangegangenen Freunde seinen Grabhügel umstehen sollten, der in seinem Garten vor Halberstadt sich ihm unter Segnungen und Thränen wölbte.