Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/144

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wurden, wie das kaum anders sein konnte, die Pariser einem Ausländer, einem Deutschen gegenüber. Aber da erschien Gluck, der nun schon ein Mann von 60 Jahren war, kam, ward gehört und siegte. Bald verdrängten auf eine Zeit lang seine aus dem italienischen in das französische übertragenen Opern alle übrigen, eine großartige Umwandlung des Geschmackes in der theatralischen Musik erfolgte, wie sie auch in der Gegenwart uns bevorsteht, wenn auch viele dieß noch bestreiten und an die neue Epoche der dramatischen Musik nicht glauben wollen. Die entzückten Franzosen setzten Gluck eine Pension von 6000 Livres auf Lebenszeit aus, ernannten ihn zum Pensionair der Akademie der Musik, und stellten seine Büste neben denen ihrer größten und gefeiertsten Tonkünstler auf. Binnen 2 Jahren ging Iphigenie 170 mal über die Bühne der großen Oper, ein damals außerordentlicher Erfolg. Gluck schuf noch die Opern Iphigenie in Tauris und Echo und Narciß, welche ebenfals den größten Beifall fanden. Mit einem ansehnlichen Vermögen, denn seine Werke wurden sehr gut honorirt, ging Gluck im Jahre 1787 nach Wien zurück; er war ein Freund Mozarts, dessen Stern damals im Zenith des Ruhmes Deutschland bestrahlte, und früher als die Freunde ahneten, ging Glucks Lebensstern unter, noch in demselben Jahre. Was Gluck so groß, seinen Ruhm und seine Werke so dauernd machte, war die Würdigung des deklamatorischen Ausdrucks; er opferte den Text nicht den Launen der Sänger, denen ganz einerlei ist, ob sie Unsinn singen, wenn sie nur schön singen. Daher fand er auch Gegner; solche, die nur Melodie und nichts als Melodie von der Oper forderten, und die ihn nicht begriffen, nicht die Höhe seiner Originalität, nicht die Tiefe des künstlerischen Geistes seiner Tonschöpfungen. Klassisch einfach und großartig, mächtig ergreifend und überwältigend wirkt Glucks Musik heute noch. Keiner bat Gluck übertroffen, wenige reichen an ihn hinan. Zu diesen wenigen zählt in der Neuzeit Richard Wagner, der Dichter und Tonsetzer des Lohengrin, des Tannhäuser. In ihm lebt Glucks Genius, er wird die deutsche Oper läutern, oder in seinem hohen Streben untergehen; in beiden Fällen wird es ihm ergehen wie es Gluck erging, er wird mehr bewundert, als geliebt sterben.