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Johann Wolfgang von Goethe.
Geb. d. 28. Aug. 1749, gest. d. 22. März 1832.


Goethe, des deutschen Vaterlandes Stolz und dessen größter begabtester Dichter, wurde zu Frankfurt a. M. geboren; der Großvater war Schultheiß der freien Reichsstadt, der Vater nahm den Titel eines kaiserlichen Rathes, aber kein öffentliches Amt an, und leitete nicht ohne eine gewisse pedantische Strenge die Erziehung des Knaben, während liebevolle Sorgfalt und Pflege einer genialen Mutter dessen Gemüth für Poesie empfänglich machte und ihn eine glückliche Jugend durchwandeln ließ. Indem er vieles lernte, vieles erspähte, durchlebte der junge Goethe, begabt mit offenem Sinn für alles heitere, schöne und anmuthvolle, für Märchen und Sagen, für Puppenspiele und Volksbücher, für Sprachen, die er mit Leichtigkeit sich aneignete, und unter sinnreichen Spielen seine Knabenjahre bis zum Jünglingsalter, an dessen Schwelle ihm sich früh die Liebe erschloß, die ihm alle Wonnen und alle Schmerzen in die Seele strömte. Er mußte einer unschuldvollen Jugendneigung, Gretchen, entsagen, und auch später unter tiefen Leiden des eigenen Herzens lernen, die Leiden anderer Herzen mit erschütternder Wahrheit zu schildern. Der Vater drängte den Sohn zum Studium der Rechtsgelehrsamkeit hin; mit innerem Widerstreben gehorchte jener und besuchte 1765 die Universität Leipzig. Diese Stadt, von der Goethe nicht ohne Bedeutung später sagte: »Mein Leipzig lob’ ich mir, es bildet seine Leute« – half ihn äußerlich und innerlich bilden – er lernte zunächst leben, und dann einsehen, daß die poetische Schule der Zeitgenossen, die Dichtungen Gottsched’s, Gellert’s u. A. zu überflügeln sein dürften. Mehr als das Studium der Rechtswissenschaft zog die Kunst den strebenden Geist des Jünglings an; an Malerei hatte er schon im Aelternhause Freude gewonnen, als der siebenjährige Krieg französische Einquartierung in dasselbe gebracht hatte, und mit ihr den Kunstfreund Grafen von Thorane. Goethe nahm in Leipzig Zeichnenunterricht bei dem verdienstvollen berühmten Oeser und lag eifrig den Studien der bildenden Kunst ob, denen er praktisch, durch Zeichnen und Selbstätzen, Leben zu geben versuchte. Aber das Einathmen der Säurendämpfe und manche Unregelmäßigkeit des Lebensgenusses machten ihn krank; seine