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Albrecht von Haller.
Geb. d. 16. Oct. 1708, gest. d. 12. Dez. 1777.


Ein großer, weitgepriesener Name; Haller war groß von Charakter und ist seines ausgebreiteten Ruhmes würdig als Dichter, als Philosoph, als Arzt und Naturforscher, als Mathematiker und Historiker.

Haller wurde als der jüngste Sohn eines Rechtsanwaltes zu Bern geboren, Sprößling eines wohlhabenden und angesehenen Patriciergeschlechts. Als Knabe war er schwächlich, in sich verschlossen, aber wißbegierig, und das Lernen wurde ihm leicht. Frühzeitig that er sich in allen Fächern der Gelehrsamkeit um, und auch die Poesie wurde ihm schon im zarten Lebensalter eine Freundin und Trösterin, wie sie ihm bereits im zehnten Jahre die Waffen gab gegen die Pedanterie eines Lehrers. Haller, der im 13. Jahre seinen Vater verlor, besuchte die Gymnasien zu Bern und Biel, studirte dann 1723–23 in Tübingen Arzneikunde, und bezog im letzteren Jahre die Hochschule Leyden, wo Boerhaave und Albinus als Lehrer glänzten. Diesen großen Aerzten und Anatomen strebte Haller mit Eifer nach, Anatomie und Botanik zogen ihn vorzugsweise an, obschon ein kurzes Gesicht ihm das Studium der letzteren merklich erschwerte. Befreundet mit den größten Aerzten Hollands begab sich Haller 1726 von Leyden aus, nachdem er Doctor der Medicin geworden war, nach London und Oxford, knüpfte dort Bekanntschaft mit berühmten Männern an, wie Douglaß, Hans Sloane, dem Begründer des britischen Museums, dann in Paris mit dem größten Anatomen des Jahrhunderts, Winslow, hierauf in Basel mit dem gefeierten Mathematiker Bernoulli. Mit dem größten Eifer widmete sich Haller jetzt dem Studium der Mathematik und gleichzeitig erfaßte er mit glühender Vorliebe die Botanik, welche er auf weitumfassenden Alpenreisen pflegte. Er gab der Wissenschaft zuerst eine gründliche Schweizer-Flora und feierte der Alpen Pracht und Herrlichkeit in einem philosophisch-moralischen Gedicht von unvergänglicher Schönheit, in welchem er zugleich der verkannten deutschen Poesie ihre Ebenbürtigkeit gegenüber der von vielen vorgezogenen englischen, die in der Mode war, erkämpfte. Wenn auch Haller’s in zehnzeiligen Alexandriner-Strophen gedichtete Alpen noch an seine nächsten Vorbilder, an Lohenstein und Brockes erinnern,