Herschel war einer der Lichtträger im Morgenrothe
astronomischer Forschung und Wissenschaft, und sein Name
überschwebte auf den Flügeln des Ruhmes den Erdkreis.
Er wurde zu Hannover geboren, wo sein Vater als
Musiker wirksam war. Der sinnige Knabe fand Gefallen
an des Vaters treu geübter Kunst, lernte Klavier,
Violine und Hoboe, neigte sich aber nicht minder
dem Studium der französischen Sprache, der Logik, der
Mathematik und Physik zu, in welchem ihm der Artelleriesecretair
Hofschlaeger mit dem sehr unterrichteten
Vater gemeinsam unterwies, und begann frühzeitig
allerlei Werkzeuge für optischen und mathematischen
Gebrauch selbst, wenn auch nur erst unvollkommen, zu
gestalten, und so reifte er zum wohlgebildeten Jüngling
heran, ohne noch für eine bestimmte Lebensrichtung in
Kunst oder Wissenschaft sich entschieden zu haben, als
die Bewegungen des siebenjährigen Krieges die Sorge
der Aeltern mehrten. Da wurde von Wilhelm ein
rascher Entschluß gefaßt; er trat mit dem Bruder
gemeinschaftlich 1759 in das Hautboistencorps eines
nach England bestimmten Regiments. So kam Herschel
nach London; wer hätte in dem Bläser einer Hoboe
auf dem Paradeplatz den Mann suchen sollen und finden
wollen, der statt der Tuba des Kriegsgottes einst den
Tubus Urania’s beherrschen werde? Das Schicksal
führte Herschel erst durch irdische Labyrinthe, bevor es
seinem Blick die ewigen des Firmamentes entriegelte.
Der Bruder kehrte bald von London wieder heim;
Wilhelm blieb hoffnungsvoll, immer noch im Glauben,
die Musik werde sein Glück begründen. Er half fleißig
Tanzmusik aufspielen gegen kargen Lohn, bis selbst dessen
zum Leben zu wenig wurde. Nun verließ er London,
bewarb sich um die Stelle eines Organisten in Halifax,
ward geprüft, bestand über alle Erwartung,
ward nun Organist und Musiklehrer und suchte sich
einestheils in Erlernung fremder Sprachen, anderntheils
als theoretischer Musiker fortzubilden, wo wieder
die Harmonielehre es war, die so innig mit der Mathematik
verwandt, aufs neue zu dieser hinlenkte, die
Harmonie der irdischen Töne zur Harmonie der himmlischen
Sphären, die wieder zur Optik hinwies, ohne deren
Beihülfe die Wissenschaft der Astronomie nicht denkbar ist.
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/177&oldid=- (Version vom 14.9.2022)