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Johannes Keppler.
Geb. d. 27. Dez. 1571, gest. d. 15. Nov. 1631.


Mathematiker und Astronom von reicher Fülle des Wissens und ahnungsvollen Geistes, in Deutschland nächst Kopernikus der Schöpfer der neuern Sternkunde, ein Mann, der nicht ohne schwere Prüfungen den Gang durch das Leben vollbrachte. Keppler war um zwei Monate zu zeitig in der kleinen Reichsstadt Weil in Schwaben geboren, dann mit dem Vater, welcher Soldat war, aus dem Geburtsort nach Leonberg, von da nach Elmendingen übergesiedelt. So begann ihm frühzeitig eine wechselvolle Laufbahn, die sein späteres Leben vorzubedeuten schien. Der junge Keppler besuchte als Knabe die gute Klosterschule zu Maulbronn, neigte sich zur Theologie und begann deren Studium auf der Hochschule zu Tübingen, nachdem er dort bereits 1591 Professor der Philosophie geworden war. Die Philosophie lenkte Keppler’s denkenden Geist zur Mathematik, die ihm größere Gewißheit für so manche Geheimnisse des Lebens der Welten zu ertheilen verhieß, als die theologische Wissenschaft, und bald erreichte er in der Mathematik eine so hohe Stufe der Erkenntniß, daß er einem Rufe zum Lehrer der Mathematik und Professor der Moraphilosophie an das Gymnasium zu Grätz in Steiermark, den ihm 1593 sein Lehrer Mäßlin verschafft, und den er nicht ohne Zagen angenommen hatte, völlig entsprach. Dort baute Keppler auf das neuentdeckte Weltsystem des größten Astronomen, Kopernikus, das einen fast anderthalbtausendjährigen Irrthum umstieß, weiter und weiter, und wurde, freilich nicht auf einmal, sondern auf mühsamen und labyrinthisch verschlungenen Wegen der Forschung Entdecker unvergänglicher Wahrheiten. Im Jahre 1596 machte er, veranlaßt durch seine Verheirathung, eine Reise nach der schwäbischen Heimath, und sah sich 1598 genöthigt aus Grätz nach Ungarn zu flüchten, weil zwischen den katholischen und protestantischen Ständen in Steiermark unselige Religionsstreitigkeiten ausbrachen, welche mit der gewaltsamen Unterdrückung der evangelischen Kirche in jenem Lande endigten; dennoch kam Keppler nach Grätz zurück und trat wieder in sein Lehramt ein. Er war dem berühmten Astronomen Tycho de Brahe bekannt geworden, welcher nach zahllosen Entdeckungen, die er auf der für ihn eigens erbauten Sternwarte Uranienborg