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Hiob Ludolf.
Geb. d. 15. Juni. 1624, gest. d. 8. April 1704.


Hiob Ludolf war ein gründlicher und vielseitiger deutscher Gelehrter, Historiker, Sprachforscher und Staatsmann, der auf vor ihm ziemlich unbebauten Feldern des Wissens wichtiges leistete und ein in Ehren geführtes Leben zu hohen Greisenjahren brachte. – Sohn des zweiten Ober-Vierherrn Hiob Ludolf zu Erfurt, wurde Ludolf in der thüringischen Metropolis geboren und nach dem Vornamen des Vaters benannt. Er war Sprößling eines patrizischen Geschlechtes, dessen Glieder in Achtung und Ansehen gelebt hatten. Als ein fähiger Schüler besuchte er die Schule bei »den Predigermönchen«, und hatte viel über den Zwang dieser Schule zu seufzen, den er bis in das 11. Jahr trug und dann aus der Scylla der Trivialschule in die Charybdis des Gymnasiums gelangte, wie ein alter lateinischer Lebensbeschreiber Ludolf’s sich ausdrückt. Der junge Schüler lernte tüchtig griechisch und lateinisch, las fleißig die Alten, überstand 1638 eine gefährliche Krankheit, ging dann mit seinen beiden älteren Brüdern Conrad Rudolf und Georg Heinrich auf die Hochschule nach Gröningen, später nach Leiden, und gab sich mit Vorliebe dem Studium fremder Sprachen, namentlich auch der orientalischen hin, unter denen besonders die äthiopische ihn anzog, der er ausdauernden Fleiß und volle Liebe zuwandte. Doch verabsäumte Ludolf dabei nicht das gründliche Studium der Geschichte und Rechtswissenschaft. Reisen nach England, nach Frankreich und Italien, dann nach Dänemark und Schweden, in welchem Lande mittlerweile Ludolf’s Bruder Georg Heinrich eine Stellung als königlicher Gesandtschaftssecretair gefunden hatte, – begonnen 1646 und durch eine Reihe von Jahren fortgesetzt, bildeten den jungen Gelehrten völlig aus und ließen ihn ebenso einflußreiche als anziehende und wichtige Bekanntschaften in den durchreisten Ländern machen, unter ihnen die des Cardinal Mazarin. In Schweden war H. Ludolf die angenehmste Aufnahme gesichert, als er 1650 dorthin kam. Axel Orenstierna, der Reichsstatthalter nach König Gustav Adolf’s Tode, hatte zu Erfurt im Ludolfschen Hause gewohnt; Ludolf wurde sogar der Königin Christine vorgestellt, die ihn gern in dem Gelehrtenkreise sah, den sie um sich versammelt