Ein schönes Heldenbild steht Maximilian I. in der
deutschen Geschichte, mit ihm schloß, mit ihm begann
eine Epoche derselben; aus des Mittelalters dahinsinkender
Nacht brach junges Morgenroth. Eine neue Welt
ward entdeckt im fernen Westen jenseit des Oceans,
und eine neue Welt geistigen Lebens und Strebens erwachte
im Schoose Deutschlands. Des Vaters und
Vorgängers auf dem römischen Kaiserthrone langjähriges
Regiment hatte Deutschland nicht beglückt; Hang
zur Ruhe, Vorliebe für den Frieden, selbst Eigensinn
und Eigennutz beherrschten Kaiser Friedrich III. so sehr,
daß er selbst kein guter, dem Reiche hülfreicher Herrscher
war; ein Mehrer des Reichs, mindestens Oesterreichs
im rechten Sinne, wurde der hellblickende, hochverständige
Maximilian, der Sohn Kaiser Friedrich III. und der
Eleonore von Portugal, er wurde zu Neustadt geboren,
und blieb – zum Kummer der Aeltern, ein stummes
Kind. Doch im zehnten Lebensjahre löste ihm ein
Genius das Siegel von den Lippen, er blühte erfreulich
auf und erwuchs zu einem herrlichen Jüngling, der
in allen ritterlichen Uebungen den Körper, in gediegenen
Studien den Geist kräftigte. Die schöne Maria,
Erbin von Burgund, wurde 1477 Maximilians Gemahlin,
sie brachte ihm die Niederlande zu, doch nicht
ohne Kämpfe konnte er die letztern behaupten.
Maximilians Leben war ein vielfach[WS 1] bewegtes, ein Bild der Zeit, deren Strömungen sich oft stürmisch begegneten. Nicht auf einmal vermochte Maximilian, nachdem er den Kaiserthron bestiegen hatte, und das seine zu thun suchte, das im innersten Herzen zerrissene deutsche Reich zu einigen – den lange hochgehenden Fluthen zu gebieten. Nach kurzer sehr glücklicher Ehe verlor der junge Kaisersohn seine geliebte Gemahlin Die niederländischen Stände bereiteten Maximilian viele Verlegenheiten, sie wollten ihm[WS 2] nicht Unterthan sein, und noch nach seiner Wahl zum römischen König, welche 1486 erfolgte, wurde er während er gegen Frankreich rüstete, auf hinterlistige Weise gefangen genommen, seine Räthe wurden hingerichtet, er selbst mußte vier Monate lang in einem Kerker zu Brügge schmachten, und Flandern – entsagen. Dennoch machte Maximilian sein Haus, das
Haus Oesterreich – vor allen groß und mächtig. Das
Anmerkungen (Wikisource)
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/243&oldid=- (Version vom 14.9.2022)