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Gefangener gehalten sah. Vergebens bat er, ihm die Herrschaft Steier zu überlassen; endlich gelang es ihm, die Verwaltung von Ober- und Unter-Oesterreich anvertraut zu bekommen, und 1594 erlangte er auch den Oberbefehl über das Heer in Ungarn gegen die Türken. Ohne seine Waffen vom Glück und ruhmreichen Siegen gekrönt zu sehen, benutzte Matthias die Unzufriedenheit der Ungarn gegen seinen Bruder, den Kaiser, sich erst die Statthalterschaft über Ungarn zu sichern, dann die Krone Ungarns sich selbst auf das eigene Haupt zu setzen, welches mit Zustimmung seiner Brüder 1608 geschah, und als er Ungarn hatte, nahm er auch die österreichischen Erblande, dann nahm er Böhmen und überließ dem schwachen, mißtrauischen, furchtsamen und Grillen fangenden Bruder nur den Schatten eine Herrschers, der seine Tage in argwöhnischer Abgeschlossenheit verbrachte und nur Freude an astrologisch-astronomischen Forschungen und alchymistisch-chemischen Versuchen fand, bis Rudolf 1612 mit Tode abging.

Matthias wurde zum deutschen Kaiser an seines Bruders Statt erwählt, und hätte nun, da er das Ziel, nach dem er mit Beharrlichkeit gestrebt, erreicht sah, die Fehler seines Bruders vermeiden sollen; aber leider verstand er so wenig wie Rudolf, was dem Reiche vor allem Noth that, Eintracht und Friede zu fördern und Duldung in Glaubenssachen zu üben. Schon vor Matthias Erhebung auf den Kaiserthron war diesem im Erzherzog Leopold von Oesterreich ein kräftiger Gegner erwachsen, der ihn in Böhmen bekriegte. Durch halbe Maaßregeln erbitterte der Kaiser die protestantische Union wie die katholische Liga gleich sehr; die Verbürgung der Religionsfreiheit stand nur auf dem Papier; Matthias versuchte Union und Liga zugleich aufzulösen, und der Gedanke wäre, wenn er ihn auszuführen vermocht hätte, vielleicht so übel nicht gewesen; allein um in Parteikämpfen als Sieger über jeder Partei zu stehen und sich zugleich als solcher für die Dauer zu behaupten, dazu bedarf es einer gewaltigen Kraft. An dieser Kraft, zu welcher viel Muth und wenig Gewissen gehört, gebrach es dem Kaiser Matthias. Um sich zu kräftigen, that er den größten Mißgriff, den er thun konnte, er adoptirte den Erzherzog Ferdinand, seinen Vetter, 1616, sicherte diesem die Erbfolge und ließ ihn sogar in die böhmische und ungarische Thronfolge im Voraus bestätigen, unter der vorsorglichen Bedingung jedoch, daß Ferdinand sich bei Lebzeiten des Kaisers aller Einmischung in Regierungsangelegenheiten enthalte. Ferdinand sollte eben auch wieder ein Schatten sein; mißliebig war derselbe ohnehin im vollen Maaße den Ständen des Reiches wie dem Volke.

In diese kläglichen Wirren trat der verhängniß- und unheilvolle 23. Mai 1618. Die durch Eigenmächtigkeiten der katholischen Partei auf das tiefste verletzten und empörten böhmischen Stände protestantischen Glaubens ließen sich zu der unseligen handgreiflichen Darlegung ihres Rechts hinreißen, die kaiserlichen Räche und Statthalter Slawata und Martinitz, die stets gegen die böhmischen Protestanten gewirkt hatten, nebst dem Secretär Fabricius aus den Fenstern des Gerichtssaales des Hradschin herab auf einen Staub- und Genisthaufen springen zu lassen. Das war das traurige Signal zu einem Kriege, der dreißig Jahre lang das deutsche Vaterland zerfleischte, verdarb, entvölkerte und verarmen ließ.

Einen treuen und anhänglichen Rathgeber hatte der Kaiser noch am Cardinal Clesel, allein dieser wurde von der ihm feindlich gesinnten Partei hinweggedrängt, und Matthias stand einsam, krank, eine gebrochene Kraft, die selten eine rechte Kraft gewesen war, mitten in Aufständen, Kriegen, Parteikämpfen, und an der Pforte einer furchtbar drohenden Zukunft. Da kam ihm, dem hart von Feinden wie von Freunden bedrängten, der beste Erlöser und Befreier, der Tod. Ein Schlagfluß traf ihn und führte sein Ende herbei, das zu Wien erfolgte. Sein adoptirter Vetter bestieg nach ihm als Kaiser Ferdinand II. den deutschen Kaiserthron.