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Band seiner »Geschichte der schweizerischen Eidgenossenschaft«, welche 1780 zu Bern im Druck erschien. Große Neigung, gestützt auf das Bewußtsein seiner Verdienste, Akademiker zu werden, bewogen Müller, nach Berlin zu gehen, wo ihm allseits ehrenvolle Aufnahme wurde, aber die königliche Akademie der Wissenschaften erfüllte seinen Wunsch nicht und er fand auch keine Anstellung, außer dem Anerbieten, ein Schulamt zu übernehmen. Wenig befriedigt und in seinen Hoffnungen getäuscht, wandte sich Müller nun nach Halberstadt, wo Vater Gleim mit gewohnter Herzlichkeit ihn gastlich aufnahm, und bald darauf wurde ihm die Professur der Geschichte am Carolinum zu Kassel übertragen. Zu dieser Zeit ließ Müller mehrere kleinere Werke in französischer Sprache erscheinen und gab 1782 die »Reisen der Päpste« heraus, in denen er der Hierarchie das Wort redete und sich zahlreiche Freunde unter den Römlingen gewann. Er empfing den Rathstitel und die Stelle eines Unterbibliothekars in Kassel, verließ aber 1783 diese Stadt und seine Stellen wieder, um in der Schweiz, den Quellen nahe, sein geschichtliches Hauptwerk zu vollenden. Er arbeitete den bereits erschienenen ersten Band um und reihte diesem nun die folgenden Bände an, folgte nächstdem 1786 einem Rufe als Hofrath und Bibliothekar nach Mainz und verfaßte mehrere publicistische Schriften. Der Kurfürst von Mainz, Friedrich Carl Joseph, sandte den in Staatsangelegenheiten wohlerfahrenen Gelehrten 1787 nach Rom und ernannte ihn nach zufriedenstellender Vollendung dieser Mission zum geheimen Legationsrath, bald darauf aber zum geheimen Conferenzrath mit Sitz und Stimme im kurfürstlichen Cabinet. Als Zwischenarbeit erschienen von Müller 1787 die »Briefe zweier Domherren«. Nach einer glücklich besiegten Krankheit, von welcher er im Jahre 1789 in Folge allzugroße, geistiger Anstrengung überfallen wurde, wohnte er 1790 der Kaiserkrönung Leopold’s in Frankfurt a. M. bei und empfing ehrende Anträge nach Wien und nach Berlin. Der Kurfürst von Mainz aber suchte den höchst brauchbaren Mann, dem jetzt die Ernennungen als Akademiker aus Erfurt, Mannheim u. s. w. gleichsam zuströmten, an seinen Hof zu fesseln, und ernannte ihn zum geheimen Staatsrath, Referendar und Direktor der kurrheinischen Kreisarchive, so wie er Sorge trug, daß Johannes Müller unter dem Namen Edler von Müller zu Sylvelden in den Reichsritterstand erhoben wurde. Der Ausbruch der französischen Revolution vertrieb den Kurfürsten aus Mainz, welche Stadt durch ihre Klubisten dem Aufruhrgeist sich in die Arme warf, das heillose Treiben der Revolutionsmänner gut hieß und in ihm den Anbruch einer neuen glücklichen Aera erblickte. Johannes von Müller sollte auch Theil nehmen an der neuen Volksbeglückung und an die Spitze der französischen Verwaltung treten, er dankte aber für diese zweideutige Ehre und begab sich nach Wien, wo man ihn mit Freuden empfing und ihn alsbald zum k. k. wirklichen Hofrath ernannte und bei der geheimen Hof- und Staatskanzlei eine Anstellung gab. Johannes von Müller verfaßte in Wien mehrere politische Flugschriften, ließ 1795 die zweite Abtheilung des dritten Bandes seiner Schweizergeschichte erscheinen und wurde Mitarbeiter der jenaischen Literaturzeitung. Einen Antrag von Seiten seiner Vaterstadt Schafhausen, dort im obersten helvetischen Gerichtshof eine Mitgliedstelle einzunehmen, lehnte er ab, legte aber auch sein Wiener Staatsamt nieder und wurde im Herbst 1800 erster Custos der kaiserlichen Bibliothek, ein Amt, das ihm ruhige Muffe zum weiterarbeiten zu gewähren verhieß, ihm aber durch kollegiale Unliebenswürdigkeiten genugsam verleidet wurde. Im Jahre 1804 erfolgte der früher gehoffte Ruf als Mitglied der Berliner Akademie und zum Historiographen des Hauses Brandenburg mit dem Titel eines geheimen Kriegsrathes nach Berlin, und Johannes von Müller leistete diesem Rufe freudig Folge, verfaßte mehrere akademische Schriften, übernahm die Besorgung der Herausgabe der Werke v. Herder’s, widmete sich wieder seiner Schweizergeschichte, und begann, einem höchsten Auftrag zu Folge, eine Geschichte König Friedrich’s II. von Preußen, dessen Ruhm er in einer Rede vor der Akademie dadurch zu verherrlichen suchte, daß er ihm Napoleon an die Seite setzte. Die Stimmung in Preußen, die Zeit (Januar 1807), Napoleon als Preußens, als Deutschlands Erbfeind und Unterdrücker – und der hochherzige edle Heldenkönig – es konnte nicht anders sein, als daß diese Parallele als eine unverzeihliche Taktlosigkeit erschien und man nicht Anstand nahm, dieß den sonst trefflichen Historiker fühlen zu lassen. Dadurch verletzt, verließ Johanes von Müller Berlin, und folgte einem Rufe des Königs von Würtemberg als Professor an der Hochschule zu Tübingen – er gelangte aber nicht dorthin, sondern Napoleon ließ ihn nach Fontainebleau berufen und nöthigte ihn, Minister-Staats-Secretair von Westphalen zu werden, und als er auf vieles Bitten 1808 von dieser Stelle entbunden wurde, ward er zum Staatsrath und Generaldirektor des öffentlichen Unterrichts ernannt. Alle diese ihm nicht zusagenden Aemter, Mißmuth, Sorgen und Schulden u. dgl. untergruben Johann von Müller Gesundheit und kürzten endlich seine Tage, und so schied in ihm ein hochbegabter Geist, dessen Charakter von Wahrheitsliebe und Menschenfreundlichkeit getragen war, der mit großem umfassenden Wissen einen eisernen Fleiß verband und diesen, wohin ihn auch sein bewegtes Leben führte, überall entfaltete. Johannes von Müller starb in Kassel, auf dessen Friedhof König Ludwig von Bayern ihm ein ehrendes Denkmal errichten ließ.