Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/277

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Joachim Christian Nettelbeck.
Geb. d. 20. September 1738, gest. d. 19. Januar 1824.


Ein deutscher Mann von ächtem Schrot und Korn, hervorgegangen aus dem Volke und ein Mann des Volkes in jenem schönen und edlem Sinne, der das Volk als den Kern der Nation nimmt, nicht als die begriffloße Masse; aus dem Volke, das aus ehrenhaften Bürgern, nicht aus entsittlichtem Plebs besteht. Nettelbeck’s Geburtsort war Colberg, und diese ostpreußische Stadt wurde ihm, nachdem er ein vielbewegtes Abenteurerleben in seinen Jugendjahren geführt, das er selbst ausführlich und mit vieler Ehrlichkeit und Heiterkeit in einer Selbstbiographie geschildert hat – zum Hafen wie zum Schauplatz der ehrenhaftesten Thätigkeit.

Bis zum reiferen Mannesalter, bis in sein 45stes Lebensjahr ward Nettelbeck umgetrieben, mannichfache Fahrten bestehend zu Land und zu Wasser. Seemann mit Vorliebe, hatte er in früher Jugend den beschwerlichen Dienst eines solchen gelernt, hatte den Stürmen und den Wellen muthig gestanden und dem Tod offen in das grauenvolle Antlitz geblickt. Glück und Leid, Lust und Noth fanden ihn stets wacker und unerschrocken auf seinem Posten, mochte er in den Meeren schiffen, die Europa umfluten, oder im glühenden Brand der Sonne des Wendekreises die Küsten Afrikas umfahren Endlich aber lockte doch die Zauberstimme der Heimath allzu unwiderstehlich und es zog ihn, wie den ruhelosen Segler Odysseus zur Heimath, nach Colberg zurück. Dort ergriff Nettelbeck, der unmöglich müssig sein konnte und wollte, den Erwerbszweig eines Destillateurs und zeigte seinen geraden Sinn und seine Rechtschaffenheit den Mitbürgern so unverhüllt, daß ihm von allen Seiten unbegrenztes Vertrauen entgegenkam. Er wurde zum Vertreter der Bürgerschaft und zum Rathsherrn ernannt, und wirkte auch in diesen Ehrenämtern treu und einsichtsvoll, bis ihm Gelegenheit wurde, seinen Patriotismus noch glänzender zu bewähren.

Im Jahre 1807 wurde Colberg von den Franzosen belagert, deren siegreichen Waffen damals eine preußische Festung nach der andern sich erschließen mußte. Nicht so Colberg, Nettelbeck hielt es. Der Festungscommandant Lucadou zagte, sprach von Uebergabe, Nettelbeck verhinderte diese, wandte sich selbst an den König, Lucadou wurde abberufen und der Graf von