Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/288

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mit Freuden ihre Stützen, und gern verkehrte Luther brieflich mit alle den treuen, die ihm anhingen um des geläuterten Wortes willen. Und wie Osiander als Prediger, Eoban als Mann der Schule, Spengler, Pirkheimer und Scheurlin als Männer des Rathes und Staates, die übrigen als Künstler dem großen Werke dienten, und die Bürgerschaft der in sich durch tüchtiges Regiment geordneten und gefesteten Stadt innern Zwiespalt ausstieß, so konnte es nicht fehlen, daß die herrlichste deutscher Städte eine Freistätte und Friedensstätte des neues Lichtes wurde. Im Jahr 1526 hatte Osiander den Vorsitz bei einem wichtigen Religionsgespräch zu Nürnberg, dessen Folge das völlige Aufhören katholischer Predigten und Ceremonien und die Schließung des Augustinerklosters war; doch fehlte es nach der Hand noch lange nicht an schmähenden Eiferern gegen die neueren kirchlichen Formen und Einrichtungen. Im Jahr 1529 entsandte der Rath zu Nürnberg Osiander nach Schwabach in Angelegenheiten einer Kirchenvisitation, nicht minder zu den Kolloquien in Marburg und Augsburg, dessen wichtigem Reichstag im darauf folgenden Jahre Osiander ebenfalls beiwohnte. Die Augsburgische Confession selbst und deren Uebergabe wurde Osiander Anlaß, eine Apologie derselben zu schreiben, und im Jahr 1553 entwarf er in Gemeinschaft mit Brenz die Kirchenordnung, welche Markgraf Georg von Brandenburg in Verbindung mit Nürnberg für sein Land, für das Burggrafenthum und das Gebiet der Stadt einzuführen beabsichtigte, und dann auch wirklich einführte. Diese Kirchenordnung enthielt treffliche Anleitungen für die Geistlichen bezüglich der Kanzelvorträge, drang auf gründliches Bibelstudium und enthielt mustergebende Katechismuspredigten.

Dem großen Fürsten- und Religionstage zu Schmalkalden 1557 wohnte Osiander ebenfalls bei und unterschrieb mit die bekannten schmalkaldischen Artikel, nicht minder kam er 1559 zum Convent nach Frankfurt, und als von Seiten des Pfalzgrafen die Einführung der Reformation im Jahre 1542 in Pfalz-Neuburg beschlossen worden war, wurde Osiander mit derselben beauftragt.

Wenn auch Osiander in seinen Predigten und noch mehr in seinen Schriften einige Glaubenslehren und Ansichten offenbarte, welche dem strenglutherischen Lehrbegriff entgegen waren, so liefen diese doch nur auf theologische Grübeleien und Spitzfindigkeiten hinaus, fanden übrigens heftige Bekämpfung und von Anhängern Osiander’s nicht minder heftige Vertheidigung, welche letzteren den Parteinamen Osiandristen zuzog. Es war nichts als das trübe Vorspiel jener unerquicklichen, zwecklosen und fruchtlosen protestantischen Theologen-Händel, die sich bis über das Ende des 16. Jahrhunderts hinaus fortspannen, und der evangelischen Kirche wie der gereinigten Lehre mehr schadeten, als alle Feinde ihr zu schaden vermochten. Diese Streitigkeiten setzten sich noch fort, nachdem Osiander, welcher sich durchaus nicht zur Annahme des »Interim« verstand, sich 1548 aus Nürnberg hinwegbegeben hatte und einem Rufe Herzog Albrecht’s von Preußen gefolgt war, der ihm ein Pastorat und eine theologische Professur in Königsberg sicherte. Man tadelte am Privatleben Osiander’s einige Gewohnheiten, die von denen der Theologen gewöhnlichen Schlages abwichen. Seine Charakterfestigkeit und seine Neigung, da, wo er im Recht zu sein glaubte, nicht nachzugeben, ward für Trotz und Hochmuth erklärt. Er liebte die Morgenruhe bis zur Mittagsstunde auszudehnen, wenn er nicht zu predigen hatte, und Pflegte nach Tische spatzieren zu gehen, bis die Abendessenszeit herannahete. Nach letzterer pflegte er dann bis Nachts 2 Uhr zu arbeiten. Die Neigung vieler bedeutenden Theologen alter Zeit für mathematische Wissenschaften theilte auch Osiander; er wurde 1545 der Herausgeber der Astronomie des Copernikus, und leistete auch dadurch der Wissenschaft einen wesentlichen Dienst. Er starb als Vicepräsident des Bisthums Samland, nachdem er in mehr als einer Selbstvertheidigung zu beweisen gesucht hatte, daß er über dreißig Jahre lang stets in der Lehre von der Gerechtigkeit des Glaubens mit dem seligen Luther übereingestimmt habe.