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Jacob Böhme.
Geb. d. 11. Nov. 1575, gest. d. 7. Sept. 1624.


Wundersamer mystischer Schwärmer, durchdrungen vom Wesen des geheimnißvollen, tiefinnerlichen und übersinnlichen, was die Menschengeister, die es dämonisch erfaßt, zu den Höhen der Gottheit empor zu heben, oder auch in die Nacht des Irrsinns zu stürzen vermag. Böhm oder Böhme wurde zu Altseidenberg in der Nähe von Görlitz in dürftigen Verhältnissen geboren; er mußte als armer Bauernsohn das Vieh hüten und der Schulunterricht auf Dörfern beschränkte sich zu seiner Zeit nur auf den Katechismus und etwas lesen; an Schreiben war kaum zu denken. Dann erlernte Jacob das Schuhmacherhandwerk, wurde nach vollbrachter Wanderung Meister und verheirathete sich mit einer Metzgerstochter, mit welcher er 30 Jahre in zufriedener Ehe lebte und Vater von vier Söhnen wurde, welche alle des Vaters Handwerk erlernten und betrieben. Das wäre die Geschichte eines Alltagslebens, aber dieses Alltagsleben verklärte der magische Schein eines tiefen, ahnungsreichen, bis zur Vision verzückten religiösen Gemüths. Die Natur hatte zum Gemüth des Knaben schon auf der Waldestrist und im Baumesrauschen gesprochen, und die Offenbarungen der Schrift, in die er sich später vertiefte, als die sitzende Lebensart ihm zu Grübeleien Anlaß gab, lockten ihn zur Erforschung all der großen Glaubens-Räthsel, welche dem nicht durch die Klarheit der Wissenschaft erleuchteten Geist ebenso undurchdringlich, als gefährlich sind. Das eigenthümlich organisirte Nervenleben Böhme’s ließ ihn schon auf seiner Wanderschaft entzückende Gesichte empfangen, Ausflüsse einer früh angereizten regen Phantasie und geistiger Gefühlsschwelgerei, welche das stete Grübeln über Geheimnisse der Religion, über das Wesen der Gottheit und die erhabensten Dinge hervorgerufen hatte. Solche Visionen setzten sich auch später fort, und der fromminnige bleiche Mann mit den feingeformten milden Zügen erschien sich selbst als ein gotterkorener Seher, andern als ein Schwärmer, der mehr sein wollte wie sie, den man daher nicht streng genug verurtheilen zu können meinte. Die Bibel, Böhme’s Hauptstudium, war dem ganz in sich zurückgezogenen, auf seinen engen häuslichen Kreis sich beschränkenden frommen Mann