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Johann Heinrich Pestalozzi.
Geb. d. 12. Jan. 1746, gest. d. 17. Febr. 1827.


Einer der edeln Geister, welche von der Vorsehung vorzugsweise zu Wohlthätern der Menschheit berufen sind, die reiche Saaten des Segens durch fruchtbringendes Wirken ausstreuen und deren Name ruhmvoll durch die späteren Zeiten fortklingt. Pestalozzi, der deutsche Mann mit dem fremdländisch klingenden Namen war Sohn eines Arztes und wurde zu Zürich geboren. Seine Erziehung bei Verwandten war nach des Vaters frühem Tode eine einfache, schlichte und gottesfürchtige, und dies blieb durch sein ganzes Leben die Eigenthümlichkeit seines Wesens und Charakters.

Frühzeitig erwachte in Pestalozzi der Beruf, Menschen zu bilden, sie aus der niedern Stumpfheit der Lebensstellung zu höheren Anschauungen zu leiten, obschon er selbst anfänglich in den Wissenschaften schwankte, welche er ergreifen sollte. Er begann das Studium der Theologie und gab es auf, ebenso das der Rechte. Zu jener Zeit trat Rosseau, der berühmte französische Philosoph auf, und schilderte in seinem Buche Emil oder die Erziehung alle zahllosen Mängel der bisherigen Erziehungsweise. Dieses Buch machte Epoche in ganz Europa, es half den Philanthropismus und die Philanthropine gründen, es wollte die Menschen praktisch erzogen haben, weniger durch die Religion, als durch das Leben. Honig und Gift waren in dem Buche beisammen, wie in einer schönen Blume, deren äußerer Reiz und süßer Duft anlocken und – betäuben.

Pestalozzi beschloß, angeregt durch den Emil, sich ganz der Volksbildung zu widmen, kaufte sich bei Bern ein Grundstück, baute sich an, wurde Landwirth. In das von ihm erbaute Haus Neuhof nahm der vom edelsten Streben durchdrungene Menschenfreund 1775 eine Anzahl hülfloser Kinder auf, denen er Vater wurde und an denen er die neuen Erziehungsgrundsätze erprobte, die er dann auch durchführte, unbeirrt durch die allzeit rege Verkennung, ja Verketzerung seines uneigennützigen Thuns. So entriß er nach und nach über hundert Kinder dem leiblichen und sittlichen Elend und Verderben, erzog sie zu praktisch brauchbaren Menschen, und ward nun auch durch Volksschriften thätig, welche ungemein große Verbreitung fanden. Unter diesen sind