Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/30

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die Quelle seines Glücks wie seiner Irrthümer. – Der in jedem strebenden Geist lebendige Drang nach Mittheilung trieb auch Böhme an, sein Fühlen und Schauen zu offenbaren, und so entstand sein erstes Buch: »Aurora, oder die Morgenröthe im Aufgang«, welches 1612 im Druck erschien und großes Aufsehen erregte. In einer Sprache, die theils der biblischen sich anzunähern suchte, theils die geheimnißvolle Ausdrucksweise des hochbegabten, nicht genug gewürdigten Paracelsus verrieth, der jedenfalls nicht ohne Einfluß auf Böhme’s theosophische Geistesrichtung geblieben war, suchte der Seher von Görlitz sich anderen mitzutheilen. Ein Geistlicher daselbst, dem das Buch in die Hände fiel, sprach von der Kanzel herab sein theologisches Verdammungsurtheil über Buch und Autor aus, und der Magistrat sah sich gemüssiget, Böhme das »Schuster bleib bei deinem Leisten« durch ein Verbot, ferner Bücher zu schreiben, fühlbar zu machen. Allein Jacob Böhme schrieb dennoch Bücher, gewann sich Freunde, Anhänger, fand Aufmunterung und einen vielfachen Wiederhall seiner Anschauungs- und Gefühlsweise in verwandten Seelen, unter ihnen selbst schlesische Edle, und obschon Böhme keine neue Religionslehre aufstellte, und nur seine innern Anschauungen über Gottheit, Natur, Schöpfung, Sünde, Offenbarung u. s. w. kund gab, so gedieh es beinahe dahin, daß eine Sekte entstand, die sich nach ihm Böhmisten nannte, mindestens von andern so genannt wurde. Böhme gab später sein Handwerk auf und verfaßte noch zahlreiche theosophisch mystische Schriften, in denen hohe und schöne Gedanken voll Kraft und Fülle des Ausdrucks enthalten sind, aber auch viele Bizarrerien einer sich selbst nicht klaren Denkweise, einer in das nebelhafte schweifenden Phantasie und großer geistiger Ueberspannung. In Görlitz ging man so weit, daß man den Theosophen eines Tages aus der Stadt wies, andern Tages aber ihn zurückberief. Bald darauf, 1624, verließ Böhme seine Vaterstadt und begab sich nach Dresden, wo er über seine Glaubensansichten und sonstigen Offenbarungen von gründlichen Theologen förmlich examinirt wurde, denn man witterte einen Ketzer in ihm, und die Zeit, in welcher man solche verbrannte, war noch keineswegs vorüber; – man konnte aber nichts auf ihn bringen. Indessen sagte ihm der Aufenthalt in Dresden nicht zu, und er kehrte wieder nach Görlitz zurück, wo er noch im Herbst desselben Jahres im Frieden starb. Ungleich mehr Schriften, als Jacob Böhme selbst geschrieben hat, wurden für und gegen ihn geschrieben; der verzückte Philosophus teutonicus, wie manche ihn nannten, machte noch nach seinem Tode denen viel zu schaffen, die nichts besseres zu thun wußten, als dem unschädlichen Schwärmer Ansichten und Meinungen unterzulegen, an die er vielleicht nie gedacht hatte.