Deutschlands begabtester und fruchtbarster Dichter auf
einem Gebiete, für welches der deutschen Sprache der
rechte Ausdruck mangelt, denn Laune, scherzhafte Gemüthsart
u. dgl. übersetzen nicht genügend das tiefdeutungvolle
Wort Humor. Wunsiedel im Fichtelgebirge
war Jean Paul’s, (wie dieser Dichter sich gewöhnlich
nannte) Geburtsort, der Vater war Lehrer
an der Schule des Städtchens und erlangte später eine
kleine Pfarrstelle im Dorfe Jodiz, welche er nachher
mit einer andern im Marktflecken Schwarzenbach an
der Saale vertauschte. Der junge Sohn war sich viel
selbst überlassen, entwickelte sich zeitig und baute sich
eine innere Welt voll Gedanken, ebenso eignete er sich
durch lesen allmählich eine Fülle von Kenntnissen an,
die er in späteren Jahren gut zu benutzen verstand.
Auszüge aus Schriften zu machen, gewährte ihm durch
sein ganzes Leben eine eigenthümliche Freude, die bei
einem so selbstschöpferischen Geist, wie der Jean Paul’s
war, nebst seiner Neigung für einen sorglich registrirten
Zettelkram mit Namen, Nummern und Notizen eigentlich
als ein psychologisches Räthsel erscheint. So bildete
Jean Paul sich neben gut benutztem Schulunterricht
zum vielwissenden bewandertsein in allen möglichen
Fächern, ohne doch je irgend ein anderes Fach als das
der phantasievoll schaffenden Poesie zu ergreifen. Von
dem Gymnasium zu Hof zog Jean Paul schon im siebzehnten
Jahre auf die Hochschule zu Leipzig, wo er,
nach des Vaters Wunsche, Theologie studiren sollte,
aber diese nicht studirte, wie sehr einen andern der
Mangel an Mitteln nach einem sichern Brodstudium
hingedrängt hätte. In dem jugendlichen Dichtergeist
waltete, vielleicht mit vom Druck der Armuth erzeugt,
die Neigung zur Satyre vor, und er goß deren ganze
Fülle und Schärfe in dem Buche: »Grönländische
Processe« aus, wie nicht minder später, als er in
Leipzig sich nicht zu halten vermochte, und sich wieder
nach Hof und dann nach Schwarzenbach zurück begab,
in der »Auswahl aus des Teufels Papieren«. Beide
Bücher waren noch von wenig Erfolg begleitet; der
satyrische Dichter ist selten willkommen, die Satyre ist
den Leuten sehr unbequem, indem sie sticht und beißt.
Zudem liebte der junge Poet sehr das formlose, und
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/309&oldid=- (Version vom 15.9.2022)