Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/316

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Meistersängerschule mit Beifall, ein Jüngling nur erst von 20 Jahren, und ward abermals von der Liebe gefesselt, lernte alle Schmerzen vergeblicher Minne kennen, durchwanderte noch manchen schönen deutschen Gau und manche deutsche Stadt, ward in Frankfurt »Sang- und Schwertmeister«, fuhr den Rhein hinab, sah Köln und Aachen, sah die Städte der deutschen Hansa, kehrte über Leipzig durch Sachsen, den Harz und Thüringen wieder in sein gesegnetes Frankenland zurück und that sich häuslich und behaglich nieder, freite ein tugendsames Weib und begann mit gleicher Liebe und stets gleicher Treue seine Sangeskunst und sein Handwerk zugleich zu üben.

Dem reichen poetischen Geist des nürnberger Sängers wurde die ganze Welt und alles Leben zum Gedicht; wie hätte es nicht der Goldstrahl neuer, geläuterter Christuslehre werden sollen? Luther’s Ruhm begann Deutschland zu erfüllen; in Nürnberg fand die neue Lehre guten Boden; eifrig las Sachs die Schriften des Reformators, wie sie einzeln als fliegende Blätter von Hand zu Hand gingen und flogen, und von Land zu Land. Da rührte auch Sachs seine Harfe und sang ein hohes Lied: »Die wittenbergische Nachtigal«, die flog gar weit und schlug gar hell und schön, und weckte neuen Sang, und half Luther’s Werk gar mächtig fördern und verbreiten.

Bilderreich, der Sprache mächtig, gedankenkühn schuf nun Hans Sachs Werk auf Werk in Reim und Prosa, und ließ jedes auch so einzeln hinausziehen, oft nur auf Einzelbogen mit Holzschnittzier von guten Meistern, wie Luther mit den seinen that; Lehren und Fabeln, Satiren und Gebräche, fromme Lieder und weltliche Scherzreime, wie es kam, und wurde immer bekannter, immer berühmter, immer bedeutender. Der Magistrat Nürnbergs, aus Furcht vor des Kaisers Ungnade, und einige Finsterlinge aus angeborener Lichtscheu hätten ihm gerne sein Singen gewehrt; er ließ sich’s aber nicht wehren, sondern folgte getrost der Gottesstimme in seinem Herzen.

So förderte der deutsche Meister den Gesang, so förderte er die Reformation, so förderte er, neben Luther der begabteste Singer des Vaterlandes, auch dieses Vaterlandes Sprache, insonderheit die hochdeutsche nach dem Vorbild, das Luther in seiner Bibelübersetzung gegeben. Sein geistliches Lied: »Warum betrübst du dich mein Herz«, durchklang alle protestantischen Kirchen, und nicht nur in deutscher Zunge allein, auch in fremde treu übertragen. Dabei studirte er fort und fort Werke der Wissenschaft, war befreundet mit den hochbegabten Gelehrten und Künstlern seiner Vaterstadt, und von ihnen geehrt.

So lebte Sachs ein reges, schönes, dem edelsten und höchsten des Daseins zugewandtes und beglücktes Leben, und lebte sich, stets arbeitssam und thätig, stets schöpferisch, wie voll Jugendkraft und Jugendfrische, hinein in die Jahre höheren Alters. Erst im 64. Lebensjahre kam eine ausgewählte Sammlung seiner Gedichte zur Erscheinung. Dem ersten Bande folgte dann noch ein zweiter, ein dritter nach. – Der Tod hatte ihm sein treues Weib entrissen, er betrauerte sie redlich, fühlte sich aber nicht zu alt, im 68. Jahre wiederum zu heirathen, und brächte noch einen vierten Band seiner Werke zu Stande, durch die er auch die dramatische Kunst der Deutschen, die noch in den Banden der kirchlichen Mysterien und Mönchsschauspiele lag, frei machte und förderte. Sachs schrieb über 6000 Gedichte, darunter sind 63 Fastnachtspiele, 29 weltliche und 28 geistliche Tragödien, 50 weltliche, 26 geistliche Comödien – die alle mehr und minder anschauliche Bilder der Denk- und Handlungsweise, wie der Sitten und Anschauungen seiner Zeit gewähren. Und so lebte er bis in sein 82. Lebensjahr, ja sang noch auf dem Siechbette seinen Lebenslauf als Schwanenlied. – Als seine Zeit vorüber war und Deutschlands Poesie tief schlummerte, wurde Hans Sachs verkannt – aber die neue Zeit erkennt ihn wieder freudig an und schmückt sein Gedächtniß mit unverwelklichem Lorbeer.