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Abraham a Santa Clara.
Geb. d. 4. Juni 1642, gest. d. 4. Dez. 1709.


Der eigentliche Name dieses merkwürdigen Mannes war Ulrich Megerle, sein Geburtsort war das schwäbische Dorf Krähenheimstetten. Er studirte zu Wien Theologie und Philosophie, und widmete sich frühzeitig dem Klosterleben; schon als achtzehnjähriger Jüngling trat er zu Marienbrunn in den Augustinerorden. Zum Festtagsprediger nach dem Kloster Tara in Baiern berufen, begann er bald, sich durch seine Kanzelvorträge hervorzuthun, welche in vor ihm kaum dagewesener Weise voll Laune, Humor, Satyre und Schalkhaftigkeit die Thorheiten und Fehler der Menschen geißelten, reiche Kenntniß der Welt und des Menschenherzens kund gaben, und von einer Ueberfülle theils guter, theils barocker, stets aber origineller Gedanken strotzten. Wie Abraham a Santa Clara sprach, ebenso schrieb er auch, und er schrieb gern und viel, wurde aber auch ebenso gern gelesen als gehört und seine Schriften fanden im Publicum eine solche Theilnahme, daß sie nicht nur in andere Sprachen übersetzt, sondern auch noch in neuerer Zeit, mindestens ausgewählt, wiederholte Auflagen erlebten. Abraham a Santa Clara verstand es, durch Wortwitz zu glänzen, wie keiner vor und nach ihm, dabei neigte er sich dem Geschmack der Zeitgenossen zu, und wurde durch freimüthige Derbheit volksthümlich. Der weitverbreitete Ruf, den er sich gewonnen hatte, war Ursache, daß man ihn nach Wien verlangte, es war etwas neues, den Humor auf der Kanzel zu erblicken, und Wien hat stets lieber gelacht als geweint. Der Kaiser hatte ihn persönlich kennen gelernt, und beehrte ihn mit seiner Gunst – Abraham a Santa Clara wurde Hofprediger zu Wien und Grätz, da er als Augustiner Ordensmann nicht wohl Hofnarr werden konnte; das ridendo dicere verum verstand dennoch keiner so gut wie er. Im Jahr 1689 wurde der Pater Prior Abraham a Santa Clara zum Provincial seines Ordens ernannt, und blieb sich im übrigen gleich als geistlicher burlesker Volksredner, der sich im bis zu Tode gehetzten Witz und Wortspielen und der Sucht, Sätze und Gegensätze bis zur Erschöpfung aneinander abzureiben, gefiel, wobei sich aber aus dem Sande seiner Mahlsteine auch Goldkörner gediegenen Ernstes