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geistig zugleich in ehrenvoller Sphäre thätig und tüchtig. Der Ausbruch des Revolutionsfeldzugs nöthigte, die Feder mit dem Degen völlig zu vertauschen; Scharnhorst zog unter General Hammerstein mit den Hannoverschen Truppen zu Felde und zeichnete sich so rühmlich und vortheilhaft aus, daß der General nicht umhin konnte, seinem Könige offen zu gestehen, wie es hauptsächlich dem Hauptmann Scharnhorst zu danken sei, daß das Hannoversche Truppen-Corps im Kampfe gegen den weit überlegenen Feind, bei Menin, der es eingeschlossen hatte, nicht unterlegen sei. Dankbar für die Heldenthat Scharnhorst’s ernannte ihn der König zum Generalstabs-Major und schenkte ihm einen Ehrendegen. Indessen bestimmten bald darauf Verhältnisse und hauptsächlich der Herzog von Braunschweig Scharnhorst, den Militärdienst seines Vaterlandes aufzugeben und im preußischen Heere Dienste zu nehmen; er trat als Obristlieutenant in das dritte Regiment der Artillerie und wurde 1801 Generalstabs-Quartiermeister Lieutenant. So lange die Waffen wieder ruhten, hielt er in Berlin Vorlesungen für Officiere mit großem Beifall.

Scharnhorst wurde Oberst, empfing den Adel und zog als Chef des Generalstabes mit Blücher zu Felde, an dessen Namen und Kriegsruhm der seine sich brüderlich kettete; bei dem Zuge nach Lübeck wurde auch Scharnhorst mit Blücher gefangen, doch wurden beide bald befreit und vermochten aufs neue die würdigsten Dienste zu leisten.

Scharnhorst’s Tapferkeit, Scharfblick und Geistesgegenwart retteten den Alliirten den fast schon verlorenen Sieg der Schlacht bei Eylau; er gewann sich das ganze Vertrauen König Friedrich Wilhelm’s III. und niemand war dessen würdiger, v. Scharnhorst vergalt es mit der innigsten, grenzenlosesten Hingebung. Er nahm den thätigsten Antheil an der Commission, welche 1807 einen Plan zur Neugestaltung des preußischen Heerwesens zu berathen vom Könige unter dem Vorsitz seines Bruders, des Prinzen Wilhelm, berufen wurde, und trat dann, die Ausführung der Beschlüsse leitend, an die Spitze der Kriegsverwaltung. Geist und Milde, Charakterstärke und Weisheit, vorausahnender staatsmännischer Blick zeichneten das stille Wirken v. Scharnhorst’s in dieser Berufssphäre aus; hell genug schwebte ihm die Nothwendigkeit einer allgemeinen Volksbewaffnung vor, wenn Preußen sich freimachen wollte vom Druck des fränkischen Usurpators, allein dieser hatte durch den Tilsiter Frieden das preußische Heer bis auf 40,000 Mann herabgedrückt; da ersann Scharnhorst ein System der Waffenübung, das keinen der Artikel jenes Friedens verletzte und doch den Zweck der Waffenfähigkeit aller jungen streitbaren Mannschaft des Landes erfüllte.

Still reifte Scharnhorst’s Saat; auch eine ihm übertragene geheime diplomatische Sendung im Jahre 1811 vollführte er glücklich, und als nun endlich die ersehnte Zeit gekommen war, den verhaßten und schwer lastenden Kettendruck abzuschütteln, gab es der König in Scharnhorst’s Hand, die allgemeine Bewaffnung zu leiten, was bei der Begeisterung, die des Königs Aufruf an sein Volk hervorgerufen, mit überraschender Schnelle gelang. Binnen drei Monaten hatte Preußen kein Heer von 40,000, sondern von 130,000 Mann, und die Feldherren entrollten ihre Fahnen zum Kampfe auf Tod und Leben. Ueber der Schlacht von Lützen schwebte Scharnhorst’s Todesengel; eine Kartätschenkugel verwundete ihn, obschon nicht lebensgefährlich; er wurde nach Dresden gebracht und auf das sorglichste verpflegt und ärztlich behandelt; aber seine Treue gönnte sich nicht die nöthige Ruhe; er wollte für seinen König eine Sendung nach Prag und Wien vollbringen, reiste gegen des Arztes Rath und Willen ab, und verschied in Prag im 57. Lebensjahre. Das ehrenvollste Leichenbegängniß ward dem Helden zu Theil; Berlin wurde mit seinem Denkmal geschmückt, auch in Prag wurde ihm ein solches durch Preußens Heer errichtet.