Ein Mann, der nicht nur in seiner Heimath, der
Schweiz, sondern auch für das ganze Deutschland mit
lebendigem Sinne und unermüdlichem Fleiße die neuere
Naturforschung anbahnen half. Er wurde zu Zürich
geboren, Sohn eines dortigen Arztes und Stadtphysikus,
und wählte nach zurückgelegten Knabenjahren
mit Freudigkeit den Beruf des Vaters. Er besuchte
zuerst 1692 die Universität Altorf und begab sich im
darauf folgenden Jahre nach Utrecht, wo er 1694 als
Arzt promovirte. Hierauf unternahm Scheuchzer eine
wissenschaftliche Reise, welche er aus den Niederlanden
nach Friesland, Brandenburg, Sachsen und Böhmen
ausdehnte, worauf er durch Franken und Bayern in
seine Schweizerheimath zurückkehrte, wo er zunächst,
und noch ehe er sich den eigenen Heerd gründete, eine
Alpenreise antrat, und dort mitten im großen erhabenen
Tempel der Natur, in ihrem Allerheiligen
gleichsam, sich selbst zu ihrem Priester weihte. Hierauf
begab sich Scheuchzer noch einmal nach Altorf und
Nürnberg, um sich dort im Studium der Mathematik
noch mehr zu befestigen, wo Sturm und Eimmart seine
Lehrer waren, und dann erst ließ er sich häuslich in
seiner Vaterstadt nieder. Dort wurde Scheuchzer 1702
das Amt zu Theil, welches sein Vater begleitet hatte;
er wurde Stadtphysikus und erhielt 1710 den Lehrstuhl
als Professor der Mathematik an der dortigen
Hochschule, nach andern aber nur am dortigen Gymnasium.
Fort und fort ließ Scheuchzer es sich angelegen
sein, die Naturgeschichte seines Vaterlandes auf
das eifrigste zu erforschen und diese dann mit aller
Gründlichkeit zu bearbeiten, doch verschafften ihm schon
mehrere kleinere gelehrte Abhandlungen, die er in Leipziger,
Londoner und andere wissenschaftliche Zeitschriften
einrücken ließ, bereits Ruf und Anerkennung,
so auch die Mitgliedschaft der kaiserlichen Academia
Naturä Curiosorum, der königlich großbritannischen und
der königlich preußischen Societät der Wissenschaften.
Nun wurde Scheuchzer der ausschließliche Naturhistoriograph des Schweizerlandes, und leistete durch seine im Druck anfangs heftweise veröffentlichten Forschungen der überall mit frischer Regsamkeit auflebenden Naturforschung wesentlichen Vorschub, wie seinem Vaterlande
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 325. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/325&oldid=- (Version vom 15.9.2022)