Neben Goethe Deutschlands gefeiertster Dichter, ja
lange Zeit von einer großen Anzahl Verehrer und
Bewunderer noch über jenen Heros der deutschen Nation
gestellt. Im kleinen schwäbischen Städtchen Marbach
stand Schiller’s älterliches Haus. Der Vater
war praktischer Wundarzt, wurde Militärchirurg und
brachte es zu Ende des siebenjährigen Krieges bis zum
Hauptmann. Die Mutter war eine stille fromme Frau,
von poetischer Begabung, die sich namentlich auf den
Sohn und dessen ältere Schwester Christophine, später
Gattin und Witwe des Hofrath und Bibliothekar Reinwald
in Meiningen, vererbte, und im Sohne als herrlichste
Flamme des Genius emporschlug. Von Marbach
zogen die Aeltern mit den Kindern nach Lorch, von
da wurde der Vater nach Ludwigslust versetzt, wo der
Herzog Karl von Würtemberg den Knaben, welcher sich
dem geistlichen Stande widmen wollte und sollte, für
seine militärische Pflanzschule, die Karlsacademie bestimmte.
In dieser fühlte sich der junge Schiller nicht
heimisch, schwankte in der Wahl des künftiges Berufes,
wollte erst Jurist werden, griff dann zum Studium
der Medicin und kämpfte den bittern Kampf eines
Gemüthes durch, das aus Lieblingsplänen gerissen,
seine Lebenslaufbahn als eine verfehlte betrachten muß.
Zum Glück drangen Bücher in den abgeschlossenen Kreis
der Karlsschule, gleich zündenden Strahlen und befruchtenden
Blitzen, und regten den Jüngling mächtig zu
eigenen dichterischen Versuchen an. Schiller vollendete
indessen mit Ernst seine medicinischen Studien, und
wurde Regimentsarzt, blieb aber dabei im lebhaften
Verkehr mit den Freunden auf der Karlsschule, schrieb
zahlreiche Gedichte und vollendete die schon auf der
Karlsschule begonnenen Räuber, dies titanische Werk
eines freiheitsprudelnden Jünglingsgeistes, der in einem
Spiegelbilde seiner eigenen Natur alle Bande der
Gesellschaft sprengte. Das Stück machte ungeheures
Aufsehen, Freiherr von Dalberg, der einsichtsvolle
Direktor der Mannheimer Hofbühne, bewirkte die
Aufführung desselben und Schiller begab sich heimlich,
ohne Urlaub nach Mannheim, derselben beizuwohnen.
Die Aufnahme war glänzend, das Stück schuf dem
Dichter Freude und Ruhm, aber auch Weh und Leid.
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 327. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/327&oldid=- (Version vom 20.8.2021)