Ein Historiker, der zu seiner Zeit Epoche machte, und
vielfach als solcher gepriesen wurde, obschon ihm auch
der Tadel nicht fern blieb. Johann Philipson, dieß
war sein eigentlicher Vor- und Zuname, wurde im
Oertchen Sleida in der Grafschaft Manderscheid geboren,
und widmete sich, herangewachsen, rechtswissenschaftlichen
und humanistischen Studien, die er auf den
hohen Schulen zu Lüttich, Cöln und Löwen betrieb.
Nachdem ihm über den jungen Grafen Dietrich von
Manderscheid eine Hofmeisterstelle anvertraut war, führte
er diesen seinen Zögling nach Paris und von da nach
Orleans, und benutzte seine günstige Stellung, sich
immer mehr auszubilden und mit Kenntnissen zu bereichern.
In Orleans, wo er 3 Jahre studirte, erwarb
der nach seinem kleinen Geburtsort sich fortan nennende
junge Gelehrte den Grad eines Licentiaten der Rechtsgelehrsamkeit,
und kehrte darauf nach Paris zurück,
wo einflußreiche Gönner ihn förderten, unter denen der
berühmte Sturmius und Cardinal Bellai die bedeutendsten
waren. Er durfte den französischen Gesandten
gleichsam als Attaché zum Reichstag nach Hagenau begleiten.
Nach längerem Aufenthalt in Frankreich, wohin
König Franz I. ihn wieder zurückberufen, hatte, kehrte
Sleidan nach Deutschland zurück, weil er sich wegen
der in Frankreich ausgebrochenen Religionsverfolgungen
dort nicht mehr sicher glaubte, da er den reformatorischen
Bewegungen in seiner Heimath mit Antheil zugewendet
blieb. In Deutschland hatte bereits der
schmalkaldische Krieg begonnen, und die Kriegsherren
desselben erachteten für wohlgethan, neben der Waffe
von Eisen auch der Waffe der Feder den Feinden gegenüber
sich zu bedienen, und ernannten Sleidan, der
sich schon durch mehrere beifallwerthe Schriften ausgezeichnet
hatte, zu ihrem Geschichtschreiber. Sein bekanntes
Buch von den vier Monarchien, das durch
viele Auflagen in zahllosen Exemplaren deutsch und lateinisch
verbreitet war, galt seiner Zeit als ein Muster
der Geschichtschreibung. Es war Ton und üble Sitte
der Zeit geworden, daß die erbitterten Gegner auf
dem kirchlich politischen Gebiete sich in Schriften und
Gegenschriften auf das allerheftigste befehdeten, alle
Schmach und allen nur erdenklichen Schimpf gegenseitig
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/351&oldid=- (Version vom 15.9.2022)