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Christoph Martin Wieland.
Geb. d. 5. Sept. 1733, gest. d. 20. Jan. 1813.


Ein Mann hellstrahlenden Ruhmes, welcher durch ein langes, reiche Frucht tragendes Leben hindurch mitbaute am Tempel der deutschen Nationalliteratur und sich einen unvergänglichen Namen gründete.

Wieland wurde zu Hohheim, nahe der ehemaligen freien Reichsstadt Biberach geboren; der Vater war Pfarrer des Ortes, wissenschaftlich gebildet und in theologischer Beziehung ein Anhänger der frommen Richtung, welcher unter vielen andern August Hermann Francke, sein Lehrer, zugethan war und sie angebahnt hatte; später wurde der Pfarrer Wieland nach Biberach versetzt und gab im Vereine mit der trefflichen Mutter dem früh die glücklichsten Anlagen zeigenden Sohne eine sorgfältige Erziehung. Auch das poetische Talent erwachte frühzeitig in dem aufgeweckten Knaben und er versuchte sich schon als solcher in mancherlei Dichtungen, welche Versuche er in der Erziehungsanstalt des Abt Steinmetz in Kloster Bergen an der Elbe bei Magdeburg, wohin die Aeltern ihn in seinem vierzehnten Jahre brachten, fortsetzte, dabei die Klassiker tüchtig studirte und diesen mehr Geschmack abgewann, als der Theologie, für die er doch bestimmt war und die seine junge Seele nur mit Zweifelqualen erfüllte, ihn trostlos, unglücklich und körperlich krank machte. Er hielt nur ein Jahr in jener Klosterschule aus und kam dann nach Erfurt, wo er genas und freier athmete. Nach Vollendung der Vorbereitungsstudien kehrte Wieland zu seinen Aeltern nach Biberach im Sommer 1750 zurück, und dort erblühte ihm zuerst die Blume der Liebe in der süßen und zärtlichen Bekanntschaft mit einem Fräulein Sophie Gutermann. Dann ging Wieland auf die Hochschule Tübingen und schrieb sein Buch: »Die Natur der Dinge oder die vollkommenste Welt«, welches im Kreise der damals aufstrebenden jugendlichen Dichtergeister, wie Bodmer, Sulzer, Hagedorn, Breitinger und anderer volle Anerkennung fand. Wegen schwacher Brust gab Wieland das Studium der Theologie auf und wandte sich zur Jurisprudenz, noch mehr aber zogen den poetisch hochbegabten Jüngling schönwissenschaftliche, philosophische und Sprachstudien an; er bildete an den Klassikern, namentlich an Horaz, sich einen feinen und geglätteten Styl und gewann sich