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Johannes Calvin.
Geb. d. 10. Juli 1509, gest. d. 27. Mai 1564.


Der Geburt nach kein deutscher Mann; aber soll ein Mann, der wie Calvin auf Deutschland einen Einfluß und eine Bedeutsamkeit gewann, wie kaum ein zweiter Sohn des Auslandes, nicht verdienen, unter den Reihen deutscher Männer zu stehen, und würde er nicht geradezu da vermißt werden, wo man sich bestrebt hat, die Bilder der Reformatoren und besonders die der hervorragenden Häupter der Reformation zu zeichnen und mindestens in übersichtlichen treuen Umrissen zu schildern? Mehrere Millionen Deutscher gehören noch heute dem religiösen Bekenntniß an, wie Calvin und Zwingli es lehrten und feststellten; der zweite Gründer der reformirten Kirche, der dritten der drei großen Kirchengemeinschaften Deutschlands, muß natur- und sachgemäß neben Luther und Zwingli seine Stelle finden.

Johannes Calvin hieß eigentlich Jean Chauvin und entstammte dem Orte Noyon in der Picardie. Er bestimmte sich nach dem Willen seines Vaters zum Geistlichen, besuchte Pariser Schulen und studirte zu Orleans auch die Rechtswissenschaft, wie in jener Zeit es so häufig der Fall war, daß junge Lernende nicht alsbald einem ausschließlichen Fachstudium sich hingaben, das man später in Deutschland mit dem trivialen Namen Brotstudium zu bezeichnen beliebte. In vielen Wissenschaften sich die Macht guter Kenntnisse anzueignen, war das Bemühen aller geistvollen Studirenden im Mittelalter, und in vielen Zweigen der Wissenschaften und Künste bewandert zu sein, galt damals als die Signatur eines wahren Gelehrten, nicht die einseitige Verständniß nur einer Doctrin. Auch mit den alten Sprachen machte Calvin sich innig vertraut und rüstete sich so mit vielseitiger Kenntniß aus zu einer großen und folgenreichen Laufbahn. Auch zu Bourges studirte er noch und begab sich von dort nach Paris, wo er über Seneca’s Abhandlung de clementia schrieb und an der Königin Margaretha von Navarra eine fördernde Freundin gewann, welche nicht ungern die Bemühungen des 24jährigen Theologen sah, helleres Licht in Bezug auf Religionslehre und Glaubensbekenntniß zu verbreiten, wie es sich von Deutschland aus bereits durch Luther und seine Mitarbeiter am großen Reformationswerke strahlend ergoß. Aber König Franz I.