Dieser Freund deutscher Jugend, deutscher Sprache,
deutschen Gemüthes – allbekannt durch zahlreiche
Schriften, von denen viele Mustergültigkeit behaupten,
als vorzüglicher Pädagog beliebt, ja gefeiert – wurde
in dem Braunschweig-Wolfenbüttelschen Dorfe Deensen
geboren und zog aus dunkeln Verhältnissen dem Lichte
wissenschaftlicher Bildung nach. Den Knabenunterricht
gewährte zunächst die Schule zu Holzminden, worauf
Helmstädt und Halle den Jüngling weiter bildeten, der
sich der Theologie widmete und dabei die so äußerst
günstig auf dieser Hochschule gebotene Gelegenheit nicht
unbenutzt ließ, auch in der Erziehungswissenschaft, zu
welcher sein Gemüth sich mit Vorliebe hinneigte, theoretische
und praktische Kenntnisse sich anzueignen. Gleichwohl
schien das Geschick ihn seinem ursprünglichen Berufe
entziehen zu wollen, denn er erhielt als Candidat
1773 eine Feldpredigerstelle beim Regimente des Prinzen
Heinrich von Preußen zu Potsdam.
Diese Stellung konnte den strebsamen jungen Mann nicht auf die Dauer befriedigen; indeß benutzte er die Musse, welche sie ihm vergönnte, treufleißig zu seiner Weiterbildung, und gewann sich Freunde und Gönner, welche ihn förderten, und so nahm er 1776 freudig einen Ruf als Anhalt-Dessauischer Educationsrath an, zumal in Dessau das eigentliche Ziel der Sehnsucht Campe’s, das berühmte Philanthropin unter Basedow blühte. Johann Bernhard Basedow, ein Hamburger und unter dem gnädigen Schutze des Fürsten Franz von Dessau Begründer des philanthropischen Erziehungsinstituts – verließ seine Anstalt, und Campe trat nun als deren Lenker und Leiter an dessen Stelle. Es waren von ihm bereits einige philosophische Abhandlungen erschienen, dann trat er mit seinem »Sittenbüchlein« auf, welches große Verbreitung fand, so daß eine Auflage der andern folgte und Campe’s Ruf sich rasch in weiten Kreisen verbreitete. Indeß erging es ihm, wie nach ihm Salzmann an derselben Stelle, er fand sich bewogen, sie nicht lange zu bekleiden. Neigung und Sehnsucht ward in ihm rege, nach eigenen Ideen und Wünschen selbstthätig wirken und handeln zu können, denn noch heute wird jeder Erzieher von geistiger Begabung mehr oder minder sich selbst seine Erziehungspläne
Ludwig Bechstein: Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen. Georg Wigand's Verlag, Leipzig 1854, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Zweihundert_deutsche_M%C3%A4nner_in_Bildnissen_und_Lebensbeschreibungen.pdf/55&oldid=- (Version vom 15.9.2022)