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Glauben antasten, ihn bekämpfen zu wollen, zumal in Rom, würde als todeswürdiges Verbrechen erschienen sein; erfuhr dieß doch noch hundert Jahre später der große Gallilei. Darum schwieg, die Fassungsgabe seiner Zeitgenossen richtig würdigend, Copernicus und weihte niemand in seine tiefsten Geheimnisse ein.

Nach ziemlich langem Aufenthalt in Rom, wo der deutsche Astronom aus den angesehensten Kreisen Schüler um seinen Lehrstuhl versammelt sah, beschloß er bei sich, der ewigen Stadt Valet zu sagen. Ob es Vorausahnung einer sich gegen ihn aufthürmenden Gefahr war oder ob Heimathsehnsucht sein Herz bewegte, ist unbekannt geblieben, genug er grüßte wieder die heimischen Gefilde des Preußenlandes und beschloß in friedlicher Zurückgezogenheit seine Forschungen fortzusetzen und seine Werke zu schreiben. Ein Oheim, Lukas Köpernik, verschaffte dem geistvollen Verwandten ein Kanonikat am Domstift zu Frauenburg, hart am frischen Haff, wo der Sitz des Bischofs von Ermeland war. Von jetzt an machte sich Copernicus zum dreifachen Grundsatz und zur Lebensbedingung: vor allen andern Dingen seines kirchlichen Amtes zu warten, seine Kunst als Arzt nie um Geld zu üben, aber den Armen sie gern angedeihen zu lassen und jede ihm übrig bleibende Stunde seiner Lieblingswissenschaft zu widmen. Sein Wirken wurde dankbar anerkannt, die Armen verehrten ihn als einen Vater und Wohlthäter. Er legte für Frauenburg eine nützliche Wasserkunst an, welche aber die Nachkommen wieder in Verfall gerathen ließen, und erwarb sich durch seinen Wandel, durch die Biederkeit seines Wesens und die Redlichkeit seines Charakters so hohe Achtung, daß er 1521 zum Abgeordneten des Bisthums Ermeland und des Domstifts erwählt und zum Landtag nach Graudenz entsendet wurde.

Copernicus hatte neben seinen treulich fortgesetzten astronomischen Forschungen auch durch Berechnungen ein Münzsystem erfunden, welches, wenn es angenommen worden wäre, durch seine Einfachheit und mathematische Unfehlbarkeit vielleicht fähig gewesen wäre, allen tausendfachen Münzwirren späterer Zeit in Deutschland vorzubeugen; allein der versammelte Landtag, dem er dasselbe vorlegte, nahm dieses System nicht an, vielleicht, wie so häufig der Fall ist, aus System: Vorschläge zu nützlichen neuen Einrichtungen abzulehnen. Darin mochte Copernicus genügsame Beweggründe finden, mit seinem noch ungleich wichtigeren Systeme von der Bewegung der Himmelskörper nicht allzu frühzeitig hervor zu treten. Als er dieß endlich dennoch that, konnte es gar nicht fehlen, daß dasjenige Widerspruch fand, was die Welt nicht begriff, nicht faßte, was ihren mangelhaften Ansichten unmöglich schien, da der Augenschein anders lehrte, da die Erde scheinbar stille stand und Sonne und Mond sie täglich umkreisten. Der berühmte Gröninger Gemma Frisius bestritt das Copernicanische System als ein Paradoxon und andere folgten, dennoch brach sich’s Bahn über die ganze Erde und wurde die Grundlage aller späteren Astronomie, soweit sie unser Sonnensystem umfaßt. In dem Werke von den Bewegungen der Himmelskörper und mehreren anderen entwickelte Copernicus zu seinem ewigen Nachruhm sein System, und dann schied er still von hinnen. Er ruht im Dome zu Frauenburg; in Thorn wurde ihm ein Denkmal errichtet. Dauernd feierten ihn die Koryphäen der astronomischen Wissenschaft; auf ihn, als den Grundstein, bauten Keppler und Newton weiter, sein sinnender, denkender Geist schuf sich das unvergänglichste Gedächtnißmal.