Seite:Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen.pdf/84

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in herzlichem Einverständniß lebte, in Italien schätzten Rafael Sanzio von Urbino und Benvenuto Cellini den deutschen Meister hoch. Ersterer tauschte Bildnisse mit Dürer und sprach es unverholen aus, daß Dürer ihn und alle italischen Künstler übertreffen würde, wenn er die hohen Muster der antiken Kunst vor sich hätte. Aber Dürer verschmähte dieselben. Was Dürer in den verschiednen Zweigen seiner in jeder Beziehung trefflichen Kunstübung leistete, ist schier unübersehbar, und hat allseits die anerkennendste Würdigung sowohl seiner eignen Zeitgenossen, als der kritischen Nachwelt gefunden. Er ist durchaus eigenthümlich, nicht so ideal wie Rafael, nicht so steif und streng, wie die Meister der Cölner Malerschule; das erhabene gelang ihm wie das phantastische, Ernst und Anmuth wußte er zu mischen; selbst in den Gewändern und im Faltenwürfe, wo noch am häufigsten Wohlgemuths Einfluß hervorleuchtet, tritt oft eine von andern nie erreichte Großartigkeit und Mannichfaltigkeit hervor. – Oelgemälde von Dürer bewahren fast alle deutschen, niederländischen, wie mehrere französische und italienische Gallerten auf, der Aechtheit der letztern ist indeß nicht viel zu trauen. Selbst Madrid hat eine herrliche Kreuzabnahme und mehrere andere treffliche Stücke. Nürnberg (einschl. der ehemaligen Schleisheimer Gallerte), München und Wien mit der jetzt dort befindlichen Ambraser Sammlung sind in Deutschland am reichsten an ächten Dürergemälden. Plastische Arbeiten, die den Stempel seiner hohen Originalität und Meisterschaft unverkennbar tragen, zeigt man in den Kabinetten von Braunschweig, Gotha, London, München, Stuttgart, Wien. Selbst Medaillen hat Dürer gefertigt, man hat deren einige, die sein Zeichen tragen, mit dem Brustbilde Doctor Luther’s, 1525 und 1526; Michel Wohlgemuth’s 1508, mit seinem eignen, wenn es nicht den Vater darstellen soll, 1514; einen herrlichen weiblichen Kopf, welcher für den seiner Agnes gehalten wird, von 1508. Als Kupferstecher wurde Dürer Meister und Vorbild für alle Nachkommen, indem er alle bedeutenden Stecher vor ihm überflügelte; es ist ganz zuverlässig anzunehmen, daß er frühzeitig die Goldschmiedskunst des Niellirens lernte und übte, wohin das berühmte kleine Crucifix, der sogenannte Degenknopf Maximilian’s I. unverkennbar deutet. Ueber hundert, zahlreich copierte und oft täuschend copierte Stiche hat Dürer hinterlassen. Zu den größten und bedeutendsten gestochnen Blättern Dürer’s gehören Ritter, Tod und Teufel, St. Hieronymus in der Zelle, St. Eustachius, die Melancholie, auch die Portraits des Cardinal Albrecht v. Mainz, Friedr. d. Weise, Kurfürst zu Sachsen, Erasmus, Melanchthon, Birkheimer. Ebenso vorleuchtend, wie als Kupferstecher, war Dürer als Meister des Holzschnitts; nicht daß er jedes Blatt, welches sein Zeichen trägt, vollständig und fertig in Holz ausgegraben habe; daß er aber die technische Kunst des Holzschnitte verstand und übte, wie kaum ein zweiter vor und nach ihm, etwa Holbein ausgenommen, ist außer allem Zweifel. Die Holzschnitte allein wären hinreichend, Dürer den Ruhm eines in dieser Kunst kaum unübertreffbaren Meisters zu sichern; hielt doch der große Marc Anton es für werth, einen Theil derselben zu copiren, der Copien von Dürer’s zahlreichen Schülern nicht zu gedenken. Außer ungemein zahlreichen Einzelblättern der Heiligen- und Profangeschichte, der Allegorie, Brustbilder, Wappen u. s. w. schuf er die großen aus vielen Blättern bestehenden Werke der Apokalypse, Leben der Maria, große und kleine Passion, Maximilian’s I. Ehrenpforte (92 Holzstöcke), der Triumphwagen desselben, die seltnen Irrgänge; endlich die mit Holzschnitten versehenen eignen Werke Dürer’s von der Proportion des menschlichen Leibes und von der Befestigung der Städte. Und nach alle diesen schmücken noch eine große Anzahl der trefflichen Handzeichnungen des großen Meisters die Sammlungen. Ein so reich begabtes schöpferisches Leben – und nicht glücklich! Mit 57 Jahren der Kunstwelt, dem verehrenden Schüler- und Freundeskreis entrissen, ruht Dürer auf dem St. Johanniskirchhof seiner Vaterstadt, ihr größter, berühmtester Sohn. Vor seinem Hause steht seine Bildsäule in Erz.