Sponsel Grünes Gewölbe Band 2/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den II. Band des Tafelwerkes – Neue Gefässformen

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Prunkschüsseln und Kannen Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 2 (1928) von Jean Louis Sponsel
Neue Gefässformen
Dinglingers goldenes Kaffeezeug
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NEUE GEFÄSSFORMEN

Daß um jene Zeit die Form des deutschen Renaissancepokals wieder aufleben könne, dafür bot die andersgeartete höfische Kultur keine günstigen Vorbedingungen. Für die drei um diese Zeit noch hergestellten Pokale im Grünen Gewölbe gibt es nur noch vereinzelte ähnliche Stücke an anderen Orten. Sie bilden auch Ausnahmen unter den Gefäßformen vom Anfang des 18. Jahrhunderts und sie sind auch nicht entstanden, um als Trinkgefäße benutzt zu werden, sondern um von allen Seiten angeschaut zu werden und zwar nicht als Kunstformen von Pokalen, sondern als Träger einer Sammlung [123] von Kameen. Das Interesse für geschnittene Steine war zuerst in Italien durch die Funde antiker Stücke zur Zeit der Renaissance lebhafter geworden, das Wiederaufleben wissenschaftlicher Studien, das Eindringen in die Schriften der antiken Schriftsteller hatte dazu geführt, daß man den bildlichen Inhalt der antiken geschnittenen Steine zu erklären suchte, es entstand eine reiche Literatur über deren Sammlungen, in der aber die hohen künstlerischen Reize der Werke weniger zu Wort kamen, als ihr mythologischer oder historischer Inhalt. Der künstlerische Wert der Gemmen und Kameen und die Technik ihrer Herstellung fesselte mehr die Kunsthandwerker. Diese wußten sich mit steigendem Erfolg die Technik des Steinschneidens wieder zu eigen zu machen, anfangs wohl zur Nachahmung antiker Stücke und zum Zweck der Fälschung. Dann aber auch unabhängig von jenen Werken, doch da ja der antiken Kultur immer mehr gehuldigt wurde, blieb der bildliche Inhalt zumeist der gleiche, wie bei den echten antiken Stücken. Meist waren es Köpfe und Büsten von Göttern und Helden und von den römischem Kaisern. Das 17. Jahrhundert ist wohl die Zeit des leidenschaftlichsten Sammelns von Gemmen und Kameen gewesen und auch die Zeit, in der die Steinschneider davon kaum genug für den Bedarf liefern konnten. Vereinzelt dienten die geschnittenen Steine zur Verzierung von Ziergeräten wie Uhren und Gefäßen, in der Hauptmasse wurden sie zu Sammlungen vereinigt. Das Münchener Münzkabinett besitzt eine umfangreiche Sammlung sowohl antiker wie neuerer geschnittener Steine. In auffallendem Gegensatz zu München fehlt eine solche Sammlung in Dresden. Der Grund liegt darin, daß in Dresden August der Starke, der ihren Wert wohl zu schätzen wußte, die Steine nicht in Kästen aufspeichern wollte, sondern sie als Schmuck kostbarer Kabinettstücke vor Augen haben wollte. Die Werke Dinglingers sind hierfür sprechende Zeugnisse. Melchior Dinglinger nennt sich selbst auch Steinschneider: gemmarum operis artifex. Neben ihm werden in Dresden auch noch andere Steinschneider genannt, die meist sogar für ihn arbeiteten. Aber auch durch Ankäufe von anderer Seite suchte sich der für alle Zierkünste interessierte Kunstliebhaber solche Werke zu verschaffen, sie wurden ihm von Dresdner Händlern und Juwelieren angeboten, vielleicht schon hergestellt in Hinblick auf seine bekannte Sammelleidenschaft. So ist der Pokal mit der Athenabüste aus Bergkristall als Krönung auf Tafel 56 von dem Dresdner Hofjuwelier Neßler an ihn verkauft worden, doch ist die Silberarbeit und Fassung der Steine laut der Marke in Augsburg hergestellt. Über [124] den Namen des AP signierenden Verfertigers besteht noch keine Gewißheit. Die solide Konstruktion des Pokals und seine ziselierte Verzierung bekunden schon seine Augsburger Herkunft. In Augsburg war in der Silberarbeit seit den Zeiten des Dreißigjährigen Kriegs und den nächstfolgenden Zeiten der Verarmung Deutschlands zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Wandlung eingetreten. Die Geräte und Gefäße wurden nicht mehr aus dünnstem Silberblech hergestellt, es wurde wieder viel solider gearbeitet. Nicht von jedem und nicht durchgehends, doch sobald nicht Massen von gangbaren Waren herzustellen, sondern anspruchsvollere und zahlungskräftige Kunden zu befriedigen waren. Ein solches das Augsburger Kunsthandwerk in vorteilhaftestem Licht zeigendes Erzeugnis ist dieser Pokal. Den althergebrachten abgebrauchten Typen steht er fern. Es ist die unverwüstliche Becherform, die für das Gefäß gewählt wurde, doch in deren Aufbau wird jede Überladung vermieden. Der Wulst seines Bodens verleiht der Becherform das Gepräge der Festigkeit, ebenso die Gliederung der Wandung durch schmale Rahmen und breitere nach oben erweiterte Felder zwischen einer glatten Hohlkehle und dem glatten Mundrand. Dieser Gliederung entspricht die radiale Rillung des Fußes, der kräftig und elastisch von glatter Hohlkehle zu verzierter Wölbung umschwingt. Der eingeschweifte Bergkristallschaft wird in seiner Tragkraft verstärkt durch weiter ausladende Bügel. Der flachgewölbte Deckel mit glatter Hohlkehle zwischen zwei verzierten Wölbungen dient mit einem kurzen Sockel als Träger der mattierten Bergkristallbüste. Der ganze Aufbau macht so den Eindruck vornehm zurückhaltender und solider Konstruktion, die auch an dem dickeren Silber bei Öffnung des Bechers bestätigt wird. Durch die flache Ziselierung der Bandwerkverzierung wird die Form nirgends verdunkelt. Die Umrisse werden aber unterbrochen von dem höheren Relief der in Kastenfassungen aufgesetzten Kameen, die in ihrer Beschränkung auf wenig Stücke und deren symmetrische Verteilung tatsächlich als Zierde dienen. Auf die Würdigung der Kameen selbst, von denen die Abbildung auch nur einen Teil zeigen kann, muß verzichtet werden. Sie verlangen ein Sonderstudium und sollen hier doch nur dazu dienen, als zusammenwirkender Schmuck des Ganzen betrachtet zu werden. An der Büste der Athena hat der zeitgenössische Steinschneider die Züge jugendlicher Anmut in seiner schwierigen Technik in glatten Formen zum Ausdruck gebracht.

[125] Die beiden anderen als Gegenstücke entstandenen Kameenpokale auf Tafel 57 lassen bei gedrungenerer Form die gleiche Zeit der Entstehung erkennen. Die unten abgerundete Becherform des Gefäßes sitzt auf einem Schaft, der nur aus einem Knauf zwischen zwei Hohlkehlen besteht und der von einem stärker ansteigenden Fuß getragen wird. Ebenso wie der Fuß ist auch der Deckel höher gewölbt, er trägt über einem Knauf eine nur als dessen Spitze wirkende Büste je einer aus Onyx geschnittenen Negerin. Die Gefäßform ist senkrecht in acht Flächen gegliedert, ebenso Fuß, Knauf und Deckel. Die schwache Profilierung ihrer Kanten wird so durchgehends vom Fuß bis zur Spitze fortgesetzt. Die aus dem Quadrat mit abgefasten geschweiften Ecken gebildete achtkantige Form kommt wie am Fuß an der größten Weite des Gefäßes, an seinem Mundrand, entsprechend stärker zur Erscheinung. Die ganze gedrungene Form der Pokale würde unverziert den Aufbau vorteilhafter zur Geltung kommen lassen. Sie ist aber allenthalben übersäet mit großen und kleinen Kameen und jede davon unbedeckte Fläche ist mit ziseliertem Ornament in der Art Jean Bérains d. ä. angefüllt. Das Ornament ist flach aus dem Grund herausgearbeitet. Es hat anderen Charakter als das des Athenapokals, so scheinen beide Pokale nicht in der gleichen Werkstatt wie jener entstanden zu sein. Die zur Verzierung aufgesetzten Kameen sind auch nicht Sammelstücke des sächsischen Hofes, denn die beiden Pokale sind von einem Dresdner Händler gekauft, der sie sicher auswärts erworben hatte, vermutlich in Augsburg. Ob ähnliche Stücke in Wien eine Marke haben und aus der gleichen Werkstatt stammen, ist noch nicht festgestellt. Das Unternehmen des Silberschmieds, eine Sammlung älterer Kameen (der Pokal links mit dem antiken Jupiterkopf enthält deren 168 Stück, der Pokal rechts 176) zur Ausstattung eines Ziergefäßes zu verwenden, ist ja allerdings keineswegs neu gewesen, es hat eine bis hoch in das Mittelalter reichende Ahnenreihe, neu ist nur deren Verwendung in diesem Umfang. Es kam jedenfalls aber dem Zeitgeschmack entgegen. Doch sind solche Stücke eher für die Aufstellung in einer Kunstkammer berechnet, als daß man sie zur Ausstattung der Tafel oder eines Tresors und zu praktischem Gebrauch bestimmt hätte.

Ebenso wie bei diesen drei Pokalen die Absicht, andere Werke daran zur Schau zu stellen, zur Wiederaufnahme eines der Haupttypen von Ziergefäßen der Renaissance geführt hatte, so geschah es auch bei dem Straußeneipokal auf Tafel 19, den Kurfürst Friedrich August II., als König von Polen August III., [126] hatte anfertigen lassen, um damit die Erinnerung daran festzuhalten, daß ein in dem Wildgehege bei Schloß Moritzburg gehaltener Straußvogel dort ein Ei gelegt hatte. Afrikanische oder amerikanische Straußeneier konnte man damals ja jederzeit zu kaufen bekommen und sicher auch erheblich billiger, als in früheren Jahrhunderten. Es war aber bisher noch nicht vorgekommen, daß ein nach Europa überführter Straußvogel hier ein Ei gelegt hatte. Das in Moritzburg in Sachsen gelegte Straußenei sollte darum als einzigartiges Naturerzeugnis zur Erinnerung daran aufbewahrt und durch eine besondere Fassung ausgezeichnet werden. Das Grüne Gewölbe bewahrte aus den Zeiten, als die Straußeneier noch kostbarer waren, sowohl einzelne ungefaßte und mit Gravierungen fremder Völker gezierte Stücke, wie auch solche in künstlerischen Fassungen. Für diese waren im 16. und 17. Jahrhundert die gebräuchlichsten Formen der in Kandelabermotiven der Renaissance aufgebaute Deckelpokal mit einem in zwei Teile zersägten aufrecht gestelltem Ei als Deckelgefäß und die Nachahmung der Gestalt des Straußvogels, bei der ein Ei in wagrechter Lage die Stelle des Körpers vertrat. Man wählte nun eine Form, die zwischen beiden Typen die Mitte hält und man bediente sich dazu eines Kunsterzeugnisses, das dem Sachsenland Weltruf verschafft hatte, des Meißner Porzellans.

Der aus bemaltem Porzellan gebildete Fuß und Schaft des Pokals lehnt sich an die überlieferte Form des Deckelpokals an, indem auf dem in gewölbter Rundung gebildeten Boden ein Baumstamm steht, der zugleich mit den ihn umfassenden Beinen des Vogels eine kompakte geschweift verjüngte Stütze des Gefäßes bildet. Ein engerer Anschluß an die Gestalt des Vogels wird dann aufgegeben, das Ei ist wie bei den Pokalen der Renaissance als Gefäß aufrecht gestellt und nach Absägen des oberen Viertels mit einem silbernen Deckel versehen, aus dem senkrecht Hals und Kopf des Straußenvogels als Spitze emporstrebt. Das Ei ist wie früher am Mundrand und Deckel in vergoldetes Silber gefaßt, der Mundrand durch Schienen mit dem Schaft verbunden, ebenso hat auch der Boden einen silbervergoldeten Fußrand erhalten. Der ziselierte Lambrequinfries am Mundrand, die Schienen, der Deckel und der Fußrand bekunden durch ihr Laub- und Bandwerk die Entstehungszeit der Fassung zwischen 1734 und 1740. Diese war nicht einem Silberschmied, sondern einem Dresdner Emailleur und Juwelier Herfurth übertragen worden, der sonst im Grünen Gewölbe mit Werken nicht vertreten ist, was sich dadurch erklärt, daß nach dem Tod Augusts des Starken 1733 nur noch ausnahmsweise diese [127] Sammlung ergänzt wurde. Einen Hauptschmuck des Pokals bildet vorn der aufgelegte Goldzierat mit seinen beiden emaillierten Wappen in barocker Umrahmung unter Monogramm und Königskrone Augusts III. und mit den beiden Orden. Auf der Rückseite wird auf ovaler aufgelegter Goldplatte in Emailmalerei auf weißem Grund das Ereignis in Versen gefeiert. Das Ganze ein originelles und geschmackvolles Kunstwerk.

Von Gegenständen anderer Art, die als Zugänge zur Silberkammer zu regelmäßiger Verwendung kamen, ist unendlich viel der wechselnden Mode zum Opfer gefallen. Das alte Silbergerät wurde in der Münze eingeschmolzen und den Silberarbeitern zur Anfertigung neuer Stücke übergeben oder zum Münzen von Geldstücken verwendet. Diesem Schicksal sind nur größere und unbeschädigt erhalten gebliebene Stücke entgangen, sodaß von dem Tafel-Silbergerät nur das in der Silberkammer erhalten geblieben ist, was August der Starke und sein Sohn hat anfertigen lassen. Als zu den gleichen Zwecken verwendungsbereit ist aber eine Gruppe meist größerer silbervergoldeter Gefäße im Grünen Gewölbe geblieben, die wohl August der Starke schon darin zum Teil vorgefunden hatte und manches ist auch noch unter ihm hinzugekommen. So hieß ja das Zimmer, das wegen seines grünen Farbanstrichs der „Geheimen Verwahrung“ den Namen des „Grünen Gewölbes“ gegeben hat, nach der Aufstellung von 1724 das „Silber- oder Büfettzimmer“, ebenso das anstoßende heutige Emaillenzimmer das „Weißsilberzimmer“. Gerade das Weißsilber, das zu jener Zeit noch vorhanden war, ist vollständig verschwunden. Dagegen hat manches von der Ausstattung von Büfetts und von Tafelgerät den Wandel der Mode überstanden, im wesentlichen nur größere Stücke.

Von den vielen Tellern und Schalen, Löffeln, Messern und Gabeln, sowie 20 silbernen und silbervergoldeten Gießbecken mit zugehörigen Kannen, die Kurfürst Johann Georg I. 1612 hatte inventarisieren lassen, ist allem Anschein nach nicht ein Stück erhalten geblieben. Auch der Bestand des Inventars an Hofsilber von Kurfürst Johann Georg III. von 1683 ist nicht mehr nachweisbar. Allein ein Paar großer Schwenkkessel mit zugehöriger Kanne gibt Kunde von dem Gebrauch sehr großer Stücke. Unter Kurfürst Johann Georg IV. werden außer Dresdner Silberschmieden nur noch Augsburger Lieferanten genannt, die aber wohl alle nicht selbst Silberschmiede waren, sondern Silberhändler. Bei der Hochzeit seines Bruders und späteren Nachfolgers ist von den [128] dafür ausgeworfenen 100 000 Rthlr. viel Silberwerk angeschafft worden, neben Dresdner Lieferanten werden wieder Augsburger Händler genannt, die noch 1698 zu bezahlen waren. Auch das Verzeichnis von dem bei der eigenen Hochzeit des Kurfürsten Johann Georg IV. in Torgau verwendeten Silbergeräts (ô Byrn S. 76), wozu auch einiges aus dem Grünen Gewölbe dargeliehen worden war, läßt sich heute mit keinem der dort erhaltenen Stücke identifizieren. Man hatte damals schon auch Möbelstücke aus Silber, die aufgeführt werden, Gueridons, Plaquets, Brandruten, Tische, Kronleuchter, Spiegel und des Kurfürsten neue Garnitur, eine goldene, d. h. vergoldete, und eine silberne. Bei der Bekleidung des Kurfürsten Johann Georg IV. mit dem Hosenbandorden 1693 werden u. a. genannt etl. silberne Bouteillen oder Flaschen nebst silbernen Bechern, ferner drei vergoldete Gießbecken und Kannen aus dem Grünen Gewölbe. Der Tresor war mit weißem Silberzeug bekleidet, darunter die vergoldeten Stücke aus dem Grünen Gewölbe: Tiere, Willkomme, St. Georg und andere figurale Stücke, sowie die großen Schwenkkessel mit zugehörigen Wasserkannen (ô Byrn S. 78).

Kurfürst Friedrich August I. (August II. v. Polen, der Starke) hat dann mit vielem alten Vorrat aufgeräumt und große Anschaffungen gemacht, und zwar lassen sich dafür zwei Hauptperioden auseinanderhalten. Die erste von 1694–1700, die zweite 1717–1719 und folgende Jahre. In dieser ersten Zeit ist Augsburg fast allein der Bezugsort. Neben den Silberwarenhändlern Penz, Güllmann, Raumer werden die Silberschmiede Johann Andreas Thelot, Philipp Jacob, Emanuel und Abraham Drentwett, Johann Heinrich Mannlich, Georg Lorenz Gaap (Gapp, Gaab) und Lorenz Gaap, Johann Ludwig Biehler, Philipp Jacob, Johann Jacob, David Jäger, Leonhard Heckenauer, Matthäus Jacob Strohmeyer u. a. als Augsburger Meister der erworbenen Stücke genannt. Daneben werden Dresdner Meister, Rachel und Johann Jacob Irminger, genannt. Dazu kam am 9. Januar 1704 der Dresdner Meister Christian Gottlob Irminger mit dem „andern Servis von den doppelten königl. silbernen Tafelservice“. Bei dem Besuch des Königs von Dänemark 1709 hatte dann Gottfried Döring (Dornig?) die Silberkammer zu vervollständigen. Dazu kaufte August der Starke 1713 zu Leipzig ein silbern-vergoldetes Kaffeeservice und von der Gräfin v. Pflug ein silbernes Service für 7433 Thlr., zu dem Irminger 1715 noch für 4490 Thlr. Silber hinzuarbeitete. (ô Byrn S. 87). In derselben Zeit 1713–1715 hatten noch die Goldschmiede Paul Loschge, Christian Gottlob [129] Irminger und Döring (Dornig) einzelne Tafel- und Büfettstücke anzufertigen, die Augsburger(?) Rachel(?) und Hentschel 1714 eine Kirchenmonstranz zu liefern und der Augsburger Silberhändler Güllmann Girandolen, Gueridons und Brandruten. Der Dresdner Silberschmied Risse erhielt am 8. Juli 1713 20 000 Thlr. für Silberwerk, der Augsburger Paul Loschge lieferte 1713 ein silbervergoldetes Reiseservice und Irminger ein innen vergoldetes Gießbecken mit Kanne. Dazu kamen dann (ô Byrn S. 99). die Anschaffungen für die Hochzeitsfeste des Kurprinzen von 1719, wozu für die Silberkammer die Dresdner Meister Christian Gottlob Irminger, Georg Gerbeck und Paul Ingermann für die Ausstattung der Gemächer und der Tafel arbeiteten und aus Augsburg die Gebrüder Greif und Köpf, Gebrüder Güllmann, Loschge, Penz, Rachel und Hentschel Lieferungen machten, die dann in der Hauptsache den Bestand der Silberkammer bildeten, während alle früheren Stücke dort nicht längere Dauer hatten. Besonders hervorzuheben ist darunter das doppelt matt vergoldete Service von 1718, das für die stilistische Entwicklung der Zeit und besonders auch die ausgezeichnet gediegene Arbeit eines der hervorragendsten Zeugnisse bildet. Die einzelnen Ergänzungen dieses Bestandes von 1728–1730 und 1733, von 1799 und 1810 sind von weit geringerer Bedeutung (ô Byrn S. 100/104).

Dieser kurze Überblick über die Erwerbungen seit der Mitte des 17. Jahrhunderts läßt schon erkennen, daß zunehmend die Augsburger Silberschmiede daran den Hauptanteil gewannen. Aus den in den Verzeichnissen aufgeführten Gegenständen ersieht man ferner, daß zu den früher gebräuchlichen Gefäßen und Geräten nicht wenig andere hinzugekommen waren und daß für diese andere Formen zur Ausbildung gelangt waren, und deren verschiedene Hauptstücke, Terrinen, Gießbecken und Kannen, Schwenkkessel und Wasserblasen, Tee- und Kaffeekannen, Weinkühler, Dosen und Büchsen, Schalen und Teller die vordem verwendeten Gefäße und deren Formen mehr und mehr verdrängten. Auffallend ist hierbei das Zurücktreten der Nürnberger Meister und das Vordringen der Augsburger, die nicht nur ihre Waren auf den Messen zum Angebot brachten, sondern die stete Versorger der deutschen Hofhaltungen wurden. Neben diesen ein Erstarken der einheimischen Erzeugung, wobei Leipzig bald von Dresden in den Hintergrund gedrängt wird.

Im 17. Jahrhundert bemerken wir die zunehmende Verwendung von Schraubflaschen. Solche wurden vielfach aus Zinn hergestellt und dienten dazu, [130] den Wein vom Faß aus dem Keller zu holen. Diese Gefäße hatten meist die Form großer fußloser Büchsen, zylindrisch rund oder mehrkantig, mit einem Henkel auf dem Schraubdeckel; die einfache zweckmäßige Gebrauchsform wurde auch zuweilen in Silber reicher ausgestattet, doch wurden für ihre Verwendung zugleich als Schaustücke andere Formen bevorzugt. Ein Vorläufer solcher großer Flaschen aus dem 16. Jahrhundert auf Tafel 56, deren Deckel mit Scharnier mit der Flasche verbunden ist. Die ungewöhnliche Gestalt dieser Flasche, deren Gefäß in Form einer Kugelzone mit der Mantelfläche auf einen in verjüngter Schweifung ansteigenden Sockel gestellt ist und einen aus dem Mantel aufragenden leicht eingeschweiften zylindrischen Hals mit Haubendeckel besitzt, macht den Eindruck architektonischer Konstruktion, es ist aber doch möglich, daß ein ähnliches Gefäß in Wien dazu die Anregung gegeben hat. Ähnliche flache walzenförmige auf die Rundung gestellte Gefäße, ohne den Fuß und langen Hals, waren und sind als Feldflaschen von Ackerbauern in Gebrauch. Der Silberschmied hat eine solche Form zum Prunkgerät erhoben. Wo und wann dies geschehen ist, mag nicht leicht festzustellen sein, die Marken fehlen, nach den Formen der Verzierung scheint die Mitte des 16. Jahrhunderts dafür anzusetzen. Daß die Flasche für den Dresdner Hof entstanden sei, ist nicht gewiß; der kursächsische Wappenschild beiderseits am Ansatz des Halses kann auch erst später hinzugefügt worden sein. Die beiden bildlichen Darstellungen, die die kreisrunden Schnittflächen des Gefäßes zieren, auf der einen Seite die Eroberung einer Festung, auf der andern die Rettung eines Kriegers durch einen reitenden Bauern, scheinen keinen geschichtlichen Vorgang vorzustellen. Trotz der im Feld stehenden Kanonen haben die Krieger antike Gewandung. Die ornamentalen Motive der getriebenen Arbeit sind seit der Hochrenaissance in Geltung geblieben, so daß daraus keine sichere Datierung möglich erscheint. Die Form des Henkels, der sich vom Ansatz des Halses bis über den Schraubdeckel entwickelt, nimmt dem Flaschenhals den Eindruck des Mageren und läßt auch die flache runde Scheibenform des Gefäßes nach oben ausklingen. Auch die Motivierung der Henkelbildung durch die an Kopf oder Schwanz vereinten Delphine ist glücklich gewählt. Ebenso auch die Belebung der Ecken am Halsansatz durch die Schildkröten und die sitzenden Engelknaben. Die 81 cm hohe Gesamthöhe der Flasche überragt die der meisten anderen Ziergefäße. Eine solche Steigerung der Größe beobachten wir erst seit dem Ende des 16. Jahrhunderts.

[131] In flüssigeren Formen ist die große Kettenflasche der Tafel 57 entwickelt. Auch diese ist flach, indem das bauchige Gefäß im Querschnitt ovale Form hat, von der aus der hohe Hals in starker Verjüngung zylindrisch aufsteigt und in einen wenig übergreifenden glockenförmigen Schraubdeckel mündet. Der den Deckel krönende geschweifte Henkel wird durch Anker- und Panzerkette verbunden mit den beiden Satyrmasken, die zu beiden Seiten des Bauches den einzigen figuralen Schmuck des Gefäßes bilden. Die Ketten dienen sowohl zum praktischen Gebrauch, wie auch zur Bereicherung der Verzierung, die mit ihrem noch unentwickelten Bandwerk noch in das Ende des 17. Jahrhunderts verweist. Gegenüber der vorangegangenen Flasche wird der Zeitabstand auch noch durch die Beschränkung der Verzierung bemerkbar. Dort ist noch kaum ein Glied unverziert gelassen, hier setzt schon über dem gewölbten und mit ziseliertem Relief verzierten Rand des ovalen Fußes eine glatte Hohlkehle ein. Dann ist die untere Hälfte auf gerauhtem Grund großzügig mit aufsteigenden Blättern zwischen Bandwerk verziert. Eine Profilleiste trennt dann die untere Hälfte von der oberen glatten Hälfte des Gefäßes, die noch einmal am Übergang zum Hals durch eine Profilleiste geteilt wird. Diese Einfassungen, ebenso der Öffnungsrand, sind lediglich durch Bandwerkbordüren in ziselierter Arbeit geschmückt und die Reinheit der blanken Formen ist durch nichts verschleiert. In solchen Gefäßen zeigt sich ein anderes Gefühl für Komposition und Wohllaut der Formen, das den großen Zug der Entwickelung der von einer anderen, höfischen Kultur bestimmten Ausgestaltung der Wohnräume bis ins kleinste ausklingen läßt. Das zeigt sich auch in den anderen in diesen Jahrzehnten entstandenen Zier- und Gebrauchsgefäßen. Die Flaschen haben die Beschaumarke von Augsburg, das beweist, daß die Augsburger Silberschmiede der neuen Zeitrichtung dieser für die europäischen Höfe ziemlich gleichmäßigen Entwickelung den entsprechenden Ausdruck zu geben wußten, wodurch sie sich die Führung unter den deutschen Silberschmieden sicherten.

Während diese Gefäße immer noch zur Ausstattung von Tafeln und Tresors neben anderen gleichgroßen oder kleineren Stücken zu Gruppen sich vereinigen ließen, verlangte die auf große Repräsentation gerichtete Zeit Silbergeräte von noch größeren Dimensionen. Silberne Tische, Wandschirme und Gueridons, die auf den Fußboden gestellt werden mußten, sind in den Verzeichnissen der Dresdner Hofsilberkammer schon mit aufgeführt. Ebenso [132] auch Schwenkkessel und die dazu gehörigen Wasserblasen. Ein solcher Schwenkkessel, Tafel 58, gleichgültig ob bei der Tafel gebraucht oder nicht, gehörte jetzt mit zur Ausstattung des Speisesaals und nicht ein Stück allein. Mit der Wasserblase zusammen bildete er eine Garnitur und der beliebten Symmetrie halber kamen gleich zwei oder mehr Paare zur Aufstellung. Die Größe des Kessels ohne die Henkel, 45 cm hoch und 94 cm lang, sein Gewicht von 22150 g, läßt erkennen, daß es dabei darauf ankam, schon hierdurch Eindruck zu machen. Aus richtigem künstlerischen Gefühl heraus, ist hierbei auf zierliche Ornamentik verzichtet. Allein der spiegelnde Glanz des vergoldeten Silbers unterstützt die Wirkung seiner Formen. Mittels einer Reihe breiter Buckel an der unteren Ausbuchtung und wieder einer Reihe von breiten Ausbuchtungen über der Einschnürung wird ein Wechsel von Lichtreflexen erzielt, der die großen charaktervoll getriebenen Formen gut zur Erscheinung bringt. Der Eindruck wuchtiger Festigkeit wird durch die ausgreifenden vier Löwenfüße verstärkt, ebenso entsprechen die seitlichen Henkel sowohl ihrer Aufgabe, wie dem gesamten Charakter des Gefäßes. – Ein paar noch größerer und je 5370 g schwerer Eiskessel gleichfalls Augsburger Arbeit, einfacher in der Form ist aus dem gleichen Bedürfnis und Gefühl heraus entstanden (IV, 212).

Zu jenen beiden Schwenkkesseln gehören zwei Wasserblasen, deren eine auf Tafel 59 abgebildet ist. Das Wassergefäß hat die Form einer Vase. Das birnförmig runde Gefäß ist ebenso ohne ornamentale Verzierung gelassen, nur die verschiedenen Buckelreihen dienen ihr als Schmuck und bringen die vornehm entwickelte Form zu monumentalem Ausdruck. Die Löwenköpfe mit Henkelringen in den Mäulern, die Delphin als Ausguß entsprechen vollständig den Verhältnissen des Aufbaues, wenn auch die Form einer Vase, der dieser Delphin an der Ausgußstelle angesetzt werden mußte, nicht als die entsprechende Lösung der Aufgabe erscheinen mag. Die Marken HB an diesen Gefäßen sind bisher noch nicht mit einem bestimmten Augsburger Meister in Zusammenhang gebracht worden. Er ist jedenfalls nicht identisch mit dem Verfertiger der beiden Eiskessel, die JLB signiert sind und nur auf Johann Ludwig Biller I. gedeutet werden können, der 1656 in Augsburg geboren ist.

Ähnliches vornehmes Formgefühl und Verzicht auf ornamentale Verzierung unter Verwendung einzelner plastischer figuraler Motive an den dazu passenden Stellen bekunden die beiden ganz ohne Zweifel von einem Meister hergestellten [133] sowohl in der Form leicht voneinander abweichenden, wie in den figuralen Motiven verschiedenen Kaffeekannen auf zugehörigen Tabletts. Ich bin deshalb geneigt, den Verfertiger gleichfalls in Augsburg zu suchen, die Marke unter dem Deckel der einen Kanne ist leider nicht mehr erkennbar. Die Form einer doppelhenkligen Vase, der unten daran angesetzte Ausguß mittels einer ohne weitere Vermittlung angesetzten Figur, der Verzicht auf Ornament lassen fast den gleichen Verfertiger wie der Wasserblase vermuten. Beiden Vasen ist das gleiche Motiv der Gefäßbildung gemeinsam, das eine Mal in breiteren, das andere Mal in schlankeren Verhältnissen; über dem kurzen mit vier eingeschweiften Bogen scharfkantig verjüngt aufsteigenden Sockel ein noch zum Sockel gehöriger Wulst von einer Perlkette abgeschnürt, darüber in ausladender Kurvenschwingung der untere Teil der Vase, der in deren breitester Ausladung in Gegenschwingung des oberen Teils zum Hals umschlägt und an seiner engsten Stelle von dem überragenden Wulst unter dem Deckel aufgefangen und abgeschlossen wird. Man mag die Fußbildung mit dieser flüssigen Bewegung nicht ganz im Einklang finden, doch das Gefäß selbst ist vorzüglich entwickelt. Das breitere Gefäß auf Tafel 60, bei dem die den Umriß bestimmenden Schwingungen am kräftigsten sich äußern, hat auch entsprechend bewegte Henkel, auch hier zwei Gegenschwingungen von Schlangenleibern, die oben sich in zwei Körper spalten und an dem Wulst festbeißen. Unter den Schlangenhenkeln haben sich Delphine angehängt, auf denen je ein Putto klettert, die Delphinenrachen vermitteln den Ausguß. Auf der oberen Schwingung der Schlangenhenkel ist die Bewegung noch ausgeschwungen in gegenschwingenden Wellenkämmen. Die dort gelagerten Gestalten von Neptun und Amphitrite sind der ganzen Bewegung aufs glücklichste angepaßt. Ebenso ist eine gegossene Gruppe gleichen Schwunges unten am Bauch dieser Kanne in gleicher Unbesorgtheit angefügt, ein Hippokamp mit einem darüberschwebenden Putto.

Die schmalere Vase auf Tafel 61 wirkt in der Bewegung weit steifer, die Gegenschwingung zum Halse ist höher und steiler, es fehlt der Perlrand, der an der breiteren Vase den Beginn des Umschwungs einleitet und zugleich mit einer festen Stütze versieht. Man vermißt diese Betonung direkt bei der kahleren Vase. So sind hier auch die Henkel zwar ähnlich geschwungen, aber doch auch steifer, doch glücklich zugleich als Basis der dort angebrachten Figuren benutzt, dem zu Pferd auf der einen Seite anstürmenden Perseus wird [134] als Gegengewicht der Komposition auf der anderen Seite eine Gruppe dreier niedersinkender Krieger gegenübergesetzt. Während dort die Gruppe des Hippokampen erst unten am Bauch angesetzt ist, wird hier Andromeda auf die Kante der Gegenschwingung aufgesetzt, zu ihren Füßen dann ein Delphin zugleich Ausguß. Die Bildung der kleinen gegossenen Gestalten zeugt von besonderer plastischer Begabung, und bei der glatten Oberfläche der Vasen kommt das Figürliche um so schärfer zu Geltung.

In den im Sechspaß ausgestalteten auf kurzen eckigen Sockeln ruhenden Kaffeebrettern ist die Verzierung auf Masken über den Sockeln und auf eine schmale Buckelung beschränkt. Vielleicht haben wir in Philipp Stenglin, der 1696 in Augsburg heiratet, den Verfertiger der beiden Kannen zu sehen. Die Meistermarke ist mit dem Stichel wohl durch den Augsburger Silberhändler unkenntlich gemacht worden, um den Hersteller der Arbeiten unbekannt zu lassen.

In ungefähr gleicher Größe wie diese Untersatzteller der Kaffeekannen befinden sich im Grünen Gewölbe noch eine Anzahl von Becken Augsburger Herkunft, die in zwei verschiedenen Formen mit geringen Varianten hergestellt sind. Die Grundform ist rund, doch ist der Rand der einen Sorte in zwölf Kreisbogen gegliedert, der der anderen Sorte ist abwechselnd in sechs geraden Linien und sechs symmetrisch doppeltgeschweiften Linien ausgebildet. Die in Kreisbogen geschweiften Schüsseln scheinen die früher entstandenen, eine hat die Marke von Philipp Küsel, gest. 1700, (IV, 249), eine andere die von Gottlieb Mentzel, Meister 1721, gest. 1757. Es ist ja wohl möglich, daß die spätere nach dem Muster der früheren hergestellt wurde. Andere runde Schüsseln tragen das Monogramm DS. Nach ô Byrn heißt einer der Augsburger Silberschmiede, die nach Dresden geliefert haben, Daniel Schlesinger, doch ist es zweifelhaft, ob ein Meister dieses Namens in Augsburg ansässig war (cf. R3.). Darum schlägt Rosenberg dafür den Silberschmied Daniel Schaeffer vor, der 1701 vermählt, 1727 gestorben ist. Werner David Schneeweiß. Eine auf den anderen Schüsseln mit geradem und geschweiftem Rand vorkommende Meistermarke ist die des Johann Erhardt Heuglin (Heiglin, Heigle), gest. 1757.

Zu diesen Becken, die als Handwaschbecken bezeichnet werden, gehören Kannen, die die Form von Helmkannen oder Kelchkannen haben, wiederum in Varianten. Davon haben vier die Signatur DS und drei J. E. H., also wenn [135] die Deutung richtig ist, von Daniel Schaeffer und J. E. Heuglin. Eine Kanne ist signiert PST, von R3. gedeutet auf Paul Steber, gest. 1716, eine andere P. K.=Philipp Küsel, gest. 1700. Tafel 62.

Daraus geht also hervor, daß schon vor 1700 solche Kannen und Becken geliefert wurden. Es sind dies die Becken mit in Kreisbogen bewegtem Rand, deren zugehörige Kannen noch die spärlichste Ausstattung haben. Die Kanne, die von Paul Steber herrühren soll, hat nur gravierte Verzierung, folgt diesem Typus, der durch seine breite Öffnung und ausgeweiteten Ausgußrand dem Gebrauch wohl zweckmäßig angepaßt ist und sich im 18. Jahrhundert deshalb lange behauptet hat, hat aber schon den Umriß unterbrechende wagrechte und senkrechte Profile, an die sich ebenso wie am Ausgußrand gravierte Gehänge anschließen. Der Fuß ist passigt belebt. Der Henkel ist durch ein Glied erhöht, das durch eine Volute an die Kanne sich anschließt (Tafel 62, 3).

Die weitere Entwicklung dieses Typus zeigt Tafel 62, 1. Hier fehlt die senkrechte Profilierung, der Ausgußrand ist ohne Ornament gelassen, dafür ist er vorn mit einer weiblichen Maske mit plastischem Schmuck belebt, die jetzt ziselierte und dadurch mit Relief gebildete Ornamentik, die sich an der oberen Profilierung ebenso als Gehänge anfügt, dann aber die ganze unterste Zone bedeckt, hat jetzt ausgesprocheneres Laub- und Bandelwerk und der Sockel endet mit einem runden Fußring, sicher weil er so besser auf die erhöhte Rosette des Beckens aufzusetzen ist. Der Henkel ist ebenso plastisch an Stelle jenes Volutengliedes durch einen Sphinxkopf erhöht.

Das letzte Entwickelungsstadium ist in der mittleren etwas höheren Kanne von Tafel 62 zu sehen, die dann erst zu den Erwerbungen von 1719 oder später gehören wird. Hier ist ebenso der Fußring rund. Die Kanne ist wieder wagrecht und senkrecht profiliert. Der Henkel durch eine weibliche Büste noch mehr erhöht, die ziselierten Gehänge in Laub- und Bandelwerk an jeder Zone sind durch aufgesetzte Medaillen plastisch noch stärker betont; solche Medaillen auch am Knauf und Fuß. Ebenso eine Maske unter dem Ausgußrand. So hat dieser Typus seine reichste Entwicklung gefunden.

Zu dieser Kanne gehört das Becken auf Tafel 63, das die gleichen Medaillen auf der ziselierten Verzierung des Randes und der Umrahmung der Mittelrosette aufweist. Der größere Reichtum der Form ist hier auch durch die der Bewegung des Randes angepaßte Vertiefung des Bodens erreicht. Doch hat die Rücksicht auf die praktische Verwendung des Beckens eine vornehme [136] Zurückhaltung in der Verzierung bewirkt. Ob Becken und Kanne später als 1719 entstanden sind, mag schwer zu entscheiden sein. Der Verfertiger dieser beiden Stücke, Joh. Erhardt Heiglin, war sicher auch der Erfinder ihrer Form und Ausstattung. Er hat auch drei Folgen von Vorlagen für Tafelservices, Toilettegerät u. dgl. in Kupferstichen im Verlag von J. J. Baumgartner herausgegeben, in denen er an ähnlich profilierten Gefäßen ebensolche Rand- und Bandmuster zeigt.

Die drei auf Tafel 64 abgebildeten Gefäße sind in ihren Formen wohl gleichfalls durch den Gebrauchszweck von Tafelgeräten bestimmt, alle drei wiederum Augsburger Herkunft.

Der in der Mitte abgebildete Weinkühler auf kurzem runden Fuß, unten ausgebaucht, nach oben leicht eingeschweift, ist gleichfalls durch Profilringe in drei Zonen gegliedert, deren mittlere blank gelassen ist. Diese hat dem Zweck angepaßte Henkel. Die Verzierung der unteren Zone hebt sich stärker vom Grund ab, als die der oberen, unten aufsteigend, oben als Gehänge. So wirkt das Ganze überaus ansprechend durch seine wohlbedachte Formengebung und einfache Ausstattung; das Gefäß scheint 1719 entstanden. Den Gegensatz hierzu bilden die beiden Deckelbüchsen. Die Form rechts zylindrisch und unten abgerundet, ebenso der flachgewölbte Deckel bekunden im Aufbau die äußerste Einschränkung. Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts ist diese Becherform auch bei kostbarerem Material in Gebrauch. Die vier goldenen Münzbecher für die Söhne des Kurfürsten Johann Georg I. haben sie schon. Hier wird wie dort nur die Form besser zur Geltung gebracht, indem sie auf 3 Füße gesetzt wird. Hier drei sitzende Löwen, zu denen ein steigender Löwe als Schildhalter auf dem Deckel die künstlerische Ergänzung bildet. Das Ornament erhebt dann die einfache Gebrauchsform noch weiter zum Ziergefäß, indem über den drei Löwen ausgesägte und zisilierte, eine Medaille umkleidende Vignetten aufgelegt werden, ein gleichartiges Ornament auf dem Deckel. Auf den drei Seiten des Mantels sind antike Helden eingraviert und der ganze Mantel bis zum glatten Öffnungsrand durch gravierte Ranken bedeckt. Form wie Verzierung lassen das Gefäß noch in das Ende des 17. Jahrhunderts versetzen, dazu paßt auch die Auflösung der Meistermarke CS durch den Namen des Meisters Christoph Schweiger II., gest. 1699.

Anders ist die Form der Deckelbüchse links, die über zwanzig Jahre später entstanden scheint. Die nach oben erweiterte Becherform ist durch [137] harte Profile gegliedert, von denen in der unteren Zone ein durch Ziselierung mit Laub- und Bandwerk plastisch belebter Ring von halbrundem Profil den straffen Wuchs mit stärkerer Ausladung unterbricht. Ihm entspricht ein ähnlich ziselierter Wulst des Deckels. Drei Füße haben auch hier die Bestimmung, der Form mehr Ansehen zu geben, doch wirken sie mit ihrer doppelten Kurvenschwingung und ihrer zaghaften Anlehnung an den Fußring schwächlich. Die Form ist in ihrer Gliederung nicht der Gefäßbildung angepaßt, sie ist durch Entlehnungen aus der Architektur entstanden, ein Zeichen für deren Vorherrschaft im Kunsthandwerk zu jener Zeit.

Das mag auch der Fall sein bei den beiden großen Prunkvasen von ganz gleicher Form und nur in dem Relief der figuralen Szenen verschiedener Verzierung auf Tafel 65. Hier hat ein souveränes Schalten mit überlieferten, von der Architektur der italienischen Renaissance in ihren harmonischen Verhältnissen bestimmten Formen zu einem Erzeugnis von klassischer Schönheit geführt. Der Verfertiger dieser Vasen war der hervorragendste Künstler unter den Augsburger Silberschmieden, die damals in ihren Reihen nicht wenige in Erfindung und Ausführung hochstehender Meister zählten. Die Meistermarke kann nur auf Abraham Drentwett, 1647–1729, gedeutet werden, das begabteste und vielseitigste Mitglied dieser in mehreren Generationen blühenden Goldschmiedefamilie. Der Verfertiger der Vase ist jedenfalls derjenige, der eine Reihe von Folgen als Vorlagen für Silberschmiede in Kupferstich nach seinen Erfindungen hat herausgegeben, dabei auch Vasen und große Becken in Formen, die den beiden Prunkvasen sehr nahe kommen. Er nennt sich hier den älteren; doch ist ihm schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts ein Meister gleichen Namens vorangegangen. Die Formen lassen den Einfluß der an der Kunst Italiens geschulten eleganten klassizistischen Kunstweise der unter des Malers Lebrun Leitung für Louis XIV. tätigen Künstler wahrnehmen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß wohl größere Marmor- oder Bronzevasen ähnlicher Form und verwandter Ausstattung die Anregung zu den Arbeiten Drentwetts gegeben haben. Ob auch ähnliche Werke in Silber in Frankreich vorhanden waren, läßt sich nicht mehr feststellen, da ja fast alles französische Silber der Zeit Louis XIV. zur Bezahlung der Kriegsschulden wieder eingeschmolzen wurde. Die Kenntnis der damals in Frankreich entstandenen Kunstwerke muß sich Drentwett durch einen Aufenthalt im Lande selbst erworben haben und zwar als Mitarbeiter in einer der französischen Werkstätten, wie ja viele tüchtige [138] deutsche Künstler vorübergehend im Ausland tätig waren. Auch Italien kann er besucht haben, für die italienische barocke Plastik bestand in Augsburg eine stete Hinneigung, seitdem die von Italien beeinflußten Bildhauer die Stadt mit bedeutenden Bronzekunstwerken ausgestattet hatten. Die Gruppe der drei doppelfischschwänzigen Tritonen der Vase, die auf flachem runden oben gerillten Sockel den Vasenkörper tragen, erinnert an italienische barocke Brunnenmotive. Mit diesen Figuren, sowie mit den anderen figuralen plastischen Motiven weiß Drentwett den französischen klassizistischen Formen der Vase kräftige barocke Akzente zu geben und sie dadurch dem deutschen Formempfinden der Zeit näherzubringen. Der erfahrene Meister bewährt sich hierbei darin, daß er für die drei gegossenen Figuren jedesmal dasselbe Modell benutzt hat. Dabei ist die Körperhaltung sehr glücklich gewählt, um den Zusammenhang der Gruppe zu wahren und Eintönigkeit zu vermeiden, indem er dabei die Köpfe variierte, einmal jugendlich bartlos, dann mit kürzerem und schließlich mit längerem Vollbart, und die linke Hand zum Tragen emporführt, die herabhängende rechte auf dem Schwanzrücken des Nachbarn ruhen läßt. Der Vasenkörper hat mit seiner hohen, zwischen zwei breiteren Ausladungen oben und unten eingeschweiften zylindrischen Zone durchaus wohllautende Verhältnisse und Umrisse, die vorzüglich in dem zu einem schmaleren Öffnungsring in einer Kurve aufschwingenden Hals ausklingen. Es ist wohl möglich, daß die Öffnung mit einen Deckel von einer den Deckeln der Kaffeekannen ähnlichen Profilierung abgeschlossen war. Der Vasenkörper ist für zwei Hauptschauseiten orientiert, indem die untere, gewölbte und mit aufsteigenden schmalen Buckeln gegliederte Ausladung an zwei entgegengesetzten Stellen mit plastisch vorstehenden Widderköpfen besetzt ist, denen auf der oberen als Kranzgesims profilierten und mit einer kleineren Buckelreihe bedeckten Ausladung zwei am Rand sitzende Putti entsprechen. Diese Schauseiten enthalten dann auch je eine Hauptszene des rings um den Zylindermantel getriebenen Figurenreliefs, das allenthalben mit der klassischen Profilierung der Vase durch deren Idealgestalten in antiker Gewandung übereinstimmt. Auch werden diese Seiten noch durch eine Maske in der Mitte auf der oberen Ausladung betont, die durch Festons mit den Kindern verbunden ist. Diese plastische Belebung des Vasenkörpers, vorbereitet durch die Gruppe der tragenden Gestalten, gibt ihrer ganzen Erscheinung wirkungsvolle Akzente. Hierzu kommen noch die auf den gegossenen Widderköpfen herausgeschwungenen [139] gegossenen Schienen, die dem Zweck, die Vase zu tragen, vorzüglich angepaßt sind, wozu bei ihrer Höhe die Henkelform ungeeignet gewesen wäre. Sie tragen aber auch dazu bei, um die Vase herum eine Luftzone zu bilden und sie so aus ihrer Umgebung herauszuheben. Alle diese miteinander verbundenen Vorzüge in der Gestaltung und Verzierung der Vasen zeugen von hochentwickeltem ästhetischen Taktgefühl ihres Urhebers und sie sind zugleich die glänzendsten Zeugnisse für das an den deutschen Fürstenhöfen gesteigerte Kunstempfinden, denen der Besitz solcher Werke zur Ausstattung seiner Wohnräume zum Bedürfnis geworden war (vgl. R3 651).