Sponsel Grünes Gewölbe Band 4/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den 4. Band des Tafelwerkes – Arbeiten aus Bernstein

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Arbeiten aus Elfenbein Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 4 (1932) von Jean Louis Sponsel
Arbeiten aus Bernstein
Arbeiten aus Perlmutter
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ARBEITEN AUS BERNSTEIN

„Es findet sich im Bernsteine ein wahrer Abdruck der mit den schönsten und bewunderungswürdigsten Figuren spielenden Weisheit Gottes, welche von den Wirkungen des innwohnenden Geistes ihr Zeugniß ablegen, welcher sein Malwerk der Natur, in diesen durchsichtigen Stein, so künstlich anbringet… diese, nicht auf die Fläche so sehr als in der Selbstständigkeit des Steines durchzogene Malerey, ohne Pinsel und Farben zu bewundern.“ [27] Dem gelehrten Dr. Paschke, der bei einer Beschreibung des Bernsteinkabinettes in Königsberg das edle Material von der Ostseeküste so zum Gegenstand seiner frommen Betrachtung macht, ist in Dresden ein anderer Forscher gefolgt. Nachdem August der Starke den noch unvollendeten Zwinger 1728 den naturwissenschaftlichen Sammlungen, der Bibliothek, dem Münz- und dem Kupferstichkabinett sowie der Kunstkammer eingeräumt hatte, wurde die Sammlung der Bernsteine von dem Elbinger Nathanael Sendel 1742 in einer lateinischen Abhandlung: „Historia Succinorum corpora aliena involventium etc.“ insbesondere nach ihrer naturgeschichtlichen Seite hin untersucht. Schon 1728 erhielt sie ihren kostbarsten Zuwachs durch ein Geschenk des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen, der seinem alten Verbündeten den großen Bernsteinschrank (III, 88) übersandte. Dieser fand in dem neu eingerichteten Bernsteinkabinett im südwestlichen Pavillon des Zwingers seinen Platz. Es war der nördlichste der Räume, die sich im Erdgeschoß unter dem Mathematisch-Physikalischen Salon zwischen die „Animalien-Galerien“ einfügten. Sein Gegenstück bildete, südlich der „Grotte“, das Korallenkabinett.

In dem „Novum Inventarium Collectionis Succinorum“, das der Vorstand der naturwissenschaftlichen Museen, der königliche Leibarzt Johann Heinrich von Heucher, 1730 verfaßte, werden sowohl die beiden Glasschränke mit den hunderten von Versteinerungen wie auch der Inhalt des genannten Meisterstücks Danziger Handwerkskunst genau beschrieben. In achtzehn Schubladen finden sich 212 Stück, darunter als künstlerisch behandelte Gebrauchsgegenstände: Solitaire oder Grilen-Spiel, Tschackan-Knopf, Schreibzeug, Stock-Knöpfe, Armbänder, Etuys, Pomade- und Gold-Pulver-Dosen, Tabak-Stopfer (in Form von Frauenbeinen), Tabattieres, Schachspiel. In der Mitte des Schrankes erblickte man eine Statue; diese ging verloren, als der Schrank bei dem Bombardement Dresdens ins Archiv geschafft werden mußte.

Dieser große Schrank, der nur in Berlin und Braunschweig Gegenstücke besitzt, blieb nicht das einzige Geschenk des Stammlandes der Bernsteingewinnung. Im Februar des Jahres 1742 verehrte Friedrich der Große dem sächsischen Kurfürsten ein Schränkchen mit einem Kruzifix. Daß diese Gabe mit dem kleinen Schrank (III. 248) und dem kleinen Kruzifix (III. 88 66) identisch ist, darf man aus der Mitteilung des Inventars von 1819 entnehmen, wonach diese Stücke 1789 aus dem „Alten Naturalien-Kabinett“, der sogen. Galerie des Sciences, an das Grüne Gewölbe abgegeben worden sind. Die Vorliebe für das Produkt der ostpreußischen [28] Küste führte zu Versuchen, im Sinne der merkantilistischen Staatstheorie auch den heimischen Boden für die Gewinnung des wertvollen Stoffes auszunutzen. Einige Funde bei Schmiedeberg, in der Nähe von Torgau, wurden zwar von Sendel mit Begeisterung begrüßt, und zum Teil zu Gebrauchsstücken verarbeitet. Aber diese kleinen Drechslerarbeiten, wie Hemdenknöpfchen und eine Pfeife aus „Sächsischem Agtstein“ füllten noch nicht zwei Schubladen des kleineren Schrankes. Kaum zwei Jahre nach der Entdeckung, wohl kurz nach dem Tode Augusts des Starken 1733 wurde der Abbau eingestellt. Doch war man bestrebt, das Kabinett auch aus anderen Quellen immer noch zu bereichern: die Sammlungen Fürstenberg, Heucher, Radziwil und des Apothekers Birnbaum in Dresden, die des Sekretärs Klein in Danzig und Sendels in Elbingen wurden dazu herangezogen, auch kauften die fürstlichen Besitzer auswärts, z. B. in Rom persönlich. Ende des Jahrhunderts muß das Cabinett, das gewiß eines der reichsten seiner Zeit war, aufgelöst worden sein. Eine „kleine überaus künstlich gravierte Tabatière, eine Arbeit des Hof-Bernstein-Schneiders Krüger“, die 1705 in das Kabinett gelangte, war mit 12 Thalern bezahlt worden. Hunderte von wertvollen Einschlüssen, wie sie das Prachtwerk Sendels ausführlich beschreibt und abbildet, fielen dann 1849 anderen unersetzlichen Schätzen dem Brande des Zwingers zum Opfer.

Der bekannteste und fruchtbarste Bernsteinkünstler seiner Zeit, Georg Scriba (Schreiber) aus Königsberg, ist durch mehrere seiner kostbarsten Arbeiten vertreten. Die Kanne auf Tafel 51, (III. 78) ist zwar nicht bezeichnet, wie die Darmstädter, aber die klare Aufteilung des Körpers in zwei Zonen wie die temperamentvolle Durchbildung der nackten Göttergestalten lassen einen Meister erkennen, der handwerkliche Virtuosität mit hervorragendem Gefühl für die Gegebenheiten des Werkstoffes und individuellem ästhetischen Empfinden vereinte. Auch die goldne Fassung, einzig in ihrer Art, mit dem strahlenden Blumenkranz in flachem Email betont die Kostbarkeit des Gerätes. Den Namen des Meisters kündet auf der Kanne (Tafel 50 a) eine Anschrift, die der auf dem ganz verwandten Darmstädter Krug wörtlich entspricht. Für die achteckige Schüssel mit der nautilusartigen Kanne (Tafel 48 und 50 d), die im Jahre 1662 erworben wurden, kann auch kein anderer Meister in Frage kommen. Das gleiche Jahr brachte als wertvollen Zuwachs die Muschelschale mit dem reitenden Neptun als Geschenk des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelms I. an seinen Freund Johann Georg II. Doch ist hier, wo es sich um ein Werk Jacob Heises handelt, [29] die Abhängigkeit von Silberschmiedearbeiten deutlicher spürbar. Einheitlicher, von fast monumentaler Ruhe ist die runde Schüssel (Tafel 48), die gleichfalls brandenburgischen Beziehungen ihre Herkunft verdankt. Hier hat der Meister das Spiel goldener Lichter, das aus den weichen Rundungen der glatten, tropfenartigen und ovalen Felder strahlt, durch die vier konzentrischen Bänder der Fassung aufs glücklichste beruhigt. Stellt man diese Arbeit mit dem 1654 bezeichneten Neschwitzer Nautilus im Museum zu Königsberg und der fünf Jahre später entstandenen Wiederholung in Dresden sowie der Budapester Schale von 1663 in eine Reihe, so weist die Komposition der Schüssel auf eine Entwicklung, die vom Zierlichen, Überladenen zum Einfachen, Großflächigen führt. Man ist versucht, auch den außerordentlich vornehmen kleinen Krug in der emaillierten Goldfassung (Tafel 50 c) in das Werk eines Meisters einzuschließen, der, fast eine Generation jünger als Georg Schreiber, diesen an Vielseitigkeit und Erfindungskraft übertraf. Jedenfalls gehört der Krug zu dem Vollendetsten, was die Königsberger Zunft hervorgebracht hat.

Die Meister des späteren 17. Jahrhunderts Michael Redlin, Jakob Dobbermann dann Ernst Schacht, Gottfried Turow, von denen der erstgenannte in dem Kasten (Tafel 52) mehr Freude am bewegten Detail als struktives Empfinden bekundet, gelangen gewiß zu geringeren künstlerischen Erfolgen, trotz der Riesenleistung des Bernsteinzimmers in Tsarkoe-Selo, die sich durch ein halbes Jahrhundert hinzieht, als die der großen Kabinette, die am Anfang unserer Untersuchung standen. Mit den beiden Döhring, die 1790 genannt werden, ist dann die schöpferische Periode der Königsberger Zunft endgültig abgeschlossen.