Sponsel Grünes Gewölbe Band 4/Der Inhalt des Grünen Gewölbes – Übersicht über den 4. Band des Tafelwerkes – Arbeiten aus Perlmutter

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Arbeiten aus Bernstein Das Grüne Gewölbe: eine Auswahl von Meisterwerken in vier Bänden. Band 4 (1932) von Jean Louis Sponsel
Arbeiten aus Perlmutter
Arbeiten aus Metall
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ARBEITEN AUS PERLMUTTER

In dem klassischen Technolexikon des deutschen Kunsthandwerkes, der Schedula Diversarum Artium des Benediktinermönchs Roger zu Helmershausen, der zur Zeit der ersten Hohenstaufen unter dem Namen Theophilus Presbyter die Summe des künstlerischen Könnens seiner Zeit zog, wird das Perlmutter nur mit einem einzigen Satze erwähnt. Im Kapitel 95, De margaritis, heißt e; „Die Meermuscheln werden auch in Stücke geschnitten und daraus Perlen gefeilt, sehr brauchbar in Gold und poliert“. Während die Perle selbst nicht nur als kostbarstes Schmuckmaterial [30] unter dem Namen „marikreitus“ dem Mittelalter wohl bekannt war, taucht sowohl der Name, freilich aus dem Englischen, als die Lust an der handwerklichen Verwendung der Schneckenschale südlicher Meere erst in der Spätgotik auf. Burgund, die Niederlande waren der Boden, wo die plastische Kleinkunst sich des Stoffes für Schmuckstücke aller Art, Anhänger und Ketten, für Beschläge und Plaketten, besonders auch im Dienste religiöser Geräte und Ausstattungsstücke bemächtigte. Dieser Periode gehören auch die Medaillons des Grünen Gewölbes an: das Religiöse bestimmt Inhalt und Stil der meisten Arbeiten dieser Gruppe, wie sie sich in Berlin, München, Paris in zahlreichen Exemplaren erhalten haben. Die konventionellen Stoffe aus der Geschichte des Neuen Testamentes wechseln mit Heiligengestalten, unter denen der Ritter Jürgen, St. Georg, equitum patronus, besonders beliebt ist. Man darf darum diese Anhänger auch für Kennzeichen ritterlicher Gesellschaften halten, die im Zusammenhang mit den Turnierverbänden dem höfischen Bilde der Zeit ihren Stempel aufdrückten.

Die aus Perlmutter geschnittenen Bildnismedaillons der Renaissance, von denen das mit dem Kopfe des Kurfürsten August von Sachsen (Tafel 3 d), ebenso wie die Wachsbildnisse, in engem Zusammenhang mit der Kunst der Schaumünzen stehen, führten in letzter Linie auch zu Kunstwerken von so kostbarer dekorativer Großzügigkeit wie dem Relief mit dem Reiterbildnis Augusts des Starken (Tafel 53). Die Größe der Arbeit schließt den Gebrauch als Anhänger aus, eher könnte man an den Zusammenhang mit einem Möbel, als bekrönenden Beschlag, denken. Der Fürst ist durch den wehenden hermelingefütterten Mantel, wie er so auf keinem der bekannten Reiterbildnisse in Verbindung mit dem reichgetriebenen römischen Harnisch vorkommt, zugleich als Kind seiner Zeit gekennzeichnet. Merkwürdig sind auch die Steigbügel, die mit dem antiken Schema, das der Mark Aurel bestimmt hat, in Widerspruch stehen. Die Haltung des lorbeerumkränzten Hauptes erinnert mehr an die des Denkmals im Grünen Gewölbe (Tafel 63) als an die der Statuette auf kurbettierendem Pferde ebenda, die früher mit jenem vertauscht war. Es ist der jugendliche König von Polen, als der er durch den weißen gekrönten Adler mit der Kette des höchsten Ordens der katholischen Christenheit gekennzeichnet wird. Darnach müßte die Schnitzerei gegen Ende des 17. Jahrhunderts entstanden sein, während der Stil der Fassung, mit Motiven wie der Muschel am unteren Rande, den eingerollten Flügeln und dem Lambrequin unter der Bekrönung auf das beginnende Rokoko, also die Zeit nach [31] der Periode Dinglingers hinweist. Das Motiv des kurbettierenden Pferdes bei den Plänen zu einem Reiterstandbild des Königs taucht um 1711 in den Entwürfen Pöppelmanns zu dem neuen Residenzschloß auf. Es bleibt dann den Bildhauern der Zeit vertraut, und kehrt auch bei Darstellungen von ausgeprägtem Realismus, wie dem Gipsmodell der Skulpturensammlung, wieder, wo August einen Halbharnisch mit kurzen Schößen und Kniekacheln, Handschuhen, Degen und Portepée trägt. Die Bedeutung des gekrönten Drachens ist wohl auf heraldischem Gebiete zu suchen.

Die Gruppe von Perlmutterarbeiten, die das Inventar der Kunstkammer vom Jahre 1741 beschreibt „Löffel, Gabeln und andere Sachen von Perlmutter“, verzeichnet außer Eßgerät der verschiedensten Art, darunter „Eierschifflein“, auch Zahnstocher, Hände – als Amulette und Anhänger –, ein Doppelbildnis der Kurfürsten August und Christian in Größe eines Thalers, also ähnlich dem Madaillon (Tafel 3 k) „eine runde Rose, worauf Christus mit seinen Jüngern am Ölberg abgebildet“ (Tafel 3 k), „eine antique Kette, oder Umhang, von verschiedenen Stücken, darauf Gesichte und Bilder geschnitten“. Namen von Meistern, wie sie die Ausstellung in Stuttgart 1929 vermittelt hat, werden hier leider nirgends genannt.