Spruner-Menke Handatlas 1880 Karte 04

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Autor: Theodor Menke, Karl Spruner von Merz u. A.
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Titel: Europa zur Zeit der Herstellung des abendländischen Kaiserthums durch Otto I., 962
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aus: Hand-Atlas für die Geschichte des Mittelalters und der neueren Zeit
Herausgeber:
Auflage: 3. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1880
Verlag: Justus Perthes
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Erscheinungsort: Gotha
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Europa Nr. 4. Europa zur Zeit der Herstellung des abendländischen Kaiserthums durch Otto I. (962). Mst. 1 : 15 000 000. Von Th. Menke.

Kaum anderthalb hundert Jahre waren nöthig gewesen, um Europa eine, im Vergleich zu dem letzten Uebersichtsblatte dieses Atlas (Nr. 3), so bedeutend veränderte Gestalt zu geben. Beginnen wir bei dem Westen.

Das Königreich Leon, der Haupttheil des den Nachkommen der Gothen gebliebenen christlichen Gebietes, ist südlich gegen die Länder der Mauren hin bis an den Duero erweitert.

Das Gebiet der Vasconen, in seinen flacheren Gegenden unter Karl dem Grossen vorübergehend den Franken unterworfen, ward bald unabhängig, und im Anfange des X. Jahrhunderts erscheint bereits Sancho I. als König von Pampeluna.

Der grösste und schönste südliche Theil der Halbinsel war noch in den Händen der Omaijaden, die beim Verfalle des Frankenreichs die Balearen gewonnen hatten und sich seit 929 Khalîfen nannten. Fraxinetum in Burgund war eine Niederlassung spanischer Mauren.

In Frankreich, dem einen Haupttheil des durch den Vertrag zu Verdun 843 getrennten grossen Frankenreiches, herrschte noch die Familie der Karolinger. Das eigentliche Gebiet dieser Könige war aber gegenüber den mächtigen Lehnsträgern, den Herzogen von Aquitanien, Vasconien und Burgund, den Grafen von Tolosa, Champagne und Flandern, den normannischen und bretagnischen Herzogen, nur sehr unbedeutend.

Das Königreich Burgund, gleichfalls aus dem fränkischen Reiche hervorgegangen, hatte 910 den Matiscensis und um 928 Uceticus, Vivariensis und den westlich von der Rhône gelegenen Theil von Lugdunensis an Frankreich verloren und 922 den Argowe (darin Basel) von Deutschland abgetreten erhalten.

Aus der östlichen Hälfte des grossen Frankenreichs, mit welcher 925 auch Lothringen[1] dauernd vereinigt wurde, war das deutsche Reich entstanden, das seine Herrschaft bereits weit in Sclavanien hinein erstreckte. Selbst ein Theil von Polen war ihm tributär. Der böhmische Herzog war dem deutschen Könige lehenspflichtig, und unter ihm stand seit 955 Mähren und zwar in den Grenzen, die die in einem Transsumpt erhaltene Stiftungsurkunde des Bisthums Prag angiebt. Selbst die Chrobaten an der oberen Weichsel erkannten die Oberhoheit des deutschen Königs an. Die Magyaren, seit dem Ende des IX. Jahrhunderts in Pannonien ansässig, waren 955 auf dem Lechfelde bezwungen und die Mark Ostarrichi, bisher ein Tummelplatz magyarischer Streifzüge, gelangte allmälig wieder in deutschen Besitz. Endlich war auch das Königreich Italien dem deutschen Reiche gewonnen und die römische Kaiserkrone auf Otto’s I. Haupt gesetzt. Im Süden der Halbinsel bestanden noch die langobardischen Fürstenthümer Capua, Beneventum und Salernum und die oströmischen Themen Longobardia und Calabria. Sicilien war im Besitze der Fâtimiden.

England war seit 827 ein einziges Königreich im Stamme des westsächsischen Hauses. Von der nördlichen Hälfte der Insel, dem nunmehr vereinigten Königreiche Schottland, dem 946 Cumbraland vom englischen Könige Eadmund abgetreten war, hat die Geschichte uns für diese Zeit kaum mehr als eine Reihe von ungewissen Königsnamen aufbewahrt. In Irland verwilderte das Volk, das sich nach einheimischen Sagen und mehreren Angaben der ältesten Hagiographen einst nicht unbedeutender Bildung erfreut und unter dem zuerst das Licht des Evangeliums in diesen nördlichen Gegenden geleuchtet hatte, durch die unausgesetzten inneren Kämpfe und die Angriffe der ostmannischen Seeräuber immer mehr.

Die vielen kleinen Striche in Norwegen waren durch die Siege des Königs Harald Schönhaar, der von 863 bis 933 regierte und seine Residenz zu Lade gründete, vereinigt worden. Viele von den der Freiheit gewohnten Normannen entflohen aber seiner Botmässigkeit und bevölkerten das von den Fär-Öer aus entdeckte Island, zuerst Snaeland genannt.

Die Angaben über Schwedens innere Geschichte sind um diese Zeit noch sehr unsicher.

Von Dänemark war schon mehr Kunde im angrenzenden Deutschland verbreitet. Dort waren bereits in der ersten Hälfte des IX. Jahrhunderts die Kirchen zu Schleswig, Ripen und Aarhus gegründet worden, die Könige des Festlands, besonders von Jütland, waren dem Inselkönige auf Seeland um 870 unterworfen; von Kaiser Heinrich I. ward 931 die Mark Schleswig gegründet und Otto der Grosse war, gereizt durch die steten Angriffe des dänischen Königs Gorm des Alten, siegreich bis an den nach ihm benannten Ottensund vorgedrungen. Das Danewirk blieb Grenze des Reichs, zu dem auch die zwischen 935 und 960 an der pommerschen Küste gegründete Seeräuberrepublik Jomsburg gehörte.

Die übrigen nordischen Völker, Finnen, Ostseeslawen und Letten, hatten sich, einzelne Angriffe an den Grenzen abgerechnet, grossentheils unabhängig erhalten.

Eine um so grössere Veränderung aber war bei den Binnenslawen und den ihnen benachbarten finnischen Stämmen in dem grossen Flachlande an der oberen Wolga, dem [25] Don, Dniepr und der Dwina vorgegangen. Um 862 hatten die in der Gegend des uralten Nowgorod wohnenden Slawen und Finnen sich, von norwegischen Räubern bedrängt, Herrscher aus dem gleichfalls germanischen Volke der Ross erbeten, welche zuerst alles Land von Pskow bis an den Bjelo sero (den weissen See) unter ihre Herrschaft vereinten. Um 863 rissen sie von dem geschwächten Reiche der einst so gefürchteten Chazaren einen grossen Theil ab und eroberten Kiew, und schon 866 drangen sie bis Constantinopel vor. Ein slawischer und finnischer Stamm nach dem andern musste sich den neuen, in der dritten Generation bereits völlig einheimisch gewordenen Herren unterwerfen. Swätoslaw (945–972) drang bereits siegreich bis an den Kaukasus und das schwarze Meer und vernichtete die Macht der Chazaren völlig (sie erhielten sich nur in einem Theile des taurischen Chersones und am Westufer des nach ihnen benannten caspischen Meeres unabhängig). Die finnischen Stämme an der östlichen Küste des baltischen Meeres und ein Theil der lettischen Völker waren dem neuen Reiche ebenfalls zinsbar geworden.

Auch in den unteren Donauländern war ein neues Reich gegründet worden, das der Magyaren in Pannonien. Ihren Streifzügen, mit denen sie in der ersten Hälfte des X. Jahrhunderts das westliche Europa heimsuchten, war durch König Otto I. 955 ein Ende gesetzt. Ihr Heidenthum war noch nicht gebrochen. Zu einem einheitlichen Staate war es bei ihnen noch nicht gekommen. Siebenbürgen war noch streitig zwischen ihnen und den Patzinakiten, die sie aus Atelcusu verdrängt hatten.

Die Bulgaren an der Donau hatten auf der Hämushalbinsel ein ausgedehntes Reich gebildet.

Das oströmische Reich, über dessen damalige Eintheilung in Themen wir einen etwas confusen Bericht vom Kaiser Constantinus Porphyrogennetos (911–959) besitzen, hatte seit Karl’s des Grossen Zeit von den Slawen den Peloponnes, von den spanischen Mauren Creta, vom abbâsidischen Khalîfate Cypern gewonnen.

Was endlich den Osten betrifft, so erscheinen in den früheren Sitzen der Patzinakiten oder Petschenegen die Uzen, Ghuzz oder Cumanen. Nördlich von ihnen haben sich die Bulgaren an der Kama, seit 922 muhammedanisch, erhalten; sie waren ein bedeutendes Handelsvolk.

Die weltliche Herrschaft der abbâsidischen Khalîfen beschränkte sich auf ein unbedeutendes Gebiet um Baghdâd. Der Rest ihres grossen Reiches war an verschiedene Dynastien gefallen, von denen einige nicht einmal ihrer geistlichen Suprematie sich unterordneten.

Der omaijadischen Khalîfen ist bereits oben gedacht. Ebenso wenig wie sie erkannten die Fâtimiden, denen 909 die Aghlabiden im östlichen, 917 die Idrîsiden im westlichen Maghreb unterlegen waren (s. Karte 3), den Khalîfen zu Baghdâd als geistlichen Herrn an.

Aegypten, Syrien und Heģas standen unter der Dynastie der Ichschîdiden, wurden aber 972 von den Fâtimiden erobert.

Vielfach unter sich und mit den benachbarten Griechen in Kämpfe verwickelt, war das Geschlecht der Hamdâniden in Gezîra und Syrien mächtig geworden, um 890. Ihr Gebiet war seit der Mitte des X. Jahrhunderts in die beiden Reiche von Haleb und Mossul getheilt. Noch vor Ablauf des Jahrhunderts mussten aber die Hamdâniden den Okailiden in Mossul weichen, und 1008 wurden sie auch aus Haleb vertrieben.

In Irâk hatten die Söhne des Fischers Bûjeh, daher die Bûjiden genannt, sich unter der Oberhoheit der Khalîfen seit 933 ein grosses Reich gegründet und selbst die Würde eines Emîr al Umera (Reichsverwesers) errungen. Gegen Ende des Jahrhunderts theilte sich auch dieses Geschlecht in zwei Hauptlinien, von denen die eine, das Emîrat verwaltend, in Baghdâd und die andere, östliche, in den ersten Gebieten des Geschlechts, in Rei und Ispahan, sass.

Unabhängig von den Bûjiden war die kleine Herrschaft der Zijâdiden am Südufer des Chazaren-Meeres.

In den arabischen Provinzen am persischen Meerbusen endlich hatte die furchtbare Secte der Karmatier ein bedeutendes Reich gegründet, das, in seinen Zweigen als Ismaëliten oder Haschischim fortdauernd, erst mit dem Eindringen der Mongolen sein völliges Ende fand.


  1. Zu Lothringen gehörte auch der Gau Castrensis, was bisher, auch von mir bei der Bearbeitung von Nr. 31 (Deutschland I), übersehen ist. Die östliche Diöcesengrenze von Remensis war also nicht die Grenze zwischen Lothringen und Frankreich. Gauörter des Castrensis finde ich nur in drei Urkunden und in einer Stelle bei Flodoard (auch bei Richer). Ausserdem sind Sedens, Breveliacus, Amblinimons, Remeliacus, Rovericurtis und einige andere auf Nr. 31 (Deutschland I) gelegentlich nachzutragende Oerter in dieser Periode nachweislich lothringisch.