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TBHB 1943-04

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Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1943-04
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Entstehungsdatum: 1943
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Originaltitel: April 1943
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom April 1943
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Einführung

Der Artikel TBHB 1943-04 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom April 1943. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über 17 Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Tagebuch.
Heft 13.
begonnen: 2. April 1943.
beendet: 10. Dezember 1943.
[2]
Ahr. d. 2. April 1943. Freitag.     

     Ich kann dieses Neue Heft nicht besser anfangen, als mit der Wiedergabe eines Traumes, den ich in der vorigen Nacht hatte, wenngleich er mir auch nicht in allen Einzelheiten im Gedächtnis geblieben ist.

     Ich befand mich mit vielen anderen in einem Krankenhause, jedoch in einem ganz alten, dunklen Gebäude, das mehr einer altmodischen Kaserne glich. Ich mußte in das Operationszimmer gehen u. kam zu spät. Der diensttuende Arzt, der an der Türe stand, sah mich deshalb mißbilligend an. Das Zimmer war ein langer, dunkler Raum, an der Schmalseite ein einziges, trübes Fenster. Dort stand eine Bahre, an der mehrere Leute u. der Operateur hantierten. Davor standen mehrere Männer wartend in einer Schlange, der letzte, hinter dem ich mich anschloß, war ein kleiner alter Mann mit weißem Spitzbärtchen. Er bemühte sich mir ein freundlich=kameradschaftliches Wesen zu zeigen. Auf der Bahre lag ein Mensch, ich glaube, daß es der Jesuitenpater Dubis war, welcher im vorigen Sommer hier bei den Aquinaten gewesen war, u. es wurde an ihm ziemlich schmerzhaft herumgeschnippelt, doch hielt er alles mit Gelassenheit aus. Dann stand er neben mir u. hatte eine große Wunde quer über der linken Wange, die aber bereits verharscht war. Es war jetzt ganz dunkel. Mitten im Zimmer stand jetzt ein gewöhnlicher Tisch u. auf diesem eine große Monstranz. [3] Die Hostie darin war so groß wie ein Kopf. Von Zeit zu Zeit leuchtete jemand die Monstranz an mit einer gewöhnlichen Taschenlampe u. man sah dann in der Monstranz das Antlitz Christi. – Dann Szenenwechsel: ich war auf dem Heimwege, stürzte neben einem Gartenzaun hin u. verlor etwas, fand es wieder im Garten, – es war ein Gegenstand von der Form des „Schott“. – Ich kam in ein Haus, wo ich ein Zimmer bewohnte, ähnlich wie St. Ursula in Müritz, doch war alles sehr verwahrlost u. die Schwestern waren nirgends zu sehen. – Sonst weiß ich nichts weiter. – Interessant ist an diesem Traum, daß ich ihn in der Nacht vom Mittwoch zum Donnerstag nach dem 2. Fastensonntag hatte, denn die Liturgie dieses Donnerstages fällt aus der gewöhnlichen Fastenliturgie heraus. Der Stationsgottesdienst dieses Tages ist in der Kirche Kosmas und Damian, der beiden Aerzte, u. die Liturgie ist wahrscheinlich die alte Kirchweih dieser Kirche. Das hatte ich vorher nicht gewußt ich bemerkte es erst, als ich am Donnerstag früh die Messe durchlas, wie ich es jeden Morgen tue. Da erst fiel mir denn auch der Traum wieder ein. –

     Vorgestern besuchte uns Frau Söhlke aus Berlin, die hier ein Haus hat. Es ist eine typische Parvenuefamilie. Sie erzählte von den letzten Angriffen auf Berlin, durch den auch ihre herrschaftl. Wohnung im Grunewald im Mitleidenschaft gezogen worden ist, doch war sie selbst nicht in Bln., sondern in irgend einem sehr komfortablen Hotel im Algäu. Schlimmer ist es für meine Schwester. Beim Angriff am 1. März ging eine Luftmine 100 mtr. entfernt von ihrem Hause nieder, jetzt abermals 100 mtr. auf der anderen Seite. Frau S. erzählte von einem Artikel, der im 12Uhr-Blatt gestanden haben soll u. in dem die Bevölkerung aufgefordert worden sei, auf gut angezogene Leute zu achten u. solche in jedem Falle anzupöbeln. Der Artikel soll mit den Worten geschlossen haben: „Schlagt sie tot!“ – Wenn dieser Artikel wirklich so gelautet hat, dann paßt dazu der Artikel des Herrn Dr. Goebbels im letzten „Reich“, mit welchem dieser saubere Patron jetzt versucht, solcher Hetze zu bremsen. Er bekommt es nun wohl schon mit der Angst vor den Bolschewisten im eigenen Lande. Dieser infame Hetzer hat es ja nun so weit gebracht, daß er die Geister, die er aufgerufen hat, jetzt nicht mehr los wird. –

     Heute rief Margret an, – sie wird am 10. April mit ihrer Mutter herkommen u. wird bis zum 21. April bleiben. Die Mutter hat große Angst vor dem 20. April, dem Geburtstage des Führers, man glaubt, daß die Engländer an diesem Tage ganz Berlin kaput werfen werden. –

     Im Osten ist nichts mehr los, wahrscheinlich ist der Schlamm so tief, daß keiner sich mehr rühren kann. Dafür ist es in Afrika nun losgegangen. Unser Heeresbericht behauptet zwar, daß alle Angriffe abgeschlagen wären, gibt aber dennoch zu, daß Rommel Gabes geräumt hat. – Das kann wohl nicht mehr lange dauern u. es können uns auch nicht mehr die fast eine Millionen BRT. retten, die unsere U-Boote im März versenkt haben, gemeinsam mit der Luftwaffe.

[4]
Sonntag Laetare, 4. 4. 43.     

     Heute ist Konfirmation unserer Jugend in Prerow. Im vorigen Jahre sind die Kinder konfirmiert worden fast ohne jegliche religiöse Unterweisung vorher. In diesem Jahre scheint sich der alte Pastor Kumpf, der seit einem Jahre hier wohnt, der Kinder etwas angenommen zu haben, wenigstens sagt das Kurti Spangenberg, der Sohn des Fuhrmanns, der ebenfalls heute konfirmiert wird. Martha hat ihm gestern etwas auf den Zahn gefühlt, hat aber feststellen müssen, daß der Junge vom Sinn der Konfirmation nicht eben viel erfaßt hat. Er konnte nicht einmal das Glaubensbekenntnis lückenlos aufsagen. Dafür aber wird in der Familie des Fuhrmanns seit Tagen Kuchen gebacken mit unwahrscheinlich viel Eiern ud Butter u. heute Nachmittag ist große Kaffeegesellschaft, – Kurti hat von zwanzig Gästen erzählt. Martha wird auch eine Stunde lang hingehen, – ich drücke mich. –

     Politisch herrscht eine drückende Stille. Man denkt am ganzen Tag nichts anderes, als an den Krieg, doch es geschieht nichts. Im Osten sitzt wohl alles im Schlammn fest, in Afrika scheint man erst wieder Fühlung zu nehmen, nachdem Rommel Gabes geräumt u. neue Stellungen bezogen hat. Der König von Bulgarien war beim Führer im Hauptquartier u. man kann annehmen, daß die Offensive gegen Griechenland nun wohl bald los gehen wird u. daß dann auch Bulgarien in den Krieg einbezogen wird.

     Es ist unfreundliches Wetter, die Arbeit im Garten, die in diesem Jahre bei dem schönen Märzwetter schon weit gediehen ist, muß wieder unterbrochen werden.

Donnerstag, 8. Apr. 1943.     

     Kaltes, stürmisches Wetter, gestern Schnee bei Ostwind, heute Nord-West, aber trocken. Bereitete gestern trotz des Wetters Stiefmütterchenbeet vor, weil ich Planzen bekommen sollte, aber sie kamen nicht. Sonst läßt sich im Garten nichts tun. Ich warte auf Stauden für den Steingarten, die ich von Hinrichs aus Kröpelin bekommen soll.

     Nach dem Heeresbericht haben die Amerikaner ihre Offensive gegen Rommels neue Stellungen nördlich Gabes wieder aufgenommen. Es ist nie zugegeben worden, daß Rommel seine Stellungen südlich Gabes aufgegeben hat, – plötzlich ist jetzt von nördlich Gabes die Rede. Auch diese Stellung wird Rommel nicht halten können, – dieser arme, tüchtige General sitzt da furchtbar in der Klemme, ohne Bewegungsmöglichkeit, – es ist nur noch eine Belagerung. Erstaunlich ist, wie diese Amerikaner, die doch sonst kaum eine nennenswerte Armee haben, in kurzer Zeit Millionenarmeen aufstellen können, man begreift nicht, woher sie plötzlich die vielen Offiziere haben, die sie dazu brauchen. Natürlich fehlt ihnen die Kriegserfahrung u. ein deutscher Soldat ist so viel wert wie fünf Amerikaner, aber das Wesentliche ist eben, daß sie in der Lage sind, diesem einen deutschen Soldaten fünf amerikanischen entgegenzustellen. –

     Die Engländer verwenden ihre Mußestunden, um Städte wie Paris, Rotterdam u. Amsterdam zu bombardieren. Paris haben sie am letzten Sonntag am hellen Tage bombardiert u. den Rennplatz Longchamps getroffen, wo eben ein Rennen stattfand, sowie einen anderen Sportplatz, wo grade eine Volksversammlung stattfand. Mehrere Hundert Tote sind die Opfer. In Rotterdam (oder Amsterdam ?) haben sie eine Volksschule getroffen, wobei 180 Kinder ums Leben gekommen [5] sind u. gestern hieß es, daß beim Angriff auf Amsterdam mehr als 2000 Tote zu verzeichnen seien. Das sind Brutalitäten, die zum Himmel schreien.

     Hier im Dorf ist jetzt auch eine Luftschutzwache eingerichtet worden. In der Nacht vom 16. zum 17. April soll ich dafür Dienst tun. Es ist das ein großer Quatsch, denn ein Fliegeralarm ist bei uns ja völlig zwecklos, weil kein Mensch einen Keller hat, außer einigen Villen, die etwas höher liegen, wie die unsrige, – u. dieser Keller bietet fast keinen Schutz, vor allem nicht gegen Gas. Ein Alarm hat höchstens den Sinn, daß die Leute auf Brandbomben aufpassen; aber neben meinem Hause liegen, außer dem Geschäftshaus der Bunten Stube, das mit Stroh gedeckt ist u. aus einem großen Holzanbau besteht, noch zwei strohgedeckte Häuser, die im Winter unbewohnt sind. Es ist ganz unmöglich, auf diese Häuser auch noch mit aufzupassen u. wenn sie abbrennen, dann brennen wir bestimmt mit ab.

     Gestern sah ich in der DAZ. ein Bild Hitlers wie er dem Chef der italienischen Armee an der Ostfront das Ritterkreuz übergibt. Sehr auffallend ist sein schlechtes Aussehen, besonders die immer mehr zunehmende Krümmung seines Rückens. Das fiel um so mehr auf, weil der vor ihm stehende Italiener eine besonders große u. soldatische Figur hatte. Bei Hitler kann man schon von einer deutlich erkennbaren, beginnenden Rückgratverkrümmung sprechen. –

     Ich habe mich damit beschäftigt, für Fritzen's Hochzeit Gedichte zu machen. Ein Gedicht soll ein kleines Mädchen aufsagen, welches am Polterabend der Braut den Kranz u. den Schleier übergeben soll, – ein zweites sollen Trude Dade u. Kurti Spangenberg gemeinsam aufsagen, u. ein drittes enthält meine u. Martha's Glückwünsche u. ich werde es selbst vorlesen. Alle drei Gedichte sind sehr nett geworden, ich bin selbst darüber erstaunt, denn ich habe in meinem Leben noch nie dergleichen gemacht. –

     Abends lese ich Pfandl vor: Karl II. – Wir sind bald damit fertig. Vorher hatten wir Philipp II vom selben Verfasser gelesen. Der Niedergang dieses großen Reiches ist sehr erschütternd, besonders, da er sich vollzieht unter gradezu albern anmutenden Vorgängen in diesem Königshause u. in der Aristokratie dieses Landes. Wenn man diese Dinge liest, erkennt man die innere Fäulnis, an der das ganze, christliche Abendland anscheinend von Anfang an gelitten hat. Die furchtbaren Vorgänge beim Zusammenbruch Roms in der Völkerwanderung, die in dem Buche von Paskoaes: „Hieronymus“ spürbar werden, setzen sich in Spanien fort und wirken fort bis auf den heutigen Tag. Die Zustände in der kathol. Kirche die zur Reformation u. dann zum dreißigjährigen Kriege führten, sind genau dieselben, die unsere heutige Katastrophe herbeigeführt haben. Alles das läßt sich mühelos auf den einen einzigen Nenner bringen: Sünde! –

     In der gegenwärtigen Fastenzeit verwenden wir die Sonntag=Abende, um den Kreuzweg zu gehen, wobei uns ein Buch: „Der Kreuzweg“ von Reinhold Schneider, erschienen im Alsatia=Verlag in Kolmar, treffliche Dienste leistet. Ohne irgendwie politisch zu sein, ist dieser Kreuzweg doch ganz aus der Not der Gegenwart erfaßt. Schneider sagt im Vorwort: „Der Weg, den wir gegangen sind nach unserem eigenen eigensinnigen Willen, ist zu Ende: dies ist sein Ziel, seine von uns nicht gekannte Bestimmung gewesen, daß er auf den Kreuzweg des Herrn trifft. So hat es die Gnade gefügt.“ –

[6]
Sonnabend, 10. 4. 43.     

     Gestern nachmittag Besuch von Oberlt. Groß mit seiner Frau. Er ist evang. Pastor von Beruf u. war in der ersten Zeit des Krieges Feldwebel bei unserer Batterie. Jetzt sitzt er irgendwo auf einer verlassenen, norwegischen Insel, zur Zeit nimmt er hier am Schießkursus teil. – An sich ist dieser Herr Groß ein recht belangloser Mann, davon, daß er Pastor ist, ist nicht viel zu merken. Seine Frau ist noch wesentlich belangloser. Interessant ist nur immer, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Offiziere von der Aussichtslosigkeit des Krieges sprechen. Die Niederlage ist in ihren Augen unvermeidlich. Und ferner ist ihre politische Stellung interessant. Sie geben sich nicht die geringste Mühe, ihre entschiedene Ablehnung des Nationalsozialismus zu verbergen. – Sonst war Herr G. recht langweilig, er erzählte nur andeutungsweise, so erzählte er von einem SS Mann aus Norwegen, einem Norweger, welcher in der norwegischen SS ist u. an der Ostfront gewesen ist. Dieser Mann hat vom Leben in dieser SS erzählt u. Herr G. meinte, daß es das Schrecklichste gewesen sei, was er je gehört habe. Die Mitglieder dieser Truppe werden, „erzogen“ zur Kaltblütigkeit, indem man von ihnen verlangt, daß sie fünfzig Juden den Genickschuß verabfolgen. Ein Mann dieser Truppe habe eines Tages den Befehl erhalten, drei Juden irgendwohin zu bringen. Der Mann habe die drei Juden unterwegs kalt gemacht u. ihre Leichen verscharrt, dann sei er zu seiner Truppe zurückgegangen u. habe gemeldet, daß er den Befehl ausgeführt habe. Da aber der Mann viel zu früh zurückgekommen sei, habe sein Vorgesetzter Verdacht geschöpft, daß irgendetwas nicht stimmen konnte u. der Mann sei ins Verhör genommen worden. Er habe dann auch eingestanden, die drei Juden ermordet u. verscharrt zu haben. Dem Vorgesetzten ist das auch nicht weiter strafwürdig erschienen; aber daß der Mann den erhaltenen Befehl nicht richtig ausgeführt hatte, das war allerdings strafwürdig. Zur Strafe habe der Mann nun von seinem Vorgesetzten den Befehl erhalten, die drei Leichen wieder auszugraben u. sie an eine andere Stelle zu tragen u. sie dort von neuem zu begraben. Der Mann hat den Befehl auch ausgeführt, aber er ist darüber hin wahnsinnig geworden. Es wäre das wieder einmal eine Geschichte für Prof. Dubovy von der rächenden Strafe Gottes. –

     Heute ist Margret mit ihrer Mutter angekommen, Dr. Wessel hat beide von Ribnitz hierhergebracht. Sie wohnen beide drüben im kleinen Haus u. werden etwa 10 Tage hier bleiben. –

     Wir haben uns den großen Radio-Apparat von Monheims geliehen u. heute bei uns aufgestellt. Man hört damit besser, als mit unserem kleinen, französischen Apparat, den Fritz besorgt hat. –

     In Tunis scheint es sehr schlecht zu stehen, es wird sich wohl bloß noch um Tage handeln. – Margret berichtete von einem Gespräch mit Anneliese, nach dem Kurt W. mit seinem Vorgesetzten nach Afrika gehen soll. Es ist doch allerhand, daß Kurt es nicht mehr für nötig hält, seiner Mutter darüber irgend etwas mitzuteilen. –

     Von Karl=Ernst Wendt bekamen wir Nachricht, daß er die Trauung Fritz – Margret hier machen will. Fast habe ich ein schlechtes Gewissen, ihm unter den heutigen schwierigen Umständen diese Reise zuzumuten. –

     Abends höre ich, daß Rommel bereits Sfax geräumt hat. Es scheint, daß er keine Möglichkeit mehr hat, sich ernsthaft zu verleidigen.

[7]
Montag, 12. Apr. 1943.     

     Gestern ausführlich an Fritz geschrieben u. ihm meinen Standpunkt gegenüber seiner Schwester Ruth klargelegt. Ich habe ihm anheim gegeben, meine Ansicht an Ruth weiterzugeben in der schwachen Hoffnung, auf diese Art vielleicht zu einem Ausgleich zu kommen.

     Im Radio wurde bekannt gegeben, daß Hitler sich mit Mussolini wieder einmal getroffen hat. Ich kann mir denken, daß Mussolini nicht sehr fröhlich über die Entwicklung in Afrika ist. Herr Dr. Goebbels hat kürzlich in einem Artikel erklärt, daß „wir“ bisher vom Kriege noch garnicht berührt worden seien mit Ausnahme der Bombenangriffe. Man sollte meinen, daß diese Berührung bereits völlig hinreichend sei, aber er meinte, daß sich für uns der Krieg bisher nur an der Peripherie abgespielt habe. Solche Ansichten werden für die Italiener sehr trostreich sein, die schließlich bis jetzt ihren ganzen Kolonialbesitz restlos verloren haben u. die den Feind nun direkt vor der Türe haben.

     Gestern beendeten wir die Lektüre Karl II. – Abends der Kreuzweg von Reinhold Schneider.

     Der Rückzug Rommels in Afrika scheint jetzt in eine ziemlich regellose Flucht überzugehen. Nachdem heute von den Anglo-Amerikanern bereits die Einnahme von Kairuan gemeldet worden ist, dürfe der Rest der Armee, die diesen Ort noch nicht passiert hat, abgeschnitten sein. Vor allem werden wohl besonders die schweren Waffen nicht mehr zu retten sein. Diese Niederlage wird sehr viel verlustreicher sein, als es einst Dünkirchen für die Engländer war, denn diese hatten damals doch eine ziemlich offene See als Rückzugslinie, während Rommels Rückzug nach Sizilien schwer bedroht ist. Viel wird da nicht rauskommen.

Freitag, 16. April 1943.     

     Nachdem der Führer den Duce empfangen hat, fanden anschließend Empfänge des Königs von Bulgarien u. des rumänischen Marschalls Antonescu statt. Diese Empfänge dürften mit der Bedrohung von Süden u. Südosten zusammenhängen. Die strategische Lage Rommels in Afrika wird immer gefährlicher. Sobald diese Sache erledigt sein wird, dürfte wohl der Angriff auf Italien u. Griechenland fällig sein. –

     Das dauernd schöne Frühlingswetter lockt die Sommerhausbesitzer her. Hier aber wird ihnen vom Bürgermeister mitgeteilt, daß sie sich nur 6 Wochen lang in ihren Häusern aufhalten dürfen. Der Sinn dieser Maßnahme ist, wie sooft, völlig unbegreiflich, denn es hat doch niemand einen Nutzen davon, wenn diese Sommerhäuser leer stehen. –

     Heute u. am vorigen Freitag Fußböden geölt. Sehr anstrengend. Morgen früh kommt noch das Seezimmer daran. Heute sind die Stauden von Hinrichs aus Kröpelin gekommen, auch sie müssen morgen eingepflanzt werden.

     Margret u. ihre Mutter sind sehr fleißig am Werk, die Wohnung einzurichten. Margret ist doch noch sehr jung, das zeigt sich so nach u. nach. Sie hat besten Willen, ist auch sehr verständig, aber gewisse Sachen sieht sie nicht wegen ihrer Jugend. Gestern Abend gab es deshalb eine kleine Auseinandersetzung zwischen Martha u. ihr, die zum Glück friedlich endete.

     Anstrengende Gartenarbeit, Grasflächen umgegraben u. die vielen Quäken entfernt.

[8]
Sonntag, den 18. Apr. 1943     
Palmsonntag.     

     Heute Morgen große Andacht gehalten. Außer Martha waren Margret mit ihrer Mutter dabei, Frl. v. Tigerström und Trude Dade. Ich habe erst eine Erklärung zur ganzen Liturgie des Palmsonntags gegeben u. dann die Texte der Palmenweihe u. der Messe gelesen. Es dauerte von 11 Uhr bis 12 Uhr. Obwohl es sehr lang war, waren doch alle sehr bei der Sache, ganz besonders Mutter Bohner, die mir von Tag zu Tag immer besser gefällt. Fritz bekommt da bestimmt eine sehr gute Frau. Frau B. war so sehr bei der Sache, daß sie, obwohl es doch so lange gedauert hatte, nachher noch lange in ihrem Stuhl sitzen blieb u. garnicht aufstehen wollte. – Für mich war es sehr anstrengend, vor allem das lange Stehen; aber ich war doch selbst so sehr dabei, daß ich manchmal, besonders beim Verlesen der Leidensgeschichte, Angst hatte, daß mir die Stimme versagen würde. Die Stelle wo es heißt. Petrus „weinte bitterlich“, ist für mich immer sehr gefährlich, denn an dieser Stelle bemerke ich immer meine Aehnlichkeit mit St. Petrus, – auch ich bin oft so feige u. charakterlos u. ich bin sicher, daß auch ich den Herrn verleugnet hätte, wenn ich an seiner Stelle gewesen wäre. –

     Gestern Abend habe ich den Kreuzweg von Reinhold Schneider vorgelesen, auch dabei waren Mutter u. Tochter B. sehr interessiert. Nachdem ich diesen Kreuzweg nun schon mehrmals vorgelesen habe, beherrsche ich ihn jetzt ganz gut, sodaß mir der Vortrag gut gelingt.

     Gestern Vormittag habe ich, nachdem ich erst den Fußboden im Seezimmer geölt habe, die Stauden eingepflanzt. Es waren hundert Stück, ziemlich anstrengend. Es sind sehr schöne Pflanzen dabei, leider nur wenig Nelken, ich hatte auf mehr gehofft. Das vorige Jahr mit seiner Feuchtigkeit war für Nelken nicht sehr gut, wahrscheinlich hatte die Gärtnerei selbst nicht mehr viel. Nachmittags waren wir bei Frau Monheim zum Kaffee, ich war aber sehr ermüdet. Nachher mußte ich die neue Pflanzung gießen, denn der Boden ist knochentrocken. Ich sprengte viele Kannen Wasser darüber u. erreichte doch keine gleichmäßige Durchfeuchtung. Hoffentlich gehen die Pflanzen trotzdem an, – aber wir brauchen dringend Regen.

     Heute Morgen 8 Uhr waren alle Männer aufgeboten, am Grenzweg einen Luftschutzgraben auszuheben. Auch ich war aufgefordert, bin aber nicht hingegangen. Solche Arbeiten kann ich mit meiner Hüfte denn doch nicht mehr leisten.

     Heute wurde durchgegeben, daß der Führer nun auch noch den Reichsverweser von Ungarn, v. Holty, empfangen hat. Es scheint doch, als ob etwas Bedeutendes im Gange wäre. Gleichzeitig wird eine starke u. nicht ungeschickte Propaganda entfaltet mit dem Mord an den polnischen Offizieren durch die Bolschewiken. Es sollen 12000 Leichen sein, die man aufgefunden hat. Es ist das natürlich ein grauenvoller Vorgang, der den Engländern sehr fatal ist, denn in England sitzen die vielen polnischen Emigranten, die auf die Russen natürlich einen Haß haben u. deren Ansprüche für die Engländer um so unangenehmer sind, als sie wegen der Polen uns den Krieg erklärt haben zu einer Zeit, als sie mit Rußland noch nicht verbündet waren. Aber unsere moralische Entrüstung [9] macht denn doch einen fatalen Eindruck, denn wenn man alle von uns hingemordeten Juden zusammenzählen würde, dann würde ihre Anzahl jene 12000 weit zurücklassen. – Auffallend ist, daß eben ein neuer Botschafter beim Vatikan ernannt worden ist: Herr v. Weitzäcker. Nachdem vor einiger Zeit auch in Italien ein neuer Botschafter u. zwar kein geringerer als der Außenminister u. Schwiegersohn des Duce, Graf Ciano ernannt worden ist, macht es doch den Eindruck, als wäre darin ein System. – Zugleich wird eine große Propaganda mit unserem neuen Panzer „Tieger“ aufgezogen. Man hat das Gefühl, als wollten wir damit bange machen u. zeigen, daß wir noch sehr stark sind u. einen Frieden nicht nötig hätten, – es soll so aussehen, als ob wir mit diesem neuen Panzer, von dem gradezu Wunderdinge erzählt werden, in der Lage wären, Rußland endgültig niederzuwerfen. Dieser neue Panzer ist übrigens auch in Afrika bereits eingesetzt. Wenn er wirklich eine solche Wunderwaffe ist, dann wollen wir hoffen, daß er den Amerikanern dort nicht in die Hände fällt u. sie ihn nachmachen.

     Der Sohn von Fischer Heinrich Meyer ist gefallen.

Montag, 19. April 1943.     

     Fritz schickt Blumensamen aus Frankreich, leider nur teilweise brauchbar. Er versteht von dieser Sache nichts.

     Nachmittags Frau Prof. Heydenreich. Der Mann ist nun doch als Dozent nach Mailand gekommen, nachdem diese Berufung bereits über ein Jahr alt ist, aber bisher von den italienischen Behörden verschleppt wurde. Die Frau war inzwischen in Berlin, wo sie in der Insbruckerstr. eine Wohnung hat. Gerade diese Gegend Berlins ist bei dem großen Angriff am 1. März schwer mitgenommen worden, aber ihr Haus u. auch das, in welchem Dr. Klaus Wegscheider seine Wohnung hat, ist glimpflich davon gekommen. Die Frau erzählte allerhand Interessantes. Die schönen Villen am Rande des Schöneberger Stadtparkes sind teilweise vernichtet u. mit ihnen sehr bedeutende Kunstwerte, die die Besitzer der Villen besaßen. Erschütternd aber soll die Stimmung in der Bevölkerung sein, man verbirgt seine Meinung nicht mehr. Dazu kommt die Wirkung der haarsträubenden Hetzreden, die Herr Goebbels vor den Rüstungsarbeitern gehalten hat u. die nichts sind als Aufreizung zum Klassenhaß, – obgleich doch die Nazis behaupten, die Klassen längst abgeschafft zu haben. Frau H. machte einen schrecklich elenden, nervösen Eindruck. Von ihrem Mann bekommt sie aus Mailand nur sehr vorsichtige Nachrichten, – es wird dort noch viel schlimmer aussehen, als bei uns.

     Martha heute Kopfweh u. hat sich früh hingelegt, hoffentlich wird daraus keine Krankheit, die uns einen Strich durch die Osterhoffnung macht. Martha telephonierte mit der Schwester Oberin Salsia in Müritz, die uns einlud, Ostern dort zu verleben. Ich war im vorigen Jahre etwa zehn Tage dort, allein, Martha war in Regensburg. So Gott will, werden wir am Gründonnerstag mit Spangenberg hinüberfahren u. bis Montag dort bleiben.

     Pfarrer Dobczynski schreibt, daß er hofft, noch vor dem Weißen Sonntag zu uns zu kommen, um bei uns eine hl. Messe zu zelebrieren. Der Eifer dieses Mannes ist immer aufs Neue rührend.

[10]
Mittwoch, 21. April 1943     

     Gestern Abend war Prof. Erich Seeberg zum Abendessen unser Gast. Formlos, wie er ist, brachte er seinen Hund mit, einen großen, schwarzen, sehr alten Neufundländer, der sich bei uns störend breit machte. Der Professor selbst ist zwar ein liebenswürdiger, aber doch sehr seichter Plauderer, der ein ernsteres Gesprächsthema durchaus vermeidet. Dazu erzählt er besonders gern Geschichten, die seine Freude über die Mängel anderer Menschen erkennen lassen, was bei einem Theologen recht befremdend wirkt. Ueberhaupt ist bei ihm nicht viel vom Theologen zu bemerken, abgesehen davon, daß er gelegentlich Zitate aus dem Alten Testament anwendet, um sich auf diese Art witzig zu machen. Zum Glück hat seine Schwester, Margrets Mutter, mit diesem Mann nicht die leiseste Aehnlichkeit.

     Um 1/2 11 Uhr ging er nachhause u. es war um diese Zeit bereits Motorengeräusch zu hören, doch brannte das Licht am Darsser Ort. Ich ging dann schlafen. Um 1 Uhr 45 weckte mich der Nachbar Papenhagen, indem er an mein Fenster pochte. Ich hörte die Flak, die seit einiger Zeit am Hohen Ufer steht, heftig schießen u. sehr starkes Motorengeräusch. Ich zog mich an u. ging zu Martha rauf, die schon auf war. Wir sahen vom Fenster aus bei hellem Vollmond Flugzeuge in etwa 20 mtr. Höhe, die von unserer Flak beschossen wurden u. die mit Maschinengewehren antworteten. Weiterhin sahen wir über Rostock starkes Flakfeuer. Die ganze Geschichte dauerte bis 3 Uhr Morgens. Heute früh wurde bekannt, daß Rostock angegriffen worden ist, der Rundfunk berichtete heute von schweren Angriffen hauptsächlich gegen Stettin. Auch Tilsit ist in der Nacht von den Russen angegriffen worden. Diese Russen=Angriffe mehren sich in der letzten Zeit beträchtlich.

     Dr. Wessel brachte heute Margrets Schwester Christa mit ihren beiden kleinen Kindern aus Ribnitz herüber, – sie ist dort z. Zt. zu Besuch bei der Schwester ihres Mannes, die dort verheiratet ist, offenbar an einen sehr kleinen Beamten. Dr. W. wollte wissen, daß mehr als 500 Flugzeuge festgestellt worden wären. Es sind 30 Maschinen abgeschossen worden.

     Dr. W. nimmt heute Abend Frau Bohner, Margret u. ihre Schwester Christa mit den Kindern wieder mit nach Ribnitz. Die ersteren fahren dann morgen nach Bln. zurück. Wir fahren morgen Nachmittag nach Müritz. –

     Es ist sehr warmes Frühlingswetter, aber sehr trocken. Für heute Abend meldet sich eben Oblt. Dr. Krappmann u. Frau an, – er wird uns über die nächtlichen Ereignisse sicher Interessantes erzählen.

     Oblt. Dr. K. u. Frau waren hier. Ich bin erschüttert, wie völlig hoffnungslos er die Lage ansieht. Bisher war ich immer pessimistischer, als er, aber nun ist es umgekehrt. Nach seiner Ansicht gibt es nichts mehr, was uns vor dem Bolschewismus retten kann, – auch England u. Amerika nicht, er glaubt, daß die Russen uns alle niederwalzen werden. –

     Er war heute in Rostock u. sagt, daß diese Stadt in der letzten Nacht wieder schwer mitgenommen worden ist. Es war keine schwere Flak dort, da alles nach Berlin gebracht worden war. Er glaubt, daß seine leichte Flak wenigstens ein Flugzeug abgeschossen habe, welches beim Darsser Ort abgestürzt sein soll. Seine Flakbedienung besteht aus jungen Leuten, die zum ersten Male geschossen haben. Sie wären nervös gewesen, sonst hätte das Resultat besser sein müssen.

[11]
Müritz, Karfreitag, den 23. Apr. 1943.     

     Gestern fuhren wir mit Spangenbergs Pferdewagen kurz nach 2 Uhr hierher. Es war schönes Wetter, doch wehte ein scharfer Ostwind, der bis Dierhagen sehr unangenehm war. Von dort an ist der Weg geschützt u. außerdem ließ der Wind allmählich nach. Kurz vor 5 Uhr kamen wir hier an. Es ist erstaunlich, wie viel fortgeschrittener die Vegetation hier ist. Müritz liegt an derselben Küste nur wenige Kilometer weiter westlich wie Ahrenshoop, aber man hat den Eindruck, in einem anderen Lande zu sein.

     Als erster begrüßte uns der Rektor, dann Schw. Katharina u. die Oberin. Es ist immer derselbe, herzliche Empfang. Martha bekam ihr Zimmer 15, wo sie bisher immer gewohnt hat u. in dem ich im vorigen Jahre wohnte, ich selbst wohne in Zimmer 16, ein schönes, großes Zimmer, in dem sonst immer die fremden Geistlichen u. Exerzitienmeister untergebracht werden. – Wir wurden mit Kaffee (natürlich Ersatz) bewirtet, dazu das schöne, selbstgebackene Brot u. vorzügliche Plätzchen. Der Rektor u. Schw. Oberin leisteten uns Gesellschaft. Im Hause sind alte Leute aus Rostock untergebracht, – es brannten ja im vorigen Jahre zwei Altersheime dort ab. Es ist das am morgigen Tage grade ein Jahr her, als die schweren Angriffe auf Rostock begannen. Es ist uralte Leute, die man hierhergebracht hat u. viele von ihnen sind bereits gestorben. Außerdem haben sie noch an 40 Kinder aus Osnabrück. –

     Um 19 Uhr gestern Abend war Abendandacht, um 1/2 10 Uhr gingen wir sehr müde schlafen. Um 7 Uhr gab es Abendessen, vorzügliche Eierkuchen mit Preißelbeeren.

     Heute früh begannen die Karfreitags-Zeremonien um 1/2 10 Uhr. Ich las, wie es nun schon fast Tradition ist, die Leidensgeschichte nach Johannes. Der Rektor hielt eine kurze Predigt. Nachher kurzer Spaziergang zum Strande u. durch den kleinen Wald zurück. Ich bin wieder entzückt über die Gepflegtheit des Ortes. Die Wege sind sauber u. gut gehalten, so daß ein Spaziergang Spaß macht, – im Gegensatz zu Ahrenshoop. Ich sagte zu Martha, daß ich mir für meinen Lebensabend solch einen Wohnort wünsche, – eine Kirche u. eine angenehme, gepflegte Umgebung. Es macht Freude, zu sehen, wie die Leute hier ihre Gärten pflegen, die infolge der geschützten Ortslage u. eines besseren Bodens auch für diese Pflege viel dankbarer sind, wie bei uns. Ich sah einen Steingarten, in welchem viele von den Stauden standen, die ich auch habe – aber wie dürftig sind sie bei mir.

     Um 12 Uhr Mittagessen. Zander. Frau Blümel aus Rostock mit zwei kleinen Kindern, Mädchen 5 Jahre, Bube 2 Jahre u. dickes Dienstmädchen. Der Mann hat ein Fahrradgeschäft in Rostock, ist vor einem Jahre abgebrannt, hat ein neues Haus dort kaufen können u. ist bei dem Angriff am 20./21. Apr. ohne Schaden davongekommen. Sonst aber ist Rostock doch wieder schwer mitgenommen, über 700 obdachlose Familien. Frau B. wohnt mit den Kindern in Graal u. kommt zum Essen hierher.

     Nach dem Essen geschlafen. Um 3 Uhr Kreuzwegandacht, anschließend Beichte, zu der Martha ging. Ich selbst bin etwas ermüdet u. schlaff, es herrscht draußen sommerliche Temperatur, – werde erst morgen beichten gehen. Morgen früh fängt der Gottesdienst schon um 6 Uhr an, – ich werde wohl wieder die Allerheiligenlitanei singen.

     Churchill soll eine Rede gehalten haben, in welcher er [12] eine eindringliche Warnung an Deutschland ausgesprochen haben soll, keinen Gaskrieg zu beginnen. Er soll gesagt haben, er hätte genaue Nachrichten darüber erhalten, daß große Mengen von Gas=Munition an die Ostfront geschafft worden seien. Das würde sich genau mit dem decken, was ich auch sonst aus Offizierskreisen gehört habe. Man sagt, – u. das ist sehr wahrscheinlich, – daß wir nur noch auf diese Weise eine Offensive gegen Rußland durchführen können, – u. eine Offensive müssen wir durchführen, weil sonst unsere hoffnungslose Schwäche vor aller Augen offen liegt. Es ist diesen Leuten absolut zuzutrauen, daß sie nun auch noch dieses Verbrechen begehen u. damit die wehrlosen deutschen Städte englichen Gasangriffen ausliefern. –

     In diesen Tagen hat Hitler nun auch noch den sogenannten Verbündeten aus Norwegen, Herrn Vidkun Quisling empfangen, sodaß nun alle Vasallen bei ihm waren. Hier im Hause ist vor einiger Zeit eine 82jährige alte, adelige Dame aus dem Baltikum verstorben. Sie war einst Besitzerin eines großen Rittergutes im Baltikum gewesen u. ist von dort vor den Bolschewisten geflohen u. ist mittellos in Rostock untergekommen. Dort ist sie durch den Bombenangriff im vorigen Jahre des Restes beraubt worden, den sie noch besaß, ist dann hier untergebracht worden u. hier gestorben. Dieses Schicksal ist wohl typisch für uns alle.

Müritz, Karsamstag, 24. April 1943.     

     Bin gestern Abend doch noch zur Beichte gewesen, als ich hörte, daß der Rektor noch um 1/2 9 Uhr für die Schwestern Beicht hörte. Ich schloß mich an. Nachher gleich schlafen gegangen, bzw. ins Bett gelegt, wo ich nicht gut schlafen konnte, weil ich im Bein Nervenschmerzen hatte. Mit diesen Schmerzen kündete sich ein kurzes, aber recht kräftiges Gewitter an, das gegen 1 Uhr Nachts sich entlud, – das erste dieses Jahres. Sehr viel Regen hat es nicht gegeben, ich fürchte, daß in Ahrenshoop kein Tropfen Regen gefallen sein wird.

     Heute früh um 6 Uhr Feuerweihe, dann die 12 Prophetien mit anschließender Allerheiligenlitanei, die ich ziemlich gut vorsang u. Ostermesse. Im vorigen Jahre war ich sehr enttäuscht, als der Rektor in dieser Messe keine hl. Kommunion austeilte. Deshalb steckte ich mich noch gestern Abend hinter die Altarschwester Ephrem u. erreichte, daß heute communiziert wurde. Der Gottesdienst war wieder sehr schön, leider singen die Schwestern überaus schlecht, sie können die einfachsten Sachen nicht. Besonders schlecht war das Alleluja, nur deutsche Lieder können sie.

     Das Wetter ist heute wieder sommerlich, wenngleich auch einzelne Wolken am Himmel sind. Der Rektor machte uns heute früh Sorge mit der Mitteilung, daß gestern Abend in Richtung Ahrenshoop viel geschossen worden sei u. daß Leuchtkugeln am Himmel gestanden hätten, doch ergibt sich aus näherer Beschreibung durch Schw. Katharina, daß es ein Uebungsschießen unserer Batterie gewesen sein muß.

     Schw. Ephrem sagte uns, daß ein Taubstummer, ein alter Mann, der am Donnerstag, kurz nachdem wir hier angekommen waren, aus Rostock hier eingeliefert worden war, heute früh gestorben sei. Er hat einen sehr sanften Tod gehabt. Gestern noch hat er, wie Schw. Ephrem sagt, immer auf das Kruzifix gedeutet, das die Schwestern auf der Brust tragen, dazu hat er in einer eigentümlich wissenden Art gelächelt u. dazu gestammelt: „Vater unser!“, u. dann hat [13] er zufrieden genickt. Da er aber nicht weiter krank war, hat man nichts darauf gegeben. Heute ist er nun gestorben. – Als ich um 3/4 3 Uhr zufällig über den Flur ging, öffnete sich plötzlich eine Tür, an der ich grade vorbei ging, u. man trug den Toten heraus, mit den Füßen zuerst. Ich sah nur die bloßen, bleichen Füße, der Körper u. der Kopf waren in weiße Tücher gehüllt. Man trug ihn die Treppe hinab. Gleich darauf sah ich vom Balkon meines Zimmers einen einfachen Plattenwagen, von zwei Pferden bespannt, im Schritt davonfahren. Es war Stroh ausgebreitet u. darüber lagen zwei alte, rote, verblichene Steppdecken. Wer nichts wußte, sah nichts als dieses. Mir aber zeichnete sich der Leichnam deutlich unter den Decken ab, – die Füße lagen in der Fahrtrichtung zum Kutscher hin, der Kopf hinten. Der Kopf schwankte leise hin u. her. Der Wagen fuhr im Schritt in Richtung auf den Friedhof davon. – Gott sei seiner armen Seele gnädig! –

     Nach dem Essen Versuch zu schlafen, der aber scheiterte, obgleich ich ziemlich müde war nach dieser durch das Gewitter u. vorher durch Nervenschmerzen gestörten Nacht u. dem recht anstrengenden Frühgottesdienst. Um 3 Uhr Kaffee u. dann mit Martha einen kleinen Wald=Spaziergang. Sie gibt sich rührende Mühe, die Bäume unterscheiden zu lernen u. ich helfe ihr dabei. Um 5 Uhr wieder zuhause, Martha besuchte noch die Schwester Anna im dicht bei uns liegenden evang. Diakonissenheim. In der Kapelle die Mette gebetet. Wurde gestört durch das Singen der Knaben, die im Hofe die bei der Jugend jetzt üblichen militärischen Marschlieder übten. Es ist das ein Teil der nationalsozialistischen Jugenderziehung. Es ist so wie im Kadettencorps in meiner Jugendzeit, nur daß heute die ganze Jugend ohne Ausnahme diesen Unfug betreiben muß. Ein Junge kommandiert mit schreiender Stimme alle anderen, die gehorchen müssen. Man nennt das: „Führerauslese“, d. h.: damit einer kommandieren kann, werden Tausende zu blind gehorchendem Herdenvieh dressiert. Das ist „nationalsozialistisches Führerprinzip“. Den Zusammenbruch dieses Prinzips werden wir ja bald erleben, wenn Hitler nicht mehr da sein wird. Es ist ja jedem Menschen absolut klar, daß von all diesen Kreaturen, die um ihn sind, kein einziger in der Lage ist, Führer zu sein.

Müritz, Ostersonntag, 25. April 1943.     

     Um 8 Uhr Frühmesse mit hl. Communion, dann Frühstück, um 10 Uhr Hochamt, sehr voll, viele Soldaten u. andere Fremde. Draußen ist kühles Regenwetter.

     Nach dem Mittagessen an Fritz geschrieben, der letzte Brief vor seiner Hochzeit. Möge er sich stets bewußt sein, Christusträger zu sein. Nachmittags in der Veranda mit Familie Blümel aus Rostock zusammengesessen, auch der Rektor war dabei. Angeregte Gespräche, natürlich über Politik. Das Gespräch wurde so lebhaft, daß Schw. Oberin kam u. warnte, weil eine von den alten Frauen aus den Bombengeschädigten, welche sehr nationalsozialistisch ist, in der Nebenveranda saß, wo man leicht hören kann. Herr Blümel ist ein intelligenter u. kultivierter Mann, sehr viel mehr, als man es von einem Fahrradhändler erwarten sollte. Der älteste Sohn, 22 Jahre, war ebenfalls dabei, er studiert Medizin. Ein wohlerzogener u. aufgeweckter junger Mann.

     Um 5 Uhr war Andacht. – Martha telephonierte mit Frau Monheim. Sie wollte morgen ihren Jungen Berni mit Spangenbergs Wagen herschicken, damit er am Hochamt teilnehme u. dann [14] mit uns zurückführe, doch scheint es ihr dazu zu kalt u. zu regnerisch zu sein. Auch Frau Dr. Krappmann wollte mit herkommen, doch muß ihr Mann morgen von 8 Uhr an schießen. Zwar war ihr das vorher schon bekannt, aber nun meint sie, daß sie deshalb nicht kommen könne. Wahrscheinlich ist auch ihr das Wetter zu unsicher. Unter diesen Umständen ist es dann egal, wann Spangenberg uns hier abholt, vielmehr wäre es sehr angenehm, wenn er erst später käme, wir könnten dann noch hier zu Mittag essen. –

Martha hat für die Schwestern ein sehr nettes Osterkörbchen zurechtgemacht, sodaß alle sich sehr freuten. Wir sind hier wirklich wie zum Hause gehörig.

Die Kinderschwester erzählt Dinge, die sie von den Kindern aus Osnabrück gehört hat, welche hier sind, z.B. daß die Engländer über Osnabrück Drehbleistifte abgeworfen haben, welche explodieren, wenn man daran dreht. Solche Dinge sind wirklich überaus gemein.

Abends waren einige der Schwestern mit uns in der Veranda, dann der Rektor, mit dem wir im Dunklen bis 11 Uhr saßen und uns ungemein interessant unterhielten.

Müritz, Ostermontag 26. April 1943.     

     Heute ist der letzte Tag hier. Spangenberg holt uns am Nachmittag ab. Das Wetter ist kühl u. veränderlich, hoffentlich kommen wir trocken nach Ahrenshoop zurück.

     Morgens um 8 Uhr war wieder stille Messe mit Communion, um 10 Uhr Hochamt, doch ohne Predigt, mit sakramentalem Segen. – Morgens früh ging ich in Hausschuhen die Treppe hinab, glitt aus u. rutschte ganz sanft die ganze Treppe hinunter, von Stufe zu Stufe, ohne mir das Geringste getan zu haben.

     Heute um 1 Uhr soll noch der kleine Johannes Papen kommen, der mein Patenkind ist. Ich habe ihn noch nie gesehen. Er ist drei Jahre alt. Der Rektor rief mich damals an, ob ich die Patenschaft übernehmen wolle. Ich sagte zu, war aber bei der Taufe selbst nicht anwesend. Von Schw. Oberin höre ich, daß die häuslichen Verhältnisse dort nicht zum Besten stehen. Der Mann ist zwar fromm u. kommt zur Kirche u. ich kenne ihn vom Sehen, aber die Frau geht fremd u. man behauptet, daß nicht alle Kinder von diesem Vater sind. Gegenwärtig ist eine kleine Tochter hier im Hause mit Namen Maria, ein recht wildes, aber doch gutartiges Kind, das am kommenden Sonntag die Erstkommunion empfangen soll. Von Schw. Oberin höre ich, daß der Vater eine Littauerin im Hause hat, mit der er ein Verhältnis hat. Die Leute wohnen in Graal. Es ist ein Jammer, daß diese Leute Katholiken sind, wo es so wie so schon kaum Katholiken hier gibt. Auch eine andere Familie gibt es da noch. Obwohl sie nur zwei Häuser nebenan wohnt, kommt keiner von ihnen zur Kirche. Dabei war der Mann vor einigen Jahren mit mir zusammen hier im Hause bei den Exerzitien u. die Frau war oft krank u. beanspruchte dann die Schwestern mit tausend Kleinigheiten. Die Leute waren mir allerdings stets sehr unsympathisch.

Ahrenshoop, Abends

     Um 4 Uhr holte Spangenberg uns aus Müritz ab. Im letzten Teil der Fahrt, von Dierhagen an, gerieten wir in einen tollen Sturm, der rasch zunahm u. zeitweise Windstärke 7 – 8 erreichte, besonders, als wir uns grade auf der Höhe zwischen Wustrow u. Althagen befanden. Spangenberg fuhr sehr rasch, er hatte den Falben vom Bauer Nagel eingespannt, dazu sein eigenes, jüngers Pferd, – so waren wir punkt 6 Uhr bereits in Ahrenshoop. Hier kamen wir vor verschlossene Türen, [15] da Frl. v. Tigerström uns noch nicht erwartet hatte u. zu Frau Charlotte Schmitt gegangen war. Zum Glück kam sie dann bald, – auch hatte sie geheizt, worüber wir sehr froh waren. – Bei der inzwischen eingegangenen Post war ein Brief von Fritz, ferner ein Buch: Ernst Jünger, „Geheimnisse der Sprache“, als Ostergeschenk für mich, worüber ich mich besonders freute, u. dann noch ein wundervolles Engel=Buch von Lothar Schreyer. – Ferner ein Brief von Dr. Tetzlaff aus Badenweiler, der mir ein schönes Gedicht. „Stimme des Gefallenen“ von Werner Bergengruen, sandte. Bergengruen ist Konvertit. Tetzlaff schreibt mir, daß bei der völligen Vernichtung der Hedwigskirche in Berlin beim letzten Fliegerangriff seltsamerweise allein die schlanke, weiße Tabernakelsäule in der Sakramentskapelle inmitten der Ruinen völlig unversehrt geblieben ist. Er schreibt, der Herr Dr. Goebbels habe bei der Besichtigung der zerstörten Kirche gefragt, ob es eigentlich noch mehr kathol. Kirchen in Berlin gäbe. Ich kann das nicht glauben, es wäre zu dumm. – Ich hatte Dr. T. vor einiger Zeit eine Abschrift des Briefes des Kaplans u. Divisionspfarrers aus Stalingrad gesandt, er schreibt mir, daß er ihn im Gottesdienst am selben Sonntag noch vorgelesen habe. Auch habe er ihn weiter verbreitet u. der Brief sei bereits mehrfach in Predigten behandelt worden. Dasselbe schrieb mir s. Zt. Pfr. Feige aus Bln-Pankow, dem ich ebenfalls eine Abschrift gesandt hatte. –

     Der Abschied in Müritz war wieder schmerzlich u. herzlich. Die Schwestern gaben uns ein Paketchen mit, das wir zuhause öffnen sollten. Es enthielt ein buntes Körbchen, in welchem eine Kuchen=Henne auf vielen Bonbon=Eiern saß. Es war sehr niedlich.

     Von Pfr. Dobczynski bekamen wir die schöne Nachricht, daß er am Donnerstag zu uns kommen u. bei uns eine hl. Messe zelebrieren will. Das wird also wieder etwas Besonderes, ich hoffe, daß dann noch Frau Monheim hier sein wird.

     Aus der Zeitung entnahm ich, daß der Führer nun auch noch den Dr. Tiso aus der Slowakei empfangen hat. Diese diplomatischen Empfänge sind ja sehr aufsehenerregend. Ferner hörte ich das Gerücht, die Sowjet=Regierung habe ihre Verbindung mit der polnischen Emigranten=Regierung in London abgebrochen. Das wäre freilich eine Nachricht von sehr großer Bedeutung, zweifellos ein diplomatischer Sieg der Nazis, den sie durch ihre Propaganda betr. den Mord an angeblich 12000 polnischen Offizieren errungen hätte. Den Engländern dürften diese Dinge recht peinlich sein u. man kann gespannt sein, was sich weiter daraus entwickelt. Wenn es Hitler damit gelingen sollte, einen Keil in das Bündnis England – Rußland zu treiben, so wäre das freilich von großer Bedeutung. Möglicherweise benutzt England diese Gelegenheit, um sich von diesem unnatürlichen Bündnis zurückzuziehen, nachdem Rußland jetzt eine Macht entwickelt hat, die wahrscheinlich auch England selbst unheimlich zu werden beginnt. –

     Uebrigens meldete sich auch Margret mit zwei Photographien als Ostergratulantin. Die Bilder hatte Fritz gemacht, eines davon ist sehr gut, – am Strande gehend. –

     Auch mein Patenkind, den kleinen Johannes Papen, habe ich nun gesehen, ein netter, dicker, kleiner, zutraulicher Bengel. Der Vater stammt aus der Gegend von Kleve u. ist ein braver Mann, der eben mit seiner Frau Pech gehabt hat. Die Frau ist seit zwei Jahren von ihm weg u. lebt mit anderen Männern. Es ist das eine Irrung, die aus der Wurzellosigkeit u. Zerfahrenheit unserer Zeit erwachsen ist u. vielleicht kann man der Frau nicht einmal sehr große Schuld beilegen; aber der Mann ist jedenfalls trotz allem ein braver, frommer Mensch, der alles trägt mit einem demütigen Gottvertrauen. Er machte auf mich einen recht guten Eindruck.

[16]
Ahr. 28. April 1943. Mittwoch.     

     Nachmittags Besuch von Frau Asta Smith, die ihr Haus in Berlin weitervermietet hat u. nun in Althagen in ihrem dortigen Hause bis auf Weiteres wohnen will. Sie ist nach wie vor fest entschlossen, zum Katholizismus überzutreten u. fragte, ob ich auch jetzt noch Willens sei, ihr Konvertitenunterricht zu erteilen, wie wir es im Herbst bereits besprochen hatten. Ich sagte natürlich mit Freude zu. Sie muß jetzt erst noch einmal nach Berlin zu einer ärztlichen Untersuchung, was mir sehr lieb ist, da ich erst Fritzens Hochzeit vorbeigehen lassen möchte, um besser konzentriert zu sein. Wir verabredeten, daß wir Anfang Juni beginnen wollen, wöchentlich zwei mal. Es ist ihr Wunsch bis zum Herbst so weit zu sein, daß sie den Uebertritt wirklich vollziehen kann. Das wäre dann nach Martha die zweite Katholikin, die ich der Kirche darbringen darf. Welche Gnade!

     Heute Abend haben wir das Wohnzimmer zum Gottesdienst hergerichtet, der morgen früh stattfinden soll. Den Altar habe ich mit Stiefmütterchen geschmückt, andere Blumen gibt es noch nicht. Frau Smith brachte einen blühenden Zweig einer wilden Kirsche mit, der in einer großen Vase am Boden steht.

     Die politischen Ereignisse gehen langsam weiter. Der Führer empfing nun auch noch den Staatschef von Kroatien. Aus Italien kommen sehr ernste Nachrichten. Italien soll voll von englischen Spionen sein, welche oft in deutschen Uniformen herumlaufen. Die Italiener verbergen ihre Antipathie gegen uns Deutsche immer weniger u. sprechen offen davon, daß sie mit den Engländern gemeinsame Sache machen wollen gegen uns, sobald die Engländer in Italien gelandet sein werden. Aber das scheint doch nicht so leicht zu sein, denn Rommel wehrt sich vorläufig in Tunis noch sehr energisch. Dennoch ist es nur eine Frage der Zeit.

     Von Margret u. ihrer Mutter Briefe. Beide sprechen nochmals ihren tiefen Eindruck aus, den sie am Palmsonntag von unserer Hausandacht empfangen haben u. Margret bittet, künftig stets an diesen Andachten teilnehmen zu dürfen. Das ist überaus schön. Mutter u. Tochter werden am kommenden Sonnabend wieder nach hier zurückkommen.

     Auch von Fritz ein Brief. Er hat am Passions-Sonntag in Le Tréport Gottesdienst gehabt. Zu Ostern hat er sich mit dem Divisionspfarrer Jasper in St. Quentin verabredet u. wird auch dort an dessen Gottesdienst teilnehmen. Sein früherer Kamerad aus der Sanitätsabteilung, Pfarrer Hielscher, hat ihm geschrieben, er möchte gern Fritz u. Margret trauen, – aber das wird wohl kaum gehen. – Fritz hat an Ruth geschrieben u. ihr auf Grund meines Briefes an ihn meinen Standpunkt klargelegt. Vielleicht kommt sie dadurch zur Einsicht u. es wäre dann möglich, daß sie zur Hochzeit herkommen kann. Damit wäre dann wieder einmal ein Friede geschlossen.

     Gestern Nachmittag Besuch von Frau Monheim, deren Mann über Ostern hier war u. gestern wieder nach Bln. zurückfuhr. Wir haben ihn nicht gesprochen.

     Das Wetter bessert sich langsam wieder. Der Regen hat gut getan, doch war's zu wenig u. zu viel Sturm. Meine Steingarten=Stauden sind dabei aber gut angewachsen. Besonders eine große Primelart mit großen, hellgrünen Blättern u. dunkelrotvioletten Blüten. Auch die einfachen Waldpriemeln, die ich im vorigen Jahre pflanzte, gewöhnen sich langsam an Klima u. Landboden u. entwickeln sich. Sie sind aus einem Walde jenseits des Boddens bei Saal, Frl. v. Tigerström brachte sie mir im vorigen Jahre mit.

[17]
Ahr. Donnerstag, 29. 4. 43.     

     Heute war also hl. Messe. Pfr. Dobczynski kam bereits um 8 Uhr. Zum Glück war schon alles gestern Abend vorbereitet. Um 9 Uhr kam Frau Monheim mit Berni, dann Frau Beichler, Schwester von Frau Knecht, zuletzt Frau Oblt. Dr. Krappmann mit Lothar. Ihr Mann mußte leider schießen u. deshalb konnte auch sonst niemand von der Batterie kommen. So konnten wir ziemlich pünktlich um 9 Uhr beginnen. Ich ministrierte. Der Pfarrer hielt eine gute Predigt. Zur hl. Kommunion waren Martha, ich u. der kleine Berni Monheim. Im Augenblick der hl. Kommunion begann die Batterie ihr Schießen mit schwerem Kaliber. –

     In der Nacht vorher Fliegeralarm. Die Engländer flogen wieder sehr tief, aber es war zum Glück sehr dunkel, sodaß unsere leichte Flak diesmal nicht schoß. Bomben wurden nicht geworfen, nur die Flak in Rostock hat geschossen. Dort sollen auch Bomben geworfen worden sein. Ich war draußen auf der Brücke, doch war nicht viel zu sehen. –

     Pfarrer D. blieb bis 4 Uhr Nachmittags bei uns. Es ist für mich stets eine schwere Aufgabe, ihn nach der Messe zu unterhalten. Wir waren in meinem Zimmer. Er zeigte mir allerhand Zeichnungen, die er zur Unterstützung des Religionsunterrichtes gefertigt hat, vor allem das Kirchenjahr in Form eines großen Kreises, dessen Mittelpunkt das Monogramm Christi darstellte als Sonne, von der aus Strahlen ausgehen. Die Peripherie stellte dann den Ablauf des Kirchenjahres dar in einem breiten Streifen, der in liturgische Farben aufgeteilt die Festkreise zeigte. Das Ganze war sehr klar u. leicht faßlich für das Auge. Ferner hatte er zeichnerische Darstellungen des Aufbaues der Messe, nicht in der üblichen Weise als Grundriß, sondern gleichsam im Aufriß. Und endlich ein kleines Heftchen mit dem Meßtext u. bunten Bildern dazu, die zeigen, was der Priester tut. Diese letzteren hat er abgepaust von bereits vorhandenen Bildern; aber da z. Zt. keine religiösen Bücher gedruckt werden dürfen u. die vorhandenen allmählich vergriffen sind, zeichnet er das alles selbst u. vervielfältigt es auch einem Apparat. Es ist unglaublich, welche Mühe sich dieser Mann gibt. –

     Kaum war Pfr. D. um 4 Uhr mit dem Rade abgefahren, als Frau Hülsmann aus München, Gattin des Malers, kam, um guten Tag zu sagen. Sie ist seit Ostermontag hier u. wohnt in Althagen bei Frau Geh-Rt. Miethe. Sie erzählte vom letzten Fliegerangriff auf München, der offenbar sehr schwer gewesen ist. Staatsbibliothek völlig ausgebrannt, viele Wohnhäuser u. a. öffentl. Gebäude vernichtet, auch das Braue Haus hat gebrannt, ist aber bald gelöscht worden. Die anderen Gebäude hat man anscheinend brennen lassen, da nicht genug Feuerwehr vorhanden war, die sich teilweise in Nürnberg befand, wo vorher ein Angriff gewesen war. Sie erzählte ferner von den Vorkommnissen in der Münchner Universität u. der Hinrichtung der drei Studenten, unter ihnen eine Studentin.

     Nachdem Frau H. gegangen war, kamen Herr u. Frau Robert Schneider aus Berlin, die abermals vom Angriff auf Bln. berichteten. So war dieser Tag mit Besuch ausgefüllt u. sehr anstrengend. Man erfährt dabei nur immer schreckliche Dinge.