Thüringer Sagenbuch. Erster Band/Von der Ruhl

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Spukende Thiere Thüringer Sagenbuch. Erster Band
von Ludwig Bechstein
Das Alp
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
[218]
115.
Von der Ruhl.

Der Ursprung des bedeutenden Ortes Ruhla oder die Ruhl, der tief zwischen waldige Berge in langer Ausdehnung eingebaut ist, reicht in ziemlich frühe Zeit hinauf. Waffenschmiede sollen im eilften Jahrhundert aus Eisenach, dessen Namen man von Eisen ableiten will, weg, und in diese Thalenge gezogen sein, wo der rollende Bergbach „die Ruhl“ zu Schmieden und Hammerwerken sich ganz geeignet zeigte. Der ganze Ruhler weitausgedehnte Forstdistrikt soll früher ohne Waldung gewesen sein, und man habe die Berggelände zum Weinanbau benutzt, was uns jetzt kaum glaubhaft bedünkt. Am Ringberge wollte man noch vor hundert Jahren die Grenzraine der Weinberge von zusammengetragenen Steinen erblicken. Das alles klingt nicht glaubhaft. Besser zu glauben ist die örtliche Ueberlieferung, daß zuerst Köhler sich angesiedelt, von denen die Kohlengasse den Namen trage, dann Hammerschmiede und Bergleute, die haben in der „alten Ruhl“ gewohnt. Später brachten zwei Messermacher aus Ungarn ihre Kunst in die Ruhl, die sich zu großem Flor erhoben, dann kam die Pfeifenkopffabrikation. In früheren Zeiten grub man am Berner, am Wasserberge und hinter dem Kaiserberge [219] vieles Eisen, auch fand man Steinkohlen und am Wartberge (Martberge) Silber und Kupfererz, ja sogar Gold.

In Urkunden um das Jahr 1216 heißt der Ort Ruhla, Rupoldis. Jene Schmiede, in welcher Ludwig der Eiserne, der Sage nach, hart geschmiedet wurde, war vor hundert Jahren ein Zainhammer, lag fast mitten im Orte und gehörte damals dem Kaufmann Johann Hermann Malsch. Viele wollen den Ortsnamen „die Ruhl“ von „Tirol“ ableiten, und den Ort durch Einwanderer aus jenem Lande bevölkern lassen, was keine Wahrscheinlichkeit für sich hat. Nach alten Chronikensagen kamen zuerst Bergleute vom Harz in den Thüringerwald, und legten Hüttenwerke in den Niederungen um dem Fuß des Inselsberges an, so in Cabarz, Tabarz, Brotterode, Steinbach bei Liebenstein, und Ruhl. In den letztgenannten drei Orten ist die Sprache in ihrer dialektischen Form sehr eigenthümlich mit vielen rein erhaltenen mittelhochdeutschen Lauten. Nach hohem Alter des Ortes deutet in der Ruhl ein Jugendspiel, das sogenannte Laubmännchen, die alte Gewohnheit der Laubeinkleidung zum Zweck symbolischer Feier der Frühlings- oder Sommerwiederkehr, die sich in Thüringen nur sehr vereinzelt findet. Der Ruhler Boden ist ungemein sagenreich, Sagen von Geistern, Gespenstern, Schätzen, Wundermännern, Hexen, Croaten und sonstigen Trägern der Volkssage fanden dort eine vom Glauben und den Neigungen des Volkes bevorzugte Heimath.