Topographisch-statistische Nachrichten von der Stadt Wertheim, in der Grafschaft gleiches Namens, im Fränkischen Kreise

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Autor: Johann Friedrich Neidhard
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Titel: Topographisch-statistische Nachrichten von der Stadt Wertheim, in der Grafschaft gleiches Namens, im Fränkischen Kreise
Untertitel:
aus: Journal von und für Franken, Band 6, S. 641–676
Herausgeber: Johann Caspar Bundschuh, Johann Christian Siebenkees
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1793
Verlag: Raw
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Erscheinungsort: Nürnberg
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Quelle: UB Bielefeld, Commons
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I.
Topographisch-statistische Nachrichten von der Stadt Wertheim, in der Grafschaft gleiches Namens, im Fränkischen Kreise,
von
Johann Friedrich Neidhard,
Rector des Lyceums.
Die Natur selbst hat der Stadt Wertheim, welche unter dem 49 Grade, 44 Minuten nördlicher Breite und dem 30 Grade, 34 Minuten östlicher Länge liegt, ihren bestimmten Umfang angewiesen; indem sie an zwey Seiten von Flüssen, von hinten her aber durch einen daran stoßenden Berg begränzt wird. Ihre nördliche Seite ziehet sich längst dem linken Ufer des Mayns hin, der nach einer beträchtlichen, beynahe zirkelförmigen, Krümmung sich der Stadt nähert, und dichte an ihren Mauern vorbeyfließet. Die Tauber| aber trennet sie, von Süden kommend, in einen größern und kleinern Theil, und vereinigt sich mit dem Mayn, Nordwärts der Stadt. Südöstlich dehnet sich ein Berg zwischen beyden Flüssen längst ihrer hintern Seite aus, der nebst den Flüssen ihr beynahe die Gestalt eines gleichschenklichten Dreyecks gibt, dessen Grundlinie, doch mit merklicher Einbeugung, sich an den Berg anlehnet. Auch jenseits der Flüsse ist die Stadt von Bergen umgeben, welche ein in etwas enges Thal um sie her einschließen, und an sich selbst weder sehr hoch, noch sehr steil sind. Selbst die Lage der Stadt zwischen zwey Flüssen, wo die alten Bewohner Teutschlands sich am liebsten niederließen, macht es sehr wahrscheinlich, daß man ihren Ursprung schon in weit entfernten Zeiten suchen dürfe. Und da schon in einer Urkunde König Ludwig IV. vom J. 910. ein Boppo, als Besitzer des Gaues, in welchem Wertheim lag, vorkommt, auch in einer andern vom Kaiser Otto II. vom J. 976 einer erlauchten oder berühmten Familie, (illustris familiae) die in Wertheim ihren Sitz habe, Erwähnung geschiehet; die Verzeichnisse der alten Turnierritter aber Namen von alten Besitzern und Grafen Wertheims| bis zum Anfange des zehnten Jahrhunderts enthalten: so mußte unfehlbar in diesen Zeiten schon ein Ort und Gebiet gleiches Namens vorhanden gewesen seyn. Die Stadt und Grafschaft findet man in frühern Jahren in dem Gau Waldsassen, einem Theile des grösern Mayngaues im östlichen Franken. Wollte man bey der natürlichen Deutung eines Wortes stehn bleiben, so wird es wahrscheinlich, daß der Name der Stadt so viel als werthe Heimat anzeige; da sich wohl voraus setzen lässet, daß der erste Benenner derselben hier einen, für seine Umstände angenehmen und zuträglichen Aufenthalt angetroffen habe.
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 Das alte Bergschloß, welches auf der Mitte des an der Stadt hinziehenden Berges stehet, war das Stammhaus und der Wohnsitz der alten Grafen bis gegen die Zeit des dreyßigjährigen Krieges. Es ist ein Werk alter Teutscher Art und Kunst, von beträchtlichem Umfange, und rings umher auf Felsenmassen gegründet. Es liegt nicht ganz, wie einige Geographen angeben, in seinen Ruinen, sondern stehet großentheils noch unzerstört da. Die ganze Citadelle, einige Thürme nebst der die Burg umgebenden Mauer und einigen andern| Theilen, tragen wenig oder gar keine Spuren der Verwüstung an sich, und bezeugen durch ihre Fortdauer die veste Bauart des alten Teutschen Adels. Von dem Wohnsitze der vormahligen Grafen, welcher an der, gegen die Tauber liegenden Seite des Schlosses angelegt war, und den Graf Rudolf im J. 1310 erbauete oder nur herstellte, ist allein die vordere Seite und ein Theil der Seitenwände noch unbeschädiget. Das Übrige davon, sammt einigen Thürmen und der Schloßkirche, welche Graf Ludwig von Stollberg nach Abgang der alten, die schon im 13ten Jahrhundert vorhanden war, im J. 1562 neu erbauet hat, sind im dreyßigjährigen Kriege, in welchem bald die Kaiserlichen, bald die Schweden von dem Schlosse Besitz nahmen, und es als einen guten Paß zur Beherrschung des Mayns, so lange sie konnten, behaupteten, bey verschiedenen feindlichen Anfällen auf dasselbige, sehr beschädiget oder zertrümmert worden. An dem Eingange des Schlosses, wozu eine Brücke über einen tiefen Graben führet, wird heutzutag in zwey Thürmen, die durch ein Zwischengebäude verbunden sind, das gemeinherrschaftliche Archiv aufbewahret, und in einem andern Thurme hat der Stadtthürmer seine Wohnung.
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|  Die Pfarrkirche in Wertheim hat, nebst dem daran stossenden viereckichten Thurme, dessen Kranz noch einen andern kleinern sechseckichten in sich fasset, Graf Johann, der auch Hofrichter und Landvogt des Kaisers Ruprecht in Franken war, im J. 1383 zubauen angefangen. Anfänglich war sie nur eine Parochialkirche. Hundert Jahre später aber wurde sie durch eine besondere Bulle des Papsts Sixtus V. zu einer Collegiatkirche erhoben, an welche ein Dechant oder Rector nebst eilf Vicarien oder Canonicis zu stehen kamen. Die Grafen erhielten das Patronatrecht, und jeder Vicar mußte auf einer privilegirten Universität zwey Jahre studirt haben. Nach der in der Grafschaft vorgegangenen Kirchenverbesserung nahmen die Evangelischen diese Kirche in Besitz, und sie ist geräumig genug, die ganze hiesige Gemeinde zu fassen, da sie 158 Schuh in der Länge, 74 in der Breite und 64 in der Höhe hat. Zwey Emporbühnen sind an der Seite des Schiffs der Kirche angebauet. Von allen Seiten hat sie hinlänglich Licht, und ist in neuern Zeiten durch eine vortreffliche Orgel und andere darin getroffene Verbesserungen merklich verschönert worden. Im J. 1634 führte der| mit seinen evangelischen ältern, damals geflüchteten Brüdern zugleich regierende Graf, Johann Dieterich, welcher zu der Römischkatholischen Kirche getreten war, und von Mainz unterstützt, für sich und seine Glaubensgenossen gleiches Recht mit den Evangelischen an der Kirche zu haben behauptete, das Simultaneum in ihr ein. Nach dem Westfälischen Friedensschluß wurden zwar die Katholischen durch Commissarien aus Mainz und Darmstadt im J. 1649 wieder ausser Besitz gebracht; sie fanden aber demohngeachtet aufs Neue Mittel unter dem Vorgange des Grafen Ferdinand Karls im J. 1651 dazu zu gelangen; so daß sie seitdem alle Tage nach geendigtem Frühgottesdienste der Lutheraner, eine Messe auf einem besondern Altare in einem Bezirk des Chors zu halten pflegen.
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 In diesem Chor der Kirche befinden sich mehrere ansehnliche Monumente sowohl der alten Grafen von Wertheim, die mit Michael III. im J. 1556 ausgestorben sind, als auch des nach diesem regierenden Schwiegervaters, des Grafen Ludwigs von Stollberg-Königstein, und seiner drey Töchter und deren Gemahle, die sämmtlich nach ihm zum Besitz| des Landes kamen. Vorzüglich aber zeichnet sich unter den übrigen aus ein von geadertem Alabaster sorgfältig gearbeitetes und in der Mitte des Chors aufgestelltes Denkmal Ludwigs von Löwenstein und seiner Gemahlin Anna, der jüngsten Tochter Ludwigs von Stollberg, durch welche die Grafschaft Wertheim an das Löwensteinische Haus gekommen ist. Die beyden gräflichen Personen sind in Lebensgröße, liegend, mit einem Löwen zu Haupten, auf einem ausgeschweiften Sarge, an dessen Seiten Begebenheiten alter Zeiten in halberhabener Arbeit auf 6 Feldern ausgehauen sind, vorgestellt. Das Ganze hat eilf Schuh in der Höhe, eilf und einen halben in der Länge, bey einer Breite von siebenthalb Schuh. Auf dem Sarge stehen 10 fünfschuhige Korinthische Säulen, am untern Theile des Schafts mit Armaturstücken in halberhabener Arbeit ausgeschmückt. Ein Simswerk verbindet sie und bedeckt das Monument, an dessen obern Theile die gräflichen Wappen mit andern Zierrathen der Baukunst und 4 auf den Ecken sitzende weinende Kinder angebracht sind. Ein Bildhauer, Namens Kern aus Forchtenberg im Hohenlohischen, verfertigte dieses ihm Ehre bringende Werk,| wofür er 1600 Gulden empfing, vor hundert und einigen siebzig Jahren.
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 Eine andere merkwürdige Seltenheit entdeckt sich an der nördlichen Seite des Chors, wo in einer mäßig hohen, gewölbten, in der Mitte mit einer gegitterten schmalen Öffnung versehenen, von Stein erbauten Seitenkammer, in die man durch eine Thür aus dem Chor eben hineingehet, einige unverwesete Leichname gräflicher Personen in hölzernen Särgen auf einem mit Platten belegten Boden stehen. Am meisten hat sich vor zwey andern vorhandenen unversehrt erhalten eine nach dem Urtheile der damahligen Ärzte an einem bösartigen Fieber im J. 1634 in ihrem acht und vierzigsten Jahre unvermählt gestorbene Gräfin von Löwenstein-Wertheim, Katharina. Ihre Leiche ist nicht geöffnet worden, und alle Glieder ihres Körpers hängen noch so vest zusammen, daß man sie unter dem Kopfe anfassen und gerade in die Höhe richten kann. Die Haut ist zusammengeschrumpft und hat eine graubraune Farbe. Das darunter befindliche Fleisch ist ausgetrocknet und verhärtet. Die Zähne stehen noch insgesammt unbeweglich und sind geschlossen; die Nase erhebt sich noch merklich über das Gesicht; der Scheitel| ist von Haaren entblößt, welche doch an einem andern weiblichen Kopfe in dieser Kammer zum Theil noch angewachsen sind. Kopf, Hände und Füße sind unbekleidet; den Leib aber bedeckt ein seidenes durch die Länge der Zeit sehr mürbe gewordenes Gewand. Vermuthlich war es bloßer Zufall, daß der Leichnam der Gräfin an diesen Ort gekommen ist. Sie starb zu einer Zeit, da ihre evangelischen Brüder wegen der Kriegsunruhen abwesend waren. So lange, bis man ihr nach ihrer Brüder Zurückkunft ein anständiges Leichenbegängniß würde halten und sie in die gräfliche Gruft würde beystellen können, wollte man ihren Leichnam einstweilen an diesem Orte aufheben. Nach geendigtem Teutschen Kriege fand man den Leichnam unversehrt; das Leichenbegängniß wurde beyseite gesetzt und der unverwesete Körper blieb stehen. Noch ein anderer gleichfalls unverweseter weiblicher Leib liegt in dieser Kammer, und würde ganz unbeschädigt seyn, wenn nicht der Kopf von dem Rumpfe getrennet wäre, welches von dem häufigen Aufheben und Herumrütteln, da die Neugierde schon so viele Durchreisende zu diesen Mumien geführt hat, geschehen seyn kann. Das schwarze Kreppkleid, welches diese Leiche| an hat, so wie auch ihre Schuhe und ihr kleiner Kopfputz sind auch von dem Moder verschont geblieben. Von dem Leichname eines verstorbenen Grafen sind nur noch der Kopf, ein Arm und der Oberleib ungetrennt in dem Gewölbe anzutreffen. Nach einer nicht verwerflichen Urkunde vom J. 1635 liegt hier der Rest des in der Wertheimischen nicht nur, sondern auch in der Teutschen Geschichte merkwürdigen und ruhmvollen Grafen Ludwigs von Löwenstein-Wertheim, welcher im J. 1611 im 81sten Jahre seines Lebens starb. In seinem Gesichtszug zeigt sich noch viel charakteristischer Ausdruck, und die über die Kinnlade herunter hängenden Wangen verrathen das hohe Alter des Greisen und machen es noch glaublicher, daß hier der Leichnam Ludwigs von Löwenstein zu suchen sey.
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 Ausser den zwey Residenzschlössern der fürstlichen und gräflichen Linien, die beyde im vorigen Jahrhundert erbauet worden sind, und unter welchen das fürstliche ohnfern der Tauber am Ende der Stadt, das gräfliche aber, welches die Kemmete genannt wird, über der Stadt auf dem Berge stehet, enthält Wertheim auch noch andere gräfliche Wohnhäuser. Jenseit des Mayns, in dem Dorfe Creuz-Wertheim| trifft man auch noch ein von einem gräflichen Mitregenten bewohntes Schloß an.

 Die beyden Canzleygebäude dienen der Stadt zu nicht geringer Zierde.

 Das Schulgebäude, dessen Äusseres die gothische Bauart nicht verläugnen kann, ist aus einer ehemahligen Capelle entstanden, welche obgedachter Graf Ludwig, der auch ein Hospital hier anlegte und mehrere nützliche Anstalten machte, im J. 1604 zum Schulhalten einrichten, und zu dem Ende mit einem Saal und vier geräumigen Stuben versehen ließ.

 Das Rathhaus ist ein altes vormahls herrschaftliches Gebäude, von nicht großem Umfange, an dessen hintern Seite ein Thurm anstößet, der sich auf zwey einander entgegengesetzten steinernen Wendeltreppen ersteigen läßt.

 Der uralte Fündshof, ehedem auch der Rückerts- und Grafenhof genannt, den Kaiser Karl IV. dem Grafen Eberhard zum Eigenthume überließ, und in welchem die Grafen vorzeiten das Mannegericht hielten und ihre zahlreichen Vasallen belehnten, wo auch bis in den Anfang des vorigen Jahrhunderts viele der Hexerey und Zauberey beschuldigte| Personen hingerichtet wurden, liegt schon geraume Zeit nebst der in seinem Umfange ehemahls gestandenen Elisabethencapelle größtentheils in seinen Ruinen.

 Wertheim ist eine der vier Münzstädte des Fränkischen Kreises, wo sich eine wohl eingerichtete und bestellte Münzstätte befindet. Die gute Einrichtung derselben beweisen die hier geschlagenen größern und kleinern Geldsorten.

 Die Stadt ist in vier Viertel getheilt; nämlich in das Eichel- Brücken- Mühlen- und Tauberviertel. Letzteres liegt auf der linken Seite des Flusses, und hängt mit dem grössern Theile der Stadt durch eine auf steinernen Pfeilern ruhende hölzerne und bedeckte Brücke zusammen. Vier größere und einige kleinere Thore führen durch die alten Stadtmauern, die hin und wieder gleich alte Thürme einschließen, zu den Straßen der Stadt, deren in Allem drey und dreyßig sind. Sie ziehen sich zum Theil gegen den fast in ihrer Mitte liegenden Marktplatz, und sind, wenige ausgenommen, enge und ungleich. Zwischen mehrern alten und unansehnlichen Wohnhäusern zeichnet sich hier und da ein schöneres und regelmäßiger gebautes in neuern Zeiten| aus. Der Feuerstellen werden hier nicht mehr als fünfhundert und zwanzig gezählt.

 Die Nähe zweyer Flüsse bringt der Stadt in manchem Betracht nicht unerhebliche Vortheile. Denn die meisten auf dem Mayn hinunter und herauf fahrenden Schiffe und Floße, die gewöhnlich mit mancherley Gütern und Waaren belastet sind, landen hier an, um ihren Zoll zu entrichten, und sich mit den nöthigen Bedürfnissen zu versehen. Mit diesem Vortheil verbindet sich noch ein erheblicherer, der aus der einheimischen wichtigen Schifferey auf dem Mayn herrühret, wovon bald ein mehreres vorkommen wird. Die Tauber aber wird der Stadt dadurch nützlich, daß sie in ihrer Nähe eine Frucht- eine Pulver- eine Schneide- eine Gyps- eine Öl- und Lohmühle treibt, den Schiffen zu einem sichern Standorte dienet, und im Frühjahr eine sehr große Menge von Weißfischen, die sich zum Laichen da einfinden, liefert.

 Doch sind aber auch diese Flüsse auf der andern Seite der Stadt und der umliegenden Gegend in manchen Jahren durch ihre zerstörenden Überschwemmungen nicht wenig schädlich geworden. Der weit vorgedrungenen Austretung der beyden Flüsse in den Jahren| 1683, auch 1763 nicht zu gedenken, riß ein plötzliches Anschwellen der Tauber am 29sten Sept. des J. 1732 ausser der Brücke und Hospitalkirche eine ganze daran stoßende Reihe Häuser mit sich fort. Noch weit mehr ausgebreitet, obgleich nicht in dem Grade verwüstend, war die Überschwemmung, welche diesen Ort, gleich andern Gegenden Teutschlandes, am Ende des Februars im J. 1784 betroffen hat. Die kurz vorher erbaute steinerne Tauberbrücke stürzte in die wütenden Fluten, nachdem das häufig anprellende Eis den mittlern Pfeiler in die Tiefe geworfen hatte. Beyde Flüsse drangen aller Orten her mit vereinigter Stärke auf das heftigste in die Stadt ein, setzten die meisten Häuser bis an den Berg hin, oft zur Hälfte unter Wasser, und strömten sogar in die Pfarrkirche, die doch in der höhern Gegend lieget, über einen Schuh hoch hinein. Man fuhr einige Tage durch ganz Wertheim von einer Straße zur andern auf Nachen herum, und stieg aus denselben mit Leitern durch die Fenster in die Wohnungen. Alle nahe an der Tauber stehende Häuser wurden bedrohet, von den Wogen dieses beym Anlaufen seines Gewässers fürchterlich tobenden Flusses mit ihren Besitzern verschlungen zu werden.
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|  Nach einer im verflossenen Jahre vorgenommenen Zählung der hiesigen Einwohner enthält Wertheim drey tausend, drey hundert und drey und siebzig Seelen. Unter diesen befinden sich hundert und dreyzehn Katholiken, in 27 Familien, welche theils zu dem mitregierenden fürstlichen Hause, welches aber oft abwesend ist, und zu dessen Hofstaat und Dienerschaft gehören, theils aber als Beysassen hier ansässig sind. Ausser der Stadtkirche halten sie ihren Gottesdienst auch noch in der fürstlichen Hofcapelle; zu welcher Absicht drey Capuciner, die hier ein Hospitium haben, und von dem Fürsten besoldet werden, angestellt sind.

 Seit undenklichen Zeiten haben die Juden hier Aufnahme und Schutz gefunden. Sie besitzen eine Schule und vor der Stadt einen großen Begräbnißplatz. Ihre Anzahl beläuft sich gegenwärtig auf drey und siebzig Seelen in dreyzehen Haushaltungen.

 Die gräfliche mitregierende Linie bekennet sich nebst dem größten Theile der zahlreichen Dienerschaft, dem Magistrat und der ganzen Bürgerschaft, die aus fünfhundert und siebzehen| Köpfen bestehet, zu der Lutherischen Kirchengemeinschaft, seitdem Graf Georg, der Vorletzte der ausgestorbenen Grafen von Wertheim, die Religionsverbesserung schon im J. 1522 in der Stadt und Grafschaft, und zwar in dieser nach ihrem ganzen damahligen beträchtlichen Umfange, mit vielem Eifer unternommen und in wenig Jahren zu Stande gebracht hat.
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 Aus beygefügter Tabelle, welche ein Verzeichniß der in den letzten zwölf Jahren bey den Evangelischen Getauften, Getrauten und Verstorbenen darstellet, ist ersichtlich, daß binnen diesem Zeitraume hundert und sieben und dreyßig mehr geboren worden, als gestorben sind, und daß das Verhältniß jener zu diesen beynahe wie 62 zu 55 ist; daß die Gebornen beyder Geschlechter einander bis auf wenige gleich kommen; daß die Lebendgebornen zu den Todgebornen sich fast wie 24 zu 1, die Ehlichgebornen aber zu den Unehlichen wie 36 zu 1 verhalten, und daß sieben und siebzig einzeln geborne auf ein Zwillingspaar kommen. Die größte Sterblichkeit trifft die Knäblein unter sieben Jahren, so wie die wenigsten unter den Töchtern zwischen fünfzehen
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Extract aus den Kirchenlisten der Stadt Wertheim von den Jahren 1781–1792.
Geborne.
Jahre Totale Söhne Töchter Uneh-
liche
Todge-
borne
Zwil-
linge
Jahre Getrau-
te.
1781 108 53 55 2 5 2 1781 32
1782 91 33 48 8 6 1 1782 29
1783 103 62 41 2 5 2 1783 36
1784 110 56 54 1 5 1784 30
1785 111 61 50 6 2 1785 26
1786 110 59 51 5 2 1786 34
1787 108 49 59 5 3 1787 21
1788 100 44 56 5 5 2 1788 20
1789 103 53 50 4 1 1 1789 16
1790 86 38 48 1 1790 24
1791 110 57 53 3 5 3 1791 18
1792 94 54 50 3 4 1 1792 19
Summa 1234 619 615 34 50 16 Summa 305
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Gestorbene.
Jahre
Totale
Ehe-
Män-
ner u.
Witt-
wer
Ehe-
Wei-
ber
Witt-
wen
Söh-
ne v.
1–7
Jah-
ren
Töch-
ter v.
1–7
Jah-
ren
Söhne
von 8
–14
Jahren
Töch-
ter von
8–14
Jahren
Jüng-
linge
v. 15
–21
Jah-
ren
Jungfr.
v. 15–
21 J.
ledige
Manns-
personen
v. 21 J.
u. dar-
über
ledige
Frauens-
personen
v. 21 J.
u. dar-
über
1781 103 19 11 10 25 20 1 6 1 2 4 4
1782 76 11 8 15 20 8 2 1 1 5 5
1783 76 11 10 10 17 21 1 2 1 1 2
1784 115 17 15 12 33 30 1 2 2 3
1785 86 18 8 4 31 15 2 2 1 1 1 3
1786 85 17 13 9 24 12 2 2 3 3
1787 94 18 17 9 24 15 2 1 1 2 5
1788 93 15 13 10 26 24 1 2 1 1 4 1
1789 112 16 11 10 29 22 7 4 1 4 8
1790 89 17 10 8 16 19 3 3 1 4 8
1791 72 16 9 4 10 20 3 3 1 1 5
1792 91 24 15 6 21 13 2 2 1 4 3
Summa 1097 199 140 107 276 219 20 31 13 10 32 50


| und ein und zwanzig Jahren starben. Die gestorbenen Weiber und Wittwen stehen mit den gestorbenen Männern und Wittwern beynahe in dem Verhältnisse von fünf zu vier. Unter den gestorbenen kommt ein Mann von 98 Jahren und ein anderer von 93 vor. Mehrere sind zwischen achtzig und neunzig Jahren aus der Welt gegangen. Die Ehen haben, so wie an mehrern Orten, in neuern Zeiten mehr abgenommen als zugenommen. Man mag die Gestorbenen im Durchschnitte von 12 Jahren oder das J. 1792 allein annehmen; so stirbt kaum der sechs und dreyßigste von den hier lebenden. Aus der sehr mäßigen Anzahl von jährlich Sterbenden ergibt sich, daß die Lage der Stadt der Gesundheit zuträglich sey. Die beyden gegen einander treibenden Flüsse ziehen uns immer frische Luft zu und verbreiten gereinigte Dünste über die Stadt. Daher auch sehr sehr selten Epidemien sich hier äussern; und wenn ja eine bis hieher gelanget, so werden doch wenige davon hingeraffet.
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 Die gegenwärtige Volksmenge fasset in sich 648 Männer und Wittwer, 762 Weiber und Wittwen, 1642 Kinder und erwachsene| junge Leute, und 321 Handwerksgesellen und dienende Personen.

 Zwey gemeinschaftliche Regierungen, eine fürstliche und eine gräfliche, besorgen unter der Aufsicht und Mitwirkung der Regenten die Landesangelegenheiten im Ganzen, und entscheiden in Justizsachen. Zu der evangelischen Geistlichkeit gehören ein Superintendent, ein Stadtpfarrer und noch ein Prediger.

 An dem Lyceum, welches in vier Classen getheilt ist, arbeiten so viele besondere Lehrer. Die jungen Knaben und die Mädchen werden in zwey eigenen Teutschen Schulen unterrichtet. In den Lateinischen Classen werden die Lectionen, einige kleine Abgaben abgerechnet, frey gegeben.

 Die Kirchen- und Schullehrer beziehen ihre Besoldungen meistentheils aus dem schon von alten Zeiten her sehr freygebig dotirten Chorstifte; ausser welchem auch noch die ansehnliche Hospitalstiftung und das sogenannte Rathsalmosen, aus welchem jährlich an einheimische und auswärtige Dürftige über 1200 Gulden ausgezahlt werden, hier angelegt sind. Alle milde Stiftungen zusammen genommen| enthalten einen Stock von mehr als hundert und zwanzig tausend Gulden, die natürlichen Gefälle und liegenden Güter ungerechnet.
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 Die Stadt Wertheim hat in ältern Zeiten wichtige Privilegien erhalten, von denen aber, so viel man weiß, bald nach ihrer Ausfertigung kein Gebrauch mehr gemacht worden ist. Kaiser Albrecht II. gestand im J. 1306 dem damahligen Grafen für sie die Rechte, Vorzüge und Freyheiten der Reichsstadt Frankfurt, so wie K. Ludwig im J. 1333 die Rechte und Gewohnheiten der damahligen Reichsstadt Gelnhausen zu. Die Stapelgerechtigkeit und das Niederlagsrecht auf dem Mayn genoß der Ort bis zum Jahre 1549, um welche Zeit er während der Minderjährigkeit des Grafen Michael III. durch den Kurfürsten von Mainz darin gestöret wurde; indem die den Mayn heraufkommende Schiffe ihre Güter in Miltenberg ausladen mußten, welche sodann auf der Achse weiter fortgebracht wurden. Ohngeachtet aber jetzt die Städte Frankfurt und Wirzburg nebst den Niederländern in Gemeinschaft mit Wertheim über diese Eingriffe in ihre Rechte beym Kaiser Karl V. Klagen führten, dieser auch dem| Kurfürsten nachdrücklich Befehl gab, es beym Alten und die Stadt Wertheim künftig im ungestörten Besitze dieses Vorrechts zu lassen: so wußte man doch in Mainz der Vollziehung dieses Urtheils vorzubeugen. Nicht weniger fruchtlos fielen auch die nachherigen Versuche aus, dieses entzogene Recht wieder herzustellen.
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 Zwischen der Landesobrigkeit und der Bürgerschaft ist im sechzehnten Jahrhundert ein Vertrag errichtet worden, der von dem Orte seiner Unterzeichnung den Namen des Königsteiner Contracts bekommen hat und seinem Hauptinhalte nach hier angeführt zu werden verdient. Graf Ludwig von Stollberg-Königstein gelangte nach dem Tode seines Schwiegersohnes, Michael III., des letzten der Wertheimischen Grafen, eines in der Blüte seines Lebens zu früh verstorbenen gelehrten und tugendhaften Regenten, dem Camerarius in dem Leben Melanchthons ein bleibendes Denkmahl gestiftet hat, im J. 1556 zu dem Besitz der Grafschaft für sich, und in Ermangelung männlicher Erben auch für seine Töchter und deren Gemahle, und wurde von Kaiser und Reich, von der Krone Böheim und den| übrigen Lehnsherren damit belehnet. Um aber künftigen Beschwerden der Bürger, so viel als möglich, vorzubeugen, errichtete er 6 Jahre nach der Besitznehmung von dem Lande, diesen für sich und seine Regierungsnachfolger verbindlichen Vertrag, in welchem der Stadt zugestanden wurde: die jährliche bürgerliche Bed einzusammeln; vom Umgelde, oder der Abgabe vom verzapften Weine in der Stadt einen Viertheil zu beziehen; das Niederlagsgeld vom eingekauften Weine einzunehmen; so wie auch alle Gefälle und Nutzungen von Nachsteuern und hinweggebrachten bürgerlichen Vermögen zu empfangen. Die Stadt sollte ferner das Geld für die Aufnahme neuer Bürger beziehen, und die gemeine Waage mit freyem Gebrauche derselben besitzen, auch das Stätt- und Bankgeld auf dem Markte und unter dem Rathhause von Fuhren, Beckern, Mezgern und Krämern erheben dürfen. Die Stadt hingegen machte sich ihrerseits verbindlich: alle Schulden, so auf ihr, als Böhmische Lehen verschrieben waren und vorher von der Bed, die nebst andern Einkünften vom Rathhause der Herrschaft ehedem mußte eingeliefert werden, bezahlt worden waren, zu übernehmen; jährlich tausend Gulden Fränkisch der| Herrschaft von der Bed zu zahlen; für Wege und Stege in und ausser der Stadt, für die gewöhnliche Wachten und Thorhuten zu sorgen; Stadtgebäude und Brücken aufzurichten und zu erhalten; auch die Diener der gemeinen Stadt zu besolden. Alles dieses sollte Statt finden mit Vorbehalt der gesammten Rechte, Gerechtigkeiten, Herrlichkeiten, Gefälle und Nutzungen, die die Herrschaft selbst in der Stadt Wertheim herkömmlich besitzet.
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 Der wichtigste Nahrungszweig der Stadt, so wie eines großen Theils der Grafschaft entstehet aus dem Weinhandel, durch welchen jährlich beträchtliche Summen in das Land gezogen werden. Schon seit langer Zeit ist der hiesige Wein, als einer der vorzüglichsten Weine Teutschlandes in gutem Rufe gestanden, und selbst an den Tafeln der Großen getrunken worden. Es sind noch eigenhändige Briefe aus dem Anfange des sechzehenden Jahrhunderts von den Kurfürsten zu Sachsen und zu Brandenburg an die Grafen von Wertheim in dem Archive vorhanden, in denen sie die Übersendunq einiger Fuder hiesigen Gewächses zu ihrem Mundwein verlangen. Und bis jetzt sind die Weine unserer Stadt nach Kursachsen,| in die Brandenburgischen, Sächsischen und Fränkischen Staaten, in die Fränkischen Reichsstädte und Bißthümer, nach Baiern und Böhmen und anderwärts hin häufig verführet worden. Müssen sie auch gleich nach dem Geschmacke der Weinkenner dem ächten Rhingauer an Stärke und Feuer in etwas nachstehen, so kann dieser ihnen doch wohl an Lieblichkeit und Zartheit nicht beykommen; auch halten sie sich sehr gut und lange auf dem Lager, so daß ihre Güte mit den Jahren zunimmt. Von ihrer innern, dem menschlichen Körper wohlthätigen Kraft ist dieses unter andern ein sicherer Beweis, daß sie, auch reichlich genossen, die quälenden Schmerzen des Podagra und des Steins nicht nach sich ziehen, daher auch die Bewohner des hiesigen Ortes den Anfällen dieser so gefürchteten Feinde bey dem Genuße ihres Weines gar nicht ausgesetzt sind.
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 Die beste Gattung dieses Weins wächset längst dem rechten Ufer des Mayns auf zwey von der Natur zur Cultur dieses Gewächses mit Fleiß gebildeten sonnenreichen Bergen, die sich in der Nähe des Flusses, durch ein kleines Thal getrennt, in welchem sie stumpfwinkelicht| zusammen laufen, hinaufziehen. Sie sind bis oben hinauf, wo nicht große Felsen in der Höhe dem Fortrücken im Wege stehen, dicht mit Reben besetzt, und durch nahe an einander gränzende Mauern, die die Hitze des Erdreichs durch die ihrige im Sommer verstärken, durchaus abgetheilt. Ihr Boden ist größtentheils mit einer verwitterten fruchtbaren Lebererde bedeckt, die, wenn die Weinstöcke frischer Erde benöthiget sind, aus den obern Gegenden der Berge von Zeit zu Zeit hinzu getragen wird. Der untere von ihnen, dessen größter und bester Theil den Nahmen Remberg führet, fängt der Stadt gegen über an sich allmählich sanft zu erheben, ziehet sich immer höher, krümmt sich sodann bogenförmig und läuft nach einiger Hervorragung gegen die Mitte, wo er am höchsten ist, bis ans Ende in gerader Linie fort. Seine Lage könnte nicht schöner seyn, und bietet dem Auge, so lange er grün bekleidet ist, von dem gegenseitigen Ufer eine sehr reizende Aussicht dar. Der auf diesen folgende Berg, die Wettenburg genannt, auf dessen Anhöhe vor Alters ein Schloß und Weiler, wie die allgemeine Sage gehet, gestanden ist, hat, wenn schon nicht eine gleiche Höhe mit seinem Nachbarn,| doch eine größere Ausdehnung, und verlieret sich nach und nach in die Ebene. Der auf ihm wachsende Most ist von gleicher, vielleicht in manchen Gegenden von noch vorzüglicherer Güte, als es der von dem erstern gepreßte ist. Von etwas minder guten Beschaffenheit ist der Wein, welcher an den Ufern der Tauber hervorkommt, daher er auch gewöhnlich in solchen Kellern, wo auf Ausstiche gesehen wird, von dem jenseit des Mayns erzeugten abgesondert, und um einen niedrigern Preis verkauft zu werden pflegt. Der Morgen der Maynweinberge aus guten Lagen ist nicht selten um tausend bis eilf hundert Gulden verkauft worden.
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 Alle zur Stadt gehörige Weinberge machen eine Zahl von sechshundert und vier und funfzig Morgen aus, den Morgen zu 180 Quadratruthen, Nürnberger Maaß gerechnet, davon zwey Drittel ungefähr jenseit des Mayns, die übrigen disseits desselben und auf beyden Seiten der Tauber angebauet sind. Ihr jährlicher Ertrag ist sehr ungleich, da so mancherley widrige Zufälle, besonders späte Nachtfröste, die schönsten Aussichten zu ergiebigen Weinlesen vernichten können, wie dieß| in den letzten Jahren einigemahl der Fall gewesen ist. Das an Wein so ausnehmend reiche Jahr 1781 brachte 700 Fuder, das Jahr 1783 aber, welchem wir eines der edelsten Gewächse dieses Jahrhunderts zu verdanken haben, 360 Fuder in die hiesigen Keller. Hingegen wurden im J. 1789 nur 32 Fuder, zwey Jahre hernach etwas weniger, und im verstrichenen Jahre nur etwas mehr dahier eingeführet. Nach einer Mittelzahl von 14 Jahren lassen sich im Durchschnitte auf ein Jahr 245 Fuder rechnen.

 Die meisten bemittelten Bewohner von Wertheim aus jedem Stande, besonders die, welche viele Weinberge besitzen, geben sich mit dem Weinhandel ab, der nach den Umständen der Zeit bald mehr bald weniger beträchtlich ist, aber noch ausgebreiteter seyn könnte, wenn unsere Bürger es nicht darauf allein ankommen ließen, daß Auswärtige ihre Weine hier aufsuchten, sondern auch selbst entferntere Gegenden bereisen, und die Einfuhr ihres Weins in dieselben durch Speculation und eigene Thätigkeit befördern wollten.

 Der Preis der Weine ist nach ihrem Alter und nach ihrer Güte sehr verschieden. Von| den Jahrgängen 1775, 1779 und 1783 wird das Fuder bey guten Sorten für 300 bis 400 Gulden verkauft. Der von 1766 ist schon vor mehrern Jahren nicht unter 500 Gulden abgegeben worden. Die geringern Gattungen werden nach einigen Jahren um 150 bis 200 Gulden weggeführt. In guten Jahren kostet der Eimer Most 11 bis 13 Gulden.

 Theils durch Verbote neuerer Zeit, fremde Weine in manchen Gegenden einzuführen, theils durch höhere an manchen Orten auf ihre Einfuhr gelegte Accise ist der Ausfuhr des hiesigen Gewächses einiger Abbruch geschehen; doch würde dieser kleine Verlust leicht zu ertragen seyn, wenn nicht auch der seit kurzem einigemahl wiederkehrende Mißwachs bey dem ohnehin sehr kostspieligen Weinbau eine nicht kleine Lücke in die Einkünfte der Stadt gebracht hätte, die so bald nicht wird ausgefüllt werden können.

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Tabelle über ausgeführte Weine und die dafür eingegangenen Geldsummen.

Jahr.

Angabe der
Fuder von
den ausge-
führten
Weinen.
Jährlicher
Ertrag.
1779 113 28300
1780 155 29046
1781 127 25342
1782 193 39835
1783 150 28246
1784 146 24192
1785 176 31742
1786 161 32056
1787 203 31767
1788 207 33716
1789 220 37040
1790 190 33239
1791 232 49457
1792 196 42923
Summa 0014 2469 466901
 Der in der Stadt von Gast- und Straußwirthen verzapfte Wein wird zum Theil vom| Land herein gebracht. Man schenkt jährlich bis auf etliche und funfzig Fuder aus. Jeder Wirth und Bürger, der Wein ausschenket, zahlet für den Eimer 24 kr. Umgeld; die auswärts verkauften Weine aber werfen vom Hundert 2 fl. für das Rathhaus ab.
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 Ein anderer nicht minder beträchtlicher Nahrungszweig zur Erhaltung und Beförderung des bürgerlichen Wohlstandes erwächset aus der hiesigen Schifferey, die seit undenklichen Zeiten immer stark im Gange war, und wovon auf dem Mayn und Rhein vielfacher Gebrauch gemacht wird. Die nicht schiffbare Tauber dienet den vielen Schiffen und Jachten von verschiedener Größe und Einrichtung gleichsam zu einem Hafen. Die größern Schiffe, hier Geschirre genannt, werden zum Transport aller Arten von Waaren, Gütern und Früchten gebraucht, welche letztern in den fruchtbaren Gegenden des weiter hinauf liegenden Frankens von hiesigen Fruchthändlern aufgekauft und auf eigenthümlichen Schiffen nach Frankfurt und an andere Orte mit Vortheil geliefert werden. Die Jachten aber und die mit Decken versehenen Nachen sind für Reisende bequem eingerichtet, um darin auf dem| Mayn, ja selbst den Rhein hinunter, bis nach Holland fahren zu können. In jetzigen Zeiten, da der Weg durch den unfreundlichen Spessart, welcher zwey Stunden von hier an den Gränzen der Grafschaft vorbey ziehet, bis nach Aschaffenburg durch eine gute Chaussee um vieles bequemer gemacht worden ist, reisen viele Fremde aus allen Ständen, die sonst, besonders zu Meßzeiten, um sich einzuschiffen, hieher kamen, seitwärts auf der Poststraße vorbey, und verschmähen, da ohnehin die Wasserreisen heutzutag nicht mehr nach der Mode sind, die gewiß bey weitem angenehmere, bequemere und minder kostbare Fahrt auf dem sicher und geschwind an den bestimmten Ort führenden Strome. Wie viele Menschen übrigens sich hier ihren Unterhalt von dem Elemente des Wassers suchen, läßt sich schon daraus abnehmen, daß die Fischerzunft beynahe den vierten Theil der ganzen Bürgerschaft in sich begreifet.
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 Den größten Theil des Viehes und der Feldfrüchte, die hier verzehrt werden, führen benachbarte Länder, wo die Viehzucht und der Fruchtbau in besserem Stande sind, in die Stadt; auch wird das meiste Bau-| und Brennholz aus dem Mainzischen, Bambergischen, Wirzburgischen und Ritterschaftlichen auf dem Mayn hieher geliefert.

 Schon seit langer Zeit ist eine gut eingerichtete Buchdruckerey hier angelegt, die auch ausser Landes bekannt geworden ist durch den saubern und correcten Druck der ehemahls so großes Aufsehen erregenden Schmidtischen Bibelübersetzung, wovon aber nur die 5 Bücher Mosis mit vielen Anmerkungen des Verfassers im Jahr 1735 in klein Quart herausgekommen sind. Schmidt, welcher damahls Hofmeister einiger jungen Grafen von Wertheim war, wurde wegen dieser Unternehmung hart angegriffen, und auf einige Zeit gefänglich verwahret. Sämmtliche abgedruckte Exemplare seiner Übersetzung der 5 B. Mosis wurden nach einem Reichshofraths-Conclusum in Beschlag genommen, und die Fortsetzung seiner Arbeit gerieth ins Stecken.

 Eine Weinsteinraffinerie und ein Kattunfabrik, die beyde hinlänglichen Absatz finden, sind vor der Stadt angelegt. Auch die Brannteweinbrennereyen und Essigsiedereyen sind in gutem Gange, und liefern vielen Branntewein und Essig für die unterländischen| Gegenden. Faßreife, behauene und unbehauene Steine zum Bauen und gutes Schießpulver werden häufig anderwärts verführet.

 Die Hauptabgaben der Einwohner bestehen, in den Schatzungen und in der Bed. Jene werden von den Grundstücken und Häusern von allen, von Bürgern aber auch von ihrem baaren Vermögen und von ihrer Profession entrichtet. Sie sind nach Zeit und Umständen bald höher, bald niedriger angesetzt. Liegende Güter geben auf Eine Schatzung vom Hundert 15 kr.; baares Geld aber gibt nur die Hälfte. Ben andern Stücken wird noch weniger bezahlt. Wenn 15 Schatzungen angesetzt sind, welche gewöhnlich in neuern Zeiten abgetragen werden, so beläuft sich ihre Einnahme ohngefahr auf 4500 fl. Die Bede, die gewöhnlich 2500 fl. jährlich abliefert, und von unbeweglichen Gütern gezahlt wird, bleibt unabänderlich. Sie wird in der Stadt von dem Rathhause bezogen.

 Der hiesige Wasserzoll ist eine der beträchtlichsten Landeseinkünfte. In vorigen Zeiten betrug er jährlich über 10000 bis 12000 fl. In unsern Tagen hat zwar die chausseemäßige Anlegung der von Augspurg| und Nürnberg nach Frankfurt ziehenden Commerzialstraßen den Betrag um ein merkliches vermindert; doch kann er noch immer auf 8000 fl. jährlich angeschlagen werden.

 Stadt und Schloß Wertheim sind seit der Zeit des Kaisers Karl IV. ein Böhmisches Lehen. Vorher waren sie ein Allodium und Eigenthum der alten Grafen. Eine besondere königliche Grille gab Anlaß zu dieser Belehnung. Karl, als König von Böhmen, wünschte für sich und seine Nachkommen auf der Reise nach Frankfurt zur Wahl eines Römischen Königs, nachdem sie auf dem ganzen Wege an eigenthümlichen oder lehnbaren Orten übernachtet hätten, auch in Wertheim, zum letztenmahl in einer von ihm abhängigen Stadt Abstand nehmen, und Nachtlager halten zu können. Der damahlige Graf Eberhard, der ohnehin nach der Ehre den Kaiser durch seine Grafschaft zu begleiten strebte, ging im Jahr 1362 das Ansinnen desselben, daß Stadt und Schloß von der Krone Böhmen zu Lehen gemacht würden, willig ein, und erkaufte sie sodann um eine genannte Summe lehensweis wieder.

 Bey dem Schlusse dieser Nachrichten darf ich dem Publicum ein in unsrer Stadt| und Grafschaft vorgefallenes Ereigniß nicht vorenthalten, das gewiß unter die seltensten gehöret, und wovon die Geschichte wohl kein ähnliches Beyspiel in dem Grade aufzuweisen hat. In den verflossenen achtziger Jahren hat nämlich unser Land drey seiner Regenten bald nach einander als Jubilirende zu sehen das Glück und die Freude gehabt. Der Herr Fürst Karl Thomas, welcher im J. 1789 in seinem sechs und siebzigsten Jahre starb, feyerte sein Regierungs-Jubiläum im J. 1785. Schon vorher, im J. 1780 hatte der im J. 1790, in seinem 85 Lebensjahre und nach sechzigjähriger Regierung mit Tod abgegangene Herr Graf Vollrath das seinige feyerlich begangen; eilf Monate nach diesem aber gelangte zu diesem Vorzuge der noch lebende Herr Graf Ludwig Friedrich, der bey fast ganz ungeschwächten Kräften des Geistes und des Körpers in seinem sieben und achtzigsten Lebens- und zwey und sechzigsten Regierungsjahre, als Senior des Löwenstein-Wertheimischen Hauses, noch immer seinem Regentenamte ruhmvoll vorzustehen sich angelegen seyn lässet.