Ueber chronische Katarrhe der Athmungswege/Der chronische Schnupfen und seine Folgezustände

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Autor: Max August Fritsche
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Titel: Der chronische Schnupfen und seine Folgezustände
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aus: Die Gartenlaube, Heft 19, S. 310–312
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1887
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Ueber chronische Katarrhe der Athmungswege.

Von Dr. M. A. Fritsche, Specialarzt in Berlin.
I.0 Der chronische Schnupfen und seine Folgezustände.

„Aber das ist ja nichts, das ist so nur ein Bischen veralteter Schnupfen, der geht im Frühjahr von selber weg,“ lautet die Antwort mancher Leute, wenn man ihnen im Winter mit ganz geschwollener, rother Nase und offenem Munde, nach Athem ringend, begegnet und sich über ihr Aussehen wundert. Und das Frühjahr kommt und geht wieder, mit ihm aber nicht, wie gehofft, der Schnupfen, denn der ist chronisch geworden und hat viel zu viel Anhänglichkeit an seinen Herrn und Besitzer, um ihn so mir nichts, dir nichts zu verlassen, wenn man ihm nicht gründlich die Wege weist. Das ist aber meist keine so ganz leichte Sache, denn der chronische Schnupfen, der im Wesentlichen auf einer bedeutenden Verdickung der Schleimhäute der Nase beruht, gehört auch zur Klasse der Dickhäuter, denen man energisch zu Leibe gehen muß. Um aber zu verstehen, in welcher Weise dies am besten zu geschehen hat, wollen wir uns doch einmal die Nase und ihren Bau etwas näher ansehen.

Die Nase ist nämlich nicht nur ein die Symmetrie beider Gesichtshälften mehr oder minder angenehm unterbrechender Gesichtsvorsprung, sondern sie hat auch, und wir müssen dies unter Hinweis auf die Mundathmung besonders betonen, den physiologischen Zweck, daß durch sie geathmet wird, und sie kann diesen Zweck nicht erfüllen, so lange ihre Kanäle auf irgend eine Weise verstopft sind. Die eingeathmete Luft soll eben, indem sie über die Schleimhaut dieser Kanäle streicht, von ihren schädlichen Beimischungen, als Staub, Rauch, Ruß gereinigt und gleichzeitig genügend erwärmt werden, bevor sie in den Kehlkopf und die tieferen Athemwege gelangt. Die Nase hat also gewissermaßen eine Art Gesundheitsamt auf dem Gebiet des Respirationswesens, und man kann dem Warnungsworte der Engländer. „Shut your mouth and save your life“ (Schließe deinen Mund und du wirst gesund bleiben!) nur beipflichten. Nur bei vollkommen frei durchgängiger Nasenpassage bleiben die entfernter gelegenen Schleimhäute der Athmungsorgane, wie die des Kehlkopfs, der Luftröhre und der Bronchien mit ihren zahlreichen feinen Verzweigungen in der Lunge selbst, vor Reizungszuständen durch die in großer Menge durch die Mundöffnung eindringende, nicht filtrirte kalte Luft bewahrt.

Wie nun immer ihre Form auch sein mag, ob krumm, ob gerade, Stumpfnäschen oder Habichtsnase: sie erscheint stets auf den nämlichen knorpligen und knöchernen Grundlagen aufgebaut, die von außen mit Haut, von innen mit Schleimhaut überzogen sind. Eine in der Mitte senkrecht sich erhebende Scheidewand (e, Fig. 1 und 2), im vorderen Theil knorplig, nach hinten knöchern, theilt sie in zwei, meist vollkommen symmetrische Hälften, deren jede drei sich von oben nach unten verbreiternde, nach ihrer Form „Muscheln“ zubenannte Knochenvorsprünge, die obere (aa), mittlere (bb) und untere (cc) Muschel, enthält. Während die hier nicht in Frage kommende obere Muschel sehr versteckt liegt, ragen die mittlere und untere Muschel, oben und seitlich angeheftet, frei in den Hohlraum jeder [311] Nasenhälfte hinein, denselben in den mittlern (ff) und untern (gg) Nasengang abtheilend, und zwingen so gewissermaßen die Athmungsluft ihre ganze muschelartig gekrümmte Oberfläche zu bestreichen. Alle diese Theile sind von einer blutgefäß- und drüsenreichen Schleimhaut überzogen, die an der Scheidewand am dünnsten ist, dagegen an der untern, weniger an der mittlern Muschel eine bedeutende Mächtigkeit durch die Einschaltung gewisser mit Blut erfüllter Hohlräume erreicht. Man hat dieselben mit dem wissenschaftlichen Namen der „Schwellkörper“ (ss) belegt, weil sie die Fähigkeit haben, unter dem Einfluß der verschiedensten Reize durch vermehrte Blutfüllung stark anzuschwellen, wodurch die Schleimhäute alsdann aufgetrieben und die Nasengänge verengt oder ganz verschlossen werden.

Derartige „Schwellreize“ bilden z. B. sehr warme Luft, starke Gerüche, nervöse Einflüsse, endlich, und zwar am häufigsten, der Entzündungsreiz. Trifft ein solcher in Folge von Erkältung oder örtlicher chemischer oder mechanischer Einflüsse die Schleimhaut, so entzündet sich dieselbe; die Schwellkörper erweitern sich, die Drüsen sondern eine wässerige Flüssigkeit ab, und wir haben das, was man im gewöhnlichen Leben Schnupfen nennt, einen sogenannten akuten Nasenkatarrh. Derselbe gelangt meist auf natürlichem Wege in acht bis vierzehn Tagen unter allmählichem Nachlaß der entzündlichen Erscheinungen, unter Verminderung des Sekrets und Abschwellung der Schleimhaut, zur Heilung, falls nicht neue Erkältungen eingewirkt haben. Häufen sich aber die Erkältungen, treten immer neue Schnupfenanfälle auf, während die früheren noch nicht abgelaufen sind, so bildet sich nicht nur ein bleibender Auftreibungszustand der Schwellnetze, sondern auch eine dauernde Verdickung der Nasenschleimhaut, insbesondere der Muschelüberzüge aus, und wir haben es alsdann mit dem Zustand zu thun, den man als chronischen Schnupfen, Stockschnupfen oder chronischen Nasenkatarrh bezeichnet.

Senkrechte Querschnitte der Nase.
mit normaler (Fig. 1) und krankhaft gewucherter Schleimhaut (Fig. 2).
aa obere, bb mittlere, cc untere Muschel (knöchern), von der Schleimhaut überzogen, die bei ss die (in Fig. 2 stark gewucherten) Schwellkörper einschließt): dd harter Gaumen; e Scheidewand; ff mittlerer, gg unterer Nasengang, in Fig. 2 auf der linken Seite durch die hochgradige Schwellung verlegt; hh Backzähne.

Nebenstehender schematicher Querschnitt durch die Nase möge einigermaßen zur Erläuterung der Verhältnisse dienen. Wir sehen auf demselben die obere (aa), mittlere (bb) und untere (cc) Muschel mit ihren Schleimhautüberzügen, die bei den beiden letzteren den Schwellkörper (ss) in sich einschließen, und dazwischen die entsprechend benannten Nasengänge. Fig. 1 zeigt normale Verhältnisse der Schwellkörper und normal weite Nasengänge (ff, gg), während Fig. 2 links einen sehr bedeutenden, rechts einen geringeren Grad von chronischem Schnupfen mit entsprechender Schleimhautverdickung und Verlegung der Nasengänge (hauptsächlich links) vorstellt.

Man unterscheidet bei dem chronischen Nasenkatarrh zwei Formen, den hypertrophischen (wuchernden) feuchten Katarrh, welcher mit mehr oder minder reichlicher Absonderung einhergeht, und den atrophischen (mit Schwund der Schleimhaut verbundenen) oder trockenen Katarrh, der sich in einzelnen Fällen unter besonderen Verhältnissen aus ersterem entwickelt und den wir später besprechen werden.

Zuvörderst beschäftigt uns der hypertrophische Katarrh, bei dem je nach kürzerem oder längerem Bestande sehr verschiedene Grade der Schwellung auftreten. Dieselbe bildet im Anfangsstadium eine mäßige sammetartige Schwellung, kann sich aber bei eingewurzelten, alten, chronischen Schnupfenzuständen bis zu polypenähnlichen Wucherungen, namentlich an den vorderen und hinteren Muschelenden, ja bis zur wirklichen Polypenbildung erstrecken.

Anfangs ist es noch zeitweilig möglich, durch das eine oder andere Nasenloch zu athmen; die Verstopfung der Nase wechselt häufig, bald ist das rechte, bald das linke frei, allmählich aber nimmt die Verdickung der Schleimhaut und die Blutstauung in den Schwellnetzen immer mehr überhand. die Patienten vermögen endlich gar nicht mehr durch die Nase zu athmen, sondern müssen beständig die Luft durch den offen stehenden Mund einziehen, wodurch, besonders im Schlaf, die Rachen- und Kehlkopfschleimhäute ausgetrocknet und unangenehmer pappiger Geschmack und Belegtheit der Zunge hervorgerufen werden.

Als nervöse Symptome sind häufig Kribbeln und Jucken in der Nase, Reiz zum Niesen, Thränen der Augen vorhanden, ja mitunter können sich förmliche Nieskrämpfe einstellen, die in täglichen Anfällen wiederkehren und allen Riechmitteln trotzen. Ferner muß das fast in allen schwereren Formen des chronischen Schnupfens vorhandene Asthma hier Erwähnung finden, welches durch den Reflex des Stauungsreizes in den Schwellkörpern auf die entfernt gelegenen Bronchialnerven hervorgerufen wird. Die Auffindung dieser nervösen Reflexvorgänge ist erst der Wissenschaft der letzten Jahre vorbehalten gewesen, und man ist jetzt vielfach im Stande, durch Beseitigung der Nasenwucherung asthmatische Beschwerden mit einem Schlage zu beheben, gegen die sich die gesammte innere Therapie mit ihren Pillen, Mixturen und Tropfen bisher nutzlos erwiesen hatte.

Als weitere nervöse Folgezustände, die theils auf dem Wege des Reflexes auf die Kopfnerven und das Gehirn, theils in Folge der Blutstauungen in der Nase entstehen, sind zu erwähnen: nervöser Kopfschmerz, der mitunter einseitig als Migräne, oft aber auch doppelseitig als Stirn- oder Hinterkopfschmerz auftritt, ferner Benommenheit des Kopfes, Drücken und Stechen in den Augen, Schmerz bei Bewegungen derselben, Schwindelzustände, endlich in manchen Fällen direkte Abnahme der geistigen Intelligenz, Schwäche des Gedächtnisses und des Denkvermögens mit Unfähigkeit zu produktiver geistiger Arbeit verbunden, dabei erhöhte Nervosität, sehr reizbare Stimmung, endlich merkliche Abnahme der persönlichen Energie und Willensthätigkeit. Diese geistige Einbuße macht sich besonders bei Kindern, die an chronischen Schnupfenzuständen leiden, bemerklich; nicht genug, daß ihr Gesicht in Folge des steten Offenstehens des Mundes einen wenig intelligenten Ausdruck erhält, sie begreifen und behalten auch viel schwerer als ihre gesunden Altersgenossen und bleiben hinter denselben weit zurück.

Störungen des Geruchsvermögens, Abnahme desselben bis zum gänzlichen Verschwinden kommen beim chronischen Schnupfen häufig zur Geltung, meist in Folge der Verlegung der Riechspalte durch Schwellung, mehr noch aber durch Entartung der Riechschleimhaut bei der später zu betrachtenden atrophische Form desselben.

Eine ganz allbekannte Erscheinung des chronischen Nasenkatarrhs bildet das nasale Timbre der Stimme, die sogenannte Stockschnupfensprache als Folge der Verstopfung der als Schallraum wirkenden Nasenhöhle.

Das Gehör erscheint namentlich beim Uebergreifen des Katarrhs auf den Nasenrachenraum[1] in hohem Grade beeinträchtigt, und zwar können sich alle Uebergänge von leichtem Ohrensausen bis zu hochgradiger Schwerhörigkeit, ja völliger Taubheit, entwickeln, wozu auch unter Umständen die verkehrte [312] Anwendung der Nasendouche, wie wir weiter unten sehen werden, Veranlassung geben kann.

Nasenbluten tritt in der ersten Zeit des chronischen Schnupfens bei manchen Personen häufig auf und kann mitunter zu recht erheblichen, durch ihre Dauer schwächenden Blutungen führen, die allmählich einen Bleichsuchtszustand hervorrufen; ja wir haben Fälle gesehen, bei denen alle inneren und äußeren blutstillenden Mittel vergebens versucht wurden und wo erst nach operativer Beseitigung der eigentlichen Quelle der Blutung, der Wucherung der Schwellkörper, dieselbe, aber dann wie mit einem Zauberschlage, stand.

Ehe wir uns nun der Behandlung selbst zuwenden, erübrigt es noch, ein Wörtchen über die rothen Nasen und ihre unglücklichen Besitzer zu verlieren. Wie viele Personen kommen wegen ihres dicken, wulstigem rothen Riechorgans in den schlimmen Verdacht geheimer Alkoholfreuden, während sie im Grunde die nüchternsten, enthaltsamsten Menschen sind! Und wodurch entsteht die verdächtige Röthe? Einfach dadurch, daß durch den Druck der angestauten Schwellkörper auf die abführenden Venen der Blutabfluß auch in der Haut gehemmt wird; jede vergebliche Schnaubanstrengung vermehrt diese Stauung, die kleinen Hautvenen erweitern sich und bedingen so die anatomische Grundlage der sogenannten „Burgundernase“. Der Proceß geht natürlich ganz allmählich vor sich. Anfangs zeigt sich nur ein verschämtes Erröthen der Nasenspitze, wenn die holde Besitzerin sie etwas zu tief in den heißen Suppenteller oder die Kaffeetasse taucht, allmählich aber verlernt das Näschen das Erblassen; die Röthe breitet sich mehr und mehr aus, und schließlich sieht man die ganze Nase in allen Schattirungen des Purpurs leuchtend prangen. Der beste Beweis für die Entstehung der meisten rothen Nasen durch chronischen Katarrh ist übrigens der Umstand, daß mit der Beseitigung dieses Katarrhs durch eine zweckentsprechende Behandlung und unter leichter Nachhilfe von außen her die Röthung der Nase vollständig verschwindet. Wir haben diese für den Besitzer höchst angenehme Zugabe der Heilung in allen Fällen, wo die Röthung auf Katarrh basirte, eintreten sehen.

Was nun die Behandlung selbst anbelangt, so werden bei den leichteren Formen des chronischen Nasenkatarrhs Einblasungen von Pulvern und Touchirungen mit den verschiedensten chemischen Flüssigkeiten, bei allen schwereren Aetzungen der Schleimhaut angewendet, unter denen die mit galvanokaustischer Glühhitze ausgeführten wegen ihrer Wirksamkeit und Zuverlässigkeit weitaus obenan stehen. Wir wollen hier nicht die verschiedenen empfohlenen galvanokaustischen Methoden zur Behandlung der Nase einer kritischen Besprechung unterziehen, sondern nur bemerken, daß sie im Princip darauf beruhen, durch Narbenbildung in den Schwellkörpern eine Zusammenziehung derselben und damit der gewucherten Schleimhaut hervorzurufen. Die Operation selbst ist völlig schmerzlos, wenn man, wozu wir bei einiger Empfindlichkeit immer rathen, die Nasenschleimhaut an allen zu operirenden Stellen wiederholt mit concentrirter Cocaïnlösung bestreicht, es wird dann von dem energischsten Ausbrennen nichts als ein leichtes Wärmegefühl empfunden, da das Cocaïn die Temperaturempfindung nicht vollkommen, wohl aber die Schmerzempfindung vollständig aufhebt. Polypenähnliche Wucherungen werden auf die nämliche Weise mittelst der galvanisch erhitzten Drahtschlinge abgetragen. Eine sorgfältige Durchführung der Nachbehandlung bis zur völligen Ausheilung sichert natürlich, wie bei allen Operationen, auch hier einen nachhaltigen und durchgreifenden Erfolg. –

Wir wenden uns nun zu dem sogenannten atrophischen oder trockenen Nasenkatarrh, der seines hervorstechendsten Symptoms, der übelriechenden Absonderung, wegen auch den Namen Ozaena (zu deutsch Stinknase) führt. Derselbe entwickelt sich bei besonders dazu veranlagten Personen, zumeist auf skrophulösem Boden oder bei gleichzeitig vorhandener Blutarmuth aus dem hypertrophischen Katarrh und bildet gewissermaßen das Endstadium desselben. Man beobachtet ihn am häufigsten beim weiblichen Geschlecht, insbesondere bei jungen Mädchen von zwölf bis achtzehn Jahren, die überdies bleichsüchtig sind oder in der Kindheit an Drüsen, Augen- und Ohrenentzündungen und anderen skrophulösen Zuständen gelitten haben. Wir finden beim atrophischen Katarrh einen Verkümmerungszustand der gesammen Schleimhaut, insbesondere der Drüsenelemente. Die in Folge dessen festhaftende und sich zersetzende Absonderung erzeugt einen penetranten Geruch, den man meist schon auf einige Schritt Entfernung von der betreffenden Person wahrnimmt, ohne daß sie ihn selbst zu bemerken pflegt. In der Regel geht nämlich bei diesem Leiden das Geruchsvermögen durch Entartung der Riechschleimhaut gänzlich zu Grunde, auch das Gehör leidet erheblich, weil fast stets der Nasenrachenraum gleichzeitig ergriffen ist, und es sind aus demselben Grunde häufig Schlingbeschwerden zugegen. Das Bewußtsein, ihrer Umgebung durch ihre Annäherung lästig zu fallen, wirkt auf die unglücklichen Opfer dieses Katarrhs oft sehr verstimmend und macht sie mitunter ganz menschenscheu und melancholisch, ja wir haben in einzelnen Fällen vollständigen Lebensüberdruß beobachtet.

Fragen wir nun nach den Aussichten für die Heilung einer so häßlichen Krankheit, so lauten die Aussprüche der Lehrbücher darüber wenig trostbringend. Wir können uns indessen nach unseren Erfahrungen dieser dogmatischen Ansicht nicht anschließen, sondern müssen den Hauptgrund der Mißerfolge bei dieser Erkrankung entweder im Mangel an konsequenter Durchführung einer rationellen Methode oder in Fehlern dieser Methode selbst suchen. Natürlich geben die seit Jahrzehnten eingewurzelten, oft seit der Kindheit bestehenden Fälle wenig Hoffnung auf eine endgültige Heilung. Bei allen anderen, nicht so vorgeschrittenen Zuständen kann man aber bei geeignetem Vorgehen erhebliche Besserung, mitunter sogar völlige Beseitigung des Leidens erzielen. Allerdings stellt die Behandlung die weitestgehenden Anforderungen an die Geduld und Ausdauer sowohl des Arztes wie des Patienten; es können Monate und Monate, ja Jahre vergehen, ehe es gelingt, die zu einer abnormen Absonderung neigende Nasenschleimhaut allmählich wieder zu einer normaleren Sekretion zurückzuführen, und man erreicht dies Ziel auch nur, wenn alle dazu erforderlichen Maßnahmen in gehöriger Zeit- und Reihenfolge vom Arzt wie vom Patienten immer und immer wieder ausgeführt werden.

Allerdings darf man sich nicht einbilden, einen derartigen Katarrh dadurch zur Heilung zu bringen, daß man „Salzwasser durch die Nase zieht“! Im Gegentheil, wir müssen aufs Energischste vor dem Gebrauch der Kochsalzlösung zum Ausspülen der Nase warnen, die nur reizend und austrocknend auf die Schleimhäute wirkt und dadurch indirekt den Katarrh verschlimmert, und können die leider Gottes nur zu verbreitete Anwendung derselben ebenso, wie die vielfach unzweckmäßige Handhabung der Weber’schen Nasendouche nur als einen therapeutischen alten Schlendrian bezeichnen, der bedauerlicher Weise hier wie auf anderen Gebieten noch eine große Rolle spielt. Viele Menschen glauben nämlich, es sei ausreichend, sich eine Nasendouche gekauft zu haben, um mit der Anwendung derselben vertraut zu sein, und halten eine genaue ärztliche Anweisung für überflüssig. So ereignet es sich denn gelegentlich, daß sie sich während einer Schluckbewegung den Strahl in die sich dabei öffnende Ohrtrompete treiben und damit die schönste Ohrenentzündung hervorrufen. Andere klagen stets über heftigen Kopfschmerz nach dem Douchen, weil sie dem Strahl eine falsche Richtung geben, noch Andere verschlucken sich dabei in der unangenehmsten Weise, weil sie das Wasser nicht zum andern Nasenloch wieder abfließen, sondern in den Hals kommen lassen. Kurz, es wird beinahe eben so oft falsch gedoucht, wie fehlerhaft inhalirt wird.

Wir können nicht schließen, ohne mit ein paar Worten der Schutzmaßregeln gegen chronische Nasenkatarrhe zu gedenken. Man festige seinen Körper gegen Erkältung durch systematische Abhärtung vermittelst kalter Waschungen, kalter Abreibungen und Douchen, im Sommer durch kalte Fluß- und Seebäder, Aufenthalt im Höhenklima und am Meere. Bei besonders empfindlicher Haut nehme man temperirte Schwammüberrieselungen mit absteigender Temperatur vor und schütze sich durch das Tragen wollenen Unterzeuges. Den Aufenthalt in staubiger, schlechter, übelriechender Luft beschränke man möglichst und vermeide den Gebrauch des Schnupftabaks und ähnlicher reizender Substanzen. Vor Allem aber lasse man den Schnupfen nicht einwurzeln und chronisch werden, sondern beseitige ihn, sobald er Neigung zeigt, sich festzusetzen.

Mögen unsere freundlichen Leser diese Andeutungen beherzigen und in Zukunft nicht mehr so gering von einem „bloßen Schnupfen“ denken!




  1. Der Nasenrachenraum ist derjenige oberhalb des Zäpfchens und weichen Gaumens belegene Hohlraum, in den die Nasengänge mit ihren hinteren Oeffnungen und die beiderseits ins innere Ohr führenden Ohrtrompeten (tubae Eustachii) münden und welcher den Uebergang von der Nase zum Rachen bildet.