Ueber den Ausfluß der Flüssigkeiten aus Oeffnungen in dünner Wand und aus kurzen Ansatzröhren (Schluß)

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Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 10, Seite 215–244
Ottokar von Feilitzsch
Ueber den Ausfluß der Flüssigkeiten aus Oeffnungen in dünner Wand und aus kurzen Ansatzröhren (Schluß)
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[215]
II. Ueber den Ausfluß der Flüssigkeiten aus Oeffnungen in dünner Wand und aus kurzen Ansatzröhren; von Dr. O. v. Feilitsch.
(Schluß von S. 28.)
B. Einfluß bewegter Wassertheilchen auf minder bewegte.
13.

Nachdem im Vorigen gezeigt worden, wie sich die Wassertheilchen beim Ausfluß aus einer Oeffnung in dünner Wand verhalten, kommt es darauf an, darzuthun, wie bewegte Wassertheilchen auf minder bewegte (z. B. ruhende) bewegend einwirken.

Es war schon lange ein physikalisch-mathematisches Problem, zu erklären, daß ein heftiger Luftstrom unter Bedingungen im Stande sey, schwere Körper anzuziehen, anstatt sie in der Richtung seiner Bewegung fortzuwehen, und zwar mit einer, bis zu einem gewissen Maximum größeren Kraft, je größer die Geschwindigkeit des Luftstroms ist. Cl. Desormes und Thénard wurden nämlich durch Hrn. Griffith, Ingenieur der Maschinen in Fourchambault, darauf aufmerksam gemacht, daß ein Brett vor eine stark wirkende Duse gehalten, welche sich in eine Ebene ausbreitet, nicht abgestoßen, sondern angezogen wird. Cl. Desormes veröffentlichte mehrfache Versuche[1], welche diese Thatsache bestätigten. Hachette[2] nahm den Gegenstand wieder auf und experimentirte auf ähnliche Weise günstig mit Wasser. Doch [216] waren seine Versuche eben nur bestätigende und durchaus nicht allgemein beweisende.

Um ihr allgemeineres hydraulisches Interesse darzuthun, schloß ich folgendermaßen: wird ein Flüssigkeitsstrahl (elastisch oder tropfbarflüssig) auf irgend eine Weise gezwungen in einem theilweise geschlossenen, mit gleichartiger Flüssigkeit angefülltem Raume sich auszubreiten, und vermag er dann, wie obige Versuche zeigen, vor die Oeffnung jenes größeren Raumes gehaltene Körper anzuziehen, so setzt dieses ein Mehrausflußbestreben voraus, als durch diesen Strahl zuzufließen vermag. Giebt man also jenem Mangel Gelegenheit, sich anderweit zu ersetzen, so wird durch die meßbare Quantität des Ersetzten auch die Kraft zu messen seyn, welche jenen Mangel bewirkt.

Diese Idee realisirend ließ ich folgenden Apparat construiren: Ein Blechgefäß, (Taf. I Fig 11) 3 F. rheinl. lang,  F. hoch und 1 F. breit, hatte in der Mitte der Länge eine Scheidewand, . Möglichst weit am Boden dieser Scheidewand war eine cylindrische Röhre von verzinntem Eisenblech, , eingelassen, deren Durchmesser  Zoll und deren Länge 8 Zoll. Diese Röhre war an beiden Seiten offen. Innerhalb derselben, in der Nähe der einen Oeffnung mündete die verticale Ausflußöffnung des horizontalen, nach vorn sich verengenden Fortsatzes eines senkrechten, in den Versuchen 6 Fuß langen Rohres , welches wiederum oben mit einem Wasserbehälter , von 19 Zoll in’s Gevierte und 8 Zoll hoch, in Verbindung stand. Der Theil des Gefäßes oder hatte vorn in der ganzen Breite desselben einen horizontalen Abfluß , um während der ganzen Operation möglichst constante Niveauhöhe in zu erhalten. Der Abfluß mündete in ein Gefäß , und aus diesem wurde der Bedarf zu einem neuen Versuche mittelst einer Druckpumpe wiederum in das obere Gefäß gepumpt[3].

[217] Die beiden Theile und des Gefäßes communicirten nur durch die Röhre . Wurden sie bis zum Abfluß mit Wasser gefüllt, so war im Zustande der Ruhe das Niveau in beiden dasselbe. Floß jedoch von dem Gefäße her aus der Oeffnung Wasser aus, mit einer Geschwindigkeit, entsprechend der Niveauhöhe in über der Niveauhöhe in , welche wir nennen wollen, so begann das Niveau im Theile des unteren Gefäßes zu sinken, während es in wegen des Abflusses constant blieb.

Der Schluß daraus ist einfach der, daß die aus ausfließende Wassermasse in derselben Zeit mehr aus zu bewegen vermochte, als die eigene Masse betrug. Dieser Mehrabfluß aus mußte also aus der Wassermasse durch die Oeffnung ersetzt werden.

Die beobachteten Erscheinungen sind folgende:

Das Sinken des Niveaus im Theile schritt fort bis zu einem näher zu bestimmenden Maximum.

Bei derselben Röhre änderte sich dieses Maximum nach der Höhe und nach der Weite der Oeffnung . In Bezug auf letztere betrug es gegen  Zoll für einen Durchmesser der Oeffnung  Zoll, und für  Fuß. Es war gegen 4,5 Zoll, wenn bei gleicher Druckhöhe der Durchmesser von 1 Zoll betrug.

Das Sinken des Niveaus im Theile war desto bedeutender, je näher an war, nahm mit der Entfernung davon anfangs unmerklich ab, dann bedeutender, und wurde schon fast , wenn die Oeffnung von der etwa um 6 Zoll entfernt war.

[218] Die Oeffnung der weiten Röhre war so eingerichtet, daß sie beliebig vergrößert und verkleinert werden konnte, indem ein aufgelötheter Deckel mit möglichst vielen Stöpsellöchern versehen war. Eine Aenderung der Größe dieser Oeffnung hatte aber nur Einfluß auf die Zeit, in welcher das Maximum des Sinkens erreicht wurde, nicht aber auf die Größe desselben.

Das Maximum der Niveaudifferenz in und blieb ferner c. p. dasselbe, mochte der Theil kleiner gemacht werden oder seinen ursprünglichen Rauminhalt behalten (was durch eine parallel eingekittete Wand hergestellt werden konnte). Nur wurde dieses Maximum bei verkleinertem Raume schneller erreicht.

Im Allgemeinen habe ich die Genauigkeit der Versuche nur so weit getrieben, als sie meine Ansichten bestätigten, weshalb ich hier nur ungefähre Angaben und keine specielleren Versuchsreihen vorlege.

14.

Um diesen Versuch zu erklären müssen wir unbedingt und abermals das unreife Problem der Adhäsion zu Hülfe nehmen. Denn augenscheinlich würde der aus mit der Geschwindigkeit ausfließende Strahl, wenn das Wasser nicht adhärirte, von der in der weiten Röhre enthaltenen Wassermasse nur einen Cylinder von der Basis und der Höhe aus hinaustreiben, und die übrige Flüssigkeit unbewegt lassen. Dem ist aber nicht so. An dem aus ausfließenden Strahl adhäriren die umgebenden Wassertheilchen, an diesen wieder die nächsten u. s. f., bis im Verlauf des Weges der ursprüngliche Strahl seine Bewegung mit der umgebenden Masse getheilt hat, und mit ihr aus nahezu mit gleicher Geschwindigkeit ausfließt.

Die Bewegung eines jeden der zu gleicher Zeit im Querschnitt neben einander liegenden Theilchen wird bedingt durch (bei Annahme constanter Druckhöhe) senkrecht darüber liegende gleichartige Theilchen. Die [219] beschleunigende Kraft aller dieser Theilchen ist also:

,

die bewegende Kraft sonach:

.

Hat diese Schicht, in angekommen, ihre beschleunigende Kraft mit allen den Theilchen gleichmäßig getheilt, welche zu gleicher Zeit mit ihr in liegen, und deren Maaß sey, so wird die bewegende Kraft im letzteren Querschnitte seyn:

.

Und ist gleich der Flächeneinheit und , so geht dieses über in:

,

die Ausflußgeschwindigkeiten sind sonach in und respective:

und

die entsprechende Ausflußmasse in einer Secunde für die Flächeneinheit und die Fläche :

und ;

und es wird ersichtlich, daß, da größer als 1 ist, mehr, und zwar Mal mehr, Wasser aus auszufließen strebt, als in zufließt. Es bewirkt also jede aus mit der dortigen Geschwindigkeit austretende Schicht, daß zu gleicher Zeit

Mal mehr Masse aus sich zu bewegen strebt nach der Richtung . Dieses Bestreben werden die Schichten zuerst nach der entgegengesetzten Richtung hin äußern, und, wenn es möglich ist, sich daher ersetzen. In unserem Falle bewirkt also jene Mehrausflußmasse, daß sich von her in jeder Secunde [220]

Theilchen, also von jeder Maaßeinheit der Fläche .

Theilchen mit einer Geschwindigkeit ersetzen, welche gleich

.

Die entsprechende Druckhöhe für diese Geschwindigkeit würde

seyn.

Es ist so gut, als ob jedes aus austretende Theilchen, welches schon durch gleichartig bewegt wird, überdem noch von dergleichen bewegt würde. Es wird also eine Geschwindigkeit annehmen, welche der Summe der beiden Druckhöhen entspricht, und zwar:

.

In die Kraft theilen sich Theilchen, also ist die Ausflußgeschwindigkeit in jetzt:

.

Die entsprechenden Ausflußmassen sind für die Einheit der Fläche und für die fache Fläche:

und

folglich ein Mehrausflußbestreben aus der Fläche um , wovon auf die Einheit der Fläche kommt:

,

entsprechend einer Druckhöhe:

[221] Es ist nun wiederum so gut, als ob jedes aus austretende Theilchen durch [4] gleichartig bewegt werde; die Druckhöhevermehrung für die jetzige Geschwindigkeit wird also

seyn. Das Gesetz dieser Druckhöhevermehrung ist leicht erkenntlich; ihr analytischer Ausdruck wird also nach unendlicher Zeit von der Form seyn:

(I)

Da diese Reihe sehr convergirt, so wird die durch sie bezeichnete Modification der Druckhöhe in endlicher und zwar kurzer Zeit schon nahezu erreicht werden; es ist also der Ausdruck für die Gesammtdruckhöhe, welche die Ausflußgeschwindigkeit in bedingt:

(II)

Im vorliegenden Falle ist die Druckhöhezunahme No. I meßbar. Da nämlich die weitere Röhre bei offen ist, wird aus dem Theile II des Gefäßes so viel Wasser durch diese Oeffnung gesogen, bis die Differenz der Druckhöhe in und , Fig. 11 Taf. I, jene Kraft, mit der es hindurchgesogen wird, also

compensirt.

Anmerkung. Berechnen wir hier die Niveaudifferenzen in den Theilen und für 75 Zoll, Quadratzoll, [222] Quadratzoll, also ; so ergiebt sich dieselbe:

(der Versuch Zoll).

War 75 Zoll, Quadratzoll, Quadratzoll, also 6,25, 2,5, so ergiebt die Berechnung:

(der Versuch Zoll).

(Ich konnte höchstens Zoll genau messen.)

Zusätze.
15.

Bei Berechnung dieses Versuches habe ich den Parallelismus der Schichten zu Grunde gelegt, so wie das Princip der Erhaltung der lebendigen Kräfte, nach welchem Daniel Bernoulli zuerst die Gesetze der Hydrodynamik in Rechnung zog. Wie weit jedoch jene erstere Grundlage giltig ist, beweist, daß schon bei diesen meinen rohen Versuchen merkliche Differenzen entstanden, wenn die Röhre verkürzt wurde, oder was dasselbe ist, wenn die engere Röhre so verrückt wurde, daß die Mündung der Oeffnung näher kam. Ich kann mich nicht überzeugen, daß bei Annahme des Parallelismus der Schichten bloß die »Differentiale der zweiten Ordnung« vernachlässigt würden.

Die Berechnung muß vielmehr so constituirt werden, daß man alle die Bewegungszunahmen der in dem Cylinder ursprünglich ruhenden Wassermasse addirt, welche die Adhäsion an dem mit ursprünglich constanter Geschwindigkeit aus hervorgehenden Wassercylinder bewirkt. Hierzu fehlen jedoch zur Zeit noch die Elemente.

Im Vorigen behauptete ich, daß die nach der Richtung hin bewegten Theilchen sich von der entgegengesetzten Richtung her zu ersetzen strebten. Allerdings werden sie sich auch von irgend einer andern Richtung her ersetzen, wenn von jener kein Zufluß gestattet ist, [223] es wird aber dann an lebendiger Kraft durch die im Wege stehenden festen Wände verloren gehen, wie im Folgenden näher gezeigt werden wird. Diesen Druck, den eine nach Bewegung in einer Richtung strebende Wassermasse auf feste Wände ausübt, möchte ich hydrodynamischen Druck nennen, im Gegensatz gegen den hydrostatischen, welcher schon ursprünglich nach allen Seiten gleichmäßig wirkt. Verwechslung dieser zweifachen Drucke hat manche Verwirrung in den Ansichten hervorgebracht. So beweist z. B. Euler[5] ganz genau, daß die Geschwindigkeit des Wassers in Röhren, abgesehen von der Reibung, dieselbe wäre, sie möchten gebogen sein oder gerade, wenn nur die Einflußmündung um gleichviel von der Ausflußöffnung senkrecht abstände. Dasselbe ist von Eytelwein’s[6] Berechnung der Bewegung des Wassers in Röhren zu sagen. – Hiergegen beweisen die umsichtigen Versuche von Venturi, daß drei gleichmäßig gebohrte Röhren, deren Einmündung die Form des zusammengezogenen Strahles, und zwar 18 Linien (Pariser) an der weitesten Stelle, 14‴,5 an der engsten im Durchmesser hatte, welches letztere auch der Durchmesser der Röhre war, bei einer Länge von 15 Zoll und bei einer Druckhöhe von 32″,5 über der Ausflußöffnung 4 Kubikfuß Wasser geben

in 45 Secunden, wenn die Röhre gestreckt,
in 50 Secunden, wenn sie in einen Quadrant gebogen,
in 70 Secunden, wenn sie unter rechtem Winkel gebogen war[7].

Bei Bewegung der Flüssigkeiten, ist immer festzuhalten, daß, wenn verschiedene Kräfte zu gleicher Zeit [224] aus ein und derselben Oeffnung verschiedene Ausflußmassen fordern, sich nicht diese Massen, oder was dasselbe ist, die Geschwindigkeiten addiren, sondern die wirkenden Kräfte.

In der Länge der Röhre hatte ich an meinem Apparat verschließbare Oeffnungen anbringen lassen, um Manometer einzufügen, und den Druck auf die Wände der Röhre direct zu bestimmen, wenn dieselbe nach allen Seiten, außer nach , verschlossen war, und das Wasser aus , wie früher, in dieselbe einströmte. Die Schwankungen der Manometerflüssigkeit waren aber so bedeutend, daß aus diesen Versuchen nichts zu schließen war, – ein Uebelstand, den schon Bernoulli unangenehm empfand, als er auf diese Weise den Druck auf konisch divergirende Ansatzröhren prüfen wollte.

C. Ausfluß aus horizontalen Ansatzröhren.
16.

Führen wir auf diese Grundsätze die Bewegung des Wassers in conisch divergirenden horizontalen Ansatzröhren zurück. Sey , Fig. 12 Taf. I, ein Gefäß, welches mit Wasser bis constant angefüllt erhalten werde; sey es nahe am Boden mit einer verticalen kreisförmigen Oeffnung vom Radius gleich versehen, und stoße an diese ein abgestumpfter divergirender Kegel , dessen größere Oeffnung einen Halbmesser habe. Der Scheitelwinkel eines größten Dreiecks in diesem Kegel sey .

Wiederum ist ersichtlich, daß, wenn die in dem Kegel enthaltenen Flüssigkeitstheilchen nicht adhärirten, und doch (etwa dadurch, daß der ganze Kegel unter Wasser ist) gezwungen wären sie auszufüllen, bloß der horizontale Cylinder von der Basis in Bewegung seyn, und die übrigen Theilchen in ihrer Ruhe nicht gestört werden würden. Wegen der Adhäsion jedoch theilt dieser mittlere Cylinder den umgebenden Theilchen seine [225] Bewegung mit, so daß wir einigermaßen gerechtfertigt sind, folgende Schlüsse zu ziehen:

Es ist zuvörderst klar, daß ein Theilchen innerhalb des Kegels , welches zwischen dem Cylinder, der zur Grundfläche hat, und zwischen der Kegelwand mit einer Kraft in der Richtung der Axe des Kegels bewegt werden soll, nicht eine Geschwindigkeit annehmen kann, da ein Theil dieser Kraft durch die Wände verloren geht. Das Theilchen muß nämlich, wenn es sich bewegen soll, stets von den nachfolgenden Theilchen ersetzt werden, weil sonst ein Zerreißen der Schichten stattfinden würde, es wird also mit jeder Bewegung von eine gleiche Bewegung in stattfinden müssen, wenn sich in der Richtung bewegen soll. Es ist also so gut, als ob das Theilchen unmittelbar mit einer Kraft gegen den Punkt der festen Wand drückte. Sey das Maaß dieser Kraft, so wird dieselbe sich, da der Druck nicht senkrecht ist, zerlegen in eine Kraft , welche verloren geht, und in eine andere , welche das Theilchen in der Richtung der Wand zu bewegen hat. Da aber hier nur die Kraft fraglich ist, mit welcher sich das Theilchen nach der Richtung der Axe bewegt, so ist ersichtlich, daß von jener abermals nur der Theil übrig bleibt; also die Beschleunigung des Theilchens in der Richtung der Axe wäre:

.

Nachdem wir solches vorausgeschickt, betrachten wir eine der Ausflußöffnung parallele Schicht innerhalb des Kegels, welche zum Radius habe, und nehmen (im Grunde fälschlich), mit Bernoulli, d’Alembert und fast allen, die über Hydraulik geschrieben, an, daß diese Schicht sich selbst parallel bewege, und zwar mit einer Geschwindigkeit:

,

welche abhängt von (gleichviel mittelbar oder unmittelbar) [226] senkrecht über jedem Theilchen des Querschnitts liegenden Theilchen. Die Ausflußmasse aus dieser Schicht wird bei dieser Geschwindigkeit sonach für 1″ seyn:

,

und sonach die lebendige Kraft:

.

Diese theilt sie der folgenden Schicht mit, welche zum Halbmesser hat. Es wird also die bewegende Kraft dieser Schicht ausgedrückt seyn durch und die Geschwindigkeit derselben durch:

und die sonach bedingte Ausflußmasse für die Zeiteinheit:

Betrachten wir diese Ausflußmasse in zwei Theilen, von denen der eine auf denjenigen Theil der letzteren Schicht kommt, welcher zum Halbmesser hat, und der andere auf den concentrischen Ring von der Breite [8], so fließt aus dieser Fläche eine Masse aus:

[227] und der andere Theil:

kommt auf den Ring . Die Kraft, welche die letzteren Theilchen bewegt, zerlegt sich aber nach der in den Vorbemerkungen erörterten Art, so daß von nur noch übrig bleibt, und die wirkliche Ausflußmenge aus ist:

.

Sonach ist die in Folge der vorhergehenden Schicht bedingte und durch den Verlust an lebendiger Kraft modificirte Ausflußmasse aus dem Schnitt, dessen Halbmesser :

;

die Zuflußmasse aus der vorhergehenden Schicht:

davon abgezogen, giebt die Menge, welche aus dem größeren Querschnitt mehr auszufließen strebt:

.

Dieses Bestreben vertheilt sich auf die ganze Fläche der Schicht. Um daher die Geschwindigkeit zu erhalten, mit welcher diese Masse durch die Schicht zu ersetzen strebt, muß die vorige Größe mit dividirt werden; sie ist:

und somit wird die ursprüngliche Druckhöhe der Schicht , welche wir annahmen, in Folge bloß der nächsten Schicht vermehrt um:

.

Das Integral hieraus giebt die Vermehrung durch irgend eine entferntere Schicht:

.

Setzen wir darinnen die Werthe von als , wenn [228] wir den Abstand irgend einer Schicht von der Schicht setzen, und zwar und ein, so wird ersichtlich, wie die nochmalige Integration jenes Werthes von bis , die Vermehrung der ursprünglichen Druckhöhe giebt für alle Schichten zwischen und . Dasselbe wird erreicht, wenn wir obigen Werth von bis integriren, und so erhalten wir, wenn wir, analog der Bezeichnung in §. 14., setzen:

.

Wenn also früher die Schicht mit einer Geschwindigkeit ausströmte, so strömt sie jetzt aus mit einer Geschwindigkeit:

.

Es wiederholt sich die ganze Untersuchung, wenn wir statt den Werth substituiren, und die resultirende Gleichung wird geben:

.

So werden wir ganz analog erhalten:

u. s. w., und wie, analog §. 14, leicht zu ersehen, ergiebt sich als Gränze der Zunahme:

(I)

und sonach:

.

Substituiren wir den Werth von , so erhalten wir als Gränzwerth der Kraft, mit welcher das Wasser aus der Oeffnung getrieben wird, und welcher nahezu in kurzer Zeit erreicht wird: [229]

(II)
Zusätze.
17.

Aenderung der Formel wegen der Contraction. Wir betrachteten hier die Geschwindigkeit in der Ausflußöffnung als abhängig von der Druckhöhe . Wie wir aber in §§. 2 und 3 sahen, ist die Ausflußgeschwindigkeit in der Oeffnung geringer, als sie seyn sollte, wenn alle Theilchen in derselben durch alle senkrecht darüber liegende bewegt würden: also muß für die Druckhöhe für die mittlere Geschwindigkeit der ersten Schicht genommen werden. Oder aber können wir uns den Vorgang so vorstellen, daß der Strahl sich eben so zusammenzöge, als wenn er in freie Luft ausströmte, in dem Querschnitt der größten Zusammenziehung , Fig. 13 Taf. I, eine Geschwindigkeit habe, welche abhängig ist von der Niveauhöhe über dem Mittelpunkt der Oeffnung , und von da aus sich wieder ausbreitete bis zur äußern Oeffnung des Ansatzrohres , indem der bewegte Wassertheil dann einen abgestumpften Kegel bildete, dessen Basis die äußere Mündung des Ansatzrohres , und dessen kleinster Querschnitt der des zusammengezogenen Strahles ist.

Es wäre sonach, wenn wir mit den Contractionscoëfficienten bezeichnen, und mit die Entfernung des kleinsten Querschnitts von der Oeffnung, wenn wir und setzen:

[230] sonach ist die Ausflußmasse in 1 Secunde in Folge Gleichung II des vorigen §.:

(I)

Für diese der vorigen gleich richtige als falsche Anschauung sprechen Versuche von Venturi, welche zur folgenden Kategorie gehören. – Versuche für konisch divergirende Ansatzröhren, deren Axen horizontal liegen, sind mir nicht bekannt geworden. Die von Cit. Venturi gehören nur scheinbar hierher.

18.

Cylindrische Ansätze. Es hat Venturi experimentell dargethan, daß die Ausflußgeschwindigkeit des Wassers aus Ansatzröhren von der Form der Fig. 14, 15, 16 Taf. I bei gleicher Druckhöhe nahezu gleiche Massen in gleicher Zeit liefern. Die Fig. 14 entsprechende Ansatzröhre ist ein Cylinder von 54 Par. Lin. Länge und 18′′′ Durchmesser. Ein anderer Cylinder, Fig. 15, von gleicher Länge und gleichem Durchmesser hatte an der Einmündung eine Verengerung in der Form des zusammengezogenen Strahles: es war , , (also nahe so lang als die entsprechende Linie in Fig. 14) und . Die Fig. 16 entspricht einer Ansatzröhre, deren einer Theil die Form des zusammengezogenen Strahles hatte, und zwar , , und deren anderer Theil sich konisch erweiterte, bis er in einer Länge wiederum die Weite der ursprünglichen Oeffnung hatte. – Ferner fand Venturi, daß ein Druck von außen nach innen (oder besser »ein negativer Druck von innen nach außen«) auf die Wände des Ansatzrohres in der Nähe des zusammengezogenen Strahles statt hatte, denn in einem daselbst angebrachten Manometer [231] stieg für den Fall 12, das Wasser um 24 Zoll, bei einer Druckhöhe von 32′′,5. Dieser Versuch deutet darauf hin, daß in der Nähe des zusammengezogenen Strahles das dort befindliche Wasser in ungleich geringerer Bewegung ist als im übrigen Theile der Ansatzröhre.

Und so wäre ich von der Seite des Versuches her gerechtfertigt, wenn ich die Kategorie der cylindrischen Ansatzröhren unter die der konisch divergirenden bringe. Es wird nämlich bei cylindrischen Ansätzen der Vorgang in der Natur nahezu derselbe seyn, als wenn sich der aus ausfließende Strahl zusammenzöge, wie beim Ausfluß in die freie Luft, und sich von dort wiederum ausbreitete. Der kleinste Querschnitt des abgestumpften Kegels, , wird dann aus dem Querschnitt der Oeffnung und der bekannten Zusammenziehung gegeben seyn, eben so die Entfernung ; der Scheitelwinkel des Kegels () wird sich aus dem Durchmesser der Oeffnung , dem der Einschnürung und der Länge finden lassen, und so sind die Elemente zur Berechnung der Ausflußmenge gegeben. Sie ergiebt sich eben so aus Gleichung I §. 17, wenn wir darinnen setzen. Wir erhalten so:

(II)

Setzen wir in der vorigen Formel , d. h. ändern wir die Ansatzröhre so, daß sie die Gestalt , Fig. 14 Taf. I, bekommt, wo ein Ansatz in Form des zusammengezogenen Strahles ist, und an diesem ein Cylinder vom Radius des engsten Querschnittes , so erhalten wir (eben so wie wenn der letztere Theil des Ansatzes fehlte – versteht sich, abgesehen von der durch diesen vermehrte Adhäsion):

(III)

Es ist also, wie leicht vorher zu sehen war, unter diesen [232] Umständen die Ausflußmasse aus gleich der, welche nach der torricellischen Formel erfolgen müßte. Bestätigungen sind die Versuche von Venturi[9] und Eytelwein[10]

19.

Gränzwerth von . In dem Vorigen, d. h. für , haben wir auch zugleich einen Gränzwerth für die Form der Ansatzröhren, so weit sie zu unseren jetzigen Betrachtungen gehören. Wird , so wird in Gleichung I §. 17 der dritte Theil des Divisors unter dem Wurzelzeichen negativ und größer als die Summe der beiden ersten Theile, mithin die Wurzelgröße imaginär. Dieser Fall – also der Fall der konisch convergirenden Ansatzröhren, deren engster Querschnitt kleiner ist als der Querschnitt des zusammengezogenen Strahles – ist nicht unter den hier betrachteten (capillar wirkenden) Ansatzröhren inbegriffen, sondern muß als derartige Wand betrachtet werden, welche direct auf die Bewegungslinie der einzelnen Flüssigkeitstheilchen Einfluß hat. Vergl. §. 7.

Ein Minimum wird unsere Formel erreichen für , also . Es ist dann wiederum

.

Bei noch bedeutenderer Vergrößerung von wird die Ausflußgeschwindigkeit wieder größer werden, weil

eben so wie wiederum wachsen. Jedoch ist leicht einzusehen, daß hier der Parallelismus der Schichten keine Gültigkeit mehr hat, wenn überhaupt diese Hypothese statthaft ist.

Die gewöhnlichen Versuche werden so angestellt, [233] daß das aus der Oeffnung ausfließende Wasser sich in freie Luft ergießt. Dabei erreicht man schon bei sehr geringer Ausbreitung des Kegels in sofern eine Gränze, als das Wasser den Wänden der Röhre nicht mehr folgt. Wird jedoch der Versuch unter Wasser angestellt, so daß der Kegel immer angefüllt bleiben muß, so wird unsere Formel noch bei weit größerer Ausbreitung des Kegels annähernde Gültigkeit haben. (Vergl. weiter unten §. 25.)

Für Röhren von Weißblech und für Ausfluß in freie Luft haben Venturi’s Versuche gezeigt, daß ein Kegel, dessen Scheitelwinkel die größte Ausflußmenge gebe, daß diese mit Verminderung und Vermehrung von geringer werde, im letzteren Falle bei am geringsten sey, und über diese Gränze hinaus das Wasser den Wänden der Röhre nicht mehr folge.

20.

Gründe der Gestaltänderung des Strahles durch Ansätze. Man fragt mit Recht, warum der Strahl eine andere Gestalt annimmt, wenn die Oeffnung mit einer Ansatzröhre versehen ist, als wenn dieses nicht der Fall ist. Der Grund davon ist in der Capillarattraction der Wände gegen die Flüssigkeit zu suchen und entfernter im Luftdruck. Die Flüssigkeitsfäden nämlich, welche nahe der Wand ausfließen, haben, wie wir in §. 2 sahen, eine von 0 wenig verschiedene Geschwindigkeit. Diese werden also aus dem dreifachen Grunde der größeren Nähe, der geringeren Geschwindigkeit und der größeren Anziehung der Substanz des Rohrs gegen die Flüssigkeit, als der einzelnen Flüssigkeitstheilchen unter einander[11] von den Wänden capillar afficirt; diese wirken wiederum auf die entfernteren u. s. w., so daß der Strahl in Wahrheit [234] ausgebreitet bleibt, und im Verlauf durch die Ansatzröhre die verschiedene Geschwindigkeit der Fäden zu einer mittleren austauscht. – Wird aber die Geschwindigkeit bedeutender, so werden die der Wand zunächst liegenden Theilchen (deren Geschwindigkeit doch immer fast ist) von den der Wand entfernteren in so weit bedeutender angezogen, da in gleicher Zeit sie von mehr (obschon weniger als die feste Wand anziehenden) Wassermolecülen berührt werden, als bei geringerer Geschwindigkeit[12]. Und so kann die Geschwindigkeit so weit durch Vermehrung der Druckhöhe gesteigert werden, daß ein und dasselbe Ansatzrohr nicht mehr von der ausfließenden Wassermasse erfüllt wird, sondern der Strahl sich zusammenzieht, ganz wie wenn der Ansatz fehlte. Daher kommt die bekannte Erfahrung, daß wenn der Strahl den Wänden der Röhre folgen soll, dieselbe verlängert werden muß, wenn die Druckhöhe sich vermehrt[13]. Da die Anziehung der festen Substanz der Wand gegen die Wassertheilchen im Allgemeinen bedeutender ist, als die der Theilchen unter einander, so wird die Wirkung derselben, den Strahl auszubreiten, um desto bedeutender seyn, je weniger todtes Wasser zwischen ihr und dem bewegten Wasser liegt. Da nun die Ausflußvermehrung [235] von der größeren Ausbreitung des Strahles abhängt, wird die Ausflußmenge in einem Ansatzrohre von der Form von Fig. 15 Taf. I etwas bedeutender seyn, wie in Fig. 14, wo die Wassermasse u. s. w. fast unbewegt bleibt.

Ist endlich die Anziehung der Flüssigkeitstheilchen unter einander größer, als die Anziehung derselben gegen die Wände des Rohres, so wird der Strahl sich in der Röhre gar nicht verbreiten, sondern ausfließen, wie aus dünner Wand. Versuche dafür mit reinem und zinnhaltigem Quecksilber und eisernem Ansatzrohre finden sich in den oben citirten Aufsätzen von Hachette. – Eben so folgt das Wasser ungleich schwieriger den Wänden des Rohres, wenn man dieselben mit einer Fettigkeit dünn bestreicht. Und umgekehrt wird es ungleich leichter folgen, wenn man die Wände vor dem Versuch sorgfältig mit Wasser und irgend einem Putzpulver reinigt.

Die Molecularwirkung der Luft wird nur verzögernd auf den Strahl einwirken können, aber keinen Einfluß auf dessen Ausbreitung haben. Und zwar wird sie ihn in sofern verzögern, als sie an ihm adhärirt und durch einen Theil seiner Kraft sich ähnlich bewegen läßt, wie das Wasser, wenn der Strahl unter Wasser ausfließt. Doch ist derartiger Kraftverlust unbedeutend genug, um vernachlässigt werden zu können.

Anders aber wirkt die Luft durch ihren Druck auf die Oeffnung sowohl, wie auf die Oberfläche der Flüssigkeit unter Bedingungen beschleunigend. Es wird nämlich durch denselben das Wasser mit einer Kraft von beiläufig 32 Fuß Wasserdruck gegen die Wände gepreßt, und somit im vorliegenden Fall die Molecularattraction derselben ungleich vermehrt. Hieraus wird folgender Versuch von Venturi[14] klar: Ein cylindrisches Gefäß von 4′′,5 (Pariser) Durchmesser hatte an der verticalen Wand, nahe der Basis, eine kreisförmige Oeffnung von 4′′′,5 Durchmesser. Das Niveau war 8′′,3 [236] über der Mitte derselben. Das Niveau sank, wenn man das Wasser ausfließen ließ, in dem Gefäße in 27,5 Secunden um 7 Zoll. Anfügung einer cylindrischen Ausflußröhre von 11 Lin. Länge bewirkte, daß in 21 Sec. das Niveau um eine gleiche Größe sank. Wurde die Operation aber unter einer Luftpumpe bei einem Quecksilberdruck von 10‴ vorgenommen, so sank das Niveau in 27,5 Sec. um eine gleiche Größe, gleichviel, ob die Röhre angefügt war oder nicht. – Aehnliche Versuche sind von Matthieu Young und Hachette angestellt worden. Beide fanden, daß die Ausflußmenge sich verminderte, wenn der Druck der Luft sich verminderte, daß also bei einem gewissen Luftdruck der Strahl nur theilweise den Wänden der Röhre folgte. Doch möchte bei diesen Versuchen wohl eine ungleiche Reinheit der Wände des Ansatzes eine große Rolle gespielt haben, weshalb ich daraus gezogene Schlüsse nicht discutire.

D’Alembert[15] hat zuerst den Druck der Luft als Ursache vermehrter Ausflußmenge erkannt.

Hierher gehört ferner noch die Erfahrung, daß der Strahl ungleich leichter sich von den Wänden des Ansatzrohres losreißt, wenn die Röhre sich in das Innere des Gefäßes fortsetzt und daselbst in eine scharfe Kante endet. Borda konnte nämlich auf diese Weise den Strahl sich noch von den Wänden losreißen lassen, wenn das Ansatzrohr mehr als fünf Mal länger war, als sein Durchmesser betrug, während bei gewöhnlichen Ansatzcylindern die Länge nur zwei bis drei Mal größer seyn darf, wenn diese Bedingungen erfüllt werden sollen. Die Erklärung liegt nach §. 7 auf der Hand. Wir zeigten nämlich daselbst, daß die Ausflußmasse unter diesen Bedingungen geringer würde, als beim Ausfluß aus einer Oeffnung in horizontalem Boden, weil die Geschwindigkeit der einzelnen Fäden, von dem Centralfaden aus gerechnet, [237] ungleich schneller abnehmen muß als im letzteren Falle. Die Bedingungen für die Contraction werden also ungleich günstiger seyn, während die Gründe für die Ausbreitung dieselben bleiben.

D. Ausfluß aus verticalen Ansatzröhren.
21.

Wiederum ändern sich die Betrachtungen, wenn das Ansatzrohr, anstatt, wie bis jetzt, horizontal zu seyn, gegen den Horizont geneigt ist; und unter diesen Fällen wollen wir im Nächsten denjenigen betrachten, wo das Rohr vertical an horizontaler Ausflußöffnung im horizontalen Boden angebracht ist. Sei zu dem Ende , Fig. 19 Taf. I, ein Gefäß, welches bis mit Wasser angefüllt ist. Sey diese Wasserhöhe über dem horizontalen Boden des Gefäßes, und zwar . Sey ferner gleich dem Durchmesser der kreisförmigen Oeffnung, an welcher ein gleichseitiger divergirender Kegel , dessen Axe vertical angebracht ist. Der Scheitelwinkel dieses Kegels sey , der Radius der unteren Oeffnung , und die Länge desselben, von bis , .

Nehmen wir nun an, daß die Flüssigkeitstheilchen keine Adhäsion hätten, und dennoch gezwungen wären[16] den Kegel auszufüllen, so wird sich in dem Kegel nicht allein derjenige cylindrische Flüssigkeitsstrahl von der Basis bewegen, welcher direct aus der oberen Oeffnung hervorgeht, sondern es wird sich auch jeder Flüssigkeitsfaden , welcher in dem Kegelmantel liegt, wegen seiner Schwere zu bewegen suchen[17]. Enthält ein solcher Faden gleichartige Theilchen [238] über einander (wenn wir als Axe der und als Axe der annehmen), so ist das Maaß der beschleunigenden Kraft derselben. Diese wird sich, da ihr in die schiefe Wand unter einem Winkel entgegensteht, zerlegen in einen Theil , welcher senkrecht gegen die Wand drückt und durch diese zerstört wird, und in einen andern , welcher in der Richtung der Wand wirkt. Der letztere wird sich abermals zerlegen in einen Theil , welcher den Faden horizontal bewegt, und einen andern , zufolge dessen der Faden nach der Richtung der Schwere sich zu bewegen strebt. Was für diesen einen Faden gilt, gilt für alle, welche in dieser Weise durch die Kegelwand begränzt werden. Die beschleunigende Kraft einer solchen hohlcylindrischen Fadenreihe, welche zur Basis, zur Höhe hat, und deren Axe die Axe des Kegels ist, wird demnach ausgedrückt seyn durch:

(1)

und da und ist, geht dieser Werth über in:

Dieses von bis integrirt giebt die lebendige Kraft, mit welcher sich alle diese in dem Kegelmantel enthaltenen Theilchen zu ersetzen streben:

(2)

Dieses ist die gesammte beschleunigende Kraft, mit welcher die in dem Kegelmantel enthaltene Masse alle in der oberen Oeffnung liegende Theilchen zu bewegen strebt. Die Kraft, mit welcher eins dieser Theilchen [239] bewegt wird, erhalten wir sonach, wenn wir die Größe (2) mit dividiren. Nennen wir diese , so ist:

. (3)
[WS 6]

Außerdem wirken die senkrecht unter jedem, in dem Querschnitt liegenden, Theilchen auf dieses beschleunigend, eben so wie die senkrecht darüber liegenden, so daß wir für das Maaß derjenigen Kraft, welche jedes Theilchen in bewegt, eine Größe erhalten als:

(4)

Hierzu kommt noch diejenige Druckhöhevermehrung, welche die der oberen Mündung entfernteren Schichten auf die ihr näheren, wegen der Mehrbewegung bewirken, und welche sich ganz wie in vorigem §. verhalten wird. Sey nämlich die Druckhöhe für irgend eine horizontale Schicht im Kegel :

,

so ist die entsprechende Geschwindigkeit derselben:

und die Ausflußmasse für die Zeiteinheit:

(5)

Ihre lebendige Kraft theilt sie der nächsten Schicht mit, so daß die bewegende Kraft für jedes Theilchen derselben seyn wird:

die entsprechende Geschwindigkeit:

;

und sonach die erstrebte Ausflußmenge für die Zeiteinheit:

.

[240] Betrachten wir diese Ausflußmenge je nach den beiden Theilen dieses Querschnittes: und , so kommt auf den ersteren eine Masse:

(6)

und auf den zweiten eine Masse (vergl. §. 16 zu Anfang):

(7)

wo noch mit multiplicirt ist, wegen der Hemmung, welche die Kegelwand bewirkt. Von der Summe dieser respectiv so geänderten Theile wird aber nur der Theil unter No. 5 aus dem Querschnitt ersetzt, folglich findet in diesem Querschnitt ein Mehrabflußbestreben statt:

;

die Geschwindigkeit, mit welcher sich diese Masse zu ersetzen strebt, erhalten wir durch Division dieser Größe mit dem Querschnitt , und zwar:

,

und somit ist die Kraft, mit welcher sie auf jedes Theilchen in wirkt:

.

Diese Größe zwei Mal integrirt, und zwar von bis , giebt die Vermehrung der Kraft, mit welcher die Theilchen im ersten Querschnitt des Kegels bewegt werden:

;

dieser Werth, zu addirt und alle diese Schlüsse wiederholt, giebt für den nächsten Zeittheil eine Vermehrung:

.

So erhalten wir durch abermalige Wiederholung dieser Schlüsse für den dritten Zeittheil:

[241] u. s. f., bis nach unendlich langem Spiel dieser Kräfte eine Druckhöhevermehrung eingetreten ist:

,

welche jedoch in endlicher, und zwar kurzer Zeit nahezu erreicht wird. Diese zu der ursprünglichen Druckhöhe addirt, giebt die Druckhöhe für die Ausflußgeschwindigkeit aus , ähnlich wie in §. 16:

(I)

darinnen die Werthe von und aus der Gleichung 3 und 4 eingesetzt, giebt die Kraft, von welcher die Geschwindigkeit im Querschnitt abhängt; und sonach ist diese Geschwindigkeit:

(II)
Zusätze.
22.

Recapitulation. Wir unterscheiden zwei Ursachen der Geschwindigkeit: 1) Masse der bewegenden Flüssigkeit, und 2) Vermehrung der Bewegung durch Vergrößerung der aufeinanderfolgenden Querschnitte. – Die Masse der bewegenden Flüssigkeit wirkt nur dann nach allen Seiten gleichmäßig bewegend, wenn sie in Ruhe ist; ist sie jedoch in Bewegung, so wirkt sie vorzugsweise in der Richtung dieser Bewegung abermals auf andere Massentheilchen bewegend. Steht in schiefer Richtung ein festes Hinderniß dieser Bewegung entgegen, so zerlegt sich die Kraft nach den gewöhnlichen Gesetzen. –

Den Begriff einer derartigen Mittheilung der Bewegung und den Begriff einer Mittheilung durch Adhäsion umfaßte Venturi mit dem gemeinschaftlichen Namen: Communication laterale, ohne jedoch diese Definition zu geben.

[242] Bernoulli hat diese Kraftzerlegung nicht berücksichtigt, sondern die Wirkung der bewegten Wassertheilchen ganz so betrachtet, wie die der ruhenden, daher seine Rechnung eine Ausflußmasse ergab, welche gleich dem Product aus dem größten Querschnitt des Ansatzkegels und der Geschwindigkeit, die abhängig ist von der Niveauhöhe über jenem Querschnitt. Nach unserer Bezeichnung wäre die Formel:

[18]
Anmerkung. Bernoulli betrachtet hierher gehörige Erscheinungen in seiner Hydrodynamica, Sect. XII,[WS 7] und benennt die Theorie derselben: Hydraulicostatica. Seine Ansichten bewähren sich aber nur dann, wenn die Flüssigkeit als Masse wirkt, und nicht die Betrachtung der einzelnen Fäden erforderlich ist.

Im übrigen verweise ich auf das in §§. 17, 19 und 20 Gesagte.

23.

Weitere Ausführung. Wie in §. 18 ist auch hier noch hinzuzufügen, daß sich das Wasser beim Ausfluß aus der Oeffnung zusammenzieht, oder vielmehr mit einer mittleren Geschwindigkeit ausfließt, die von einer geringeren Kraft abhängt, als diejenige ist, welche der Niveauhöhe entspricht. Es muß also die Ausflußmenge so betrachtet werden, daß man für den Halbmesser des zusammengezogenen Strahles einsetzt, von die Entfernung der größten Einschnürung des Strahles von der oberen Oeffnung abzieht, und aus diesen Größen berechnet. Nennen wir das Verhältniß des kleinsten Querschnittes des Strahles zur Oeffnung, so [243] erhielten wir auf diese Weise für die Ausflußmenge zufolge der Gleichung II §. 21:

(III)
24.

Verticale cylindrische Ansatzröhren. Setzen wir in dieser Formel , so erhalten wir die Ausflußmenge für verticale cylindrische Ansatzröhren:

(IV)

Setzen wir hierinnen , so ergiebt sich die Ausflußmenge aus verticalen cylindrischen Ansatzröhren, welche sich bei der Einmündung in Form des zusammengezogenen Strahles erweitern:

,

wie leicht vorauszusehen war.

25.

Versuche. Ausströmungsversuche aus Gefäßen, an deren horizontale Mündung verticale Ansatzröhren angefügt sind, finden sich u. a. bei Bernoulli, Venturi, Hachette u. s. w. in den angeführten Werken.

Es ist leicht einzusehen, daß dasselbe, was eine konisch divergirende Röhre thut, auch durch Verästelung einer ursprünglichen Ausflußröhre, und zwar, wegen der vermehrten Adhäsion, in noch größerem Maaßstabe geschehen muß. Bei Röhrenleitungen ist dieser Gegenstand von der höchsten Wichtigkeit, und, so weit meine Kenntniß reicht, noch nicht genugsam in Betracht gezogen. Um ein Beispiel aufzuführen, fanden die Vorgänger [244] des Jul. Frontinus einen Zufluß zu den Röhrenleitungen Roms von 12755 Quinarien, während Frontinus, nachdem in der Zeit die ursprüngliche Ableitungsröhre mehr und mehr verzweigt worden war, durch directe Messung einen Zufluß von 24413 Quinarien fand. Diese Abweichungen finden sich durch vorstehende Discussionen erklärlich, und brauchen nicht allein auf Sorglosigkeit bei den Messungen geschoben zu werden, wie Brandes in Gehler’s physik. Wörterbuch, neue Ausg. Bd. V S. 530,[WS 8] thut.

Venturi hob zuerst die hydraulische Wichtigkeit des konisch divergirenden Ansatzrohres hervor, weshalb es nach ihm allgemein das venturische genannt wird. Doch war schon den Alten diese Eigenschaft bekannt. So erzählt Frontinus, es wäre in Rom Gesetz gewesen, daß, wer sich das Recht erkauft habe, aus den öffentlichen Aquaducten Wasser zu beziehen, seine Ableitungsröhren innerhalb 50 Fuß nicht habe von weiterem Kaliber ausführen lassen dürfen, als das der erkauften Oeffnung war.


Bei diesen Untersuchungen habe ich den Druck des umgebenden Medium nicht berücksichtigt, da er im Allgemeinen, wenigstens bei Versuchen in der atmosphärischen Luft, gleich stark auf das Niveau und auf die Oeffnung wirkt, sich also compensirt. Die größte Genauigkeit würde verlangen, die Differenz des Barometerdrucks an der Oeffnung und an der Oberfläche zur Druckhöhe zu addiren.

[Taf. I.]

  1. Annales de chim. et de phys. XXXV (1827) p. 34. Daraus in Poggendorff’s Annalen, Bd. X S. 265.[WS 1]
  2. Annales de chim. et de phys. XXXVI (1827) p. 69. Daraus in Poggendorff’s Annalen, Bd. XV S. 496.[WS 2]
  3. Um dem Vorwurf zu entgehen, daß hydraulische Apparate gewöhnlich [217] nicht vollständig beschrieben würden, füge ich noch folgende außerwesentliche Details hinzu: Die Oeffnung war in besonderen Röhren , welche sich nach zu etwas verjüngten, so daß der Durchmesser von nach Bedürfnis 1 Zoll,  Zoll wurde. Sie war in der Mündung der Röhre durch einen durchbohrten Stöpsel befestigt, eben so wurde sie in festgehalten. Durch eine ähnliche Vorrichtung wurde in der Wand befestigt. Der Umkreis von war mit möglichst vielen Löchern versehen, welche nach Belieben geöffnet und verschlossen werden konnten.
  4. gleichartige Theilchen wirken von hinten (schieben) und wirken von vorn (ziehen).
  5. Die Gesetze des Gleichgewichts und der Bewegung flüssiger Körper; von Euler und Brandes. Leipzig 1806. II Th., II Abth, 1. Abschn. §. 247.[WS 3]
  6. Sur le mouvement de l’eau etc. (cfr. §. 6. zu Ende).[WS 3]
  7. Sur la communication laterale etc. Propos. VII p. 23.[WS 3]
  8. Enthält die erstere , die letztere Maaßeinheiten, so ist:

    und:

    ,

    sonach:

    und mit Vernachlässigung der kleinen Größe zweiter Ordnung:

    w. z. e. w.

  9. Communication laterale etc. Propos. II p. 4
  10. Handbuch der Mechanik fester Körper und der Hydraulik; von Eytelwein. Berlin 1801. 8. S. 107.[WS 4]
  11. Gewöhnlich bedient man sich metallener und gläserner Ansatzröhren, und es ist bekannt, daß diese Substanzen die Wassertheilchen stärker anziehen als die Theilchen selbst andere gleichartige.
  12. Hachette in den citirten Aufsätzen.
  13. Um vielleicht verständlicher zu werden, sey Folgendes hinzugefügt: Sey , Fig. 17 und 18 Taf. I, ein in der Nähe einer festen Wand ruhendes, von dieser capillar afficirtes Theilchen. Sey das Maaß der Geschwindigkeit der nach der anderen Seite von auf dieses ebenfalls capillar, aber schwächer als die Wand einwirkenden gleichartigen Theilchen; oder, was dasselbe ist, sey die Anzahl der in der Zeiteinheit bei vorbeikommenden Theilchen, so wird der Ausdruck der Kraft seyn, mit welcher die bewegten Theilchen auf das ruhende einwirken, während die Kraft, mit welcher die Wand das Theilchen afficirt, nur durch eine lineare Function ausgedrückt werden kann. Es ist leicht einzusehen, wie die erstere die letztere Kraft überwiegen kann, wenn, wie in Fig. 18 wächst, die Geschwindigkeit größer wird.
  14. Communic. laterale etc. Propos. III p. 9.
  15. Traité des fluides art. 149.[WS 5]
  16. Etwa durch Verdecken von mit einer Wasserschicht.
  17. Aehnlich, wie wenn eine schwere Linie ohne Reibung an der unteren Seite der schiefen Ebene sich durch die Schwere allein bewegen soll.
  18. Vergl. Hydrodynamica, Sect. III §. 23 und 24, so wie Sect. XII §. 12. Er fügt hinzu: „Caeterum experientia docet, multum abesse quominus aquae per tubos a vase, cui implantati sunt, divergentes, tota sua velocitate, quamsi theoriae obtinere deberent, effluant“ etc.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Hachette: De l’Écoulement des fluides aériformes dans l’air atmosphérique, et de l’Action combinée du choc de l’air et de la pression atmosphérique. In: Annales de chimie et de physique. Bd. 35 (1827), S. 34 Gallica – Hachette: Von dem Ausflusse gasförmiger Flüssigkeiten in die atmosphärische Luft, und von der vereinten Wirkung des atmosphärischen Drucks und des Stoßes der Luft. In: Annalen der Physik und Chemie. Band 86, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1827, S. 265 Quellen
  2. Clément Désormes: Rapport fait à l’Académie des Sciences de l’Institut, sur un Mémoire relatif à un phenomène que présente l’écoulement des fluides élastiques, et au danger des soupapes de sureté employées dans les appareils à vapeur. In: Annales de chimie et de physique. Bd. 36 (1827), S. 69 Gallica – Peter Ewart: Versuche über einige, die plötzliche Ausdehnung elastischer Flüssigkeiten betreffende, Erscheinungen (Schluß). In: Annalen der Physik und Chemie. Band 91, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1829, S. 493 (Anhang S. 496) Quellen
  3. a b c siehe die Anmerkungen im ersten Teil
  4. J. A. Eytelwein: Handbuch der Mechanik fester Körper und der Hydraulik. F. T. Lagarde, Berlin 1801. MPIWG Berlin
  5. siehe die Anmerkungen im ersten Teil
  6. Vorlage: die Numerierung (3) fehlt
  7. siehe die Anmerkungen im ersten Teil
  8. Johann Samuel Traugott Gehler’s Physikalisches Wörterbuch neu bearbeitet. Bd. 5. Leipzig 1829, S. 530 Google