Ueber die Dichte des Essigsäuredampfs bei verschiedenen Temperaturen

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Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 12, Seite 593–597
Auguste Cahours
Ueber die Dichte des Essigsäuredampfs bei verschiedenen Temperaturen
Essigsäure
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X. Ueber die Dichte des Essigsäuredampfs bei verschiedenen Temperaturen; von A. Cahours.
(Compt. rend. T. XIX p. 771.[WS 1])

Da Hr. Melsens in einer kürzlich der Academie überlieferten Arbeit über das doppelt-essigsaure Kali eine leichte und sichere Methode zur Darstellung einer vollkommen reinen Essigsäure mit einem Aequivalent Wasser angegeben hat[1], so unternahm ich es, die Dichtigkeit [594] des Dampfs derselben zu bestimmen, da Hr. Dumas dabei beständig eine sonderbare Anomalie angetroffen hat[2].

Meine Versuche wurden angestellt einerseits mit der Säure, welche Hr. Melsens für mich zu bereiten die Güte hatte, und andererseits mit krystallisirbarer Säure aus der Fabrik zu Choisy, die ich selbst mit vieler Sorgfalt reinigte.

Eine Bestimmung der Dampfdichte, genommen unter denselben Umständen, unter denen Hr. Dumas gearbeitet hatte, d. h. bei 150° bis 155° C., gab mir folgende Resultate:

Temp. der Luft 12° C. Gew. Uebersch. d. Ballons 0grm.,303
- des Dampfs 152° - Barometer 0m,762
Capac. des Ballons 292 C. C. Luftrückstand 0

Daraus ergiebt sich das Gewicht des Liters =3,54 und die gesuchte Dichte =2,72, entsprechend 3 Volumen Dampf, wie schon Hr. Dumas gefunden, denn:

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4 Vol. Kohlendampf 3,368
8 - Wasserstoff 0,552
4 - Sauerstoff 4,424
8,344 = 3 × 2,781.

Da Hr. Melsens gefunden, daß die aus der Holzsäure bereitete krystallisirte Essigsäure eine der Buttersäure analoge Substanz enthält, so glaubte ich, daß diese sich in dem Ballon condensiren, und, indem sie einen schwereren Dampf erzeugte, die aus dem Versuch abgeleitete Zahl vergrößern könnte. Allein als Hr. Dumas das im Ballon gebliebene Product analysirte, fand er es identisch mit Essigsäure; diese Meinung ist also nicht zulässig. Die oben angeführten Resultate, die mit einer auf’s Sorgfältigste gereinigten Säure erhalten wurden, schließen auch eine solche Hypothese aus.

Eine Dichtigkeitsbestimmung, mit dem Dampf desselben Products bei 145° C. unternommen, gab mir die Zahl 2,75.

Es bleibt also bewiesen, daß innerhalb gewisser Temperaturgränzen das Molecül der Essigsäure nur 3 Volume Dampf giebt. Ich fragte mich nun, ob diese von Hrn. Dumas beobachtete Anomalie nicht davon herrühren möge, daß die Dichtigkeit bei einer dem Siedpunkte der Säure zu nahen Temperatur genommen worden sey.

In der That, bestimmt man die Dichte des Dampfs der Essigsäure bei 100° bis 110° C. über dem Siedpunkt, so findet man eine Zahl, welche ausdrückt, daß unter diesen Umständen das Molecül dieser Säure dieselbe Art von moleculärer Zertheilung giebt als die übrigen flüchtigen Säuren mit 1 Aeq. Wasser.

Wirklich erhielt ich mit der von Hrn. Melsens bereiteten Säure:

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Temp. der Luft 15° C. Gew. Uebersch. d. Ball. 0grm.,087
- des Dampfs 219° Barometer 0m,757
Capac. des Ballons 248 C. C. Luftrückstand 0

Daraus ist: Gewicht des Liters =2,830 und die gesuchte Dichtigkeit =2,17.

Ein zweiter Versuch, gemacht mit der Säure von Choisy, die von mir sorgfältig gereinigt worden, gab:

Temp. der Luft 14° C. Gew. Uebersch. d. Ball. 0grm.,098
- des Dampfs 231° Barometer 0m,756
Capac. des Ballons 340 C. C. Luftrückstand 0

Daraus das Gewicht des Liters =2,76 und die gesuchte Dichte =2,12.

Diese Zahlen entsprechen aber 4 Volumen Dampf; denn man hat:

4 Vol. Kohlendampf 3,368
8 - Wasserstoff 0,552
4 - Sauerstoff 4,424
8,344 = 4 × 2,09.

Man sieht also, daß die Anomalie bei der Essigsäure vollkommen verschwindet, wenn man die Dichtigkeit ihres Dampfs bei einer hinreichend hohen Temperatur nimmt. Bei den Temperaturen, bei denen ich experimentirte, erleidet übrigens die Essigsäure keine Veränderung, nicht einmal eine Färbung.

Es bleibt noch zu untersuchen, was die Essigsäure geben würde, wenn man die Dichtigkeit ihres Dampfes bei einer ihrem Siedpunkt sehr nahen Temperatur nähme; vielleicht giebt da das Molecül nur 2 Volume Dampf.

Zusatz. Eine andere Bestimmung der Dichte des Essigsäure-Dampfs, jedoch ohne Rücksicht auf Verschiedenheit der Temperatur, ist gleichzeitig von Bineau unternommen (Compt. rend. T. XIX p. 768[WS 5]), und zwar sowohl auf die Gay-Lussac als auf die Dumas’sche Weise. Die Resultate waren folgende:

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I. Gay-Lussac’sche Methode.
Gewicht der Säure im Glaskügelchen 0grm.,306
Volumen des Dampfs 143,5 C. C.
Temperatur 129° C
Barometer 0m,757
Unterschied der Quecksilberspiegel 0m,124
Daraus die Dampfdichte 2,88[3].
II. Dumas’sche Methode.
Ballon offen 139grm.,783 Temp. beim Wägen 15° C.
Temp. b. Verschluß 132° C. Barom. beim Wägen 0m,750
Barometer 0m,757 Ball. offen mit Säure 140grm.,166
Ball. geschl. mit Säure 149grm.,500 Capacität des Ballons 550 C. C.

Beide Angaben kommen mit den früher von Hrn. Dumas an einer (wie Hr. Bineau sagt) wahrscheinlich reineren Säure erhaltenen Zahlen 2,7 und 2,8 ziemlich überein.

  1. Das Verfahren des Hrn. Melsens besteht zunächst darin, daß man essigsaures Kali mit Essigsäure übersättigt; man erhält dadurch ein saures Salz (ein anderes als das früher von Thomson untersuchte, und vielleicht auch als das von Detmer (Phil. Mag. Jun. 1841[WS 2]) angegebene, aber nicht analysirte), welches man zur Krystallisation [594] abdampft und zwischen Fließpapier auspreßt. Er stellt lange, platte, sehr biegsame Prismen dar, die, nach Hrn. Provostaye, zum geraden prismatischen System gehören. An der Luft zerfließt dieß saure Salz, doch weniger als das neutrale. In Alkohol ist es leicht löslich, doch in warmem mehr als in kaltem. Getrocknet kann es in trockner Luft oder im Vacuo bis 120° C. erhitzt werden, ohne mehr als ein Paar Tausendstel an Gewicht zu verlieren. In diesem Zustande mit einem Gemenge von Kupferoxyd und Antimonoxyd verbrannt und das Kali bestimmt, gab es im Mittel zweier Versuche Kohlenstoff =29,75, Wasserstoff =4,35; Kalium =25,2, entsprechend der Formel , oder, wie Hr. Melsens sie schreibt, (worin ). Bei 148° C. schmilzt dieß Salz und verliert, wahrscheinlich wegen des hygroskopischen Wassers der Atmosphäre, ein wenig Säure; bei 200° kommt es in’s Sieden und giebt reichlich Säure aus, bis zuletzt bei 300° C. nur neutrales Salz übrig bleibt, welches dann sich zu zersetzen anfängt. Die Säure, die man hiebei (zwischen 250° und 280° C.) erhält, ist rein, denn zufolge einer Analyse enthielt sie 39,9 Proc. Kohlenstoff und 6,7 Proc. Wasserstoff, entsprechend der Formel . (Compt. rend. T. XIX p. 611.[WS 3])
  2. Traité du chimie, T. V. (Ann. Bd. 49 S. 614.)[WS 4]
  3. Nach dem Erkalten des Apparats und nach Fortnahme des die Glocke umgebenden Chlorcalciums wurde destillirtes Wasser in diese gebracht, und die Menge der Säure durch Sättigung mit einer Kalilauge von bestimmtem Gehalt ermittelt. Dadurch wurden 0grm.,295 concentrirter Essigsäure gefunden, was die Dichte ihres Dampfs auf =2,78 bringen würde.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Aug. Cahours: Recherches sur la densité de vapeur de l’acide acétique à diverses températures. In: Compte rendu des séances de l’Académie des sciences. Bd. 19 (1844), S. 771 Gallica
  2. Detmer: On Bleaching Salts. In: The London, Edinburth, and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science. Bd. 18 (1841), S. 422 Biodiversity Heritage Library
  3. Melsens: Note sur la fabrication de l’acide acétique. In: Compte rendu des séances de l’Académie des sciences. Bd. 19 (1844), S. 611 Gallica
  4. Dumas: Traité de chimie appliquée aux arts. Band 5. Béchet jeune, Paris 1835 MDZ MünchenTabellarische Uebersicht der Gase und Dämpfe, nach ihrer Zusammensetzung, Verdichtung und Dichtigkeit (Schluß). In: Annalen der Physik und Chemie. Band 125, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1840, S. 601 Quellen
  5. A. Bineau: Note sur la densité des vapeurs d’acide acétique, d’acide formique et d’acide sulfurique, concentrés. In: Compte rendu des séances de l’Académie des sciences. Bd. 19 (1844), S. 767 Gallica