Untreue schlägt den eigenen Herrn

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Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Untreue schlägt den eigenen Herrn
Untertitel:
aus: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes
S. 128-131
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum: 1803-1811
Erscheinungsdatum: 1811
Verlag: Cotta
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Erscheinungsort: Tübingen
Übersetzer:
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Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: ULB Düsseldorf und Djvu auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[128]
Untreue schlägt den eigenen Herrn.

Als in dem Krieg zwischen Frankreich und Preußen ein Theil der französischen Armee nach Schlesien einrückte, waren auch Truppen vom rheinischen Bundesheer dabey, und ein baierischer oder württembergischer [129] Offizier wurde zu einem Edelmann einquartirt, und bekam eine Stube zur Wohnung, wo viele sehr schöne und kostbare Gemälde hiengen. Der Offizier schien recht große Freude daran zu haben, und als er etliche Tage bey diesem Mann gewesen und freundlich behandelt worden war, verlangte er einmal von seinem Hauswirth, daß er ihm eins von diesen Gemählden zum Andenken schenken möchte. Der Hauswirth sagte, daß er das mit Vergnügen thun wollte, und stellte seinem Gaste frey, dasjenige selber zu wählen, welches ihm die größte Freude machen könnte.

Nun, wenn man die Wahl hat, sich selber ein Geschenk von jemand auszusuchen, so erfordern Verstand und Artigkeit, daß man nicht gerade das Vornehmste und Kostbarste wegnehme, und so ist es auch nicht gemeynt. Daran schien dieser Mann auch zu denken, denn er wählte unter allen Gemälden fast das schlechteste. Aber das war unserm schlesischen Edelmann nichts desto lieber, und er hätte ihm gern das kostbarste dafür gelassen. Mein Herr Obrist, so sprach er mit sichtbarer Unruhe, warum wollen Sie gerade das geringste wählen, das mir noch dazu wegen einer andern Ursache werth ist? Nehmen Sie doch lieber dieses hier oder jenes dort. Der Offizier gab aber darauf kein Gehör, schien auch nicht zu merken, daß sein Hauswirth immer mehr und mehr in Angst gerieth, sondern nahm geradezu das gewählte Gemählde herunter. Jezt erschien an der Mauer, wo dasselbe gewesen war, ein großer feuchter Fleck. „Was soll das seyn? sprach der Offizier, wie erzürnt, zu seinem todtblassen Wirth, that einen Stoß, und auf einmal fielen ein Paar frisch gemauerte und übertünchte [130] Backsteine zusammen, hinter welchen alles Geld und Gold und Silber des Edelmanns eingemauert war. Der gute Mann hielt nun sein Eigenthum für verloren, wenigstens erwartete er, daß der feindliche Kriegsmann eine namhafte Theilung ohne Inventarium und ohne Commissarius vornehmen werde, ergab sich gedultig darein, und verlangte nur von ihm zu erfahren, woher er habe wissen können, daß hinter diesem Gemählde sein Geld in der Mauer verborgen war. Der Offizier erwiederte: Ich werde den Entdecker sogleich holen lassen, dem ich ohnehin eine Belohnung schuldig bin; und in kurzer Zeit brachte sein Bedienter – sollte man’s glauben – den Maurermeister selber, den nemlichen, der die Vertiefung in der Mauer zugemauert und die Bezahlung dafür erhalten hatte.

Das ist nun einer von den größten Spitzbubenstreichen, die der Satan auf ein Sünden-Register setzen kann. Denn ein Handwerksmann ist seinen Kunden die größte Treue, und in Geheimnissen, wenn es nichts Unrechtes ist, so viel Verschwiegenheit schuldig, als wenn er einen Eid darauf hätte.

Aber was thut man nicht um des Geldes willen! Oft gerade das nemliche, was man um der Schläge, oder um des Zuchthauses willen thut, oder für den Galgen, obgleich ein großer Unterschied dazwischen ist. So etwas erfuhr unser Meister Spitzbub. Denn der brave Offizier ließ ihn jezt hinaus vor die Stube führen, und ihm von frischer Hand 100, sage hundert Prügel baar ausbezahlen, lauter gute Valuta, und war kein einziger falsch darunter. Dem Edelmann aber gab er unbetastet sein Eigenthum zurück. – Das wollen wir [131] beides gut heissen, und wünschen, daß jedem, der Einquartierung haben muß, ein so rechtschaffener Gast, und jedem Verräther eine solche Belohnung zu Theil werden möge.