Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung/Ein und zwanzigstes Buch

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Ein und zwanzigstes Buch.
Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe, im vierzehnten, funfzehnten, sechzehnten Jahrhunderte, und zu Anfang des siebzehnten. Weitere Ausbildung der Galanterie.


Erstes Kapitel.
Einleitung.

Ich halte mich berechtigt, mit dem vierzehnten Jahrhunderte eine neue Periode angehen, und diese bis in die erste Hälfte des siebzehnten fortdauern zu lassen. Die nähere und mehr ausgebreitete Bekanntschaft mit den Werken der Alten, und besonders mit denen des Plato, der romantische Hof Eduards des Dritten, die beginnende Ausbildung der Landessprachen unter den mehrsten Nationen von Europa, das Erscheinen des Petrarka und der spanischen Romane machen hier Epoche, in so fern eine solche sich in der Geschichte der Sitten annehmen läßt. Von nun an fängt das Bestreben an, dem Abentheuerlichen in den Gesinnungen des zwölften und dreyzehnten Jahrhunderts einen excentrischen Adel, [148] der Förmlichkeit ihres Ausdrucks in den Verhältnissen des geselligen Lebens Grazie beyzulegen. Sowohl in dieser Periode als in der vorigen entfernten sich die Menschen von dem Natürlichen und Geschlanken. Aber die früheren aus Ueberspannung und Unbehülflichkeit: die letztern aus Anmaßung und Ziererey. Die Sitten behielten in ihren Grundzügen die nehmliche Gestalt, welche ihnen die vorigen Jahrhunderte gegeben hatten, aber die nachfolgenden arbeiteten sie aus dem Rohen aus. Dieß hat den Irrthum befördert, diejenige Denkungsart, welche im vierzehnten, funfzehnten, sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderte herrschend war, bereits dem zwölften und dreyzehnten, ja! dem ganzen Mittelalter beyzulegen.

Bis zur Majorennität Ludewigs des Vierzehnten in Frankreich scheinen die Sitten, ihrem Hauptcharakter nach, ziemlich die nehmlichen geblieben zu seyn, und bis dahin lasse ich auch die jetzt angefangene Periode fortdauern. Besonders hat die Galanterie in diesem Zeitraume ihren Nahmen, eine bestimmtere Form, und ihren höchsten Wachsthum erhalten. Man darf jedoch auch hier keinen ununterbrochenen Zusammenhang, keine Allgemeinheit der Grundsätze, und noch weniger Stätigkeit in ihrer Befolgung bey der Menge annehmen. Die Galanterie hat oft in einem und dem nehmlichen Jahrhunderte verschiedene Wechsel des Flors und des Verfalls erfahren. Sie ist nach Verschiedenheit der Länder und Nationen sehr verschieden modificiert worden. Dieser letzte Umstand unterscheidet die gegenwärtige Periode besonders von der vorigen, worin eine verfeinerte Art, über Geschlechtsverbindung und Liebe zu denken, nur auf wenig kultivierte [149] Länder eingeschränkt war. Noch aber muß man die Galanterie hauptsächlich unter den obersten Ständen aufsuchen, und selbst hier nicht erwarten, daß ihr Ansehen völlig unbestritten gewesen sey. Es gab selbst unter den Hofleuten mehrere Indifferentisten, Ungläubige und Spötter ihrer Würde und ihrer Lehren. Was die Dichter und Historiker der damahligen Zeit – und diese letzten waren vermöge ihrer Liebe zu dem Wunderbaren oft bloße Romanenschreiber, – von der Achtung gegen das schöne Geschlecht erzählen, darf nicht unbedingt als wahr, und allgemein eingeführt angenommen werden. Kurz! bey dem Sittengemählde, das wir von dieser Periode aufzustellen haben, ist vielleicht mehr als irgend sonst die höchste kritische Behutsamkeit, und eine genaue Unterscheidung der Länder, Zeiten, Stände und Quellen unserer Nachrichten nöthig.


Zweytes Kapitel.
Philosophie des gemeinen Lebens, schöne Litteratur, Geist der Ritterschaft, geselliger Ton überhaupt, in dieser Periode.

Der Zeitraum, den ich hier umfasse, hat also diejenigen Sitten, wozu das zwölfte und dreyzehnte Jahrhundert die Anlage geliefert hatten, weiter ausgebildet.

Auffallend ist es, daß der wiederauflebende Geschmack in den schönen Künsten, in der Philosophie, und den Verhältnissen des geselligen Lebens, beynahe [150] in eben der Gestalt wieder erscheint, worunter er zu den Zeiten des Verfalls des Römischen Reichs allmählig vor unsern Augen verschwunden war. Die Gründe sind nicht schwer zu errathen. Er war nie ganz untergegangen: weder in den occidentalischen Schulen, noch unter der guten Gesellschaft von Konstantinopel: und der menschliche Geist versuchte fortwährend seine Kräfte gegen den Druck des Aberglaubens und politischer Despotie.

Nachdem auf der allgemeinen Kirchenversammlung zu Vienne im Jahr 1311 verordnet war, daß auf den berühmtesten Universitäten des Abendlandes Lehrstühle der griechischen und arabischen Sprachen angesetzt werden sollten; nachdem die Gelehrten immer mehr anfingen, in ihrer Landessprache zu schreiben; so ward die Bekanntschaft mit den Werken der Alten, mit ihrer Philosophie und ihrem Geschmack immer genauer und ausgebreiteter. Aber die Scholastik, der Mysticismus, die Autorität der Kirche, hemmten den Flug des forschenden Geistes, und zogen ihn größtentheils vom Nachdenken über Angelegenheiten des praktischen, besonders des geselligen Lebens ab. Die Versuche dieser Zeit, über die Sitten zu philosophieren, enthalten spitzfindige Untersuchungen über die Natur und die Bestimmung des menschlichen Willens, wobey man die Lehren der ältern Philosophen, der Araber und der Kirchenväter zu vereinigen suchte; alle bemühen sich, den Menschen von den Dingen dieser Welt zur Vereinigung mit Gott zurückzuführen. Ein unnützer Prunk mit Citaten, Grübeleyen, allegorischen Bildern und Deklamationen zeichnet sie eben so sehr [151] aus, als die Ueberspannung der Begriffe von menschlicher Vollkommenheit.

Man findet also gleich hier den allgemeinen Charakter der Zeit wieder: eingebildeten Adel, falschen Schmuck. Der Mensch sollte von der Sinnlichkeit abgezogen, und schon hier ins Reich der Geister eingeführt werden, und man nutzte diese Lehre, um Gelehrsamkeit, Erfindungskraft, Witz und Wohlredenheit an den Mann zu bringen. Die mehrsten Dichter der damahligen Zeit machten Anspruch auf tiefe Kenntniß der Philosophie, und die Philosophen auf Dichter- oder wenigstens auf Rednertalent. Citate aus der Bibel und aus den Kirchenvätern wechselten mit andern aus den Dichtern und Philosophen der Alten, und die Mythen des Plato dienten so gut wie die Schöpfungsgeschichte des alten Testaments und die Astrologie zur Erklärung unserer Triebe.

Zweyerley Hauptarten gab es damahls unter den Philosophen, welche über die Natur des Menschen und seine Bestimmung nachdachten. Die eine vertiefte sich in spitzfindige und metaphysische Spekulationen: die andere hing einem religiösen Mysticismus nach, der in frommer Einfalt und mit einem brennenden Herzen an Gott hing, und die Wirkungen, welche die Leidenschaft zum Geschlecht einflößen kann, auf die Liebe zu dem höchsten Wesen übertrug.

Nur einzelne Philosophen warfen späterhin die Fesseln ab, welche ihnen ihr Zeitalter anlegte. Aber ihre Untersuchungen waren entweder nicht auf Angelegenheiten des geselligen Lebens gerichtet, oder, so wie beym Montaigne, nicht mit demjenigen Enthusiasmus [152] vorgetragen, der die Herzen ihrer Zuhörer mit sich hätte fortreißen mögen.

Die schöne Litteratur nahm Vieles von dem Geiste der damahls herrschenden Philosophie in sich auf: Besonders die metaphysische Wendung in der Betrachtung der Leidenschaften, und die excentrischen Ideen über die Bestimmung des Menschen. So wie ihre Schwester, – und in diesem Zeitraume zeigt sich zuerst im Mittelalter die Anerkennung ihrer Verwandtschaft – so wie die Philosophie, sag’ ich, prunkte auch die Dichtkunst mit einem unnützen Aufwande von Gelehrsamkeit. Das Bestreben, fremde Muster und einheimische Vorgänger an poetischem Schwunge und Ausdruck zu übertreffen, verbunden mit falschen Begriffen von Politur und Leichtigkeit, brachte weit hergehohlte Allegorien, überspannte Empfindungen, hyperbolische Redefiguren, und zugleich die Sucht hervor, überall elegant und witzig zu erscheinen.

Inzwischen gewannen doch die einheimischen Sprachen an Bildung, und die dichterischen und rednerischen Kompositionen erhielten mehr innern Zusammenhang, Ordnung und Wahrscheinlichkeit. Italien brachte im funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderte auf gothischem Grunde Früchte hervor, welche der Geist der Alten genährt und gewartet hatte; England und Spanien lieferten Werke, in denen das Genie den Mangel an gutem Geschmack oft übersehen läßt. Aber dieß letzte Land ward auch vermöge des ausgebreiteten und starken Gewichts, das es in allen Ländern von Europa hatte, eine der Hauptursachen, wodurch das Uebertriebene, Abentheuerliche, Pomphafte, [153] das Inhalt und Styl der spanischen Dichter und Romane auszeichnet, und das sie wahrscheinlich den Arabern zu danken hatten, den bescheidenern Glanz der Italiäner, und die Wahrheit, Natur und Einfachheit der Alten verdrängte. Ueberhaupt waren die Spanier und Italiäner die Lehrer der übrigen Nationen, deren Nachahmungssucht zwischen dem Geschmack beyder schwankte, und sich bald mehr zu dem einen, bald mehr zu dem andern hinneigte.

Man darf sich den Einfluß der schönen Litteratur auf die untern Stände in diesen Zeiten lange nicht so stark denken, als bey uns, wo die Gelegenheit, Bücher zu erhalten, durch die Buchdruckerkunst so sehr erleichtert, und die Neigung zur Lektüre so allgemein verbreitet ist. Die Bildung für das gesellige und handelnde Leben, welche durch Bücher erhalten werden kann, schränkte sich hauptsächlich auf die obern Stände, auf die Höfe, und die reicheren Bürger großer Städte ein.

In den Sitten dieser Klasse ist der Einfluß einer durch die genauere Bekanntschaft mit den Alten verbesserten Litteratur nicht zu verkennen. Das, was man den Geist der Ritterschaft nennt, hat ihn besonders empfunden, und sein Wesen in dieser Periode verdient um so mehr eine nähere Beleuchtung, da er mit der Galanterie in so genauem Verhältnisse steht.

Man hat unstreitig von sehr frühen Zeiten an den Stand der wehrbaren Männer, die zu Pferde stritten, von demjenigen der Soldaten, die zu Fuße kämpften, unterschieden. Man hat die Aufnahme in jenen ersten Stand mit Ceremonien begleitet, und ihm gewisse besondere Pflichten vorgeschrieben. Diese förmliche Wehrbarmachung ist um so wichtiger gewesen, da sie gemeiniglich [154] mit der Belehnung über gewisse Güter verbunden gewesen ist. Es haben sich in diesem Stande früh einige Personen als kühne Abentheurer ausgezeichnet, und sich dadurch ein gewisses Ansehn bey den übrigen, einen gewissen Vorzug vor ihnen erworben, der in der Folge gesetzlich bestätigt, und unter gewissen Feyerlichkeiten als eine öffentliche Würde, und als ein Rang im Staate ertheilt ist. Dadurch sind gewisse Ordnungen in den berittenen Soldatenstand eingeführt, der sich bald wie eine jede andere Zunft organisiert, und sich in Lehrlinge, (Knappen) und Meister, (Ritter) als Stufen, getheilt hat. Endlich sind gewisse besondere Korporationen unter dieser organisierten Zunft gebildet worden, welche sich durch besondere Pflichten und Gebräuche auszuzeichnen gesucht haben; und von den Regenten bald mehr bald weniger begünstigt sind.

Daher die verschiedenen Bedeutungen des Worts, Ritter, das bald nur einen berittenen und wehrhaft gemachten, bald einen durch Belehnung zum Roßdienst verpflichteten Soldaten, bald einen zünftigen Krieger dieser Art, bald einen zünftigen Reuter von der ersten Rangstufe, bald endlich das Mitglied einer besondern Korporation von Abentheurern andeutet.

Dreist darf man nun annehmen, daß die zunftmäßige Einrichtung unter den berittenen Kriegern vom eilften, höchstens zwölften Jahrhunderte an bis tief ins sechzehnte Jahrhundert hinein in den mehrsten Ländern von Europa bestanden hat: nur mit der Bestimmung, daß ihre innere Einrichtung keinesweges in allen Ländern die nehmliche gewesen, darüber unter einigen Regenten strenger als unter andern gehalten, und daß ihr Ansehn in eben diesem Verhältnisse gestiegen und [155] gefallen ist. Dagegen haben die besonderen Korporationen der Ritter, und besonders jene Art von Abentheurern, die man unter den Nahmen der irrenden Ritterschaft kennt, nur zuweilen, und gar nicht allgemein existiert.

Diese Bemerkungen sind äußerst wichtig, wenn man das Ritterwesen des Mittelalters darstellen, und aus den Gebräuchen und Sitten desselben seinen Geist entwickeln will. Sie sind von St. Palaye ganz übersehen, und bey allen Verdiensten, die er als Sammler hat, kann man ihm nur sehr wenige als kritischem Geschichtsschreiber beylegen.

Die Pflichten, die Rechte, die Denkungsart, die Gebräuche der Ritterschaft sind in keinem einzigen Lande, und am wenigsten in jedem,[WS 1] den ganzen Zeitraum hindurch, worin sie geherrscht hat, die nehmlichen gewesen. Man kann nicht behaupten, daß der Geist dieser oder jener besondern Korporation der ganzen Zunft eigen gewesen sey, ja! man muß sich besonders hüten, den Charakter, den dieß oder jenes Mitglied entweder wirklich gehabt hat, oder der ihm von seinem Lobredner beygelegt ist, dem ganzen Orden, oder auch nur dem größeren Haufen unter ihm zuzuschreiben. Man kann ferner dreist annehmen, daß gewisse Gebräuche, daß ein gewisses Betragen, daß gewisse Vorrechte und Pflichten bloß bey feyerlichen Gelegenheiten, besonders bey Tournieren, nicht selten als Ingredienzen eines pomphaften Schauspiels beobachtet sind, oder überhaupt mehr in den Vorschriften und in den aufgestellten Idealen, als in der Ausübung und in der Wirklichkeit existiert haben.

[156] Es ist hier nicht der Ort, dieß alles weiter auszuführen. Genug! die glänzendsten Perioden der Ritterschaft sind unstreitig die Regierung Eduards des Dritten in England, und nachher Karls des Sechsten und Siebenten in Frankreich gewesen.

In diesen Zeiten findet man einen romanhaften Pomp an den Höfen, kühne Abentheurer und besondere Korporationen von Rittern. Zu gleicher Zeit zeigt sich aber auch ein bestimmteres Ritual bey der Aufnahme in die kriegerische Zunft, bey der Haltung der Tourniere, und bey den Huldigungen, welche dem schönen Geschlechte dargebracht wurden. Auf dieß Ritual hat unstreitig die zunehmende Geisteskultur Einfluß gehabt; und der Geschmack an Allegorien, Pomp, und umständlicher Förmlichkeit, der die Werke der schönen Litteratur in diesen Zeiten auszeichnet, findet sich zugleich mit der zunehmenden Ordnung und Ahnung des Anständigen und Schicklichen in den Gebräuchen der besonderen Ritterorden jener Höfe wieder.

Von diesen Zeiten gilt das Mehrste, was St. Palaye über den Charakter des Ritterwesens anführt, und es gilt nur von der Verfassung einzelner Korporationen, von demjenigen, was bey feyerlichen Gelegenheiten beobachtet ist, oft nur von dem Betragen und den Gesinnungen einzelner ausgezeichneter Helden, die dasjenige, was die Romane ihren excentrischen Idealen beylegten; zu realisiren suchten.

Wie unsittlich erscheinen nicht die Höfe Karls des Sechsten und Siebenten in Frankreich! Wie klagte der Ritter de la Tour im Jahre 1371 über die Abnahme der Rittertugenden! Wie waren im Jahre 1389 die [157] Gebräuche der Ritterschaft schon wieder so sehr in Vergessenheit gerathen, daß der große Haufe die Gebräuche, welche Karl der Sechste wieder hervorsuchte, lächerlich fand!

Laßt uns ohne Vorurtheil sehen! Ein allgemeiner Geist der Ritterschaft hat entweder nie, oder wenigstens nicht in der Maße existiert, wie er gewöhnlich angegeben wird. Könnte man der ritterlichen Zunft in allen Ländern von Europa während der ganzen Dauer ihrer so oft veränderten Verfassung einen Esprit de corps beylegen: so würde es der einer tollkühnen Tapferkeit, und der eifersüchtigen Anhänglichkeit an Gesetzen einer eingebildeten und zunftmäßigen Ehre seyn, die viel weniger auf dem Gefühle sittlicher Selbstwürde, als auf Uebermuth, Folge der Absonderung von den übrigen Ständen, beruhte.

Aber dieß ist es nicht, was St. Palaye und Andre als den Geist des Ritterwesens darstellen. Es ist der Begriff aller Vorzüge und Tugenden, welche den vollkommnen Ritter bilden sollen: ferner der Gebräuche, der Gesetze, der Pflichten, welche dieser Held beobachten soll. Diesen Inbegriff haben sie aus den Vorschriften gewisser einzelner Korporationen, aus den Idealen gewisser Romane und panegyrischer Lebensbeschreibungen einzelner hervorstechender Ritter zusammengesetzt, und für den allgemeinen Geist der Ritterschaft ausgeben wollen.

Das war er nie! Aber merkwürdig sind diese Ideale, weil sie die excentrischen Begriffe von Sittlichkeit derjenigen, die sie aufstellten, und ihre Ziererey in Rücksicht auf Anstand und feine Lebensart beweisen. Merkwürdig sind sie ferner, weil sie in [158] denjenigen Zeiten, worin die Ritterschaft längst abgekommen war, noch auf die Imagination der Nachkommen um so stärker wirkten, als sie das Ansehn des grauen Alterthums gewonnen hatten, und ihre Wahrheit und Zweckmäßigkeit nach ihrer Uebereinstimmung mit der damahligen Ordnung der Dinge in der Gesellschaft nicht mehr geprüft werden konnte. Aber wir, die wir mit kaltem Blute beobachten, wir finden darin weiter nichts, als die Arbeit müssiger, schwärmerischer und spitzfindiger Köpfe, die, so wie es noch heut zu Tage bey jeder Einrichtung einer zunftmäßigen Gesellschaft geht, alle Kardinaltugenden zu Gesetzen für die Mitglieder des Ordens machten, seine Einweihung an eine Menge kleinlicher und allegorischer Gebräuche banden, und bey den Darstellungen, die sie von dem vollkommenen Bruder liefern, diesen mit allen dem Prunke und der Charlatanerie auftreten lassen, der die Wirkung des glücklichen Abentheurers oder Virtuosen auf den großen Haufen sichert.

Daß der Geist, der zuweilen in den edleren Korporationen der Ritterschaft herrschte, auf das gesellige Verkehr, besonders bey Höfen, eingewirkt habe, das ist im Ganzen nicht zu läugnen. Aber sein Einfluß ist immer periodisch und theilweise anzunehmen. Die größte Ausschweifung der Sitten, die ungebändigsten Leidenschaften, eine beynahe unbegreifliche Rohheit in der Wahl der Vergnügungen, und eine gänzliche Unbekanntschaft mit den Gefühlen der Sympathie und des Anstandes, zeigen sich neben der strengsten Ehrbarkeit, und den höchsten Aufopferungen der Selbstheit. Die Liebe zu pomphaften Aufzügen, [159] Festen, Jagden, Ritterschlag, Tournieren und dramatischen Schauspielen ward immer allgemeiner, je mehr der Wohlstand und das Bedürfniß nach Unterhaltung zunahm, und die Mittel dazu im engeren Zirkel kärglich blieben.

Der gesellige Ton gewann an Politur. Aber die unbehülfliche Förmlichkeit der vorigen Jahrhunderte wechselte nur mit einem eben so steifen Ceremoniel ab, das schöneren Formen nachstrebte. Man sprach besser, man geberdete sich reitzender. Aber alles war dabey auf das Verhältniß von Menschen berechnet, die sich selten, und nur bey feyerlichen Gelegenheiten sehen. Man konnte die Linie nicht treffen, wo sich Unbefangenheit von Ausgelassenheit, Zuvorkommung von andringlicher Schmeicheley, Selbstvertrauen von repräsentierender Anmaßung scheiden. Darum war man aufmerksamer auf sich selbst und Andre, als der tägliche Umgang es erlaubt. Man sann zu sehr darauf, sich in Geberden und Ausdrücken schön, und wohlgefällig zu zeigen: hielt methodische Gespräche, wo man Gefühle des Herzens und Gedanken des Augenblicks mit einander austauschen wollte, verwechselte Lobreden mit Höflichkeitsbezeugungen, und übertrieb aus ängstlicher Besorgniß, bey Andern widrige Empfindungen zu erregen, oder sich selbst etwas zu vergeben, die Beziehungen und Rücksichten auf die Verhältnisse um sich her. [1]

[160] Hieraus entstand ein Ceremoniel, das nicht allein den Fehler an sich trug, das Zweckmäßige und Schöne im geselligen Umgange, (wie wir es etwa bey feyerlichen Gelegenheiten billigen würden) auf eine schwerfällige und steife Art im gewöhnlichen Leben auszuüben, sondern der zunftmäßige Geist der Höfe und der Ritterschaft vergrößerte diesen Fehler noch durch eine Menge willkührlicher Formen, die keinen andern Zweck haben konnten, als den, sich durch etwas Besonderes und Auffallendes im äußern Betragen sogleich als Mitglied einer abgesonderten und hervorragenden Gesellschaft anzukündigen.

Außerdem wurden die Gesetze der Sittlichkeit mit den Vorschriften dieses Ceremoniels in den Anleitungen zur Wohlerzogenheit zugleich vorgetragen, und der Begriff von beyden wurde beynahe immer verwechselt. Eine natürliche Folge davon war diese: daß die Aeußerungen der Courteoisie, der Höflichkeit, die ganze Form der Ausübung einer Tugendpflicht annahmen, und daß ein Ritter, oder höfischer Mann, der nach den Regeln der Courteoisie seinem Kameraden, oder einer Dame die natürlichen Gesinnungen der Gefälligkeit, der Aufmerksamkeit, der Menschenliebe und Achtung bezeugen wollte, sich dabey mit einer Wichtigkeit geberdete, als ob er dem höchsten Wesen in der tiefsten Niederwürfigkeit seine Huldigung darzubringen hätte.

Diese Bemerkung scheint mir sehr wichtig. Vieles, was in dem Ausdrucke geselliger Gesinnungen dem [161] Herzen und dem Gefühle anzugehören schien, war zunftmäßige Losung des Ritters oder höfischen Mannes: Ceremoniel, Courteoisie.


Drittes Kapitel.
Lage der beyden Geschlechter zu einander in den weiteren Verhältnissen des geselligen Umgangs.

Unstreitig haben die Romane und Gedichte der beyden vorher gegangenen Jahrhunderte dazu beygetragen, dem Frauenzimmer einen höheren Begriff von seiner Wichtigkeit einzuflößen, und den Männern mehr Achtung für dasselbe beyzubringen. Inzwischen scheint mir doch von dem immer wachsenden Ansehn des zärteren Geschlechts vieles auf Rechnung derjenigen Damen gesetzt werden zu müssen, welche sich am Hofe Eduards des Dritten durch ihre männliche Entschlossenheit, durch ihren kriegerischen Muth, in Verbindung mit allen weiblichen Tugenden, auszeichneten. Denn dieser Hof hat unstreitig damahls den Ton an den mehrsten übrigen angegeben, und so wie er selbst nach dem Muster älterer Romane gebildet war, wieder den neueren Romanen, in denen das Frauenzimmer eine weit wichtigere Rolle zu spielen anfängt, zum Muster gedient. Unter den Regierungen der nachfolgenden Könige von England und von Frankreich zeigt sich eben dieser heroische Geist unter dem Frauenzimmer, so wie ihr Einfluß auf die Regierung der Länder. Beynahe zu der nehmlichen Zeit standen in Italien einige gelehrte Damen auf, und in den nachfolgenden Jahrhunderten zeigten sich beynahe in [162] allen Ländern von Europa Frauenzimmer, die sich durch ihre Talente und Kenntnisse einen Nahmen erwarben. Mehrere von ihnen strebten durch ihren unverheiratheten Stand, und mittelst des Rufs ihrer Unempfindlichkeit gegen die Liebe der Selbständigkeit ihres Geschlechts, der Gleichheit desselben mit dem unsrigen, ja! dem Vorzuge vor diesem nach. Die Königin Elisabeth von England ist eines der auffallendsten Beyspiele solcher Heroinen. [2]

Aber was mehr als dieß das Ansehn des schönen Geschlechtes hob, war das Bestreben des unsrigen nach einer höheren geselligen Politur. Wenn alle gesittete Völker die Weiber mit Schonung und Gefälligkeit behandelt haben, wenn im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte diese Behandlung eine unbehülfliche und eben darum umständliche Form angenommen hatte, so glaubte das Zeitalter, von dem wir reden, daß die höchste Stufe von Sittlichkeit, Menschenliebe und Bescheidenheit darin bestände, den schwächeren Theil des menschlichen Geschlechts zu vergöttern. Zu gleicher Zeit kleidete es seine excentrischen Gesinnungen, aus einem falschen Begriffe von Eleganz, in so hyperbolische Ausdrücke, daß man mit Recht von der Art, sich gegen das Frauenzimmer zu benehmen, sagen konnte, nichts klang in ihr wie Alles, und Alles wie nichts.

In diese Zeiten gehören eigentlich die öffentlichen Huldigungen, die dem Frauenzimmer bey allen feyerlichen Gelegenheiten dargebracht wurden. In diesen Zeiten wurde es den Rittern gewisser Korporationen zur Pflicht gemacht, nicht bloß hülfsbedürftige Weiber zu [163] beschützen, sondern für die Ehre der Damen Blut und Leben aufs Spiel zu setzen. In diesen Zeiten endlich wurden sie Austheilerinnen des Preises bey Tournieren, Schiedsrichterinnen der Spielgefechte und übernahmen die Rollen allegorischer Personen, personificierter Tugenden u. s. w. bey den pomphaften Aufzügen, woran das Zeitalter so viel Geschmack hatte. Von nun an fangen sie auch an, bey Ritterschlägen gewisse Besorgungen zu übernehmen.

Aber wenn gleich dem schönen Geschlechte diese öffentliche Ehre oft widerfuhr, wenn es zum guten Tone gehörte, sie ihm nicht streitig zu machen; so war es doch gewiß nur eine eitle Ehre, die auf die Behaglichkeit des häuslichen Lebens, auf das Vergnügen des geselligen Umgangs, und auf ihre innere Zufriedenheit und das Ansehn bey ihren Gatten nur sehr wenig Einfluß hatte.

In keinem einzigen Lande von Europa, Frankreich seit der Zeit Franz des Ersten allein ausgenommen, kamen die beyden Geschlechter in gemischten Gesellschaften anders als durch Zufall oder bey öffentlichen Gelegenheiten zusammen. Aber auch alsdann waren sie von eifersüchtigen Männern und Anverwandten bewacht. Ueberall legen die Moralisten dem Manne die Oberherrschaft über die Frau bey. [3] Aus mehreren Zügen erhellet, daß der Gatte diese sehr despotisch ausgeübt, und die Theilnehmerin seiner Schicksale gemeiniglich auf die Sorge für ihren Putz und künstliche Handarbeit eingeschränkt habe. Ungeachtet sich einige Weiber durch höhere Geistesbildung [164] auszeichneten, so war doch diese bey dem größeren Theile sehr kärglich, und erstreckte sich selbst bey jenen Virtuosinnen selten auf Dinge, die zur Ausfüllung ihrer Bestimmung und zur angenehmerern Unterhaltung in geselligen Zirkeln hätte dienen können.

Aber selbst jene dem zärteren Geschlechte öffentlich bewiesene Vergötterung war keinesweges allgemein. Man fand viele Spötter seines Ansehns, selbst unter den höheren Ständen, auf welche sich doch, wie wir schon oft bemerkt haben, die gesellige Kultur beynahe ausschließend beschränkte. Der Zustand der Weiber aus den untern Ständen verschwindet ganz in der Geschichte.

Von Franz des Ersten Zeiten an kamen die Damen des Hofes in Frankreich häufiger in Gesellschaft, und unter seinen Nachfolgern, besonders unter der Minorennität Ludwigs des Vierzehnten, in den damahligen bürgerlichen Kriegen, stiegen sie zur höchsten Stufe des Einflusses auf politische Angelegenheiten, die wir in der Geschichte kennen. Ihr Charakter war damahls im Ganzen stolz, intriguant, und nicht selten rauh und grausam; aber ihr Geist besaß eine seltene Bildung.

[165]
Viertes Kapitel.
Von den Lobeserhebungen der Weiber, und dem Streite über den Vorzug ihres Geschlechts vor dem der Männer.

Von dem vierzehnten Jahrhunderte an, ward es besonders in Italien Mode, dem schönen Geschlechte im Ganzen und im Einzelnen durch Lobschriften zu huldigen. Boccaz machte vielleicht den Anfang durch sein Werk, über die berühmten Weiber. Er fand eine Menge von Nachfolgern. Thomas [4] giebt uns eine Notiz von den Hauptschriftstellern, die sich in dieser Materie ausgezeichnet haben.

Bald warf man nun auch die Frage auf: ob das zärtere Geschlecht nicht den Vorzug vor dem stärkeren verdiene, oder mit diesem letzten nicht wenigstens gleichen Werth habe? Agrippa soll der erste gewesen seyn, der die Superiorität des Frauenzimmers zu behaupten wagte. [5]

Dieß Werk ist freylich kein bündiges philosophisches Raisonnement, aber es ist mit vielem Witz geschrieben. Man muß den Scharfsinn des Verfassers bewundern, der aus den Zügen der heiligen und profanen Geschichte, welche dem Ansehn des zärteren Geschlechts am nachtheiligsten zu seyn scheinen, Seiten hervorzuheben weiß, die es in dem vortheilhaftesten [166] Lichte darstellen. Ich kann dieß kleine Buch, das ich mit Vergnügen gelesen habe, für nichts anders als für ein Spiel des Witzes halten, und nicht glauben, daß der Verfasser die ernsthafte Absicht zu überzeugen damit verbunden habe.

Unstreitig ist ein großer Theil der Schriften, die sich in der Folge mit diesem Gegenstande beschäftigt haben, aus dem Gesichtspunkte zu betrachten, daß ihre Verfasser einen Stoff zu Redeübungen suchten, worin sie ihre Gelehrsamkeit und ihren Scharfsinn[WS 3] zur Schau legen konnten, und Gelegenheit zu Deklamationen fanden. Alle Materien, worüber sich viel für und viel gegen sagen, und wobey sich viele Citate anbringen ließen, wurden in diesen Zeiten, worin Dialektik, und Rhetorik herrschten, begierig aufgesucht. Inzwischen möchte ich nicht läugnen, daß einige Kämpfer für die Ehre der Damen im wahren Eifer für die Gerechtigkeit der Sache die Feder geführt haben. Sie hatten zwey große Argumente für sich, deren eines ihnen die heilige Geschichte, das andere die platonische Philosophie darbot. Die Mutter Gottes, das erste Wesen unter allen Sterblichen, ist ein Weib gewesen; und wenn die Schönheit ein Abglanz der Gottheit ist, wer zeigt dann mehr davon, wer ist dadurch der höchsten Vollkommenheit näher, als das Frauenzimmer? [6]

[167] Neben jenen Schriften zur Ehre der Damen findet man aber auch eine Menge, worin ihnen Hohn gesprochen wird. Schon Boccaz, ihr Lobredner, schrieb selbst ein Buch voll der unanständigsten Invektiven gegen Weiber und Liebe. [7] Er fand eine Menge von Nachfolgern. Eine der pöbelhaftesten Satyren wider die Weiber ist das Wörterbuch ihrer Bosheiten und Unvollkommenheiten. [8] Es verbindet mit der Unbündigkeit des Raisonnements die geschmackloseste Behandlung.

Man sieht hieraus, daß wenn es zum guten Ton gehörte, den Weibern öffentlich zu huldigen, dieß für die allgemeine und innere Achtung, deren sie genossen, sehr wenig beweiset. Ueberhaupt war es diesen Zeiten, worin die gesellige Bildung beynahe ganz auf die Höfe eingeschränkt war, mehr als allen andern eigen, den Schein von der Wirklichkeit, den Anstand von der Tugend, und besonders das öffentliche Leben von dem häuslichen und täglichen zu unterscheiden.

[168]
Fünftes Kapitel.
Begriffe und Grundsätze über die Liebe und engere Geschlechtsverbindung in diesem Zeitraume. Zuerst von den Ideen der Philosophen über diesen Gegenstand.

Ich glaube nunmehr alles vorbereitet zu haben, um zu dem eigentlichen Gegenstande dieses Werks übergehen zu können. Ich mache den Anfang mit Entwickelung der Ideen der Philosophen über Geschlechtsverbindung und Liebe. Denn von dieser Periode läßt es sich mit Gewißheit behaupten, daß die Schulen einen großen Einfluß auf den Geschmack in der schönen Litteratur, und durch diese auf das gesellige Leben gehabt haben.

Die Untersuchungen über die Natur der Liebe scheinen im[WS 5] Abendlande sehr früh ihren Anfang genommen zu haben. Equicola, [9] der zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts lebte, sagt uns, daß seit drey Jahrhunderten ein gewisses System darüber auf der Pariser Schule angenommen sey. Auch finde ich beym Millot in seiner Histoire des troubadours, daß Riquier, der zwischen 1254 und 1294 blühete, bereits eine methodische Eintheilung der Liebe, in die himmlische, natürliche, und körperliche angenommen habe, die mit der Lehre der Philosophen seiner Zeit, nach demjenigen was Equicola davon sagt, ziemlich übereinkommt.

Es ist nicht zu verwundern, daß dieser Gegenstand die Aufmerksamkeit der damaligen Weltweisen auf sich gezogen hat. Unsere Religion bauet ihre Moral auf [169] Liebe; sie nimmt dieß Wort mit in den Begriff auf, den sie uns von dem höchsten Wesen giebt: die Kirchenväter, besonders Augustin, hatten viel über Liebe und Schönheit gesagt; Aristoteles hatte dieser Materie ein eignes Werk gewidmet, und die Araber machten sie zu einem Gegenstande ihrer spitzfindigsten Spekulationen.

Inzwischen scheinen sich diese Untersuchungen der Philosophie wenig mit der Geschlechtsliebe beschäftigt zu haben, die sie für eine schädliche Neigung, und für eine Geburt der Lüsternheit und der Faulheit hielten. Sie betrachteten die Liebe als den Grund des Zusammenhangs der Kreaturen mit Gott und unter sich: als die Aeußerung unserer Reitzbarkeit: als die Wirkung des Nützlichen, Guten, Angenehmen, Schönen auf unser Begehrungsvermögen: Kurz! die Lehre von der Entstehung der Welt, die Lehre vom menschlichen Willen, und ein großer Theil der Physik ward unter dieser allgemeinen Rubrik mit abgehandelt. Besonders aber suchte man mystische Ideen von der Beschauung Gottes und der Vereinigung mit ihm aus der Natur der Liebe herzuleiten, und das Bestreben darnach zur Pflicht zu machen. [10]

[170] Nachdem jedoch Plato bekannter geworden war, und Petrarca seine Laura besungen hatte, fing man an, die Geschlechtsliebe mit in diese Erörterungen hinein zu ziehen. Man gab sich zu gleicher Zeit Mühe diesen Trieb zu veredlen, und ihn mit den Begriffen, welche man von der Würde des Menschen hatte, zu vereinigen. Von dieser Zeit an erhielten die Ausführungen über die Liebe zugleich den Reitz unterhaltender Deklamationen, über die interessantesten aller Leidenschaften, und über den Philosophen und den Dichter, die sie am erhabensten und feinsten in ihren Schriften dargestellt hatten.

Wir können inzwischen aus diesen Schriften wenig andern Gewinn erhalten, als den, zu erfahren, wie man damahls über diesen Gegenstand gedacht habe. Die Kenntniß des Wesens der Geschlechtsliebe ist, ich darf es dreist behaupten, wenig dadurch befördert worden. Es stand den Forschungen darüber geradezu im Wege, daß man den Beschauungshang und die Selbstheit niemahls von der Sympathie unterschied, und daß der Eindruck, den das Schöne und das Nützliche und Gute auf uns machen, von der Liebe nicht gehörig abgesondert wurde. Diejenigen, welche den Unterschied fühlten, wußten ihm dennoch nicht auf die Spur zu kommen, weil sie immer von der Idee ausgingen, daß das Schöne der Grund der Liebe sey, und daß der Zweck derselben im Genuß dieses Schönen liege. Selbst das Wahre, das in den ältern Philosophen, und besonders im Aristoteles zu finden ist, verdunkelte sich vor ihren [171] Augen, weil sie allemahl mystisch religiöse Gründe und Zwecke bey dem liebenden Zuge der Menschen zu einander voraussetzten.

Ich kann mich jedoch nach dem mir einmahl vorgesetzten Zwecke um so weniger der Pflicht entledigen, meinen Lesern Einiges von den Ideen der Schriftsteller aus der damahligen Zeit vorzulegen, als ihre Lehren gewiß auf die Ausbildung der Galanterie den größten Einfluß gehabt haben.

Der wichtigste ist Marsilio Ficino oder Ficinus. Man darf sagen, daß dieser Kommentator des Plato beynahe allen[WS 6] seinen Nachfolgern den Stoff zu ihren Ideen geliefert habe. In seinem Kommentare über das Gastmahl des Plato [11] erklärt er die Liebe für das Verlangen nach Schönheit. „Die Vereinigung des Mannigfaltigen nennt er Schönheit, und setzt drey Arten derselben fest, die geistige, welche aus der Vereinigung mehrerer Tugenden entsteht, die körperliche, die ihren Grund in der Vereinigung der Farben und Linien hat, und endlich die Schönheit der Töne, die in der Vereinigung der Konsonanzen und Accorde besteht. Diese drey Arten der Schönheit werden durch den innern Sinn, und durch die äußern des Auges und des Ohres erkannt und genossen. Wenn wir mit den übrigen Sinnen begehren, so ist dieß nicht Liebe, sondern eine übelgeordnete Neigung oder Wuth. Die Liebe flieht die Wollust des Geschmacks und der Berührung. Jeder wahrhaft Liebende ist gerecht [172] und gut. Wo der Körper allein schön ist, müssen wir nur wenig lieben: wo der Geist schön ist müssen wir standhaft lieben. Wo aber beydes zusammen schön ist, dürfen wir uns ganz der Liebe überlassen.“

„Was liegt aber bey unserm Zuge zur Schönheit zum Grunde? Die Lust an der himmlischen Schönheit. Diese findet sich theils in der göttlichen Intelligenz, oder in den göttlichen Ideen, die sich nicht mit der Materie verbunden haben, theils in der Welt, oder in Allem, was nach jenen Ideen von Gott geschaffen ist. Die Lust an der Erkenntniß jener ersten Schönheit ist die himmlische Venus; die Lust an der Zeugung solcher Formen, welche einen Abglanz der himmlischen Schönheit an sich tragen, ist die zweyte Venus. In beyden ist also Liebe vorhanden: in der ersten ein Verlangen, das Geistige anzuschauen, in der zweyten ein Verlangen, das Schöne hervorzubringen. Beyde Arten zu lieben, sind ehrbringende: beyde folgen dem göttlichen Bilde. Wenn aber Jemand die körperliche Zeugung der geistigen, oder die Gestalt des Körpers der Schönheit des Geistes vorzieht; so ist dieß ein tadelnswürdiger Mißbrauch der Liebe.“

„Es giebt eine einfache und eine wechselseitige Liebe. In der ersten stirbt sich der Liebende selbst ab, um für den Andern zu leben. In der zweyten leben zwey Liebende einer für den andern. Diejenigen, die sich wechselseitig lieben, suchen Schönheit an einander zu genießen. Aber nur durch den[WS 7] innern Sinn und durch das Auge. Das Verlangen nach Berührung ist nicht Liebe, sondern ungeordnete Begierde, Perturbazion eines knechtischen Gemüths. Der Genuß der Schönheit des Geistes ist viel edler, als der der Schönheit der Körper.“

[173] „Die Schönheit an sich ist nichts Körperliches. Man darf ihren letzten Grund nicht in der Uebereinstimmung der Theile suchen, sondern darin, daß diese Uebereinstimmung ein Abglanz der Einheit Gottes ist. Die Materie sucht sich nach dem Bilde ihres Urhebers einzurichten. Weil ein Körper mehr als der andere von dem Abglanze Gottes enthält, (eben so wie ein Gebäude mehr als das andere den Charakter und den Geist des Baumeisters ausdrückt) so liegt auch darin der Grund, warum ein Mensch besser gefällt, als der andre.

„Die Liebesgötter (amores) sind Mittelgötter, Engel, Dämonen, Diener Gottes und der Ideen, die in dem göttlichen Geiste sind. Der Mensch hat ihrer zwey in sich: einen guten und einen bösen. Dieß sind beständige Grundneigungen, Anlagen zum Wollen und Handeln, vermöge deren der Mensch sich auf der einen Seite zur Beschauung der himmlischen Schönheit, auf der andern zur Begattung hingezogen fühlt. In der Mitte liegen drey veränderliche Stimmungen des Willens, Affektionen, von denen die eine sich mehr dem Vergnügen der Beschauung der himmlischen Schönheit und dem kontemplativen Leben, die andere mehr der Wollust der Berührung, dem grobsinnlichen Leben, nähert. In der Mitte liegt die Stimmung zum aktiven, geselligen Leben, vermöge deren wir uns begnügen am Anblicke der Schönheit, und am Umgange mit ihr Vergnügen zu nehmen, ohne uns zur Betrachtung der himmlischen Schönheit dadurch zu erheben. Alle Liebe wird uns folglich durch das innere oder äußere Auge zugeführt: aber bey dem kontemplativen Menschen steigt sie zu einem Verlangen nach demjenigen, was nur der Verstand genießen und begreifen kann; bey dem wollüstigen sinkt [174] sie zu demjenigen herab, was die gröberen Sinne genießen, und bey dem aktiven Menschen bleibt sie beym Genuß des geselligen Umgangs, und der gegenwärtig angenehmen Empfindungen für die edleren Sinne stehen. Also giebt es eine dreyfache Liebe: die erste heißt die göttliche, die zweyte die thierische, die dritte die menschliche.“

Dieß sind die hauptsächlichsten Ideen des Ficinus, in so fern sie in meinen Plan gehören.

Mario Equicola D’Aluetto liefert uns in seinem Werke Di Natura d’Amore, [12] im ersten Buche einen Auszug aus den Systemen mehrerer Philosophen und Dichter, die vor ihm geschrieben haben. Dieser Auszug ist aber größtentheils sehr mangelhaft, und dadurch unverständlich. So viel sieht man inzwischen daraus, daß die platonischen Ideen in dem freylich ziemlich entstellten Bilde, welches Ficinus davon geliefert hatte, beynahe allgemein angenommen, und nur mit einigen Zusätzen verbrämt waren.

Ein paar herrschende und mit Eigenthümlichkeit dargestellte Ideen in diesen Systemen will ich herausheben. Es giebt eine doppelte Welt. Eine intellektuelle, und eine sinnliche. Die erste, die auch Welt der Engel genannt wird, wird so erklärt: „Gott, als Baumeister der Welt, entwirft in seinem Geiste die Form derselben, und dieser Entwurf oder diese exemplarische Form ist immer vollkommener als die Ausführung, oder die Welt der Materie. Wer sich nun zu der Schönheit jener intellektuellen Welt zu erheben sucht, der empfindet [175] die göttliche Liebe; wer hingegen bey der geschaffenen Schönheit stehen bleibt, der empfindet entweder die menschliche oder die thierische Liebe. Denn in so fern seine Vernunft über die edleren Sinne wacht, daß sie ihn nicht zum gröberen Genuß verführen, empfindet er menschliche Liebe; in so fern er aber nach Berührung strebt, wird er zum Thiere. Das vernünftige Wesen im Menschen hat also eine doppelte Bestimmung; theils die göttlichen Ideen zu beschauen, theils über die Beschäftigung mit den Geschaffenen die Aufsicht zu führen.“

Die menschliche Liebe rührt von einer feinen Bewegung des Bluts her, diese Bewegung fordert die Phantasie auf, sich Bilder zu schaffen. Wir suchen die Schönheit nicht bloß zu genießen, sondern auch darzustellen. Darüber verliert der Liebende das Bewußtseyn seiner selbst, indem er sich bloß mit dem Schönen außer sich beschäftigt. Der Wunsch, wieder geliebt zu werden, ist nur das Bestreben, den verlornen, in den Geliebten übergegangenen Geist wieder zu erhalten.“

Dieß ist das Wenige, was mir aus den Lehren des Giovanni und Francesco Pico della Mirandola, und Francesco Catani da Diacetto verständlich geworden ist. Man sieht, daß bey ihnen die menschliche Liebe in keinem großen Ansehn gestanden hat, und daß am Ende alles dahin abzweckt, uns von der Kreatur abzuziehen, und zur Beschauung der übersinnlichen Dinge hinzuleiten. Battista Fregoso ist, nach dem Zeugnisse des Equicola, sogar so weit gegangen, alle Liebe eine ungezähmte Begierde zu nennen, die mit Wollust verbunden von der Muße und Lüsternheit gezeugt wird. Ja einer von den Unterrednern, die er aufführt, [176] nennt sie eine Krankheit der Vernunft, und ein anderer einen bloß physischen Drang nach Entledigung eines niedrigen Bedürfnisses. Platina [13] und Pier Hedo di Fortuna haben gegen die Liebe geschrieben.

Mario Equicola hat die fünf übrigen Bücher seines Werks über die Liebe dazu angewandt, uns sein eigenes System zu entwickeln. Man lernt besonders daraus, wie die unbestimmten Begriffe der Kirchenväter über die Liebe den Kredit der Platonischen Lehren über diesen Gegenstand gehoben, ihren wahren Sinn aber ganz haben verdunkeln müssen. Das Werk enthält außerdem mehrere interessante Nachrichten über die Art, wie verschiedene Nazionen der damahligen Zeit über die Liebe gedacht haben. Endlich hat Equicola bey einer Menge von unnützen Citaten, und nichtsbedeutenden Deklamationen doch auch Manches, was ihm eigenthümlich ist, und, in so fern es die Geschlechtsliebe betrifft, hier angeführt zu werden verdient.

„Die Liebe, sagt er, ist im Allgemeinen das Verlangen nach dem Guten, das wir immer haben möchten, und der Wunsch, es immer bey uns zu behalten. Sie ist so vielfach, als es Güter giebt. Der Verfasser nimmt aber nur eine Art heraus: das Verlangen, im Schönen zu zeugen, und zu gebären. Er theilt diese Liebe in zwey Hauptarten ab: in die himmlische, und in die menschliche.“

[177] „Die himmlische empfinden theils Gott gegen die Kreatur, theils die Engel gegen Gott und die Geschöpfe.“

„Die menschliche ist entweder die Instinktartige, die wir mit allen unvernünftigen Geschöpfen gemein haben, oder diejenige, welche von der Selbstbestimmung des Willens abhängig ist. Diese letzte ist entweder anständig, indem sie auf Tugend beruht, oder unanständig auf dreyfache Art: erstlich, wenn wir das Schlechte anstatt des Guten lieben, zweytens wenn wir uns der Neigung zu demjenigen, was wir nicht lieben sollen, zu sehr überlassen, drittens endlich, wenn wir dasjenige, was wir über alles lieben sollten, zu wenig lieben.“

Equicola nennt nur dasjenige Schön, was durch das Gesicht und durchs Gehör gefällt. Durch diese beyden Sinne erheben wir uns bis zur Ahnung der Gottheit, in der alles wahre Schöne liegt, das wir erst nach dem Tode ganz erkennen werden.

Inzwischen sucht der Verfasser doch den Grund aller Affekte, und so auch der Liebe zu andern Menschen, in der Selbstliebe. „Der Zweck aller unserer Neigungen ist Vergnügen. Dieß hat zwey Arten: Seelenvergnügen, Ruhe ohne Beschwerde; und Vergnügen der Sinne. Glücklich seyn heißt: seiner Natur gemäß leben. Wir lieben folglich um glücklich zu leben, und vergnügt zu seyn.“

„Diejenigen, welche behaupten, man könne die Seele ohne den Körper lieben, sprechen wie Thoren. Der Mensch besteht aus Körper und Seele. Die [178] letzte wirkt durch den ersten. Der ganze Mensch äußert Affekte, nicht bloß die Seele. Durch die Sinne, durch das Auge schleicht sich die Liebe bey uns ein. Wer daher ein schönes Weib liebt, irrt sehr, wenn er nur die Seele zu lieben glaubt. Aber wer nur den Körper genießen will, der hat einen völlig irrigen Begriff von der Liebe. Kurz! wer wahrhaft liebt, muß nothwendig Körper und Seele zugleich lieben. Beydes läßt sich nicht von einander trennen. Die Sinne des Liebhabers verlangen von dem geliebten Körper sinnliches Vergnügen, seine Seele von der Seele der Geliebten Gegenliebe, um den Sinnengenuß angenehm zu machen. Also ist Sinnengenuß, durch Gegenliebe dargeboten, wahrer endlicher Zweck der Liebe, die dann auch nicht abnimmt, wenn der Liebhaber gleich mit jenem begünstigt wird. Um diese Liebe zu veredeln, muß man sich an vornehme Damen halten, weil diese den Mann anfeuern, durch ausgezeichnete Vorzüge die Schwierigkeiten zu überwinden, die sich der Vereinigung entgegensetzen. Die Damen müssen ihrer Seits behutsam in der Wahl ihrer Liebhaber seyn, und nicht zu viel und zu leicht gewähren. Zuletzt ermahnt er zur Liebe Gottes, als zu demjenigen Wesen, das am würdigsten ist geliebt zu werden, und bey dem wir am sichersten auf Gegenliebe rechnen können.“

In diesem Systeme wird also nicht bloß die Liebe zum Geschlecht, sondern sogar die sinnliche Liebe unter gewissen Bestimmungen in Schutz genommen. Eben diese Ansicht finden wir von nun an ziemlich allgemein ausgebreitet, nur daß der ganz geistigen Liebe der Vorzug eingeräumt wird.

[179] Man hat eine Philosophie der Liebe von Leone. [14] Nach ihm ist Liebe das Verlangen, sich bey der Vereinigung in den geliebten Gegenstand zu verwandeln. Mit dem gestillten Verlangen der niedern Sinne hört die Liebe zu den Gegenständen auf, welche diese reitzen. Nicht aber so bey den Sinnen des Auges, des Ohrs und dem innern Sinne. Der Liebhaber des Weibes kann inzwischen den Genuß der niedern Sinne mit dem der obern verbinden. Weil die Geister vereinigt sind in geistiger Liebe; so suchen auch die Körper sich zu verbinden, um die Vereinigung so vollkommen als möglich zu machen. Ja! durch diese letzte Verbindung nimmt die geistige Liebe zu, wie die Weisheit durch die Ausübung guter Werke.

„Die vollkommene Liebe des Mannes zum Weibe ist die Verwandlung des Liebenden in die Geliebte, verbunden mit dem Wunsche, daß sich die Geliebte wieder in den Liebenden verwandle. Lieben beyde Theile sich wechselseitig, so kann man vollkommene Liebe die Verwandlung zweyer Personen in einander nennen.“

„Diese Liebe ist von zweyerley Art. Die eine nimmt ihren Ursprung in der Sinnlichkeit, und hört mit dem Genusse auf, weil das Verlangen gesättigt wird. Die andere führt das Verlangen nach dem körperlichen Genusse nur in ihrem Gefolge. Diese [180] Liebe dauert nach der Befriedigung des Wunsches nach körperlicher Vereinigung fort, weil ihr Grund nicht in den niedern Sinnen, sondern in der Erkenntnißkraft lag. Man schätzt die Vorzüge der Geliebten, und möchte mit ihr nur eine Person ausmachen, aus zwey Geistern eine Seele zusammensetzen, die einen Körper belebe und regiere. Bey der körperlichen Vereinigung sucht man weniger das sinnliche Vergnügen, als die möglichste Vermischung der Geister, die aus den angenäherten Körpern in einander übergehen.“

„Aber besteht es denn mit der Vernunft, einen solchen Wunsch zu hegen, und einen Andern mehr als sich selbst zu lieben? Freylich! edle Liebe wird nicht von Vernunft geleitet! Sie bereitet große Leiden zu, um so mehr, da die Freuden des Körpers ihr keine Erleichterung verschaffen. Reine Geister können in einander fließen, aber Geister die an Körper gebunden sind, können es nicht, und das macht ihr Leiden aus. Wie kann man aber dasjenige gut heißen, was die Vernunft nicht regiert? Die Antwort ist: es giebt eine doppelte Art von Vernunft: eine gewöhnliche, (ordinaria) die den Menschen lehrt, für sich selbst glücklich zu seyn, und eine außerordentliche (extraordinaria) die uns die Vollkommenheiten des Geliebten anzueignen gebietet. Dieser Zweck ist viel edler. Der Liebende opfert sich auf, um dem bessern Theile seines Selbstes, dem Geliebten, wohl zu thun. Dieß muß bey aller Liebe zum Grunde liegen.“

„Der allgemeine Vater aller Liebe ist das Schöne, ihre Mutter ist die Kenntniß des Schönen, mit dem [181] Gefühle unserer Mängel vermischt. Sie wird in dem Gedanken dessen, der das Schöne kennt und fühlt, empfangen. Dieser Gedanke wird von dem Bilde der Schönheit befruchtet, und sucht nun eine ähnliche Frucht hervorzubringen. – Die Schönheit besteht nicht in der Proportion: sie ist Abglanz der Gottheit, von dem aber wohl proportionierte Gegenstände mehr als andere an sich tragen. Die Schönheiten der intellektuellen Welt sind höher zu schätzen, als die der sinnlichen; doch bahnen diese letzten den Weg zur Kenntniß der höhern Schönheiten. Der Zweck aller menschlichen Liebe ist Vergnügen, aber geistiges Vergnügen: Genuß der Vereinigung mit der geliebten Schönheit.“ – Das Buch endigt sich damit, daß die Dame Sophie, welche Philo zu gleicher Zeit zu belehren, und für seine Neigung empfindlich zu machen gesucht hat, ihm versichert, daß sie die Vereinigung ihrer Gedanken wünschet, und zwar nicht der seinigen mit den ihrigen, sondern der ihrigen mit den seinigen, als den vollkommeren. Was aber die andere körperliche Vereinigung anlange, so glaube und wünsche sie nicht, daß sie beyde Verlangen darnach tragen möchten.

Benedetto Varchi hat mehrere Lezzioni d’amore herausgegeben, wobey er verschiedene Sonnets des Petrarka zum Grunde gelegt hat. Sie sind in verschiedenen Akademien Italiens gehalten, und erst einzeln, nachher in einer Sammlung herausgekommen. [15]

[182] Er theilt die Liebe der Menschen zu einander ein, in die himmlische oder Seelenliebe, in die thierische, und in die zusammengesetzte, wenn Körper und Seele zugleich geliebt werden. „Diese letzte Liebe hat mehrere Stufen. Erstlich: man liebt vorzüglich die Seele und den Körper in untergeordneter Maße, als einen Abglanz der Seele, durch die edleren Sinne. Dieß ist die anständige und tugendhafte Liebe (amore cortese o honesto, virtuoso, gentile.)

„Oder man liebt die Seele zuerst, und dann den Körper, aber den letztern mit allen Sinnen. Hält man sich nun hier in den Grenzen der Ehrbarkeit und der Mäßigung, so ist dieß eine gut bürgerliche Liebe: (amore civile.) Liebt man aber hauptsächlich den Körper, und die Seele nur beyher, so ist dieß eine gemeine pöbelhafte Liebe (amore volgare o plebejo.)

„Varchi hält in der himmlischen Liebe den Liebenden für edler als den Geliebten. In her gewöhnlichen hingegen hat nach seiner Meinung der Geliebte den Vorzug. In der ersten findet der Liebende immer Gegenliebe, seine Neigung schränkt sich auf einen Gegenstand ein, zieht diesen seiner eigenen Person vor, und ist keinem Wechsel und keinem Ende unterworfen. Alles, was der Körper an Reizen verliert, wächst der Seele zu!“

„Die Liebe überhaupt erklärt er für das Verlangen, das Schöne im Schönen hervorzubringen, entweder in [183] einem schönen Geiste, oder in einem schönen Körper. Eifersucht nennt er die Furcht, daß ein Anderer die Schönheit genieße, oder Neid aus Liebe. Wir verlangen entweder den Genuß der Schönheit für uns selbst: Eifersucht der Verliebten; oder wir verlangen, daß sie ein Anderer nach unserer Bestimmung genießen soll: Eifersucht der Anverwandten. Die Verliebten empfinden drey Arten der Eifersucht. Sie wollen nicht, daß ein Anderer genieße, was sie genossen haben, oder was sie zu genießen hoffen, oder was sie nicht haben genießen können. Die Begierden nach Vergnügen, Besitz, Eigenthum und Ehre liegen dabey zum Grunde. Man kann nicht ohne Eifersucht lieben; sie ist eine natürliche Leidenschaft, an der nur der Mißbrauch zu tadeln ist.“

Die Azolani [16] vom Bembo enthalten drey Dialogen, die im Schlosse Azolo gehalten sind. Im ersten deklamiert Perotino gegen, im zweyten Gismondo für die Liebe: Im dritten muß Lavinello zeigen, daß die Liebe bald gut, bald schlecht seyn könne. Am Ende wird ein Einsiedler eingeführt, der die Liebe zum Ueberirdischen als die einzige gute und lobenswürdige empfiehlt. Es sind die platonisch religiösen Ideen, die wir schon aus dem Ficino und Andern kennen. Eben diesem Systeme ist Dominichi [17] ergehen, imgleichen [184] Vito di Gozze [18] Agnolo Firenzuola, [19] und Zoppio in seinem Psafone. [20]

Augustinus Niphus [21] hat dagegen mehr Eigenthümliches. Er verwirft alle früheren Definitionen von der Liebe. „Eine allgemeine Definition, sagt er, kann davon nicht gegeben werden. Aber die Geschlechtsliebe (Kupido) ist Begierde nach Begattung mit dem Geliebten oder der Geliebten. Dieser Umstand, daß das begehrte Wesen geliebt werden muß, unterscheidet die Liebe von dem Begattungsinstinkt der Thiere. Der Mensch wählt; der Mensch erkennt das Schöne. Geliebt ist derjenige Mensch zu nennen, den wir vermöge der Schönheit seines Körpers und seiner Seele mit allen Sinnen zu genießen wünschen. Die Vollkommenheit dieser Liebe besteht in dem Streben der Seele, in den Körper des Geliebten überzugehen, und sich endlich selbst in ihn zu verwandeln. Dazu wird Gegenliebe erfordert. Das sicherste Zeichen [185] der gelungenen Vereinigung ist der gleiche Wille, und die Uebereinstimmung der Gefühle.

Romei [22] nennt die Liebe eine wackere rüstige (gagliarda) Bewegung des menschlichen Gemüths, welche von der Erkenntniß der Schönheit, vermöge einer verborgenen Uebereinstimmung zwischen den Naturen des Liebenden und des Geliebten, erweckt wird, und sich in das Verlangen auflößt, sich mit wechselseitiger Liebe im Schönen zu vereinigen.“

„Diese Liebe ist dreyfacher Art. Die göttliche bringt uns die Schönheit Gottes ins Gedächtniß, von der die Schönheit des Weibes ein bloßer Abglanz ist. Sie ist Religiösen, Mönchen, unverheiratheten Personen, kurz! allen denjenigen erlaubt, die das Gelübde der Keuschheit auf sich genommen haben. Die bloß keusche Liebe begnügt sich mit Sehen, Hören, Unterreden, und beschränkt sich auf die Freuden des geselligen Umgangs. Aber sie erhebt sich nicht bis zu Gott. Sie betrachtet das schöne Weib nicht als ein Ebenbild Gottes, sondern als eine wahre für sich bestehende Schönheit. Einer solchen Liebe ist der Kuß erlaubt, weil diese Liebkosung mehr eine Vereinigung der Seelen als der Körper ist. Die dritte Liebe sucht sich zugleich mittelst der Körper zu vereinigen, aber auf eine erlaubte Art, in der Ehe.

Von den spanischen Philosophen, welche die Materie wahrscheinlich nicht unberührt gelassen haben werden, ist mir keiner zu Gesicht gekommen.

Unter den Franzosen hat Montaigne die Geschlechtsliebe für eine bloß sinnliche Begierde gehalten, von [186] der er sogar die Freundschaft ausschließt, und die er bloß durch die Intrigue schmackhafter und dauernder zu machen anräth. [23] Nach der Darstellung die er uns von der Denkungsart seiner Landesleute über diese Materie giebt, scheint die Galanterie damahls in Frankreich nicht sehr im Schwange gewesen zu seyn. Er lebte von 1533 bis 1592.

Petrus Godofredus [24] schrieb ungefehr um die nehmliche Zeit eine Rhapsodie über die Liebe, halb moralischen und halb juristischen Inhalts. Im ersten Buche handelt er von der Liebe zu Gott, im zweyten von der ehlichen Liebe, und im dritten von der unerlaubten Liebe und den Mitteln, sich gegen die letzte zu verwahren.

Alles beweiset, daß man im funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderte an den metaphysischen Spekulationen über die Liebe wenig Interesse genommen habe.

Mit dem siebzehnten Jahrhunderte fing aber dieser Geschmack daselbst zu herrschen an. In dieser Zeit schrieb Veyries eine Genealogie der Liebe. [25] Er theilte sie ein in die eigentliche Liebe, den instinktartigen Trieb, und in Dilection, welche Auswahl voraussetzt. In der letzten unterscheidet er wieder Charité, Zuneigung die auf Werthschätzung beruht, und Amitié, angewöhnte Stimmung zur persönlichen Zuneigung. Er [187] will, daß die Geschlechtsliebe mit dieser amitié verbunden seyn solle, und hält es für einen Mißbrauch, wenn man die bloße Lüsternheit mit Wohlwollen verwechselt.

Man hat aus dieser Zeit mehrere praktische Werke über die Liebe. [26] Hauptsächlich aber ist dieser Gegenstand in den Romanen einer häufigen Erörterung unterzogen.

Merkwürdig ist es, daß Charron, in seinem über Verdienst berühmt gewordenen Werke de la Sagesse, von einer zwischen der ehelichen Liebe und den Ausschweifungen der Sinnlichkeit in der Mitte stehenden erlaubten Galanterie keine Kenntniß hat. Wäre, (so kann man billig sagen,) dieß Sitteninstitut damahls sehr ausgebreitet und allgemein gebilligt gewesen, so hätte der Moralist es unmöglich übergehen dürfen.


Sechstes Kapitel.
Ideen der Romanenschreiber, und zwar zuerst der spanischen, aus dieser Zeit.

Ich glaube die Romanenschreiber der Spanier von denen der Italiäner und besonders der Franzosen in dieser Zeit absondern zu müssen.

Auf die Spanier scheint mir der Geist der Mauren, ihrer Nachbaren, gewirkt zu haben. Ich finde in ihren Werken jene bis zum Wahnsinn fortschreitende Begeisterung, [188] verbunden mit dem abentheuerlichen, bilderreichen, oft auch nur spitzfindigen Ausdrucke der Empfindungen wieder, der die edlere Liebe der Orientaler auszeichnet. Dieser Charakter ist auf den Rittergeist geimpft, und durch die Bekanntschaft mit den Werken der Alten, sogar auch mit den griechischen Romanen weiter ausgebildet.

Der berühmteste unter den spanischen Romanen, die wir kennen, ist der Amadis des Gaules. Die Scene ist wahrscheinlich nach Frankreich und England verlegt, weil der Verfasser französische Muster, und besonders den Tristan vor sich hatte. [27]

Inzwischen kommt in diesem Romane kein Verständniß mit einer verheiratheten Frau vor. Es ist eine Verbindung mit einer unverheiratheten Prinzessin, welche das Interesse auf sich zieht, und der Zweck ist Heirath. Aber das Verständniß wird heimlich gehalten, und die körperliche Vereinigung geht vor der Ehe vor sich. Die Beschreibungen dieser Scenen sind zum Theil so schlüpfrig, daß Crebillon dafür erröthet haben würde, sie zu schildern.

Die Bekanntschaft mit den griechischen Romanen ist unverkennbar. Die Prüfungen der treuen und biedern Liebenden in der Isle ferme durch den Bogen, die verbotene Kammer, und nachher durch den Degen und die Haube, sind daher entlehnt. Der Verfasser ist übrigens [189] mit der klassischen Litteratur sehr bekannt, und er läßt nicht leicht eine Gelegenheit vorbey, diese Kenntniß durch Citate zu zeigen.

Der Geist der irrenden Ritterschaft ist hier bereits mehr ausgebildet, als in den früheren Romanen. Die Gebräuche bey der Aufnahme in den Orden dieser Ritterschaft haben eine bestimmtere Form erhalten: die Ritter weihen sich dem Dienste der Damen mit mehrerer Förmlichkeit, und geben ihnen öffentlichere Beweise ihrer Huldigung. Der Ausdruck der Leidenschaft ist bey den Männern bis zum Ekel schmelzend und weinerlich empfindsam. Die Helden fallen in Ohnmacht bey dem bloßen Gedanken an ihre Damen: ihre Seele quillt unter häufigen Thränen aus ihren Augen heraus, und selbst in den Augenblicken, worin sie die größten Beweise von Gegenliebe erhalten, glauben sie im Gefühl ihrer Unwürdigkeit verzweifeln zu müssen. Aber so abhängig die Liebhaber von ihren Geliebten dargestellt werden, so eifersüchtig diese darauf sind, den Werth der Damen über ihr eigenes Verdienst zu setzen; so wenig interessant werden doch die Weiber geschildert. Die besten sind gutherzige Geschöpfe: viele sind ausschweifend, grausam und undankbar. Die Gräfin von Solandra dringt sich unter andern selbst dem König Perion auf, und erlangt seine Umarmung durch die Drohung, sich im Weigerungsfalle selbst zu erstechen. Schön ist die Stelle, worin Oriane ihrem Amadis die Erlaubniß giebt, ein neues Abentheuer zu bestehen. Es ist billig, sagt sie, daß ich eure Ehre meinem Vergnügen vorziehe. Dagegen zeigt sie sich höchst ungerecht in ihrer Eifersucht, und unterschreibt den Brief, worin sie sich von ihm [190] trennt, mit den Worten: Diejenige, der der Tod nur darum zuwider ist, weil ihr der Mörder seyd!

Der Charakter der Liebe in diesem Romane ist leidenschaftliches Streben nach sinnlichem Genuß, das aber durch schmelzende Schwärmerey und durch bewährte Treue im Leiden und im Genuß veredelt wird. Amadis zeigt die tiefste Unterwürfigkeit gegen seine Dame, und keine Aufopferung ist ihm zu schwer, wenn er ihren Ruf dadurch ausbreiten kann. Der Ausdruck seiner Leidenschaft ist förmlich, übertrieben, und oft orientalisch schwülstig.

Neben diesem Muster einer vollkommenen Liebe zeigen sich aber mehrere andere Helden, die dem Amadis an Treue und Edelmuth in der Liebe nicht ähneln. Unter andern ist der Bruder des Amadis, Galaor, nichts weniger als gewissenhaft in diesem Punkte. Ob er gleich an einer bestimmten Geliebten hängt, so läßt er sich doch jede Hülfe, die er den Schönen leistet, durch ihre Gunstbezeugung auf eine sehr materielle Art bezahlen. –

Eben dieser Geist zeigt sich in den Fortsetzungen des Amadis, welche sich mit der Geschichte seiner Familie beschäftigen: im Esplandian, Perion und Lisuart, Amadis de Grece, Don Florissel di Nichea und Anassarte, u. s. w. Ueberall die nehmliche weinerliche Empfindsamkeit, derselbe schwülstige Ausdruck: nur daß beydes noch steifer und unnatürlicher wird! Immer noch die nehmliche sinnliche Liebe und ihre Befriedigung vor der Ehe: immer noch die schlüpfrigen Beschreibungen, die Prinzessinnen, die sich selbst antragen, und [191] die Ritter, welche die verliebten Abentheuer ohne Bedenken mit verheyratheten und unverheyratheten Damen zu Ende bringen. Auch erscheinen die Enkel nicht mehr so treu als ihr Aeltervater. Amadis de Grece verläßt seine erste Dame Lucelle, um Niquee zu heyrathen.

Merkwürdig aber ist es, daß in den jüngern Fortsetzungen des Amadis nun auch Heldinnen vorkommen, die sich durch kriegerische Thaten auszeichnen, und daß man anfängt, sich bey der Darstellung des Kampfs zwischen Sinnlichkeit und Pflicht bey den Damen zu gefallen. Inzwischen triumphiert die erste jedesmahl, wenn ein Versprechen der Ehe von Seiten des Ritters den Fall bedeckt.

Zu den Romanen der Spanier rechne ich diejenigen, deren Helden aus Griechenland und Konstantinopel hergenommen sind: Primaleon, Platir, den Sonnenritter, und Palmerin von Oliva. Der Geist des Amadis ist darin unverkennbar, ob er gleich hier mit schwächeren Schwingen schwebt.

So wie die Kultur durch bessere bürgerliche Einrichtungen und durch eine ausgebreitetere Bekanntschaft mit den Künsten und Wissenschaften zunahm, so fiel der Geschmack an der Beschreibung der Ritterabentheuer, denen nur die Liebesabentheuer, als ein untergeordnetes Interesse, zur Abwechselung beygemischt wurden. Man verfertigte nunmehr eigentliche Liebesromane, in denen die Geschlechtsverbindung das Hauptinteresse auf sich zog, und denen man eine epische Einheit gab. Dahin gehören denn besonders zwey, die mir zu Gesicht gekommen sind: Il Carcel d’amore, das Gefängniß der Liebe, und la Diana di Montemajor.

[192] Der erste ist eines der abentheuerlichsten Geschöpfe der Imagination. [28] Ein Herzog, Constante, verliebt sich in die Prinzessin Rigorosa, [29] und befindet sich im Gefängniß der Liebe. Der Autor rettet ihn daraus, und führt ihn an den Hof des Vaters seiner Dame. Hier wirbt er um sie durch jede Art der Aufopferung. Aber umsonst: Rigorosa wird nicht erweicht. Constante stirbt, und findet keine andere Belohnung für seine treuen Dienste, als die, daß seine Geliebte ihn den Rest ihres Lebens durch betrauert.

Außer dem abentheuerlichen Ausdruck einer weinerlichen Empfindsamkeit und melancholischen Schwärmerey, den dieser Roman mit den früheren Ritterromanen gemein hat, zeigt er als etwas Unterscheidendes die unbezwingliche Sprödigkeit der Damen, eine grössere Sparsamkeit in den Begebenheiten, und dagegen die Einmischung mehrerer Erörterungen über Gegenstände, die mit der Liebe in Beziehung stehen. Unter andern findet man hier eine weitläuftige Rede, worin der Vorzug des weiblichen Geschlechts vor dem männlichen bewiesen wird.

Die Diana di Montemajor ist ein Schäferroman, der nach den Pastoralen des Longus gedichtet zu seyn scheint, und unstreitig der Astrée von d’Urfé zum Vorbilde gedient hat. Hier findet man zuerst Begriffe [193] von Seelenliebe zwischen beyden Geschlechtern, wie sie von den Philosophen aus der damahligen Zeit gelehrt wurde. „Die wahre Liebe, heißt es darin, hat keinen andern Zweck, als den, unsre Seele mit der geliebten Person zu vereinigen, und ihre Tugend zu ehren, ohne andere Belohnung unsrer Leidenschaft zu erwarten, noch unser Verlangen nach unerlaubtem Genuß zu befriedigen. Diese Liebe ist nicht die Wirkung derjenigen Vernunft, die uns zur Selbstliebe auffordert.“

Die Unterredungen der Schäfer und Schäferinnen in diesem Romane enthalten häufige Erörterungen metaphysischer und praktischer Fragen über die Liebe. Allerwärts leuchtet eine grössere Kultur der Sitten und des Geschmacks hervor; aber an Genie steht das Werk weit unter dem Amadis.

Ich verweise auf die Bibliothek der Romane, um noch mehrere spanische Romane kennen zu lernen, in denen die Vollkommenheit der Liebe in einer hinschmachtenden Begeisterung gesucht wird. Neben diesen giebt es aber auch eine Menge anderer, welche diese Leidenschaft als eine sinnliche Begierde darstellen, die ihren Reitz für die Seele bloß durch die Besorgung einer heimlichen Intrigue erhält. Je verwickelter diese angelegt wird, um desto mehr glauben ihre Verfasser den Leser zu interessieren.

[194]
Siebentes Kapitel.
Fortsetzung. Romanendichter der Franzosen.

Bey den Franzosen hat der Geschmack an den Helden des Hofes Carls des Großen und des Königs Arthur noch eine Zeitlang fortgedauert. Sehr viele von denjenigen Romanen, die ich unter der vorigen Periode mit aufgeführt habe, dürften, wie schon oben bemerkt ist, hieher gehören.

In der Folge haben die Franzosen wirkliche Personen aus ihrer Geschichte zu Helden ihrer Romane gemacht. Dahin gehören Bertrand du Guesclin, Clisson[WS 10] und le petit Jehan de Saintré, u. a. m.

Diese Romane haben noch nicht die Form eines epischen Gedichts: keine Einheit der Handlung. Es sind Lebensgeschichten der Helden. In den mehrsten spielt die Liebe nur eine sehr untergeordnete Rolle. Le petit Jehan de Saintré zieht hingegen sein Hauptinteresse aus einer Intrigue mit einer schönen Wittwe, la Dame des belles Cousines genannt.

Diese Intrigue trägt alle Charaktere an sich, mit denen ich oben die anständig sinnliche[WS 11] Galanterie bezeichnet habe: ein heimliches, auf Sinnlichkeit beruhendes Verständniß, das aber durch das Verdienst des Liebhabers, durch seine bewährte Treue, die Sorge der Dame für ihren Ruf, und die Bewahrung des äußeren Anstandes veredelt wird. –

Diese Art der Galanterie erscheint hier sehr ausgebildet, und sogar auf gewisse Grundsätze gebauet. Unter andern sagt die Dame des belles Cousines: „die Sünde der Sinnlichkeit muß von den wahrhaft [195] Liebenden aus allen Kräften gemieden werden. Sollten sie jedoch durch den zu heftigen Drang der Minne darein verfallen, so haben doch treue Liebhaber mit so viel nagender Unruhe und so vielen Gefahren zu kämpfen, daß es ihnen unmöglich zur Todsünde angerechnet werden kann!“ Zugleich befiehlt sie dem Saintré die größte Verschwiegenheit und Treue an.

Auffallend ist es, daß diese Dame nachher in einem sehr schlechten Lichte dargestellt wird, ihren Ritter mit Undank lohnt, und sich den gröbsten Ausschweifungen mit einem Prälaten überläßt, der nichts für sich hat, als das Talent, ihre Sinnlichkeit in hoher Maße zu befriedigen. Saintré rächt sich, und dieß Betragen des Ritters sowohl als der Dame zeigt hinlänglich, wie wenig man damahls an die allgemeine unverrückte Befolgung der Regeln der Galanterie geglaubt habe.

Dieser Roman, so wie die übrigen mit ihm genannten, gefallen sich bey der Darstellung der ausgezeichneten Achtung, welche der tapfere Held von Damen von hohem Stande erhalten hat. Sie schildern mit Umständlichkeit die Ceremonien, unter denen die Ritter von ihren Damen die Liebesweihe erhalten, und die Huldigungen, welche diese, ihre Diener, ihnen bey jeder Gelegenheit darbringen. Inzwischen ist es auffallend, daß noch immer die Weiber in Vergleichung mit den Männern zurück und im Schatten stehen, und daß reine Seelenliebe, oder auch nur eine Liebe, welche die Moral und die Gesetze ganz unbeleidigt läßt, vergebens gesucht wird. Auch hier zeigen sich zwar Spuren von weinerlicher Empfindsamkeit, aber sie sind nur vorübergehend, und die Liebe wird viel leichter behandelt, als in den spanischen Romanen.

[196] Ich finde das Bestreben, sich der Sittlichkeit, dem Interesse des Liebesabentheuers unbeschadet, möglichst zu nähern, zuerst in der Geschichte des Pierre de Provence, und der belle Maguellonne. Dieser Roman, dessen Stoff wahrscheinlich aus dem Arabischen entlehnt ist, hat zugleich in seiner Oekonomie viel von den griechischen Romanen: einen zusammenhängenden Plan, einen Knoten, der geschürzt und aufgelöst wird. Zwey Liebende werden durch einen Zufall getrennt, und nach mehreren Gefahren endlich wieder vereinigt. Der Liebhaber schwört seiner Geliebten, die letzte Gunst nicht vor eingegangener Ehe zu fordern, und er hält Wort, ob er sich gleich – ganz im Geiste der griechischen Erotiker, – kein Gewissen daraus macht, während sie in seinen Armen schläft, sie aufzuschnüren, und sich der lüsternen Beschauung ihrer geheimeren Schönheiten zu überlassen.

Beynahe in dem nehmlichen Geiste ist Gerard de Nevers, oder der Chevalier de l’Epervier, gedichtet. Auch hier ziehen zwey Verlobte das Interesse auf sich, indem sie, durch Mißverständnisse getrennt, eine Menge von Gefahren und Versuchungen bestehen, ihre Treue bewähren, und endlich wieder vereinigt werden. Die Oekonomie des griechischen Romans ist hier gar nicht mehr zu verkennen. Sogar einzelne Züge sind daraus entlehnt. Ueberhaupt zeigt dieser interessante Roman eine Kultur, die mich berechtigt, ihn hinter alle bisher genannte zu setzen, obgleich die Scene ins zwölfte[WS 12] Jahrhundert verlegt ist.

Die Franzosen scheinen sich nunmehr eine Zeitlang mit Uebersetzungen und Nachahmungen aus dem Spanischen und Italiänischen beholfen zu haben. Selbst d’Urfé [197] hat in seiner Astreé die spanische Diane di Montemajor zum Vorbilde gehabt. Allein er hat es weit hinter sich gelassen.

Dieser Roman ist 1610 zuerst erschienen. Ich glaube, die Denkungsart des Verfassers über die Liebe nicht besser schildern zu können, als wenn ich die zwölf Gesetze über diesen Gegenstand, welche darin aufgestellt werden, hieher setze.

1) Der vollkommene Liebhaber muß ohne Maß und Ziel lieben: wer anders liebt, macht sich der Untreue schuldig.

2) Er muß nur einen und den nehmlichen Gegenstand lieben, und in ihm sein einziges Glück finden.

3) Er höre auf sich selbst zu lieben, oder er liebe sich nur in Beziehung auf den geliebten Gegenstand.

4) Wenn er nach höherem Glück strebt, so sey es bloß in der Hoffnung, daß die Geliebte dadurch an Ehre gewinne.

5) Nie verlange er den Besitz der Geliebten auf Kosten ihrer Ehre und der seinigen.

6) Eher sterbe er, als daß er den geliebten Gegenstand in seiner Gegenwart ungestraft lästern höre.

7) Er finde Alles vollkommen in derjenigen, die ihm Liebe eingeflößt hat, und derjenige, der dieß bezweifelt, erscheine als Verbrecher vor seinen Augen.

8) Unter Seufzern möge er zwischen Leben und Tod hinschmachten, ehe er sagt, was er will, oder was er nicht will.

[198] 9) Er lebe nur in Derjenigen, die er anbetet, und in sie verwandelt, ehre und liebe er nur dasjenige, was sie ehrt und anbetet.

10) Er sehe alle Tage, die er entfernt von ihr zubringt, für verloren an, und er sey im Geiste bey ihr, wenn er körperlich von ihr getrennt ist.

11) Bey allen seinen Qualen, bey allen seinen Leiden erwarte er keine andere Belohnung, als allein die Ehre, zu lieben.

12) Nie stelle er sich die Möglichkeit vor, daß seine Leidenschaft endigen könne. Ein solcher Gedanke wäre Verrath an der Liebe. [30]

Nach dem Geiste dieser Gesetze handeln die hervorstechenden Liebhaber in diesem Werke, während daß ihre Damen bey der stärksten Leidenschaft im Herzen ihnen mit dem sprödesten Stolze begegnen.

Der Kampf der Neigung mit den Pflichten, welche das Gefühl der Selbstwürde und der Anstand dem zärteren Geschlechte auflegen; die Zartheit, womit das stärkere seine Wünsche äußert; geben den Darstellungen der Liebe in diesem Romane einen Reitz, der den früheren größtentheils unbekannt war. Zu gleicher Zeit trägt die engere Verbindung unter den Geschlechtern zur Unterhaltung bey größeren Zusammenkünften bey, und wenn gleich der gesellige Ton noch nicht das Ungezwungene und die Biegsamkeit zeigt, die er in späteren Zeiten erlangt hat; so ist er doch in Vergleichung [199] mit den früheren Romanen bereits zu einer hohen Stufe der Kultur gediehen.

Obgleich die Sittlichkeit in diesem Romane auf keine grobe Weise beleidigt wird, und die Hauptpersonen vor der Ehe nicht vereinigt werden; so weht doch über das Ganze ein feiner Geist von Lüsternheit, der sich mit den Gesetzen der Moral und selbst des Anstandes nicht ganz vereinigen läßt.

Die Romane der Scudery stellen die Liebe als das ernsthafteste Geschäft des Lebens dar, und suchen in ihr den stärksten Antrieb zu heroischen Thaten, so wie das schönste Mittel zur geselligen Unterhaltung. Man kann die Begriffe von Pflicht und Anstand in den Verhältnissen beyder Geschlechter gegen einander nicht höher treiben, als es hier geschehen ist. Es ist nicht zu läugnen, daß herrliche Situationen in den Werken dieser Dame vorkommen, und daß überall die Gesinnungen der handelnden Personen durch Feinheit der Empfindungen und Seelenadel ausgezeichnet werden.

Aber alles dieß ist mehr von dem Witze ausgedacht, als von dem Herzen eingegeben. Den Charakteren der Helden fehlt es an individueller Wahrheit. Es sind Menschen, die nach den Grundsätzen der Moral erschaffen sind, keine Fehler und lauter Tugenden besitzen. Die Verfasserin legt ihnen einen Edelmuth bey, dem oft der Vorwurf des Uebertriebenen und Abentheuerlichen gemacht werden kann, und der Ausdruck ist nüchtern, schwülstig oder matt. Kurz! das höchste Lob, das man ihren Darstellungen beylegen kann, ist dieß, daß sie sehr ingeniös erfunden sind, und manche feine Bemerkung über die Verhältnisse des geselligen Umgangs enthalten.

[200] Die Scudery hat von der Liebe keinen andern Begriff gehabt als den, daß sie eine feinere egoistische Neigung sey, die sich bald in dem edleren Stolze, durch außerordentliche Tugenden und Heldenthaten vor den Augen der Geliebten zu glänzen, bald in geselliger Eitelkeit, und in dem Triebe nach Beschäftigung und Unterhaltung äußert. Die Selbstheit nutzt bey ihr die Geschlechtssympathie zur Befriedigung ihrer edleren und feineren Neigungen. Daher setzt sie das Wesen der Liebe in steter Unruhe des Geistes: daher findet sie nichts langweiliger, als die Unterhaltung zweyer Liebenden, von denen der eine oder der andere nichts zu wünschen, oder sich über nichts zu beklagen hat: daher legt sie besonders einen so großen Werth auf die Galanterie. Diese ist nach ihrer Darstellung nichts weiter als die Kunst, den Empfindungen, welche die beyden Geschlechter sich gegenseitig einflößen, den witzigsten und zugleich nach den Begriffen der Zeit artigsten Ausdruck zu leihen. Die Artigkeit der Scudery und ihr Witz scheinen uns aber steif, umständlich und pretiös zu seyn. –

Ihre Romane so wie die des Calprenede und einiger anderer enthalten mehrere Darstellungen einer Liebe, die sich auf geistigen Genuß beschränkt, und sich in dem Bewußtseyn der gelungenen Vereinigung der Seelen glücklich fühlt. Nirgends werden die Gesetze des strengsten Anstandes beleidigt.

Unstreitig haben diese Werke besonders zu der irrigen Idee beygetragen, daß die Galanterie vom eilften bis zum achtzehnten Jahrhunderte eine reine, oder wenigstens anständige und gesetzmäßige Verbindung zwischen beyden Geschlechtern gewesen sey.

[201] In der nehmlichen Zeit, worin die d’Urfé, die Scudery, u. s. w. die Liebe zu veredeln suchten, behandelten sie andere sehr leicht, oder lieferten die ausgelassensten Produkte einer lüsternen Einbildungskraft. [31]


Achtes Kapitel.
Fortsetzung. Romane der Italiäner.

In den Romanen der Italiäner finden wir früh eine höhere Kultur der Sitten und des Geschmacks, vermöge ihrer genaueren Bekanntschaft mit der alten klassischen Litteratur.

Sie hatten früh neben dem Ritterromane den bürgerlichen, dessen Stoff aus den Begebenheiten des gemeinen Lebens hergenommen war.

In der Theseide des Boccaz sind die Helden des Alterthums sämmtlich als Ritter dargestellt, die Tournier halten, Lanzen brechen, sich aus Liebe zu ihren Damen abhärmen, und um ihren Besitz sich auf Leben und Tod schlagen.

Dieser Roman hat eine epische Einheit. Zwey Nebenbuhler, Arcitas und Palemon, streiten sich um [202] den Besitz Emiliens. Diese wird als ein harmloses Geschöpf dargestellt, das zwar die Eitelkeit eines jungen Mädchens, aber keine bestimmte Neigung für den einen oder den andern ihrer Liebhaber empfindet. Sie wünscht hauptsächlich sich dem Dienst der Diana widmen, und unverheyrathet bleiben zu können: sie läßt es sich aber auch gefallen, demjenigen zu Theil zu werden, der den andern überwinden wird, und so bald sich der Sieg für den Arcitas erklärt hat, hängt sie diesem mit voller Seele an. Allein da er bald nachher an seinen Wunden stirbt, so willigt sie auch in die letzten Wünsche desselben ein, und heyrathet seinen Freund Palemon.

Ein unnützer Aufwand von Gelehrsamkeit macht die Lesung dieses Romans um so widriger, da die neueren Sitten mit denen des Alterthums auf die lächerlichste Art vermischt sind, und oft mitten in der Darstellung der Empfindungen lange Einschiebsel aus der Mythologie vorkommen. Die Liebe erscheint hier gesetzmäßig und sittlich; aber von einer reinen Seelenliebe findet man keine Spur.

Ein anderer Roman des Boccaz, L’amorosa Fiammetta, enthält die Intrigue zwischen einer verheyratheten Dame und einem jungen Mann. Die Handlung ist äußerst einfach. Fiammetta verliebt sich in den Pamfilo auf den ersten Anblick: bekämpft ihre Leidenschaft, unterliegt ihr aber am Ende. Die körperliche Vereinigung (l’ultimo termino d’amore) erfolgt, und der Liebhaber verläßt die Gefallene. Fiammetta geht durch alle Wechsel und Krisen einer unglücklichen Liebe durch.

[203] Dieß ist der höchst simple Stoff, den Boccaz behandelt hat. Eine wahre Darstellung der Empfindungen und ein schöner Styl würden dieß Werk äußerst schätzbar machen, wenn es nicht durch eine zu große Weitschweifigkeit und einen unnützen Aufwand von Gelehrsamkeit langweilig würde.

Die Bekanntschaft des Verfassers mit den griechischen Romanen ist übrigens nicht darin zu verkennen, und überhaupt ruht der Geist des Alterthums auf der ganzen Behandlung. Mir ist das Werk besonders darum wichtig, weil es das erste Beyspiel eines bürgerlichen Romans ist, den ich aus der neueren Zeit kenne, und weil es die Eingezogenheit des italiänischen Frauenzimmers im vierzehnten Jahrhunderte, und die Art der damahls herrschenden Intriguen, die gewiß nichts weniger, als rein von Sinnlichkeit waren, so auffallend darstellt.

Ganz im Geschmack dieses Romans ist ein anderer, der vom Aeneas Sylvius im Jahre 1444 unter dem Nahmen: Historia de Euryalo et Lucretia, geschrieben ist. [32] Lukretia, eine verheyrathete Dame aus Siena, verliebt sich in den Favoriten des Kaysers Siegismund, während der Anwesenheit dieses Fürsten in dieser Stadt. Die beyden Liebenden haben außerordentliche Schwierigkeiten zu überwinden, um sich nur zu sprechen. Denn die Italiäner, sagt der Verfasser, haben den Fehler, ihre Weiber wie Schätze zu verbergen, und zu verschließen. Inzwischen gelingen doch einige Zusammenkünfte unter unendlichen [204] Gefahren. Die Beschreibung der listigen Anschläge, wodurch sie zu Stande gebracht sind, giebt diesem Romane das Hauptinteresse. Endlich muß Euryalus abreisen: Lukretia stirbt vor Gram, er aber heyrathet, nachdem er sie eine Zeitlang betrauert hat, eine Dame aus fürstlichem Geschlecht, die ihm der Kayser giebt. – Auch in diesem Romane ist die Liebe sinnlich dargestellt.

Späterhin haben die Italiäner viel aus dem Spanischen übersetzt, und der Geschmack an den Ritterromanen im Geiste der Amadis, der Primaleonen u. s. w. hat überhand genommen. Mir sind aber weiter keine Originalromane dieser Art in Prosa zu Gesicht gekommen. Der Stoff zu den Heldengedichten ist aus den älteren Ritterromanen entlehnt.

Ihre Novellendichter haben die Liebe im Geschmack des Boccaz behandelt: d. h. leicht und oft ausgelassen.


Neuntes Kapitel.
Fortsetzung. Ueber die Romane der Engländer und Deutschen.

Ich bin außer Stande über die Romane der Engländer etwas mehr zu sagen, als was ich in den Reliques of ancient English Poetry finde. Nach diesen zu urtheilen, dürften die Engländer schwerlich vor dem vierzehnten Jahrhunderte Romane in ihrer Sprache geschrieben aufzuweisen haben: und selbst nach dieser Zeit ist ihr Geschmack wahrscheinlich mit dem [205] der Spanier, Italiäner und Franzosen zusammen gegangen. [33]

Die Deutschen haben sich gleichfalls diesen Nationen in ihren Romanen genähert. Ich finde in den wenigen Ritterromanen, die ich, in Ermangelung weiterer Nachrichten, für original halten muß, sehr viel Züchtigkeit und Biedersinn in der Liebe, bey einem wenig gebildeten Ausdrucke. [34]

Die späteren Romane Lohensteins, Buchholzens, u. s. w. sind Nachahmungen der gleichzeitigen französischen, nur in einem noch pomphafteren, geschmackloseren Style.

[206]
Zehntes Kapitel.
Ideen der italiänischen Dichter, und besonders des Petrarka, über Liebe und Geschlechtsverbindung.

Dante, der noch im Anfange des vierzehnten Jahrhunderts lebte, liebte Beatrix, die Tochter des Falco Pottinari, die in der Blüthe ihrer Jahre starb. Die Betrübniß unsers Dichters über ihren Verlust war so groß als seine Liebe. In den Gedichten, die er auf sie machte, herrscht der Ton der Troubadours. Ausschweifende Lobeserhebungen, Klagen über Grausamkeit, Ermahnungen zur Geduld, Hoffnungen auf den Tod, als das Ende aller Leiden, machen ihre Hauptgegenstände aus.

Uebrigens aber lehrt er an mehreren Stellen seines Inferno, daß alle übermäßige Liebe zur Kreatur Laster sey, und daß Gott als das einzige und höchste Gut über Alles geliebt zu werden verdiene. Ob er gleich von der Geschlechtsliebe keinen andern Begriff gehabt zu haben scheint, als den, daß sie eine sinnliche Leidenschaft sey; so mißbilligt er sie doch nicht, wenn sie in den Grenzen der Mäßigkeit erhalten wird. Er sieht sogar in ihr den Antrieb zu hohen Tugenden. Ja! er legt in seinem Paradiso der geliebten Beatrice, die er dort wieder antrifft, das Lob bey, daß sie seine Seele über das Irdische erhoben habe.

Ganz im Style der Troubadours haben nun auch die übrigen italiänischen Dichter vor dem Petrarka, Guido Guinicelli, Cino da Pistoja, Guido Cavalcanti, und andere mehr gedichtet. Es sind die gewöhnlichen Süjets verliebter Gedichte oft in einem höchst excentrischen und [207] hyperbolischen Style ausgedrückt, die uns weiter nicht interessieren können, als in so fern sie über den Geschmack des Zeitalters, worin Petrarka auftrat, einen nähern Aufschluß geben.

Der Nahme dieses Dichters ist noch jetzt in Italien die Losung derer, die durch ihren Glauben an den geistigen Genuß der Liebe in ihrem Dienste eine eigene Sekte bilden. Es ist höchst interessant, die Natur seiner Leidenschaft zu Lauren, und die Verhältnisse, unter denen sie sich geformt hat, kennen zu lernen, um daraus seine Begriffe über die veredelte Liebe näher zu entwickeln, und wo möglich zu bestimmen.

Petrarka ward im Jahre 1304 zu Arezzo geboren: ein Italiäner mit aller Anhänglichkeit, mit aller Vorliebe für sein Vaterland, die dieser Nation so eigen, und in Rücksicht dessen, was die Natur für dieses Land gethan hat, so gegründet ist. Sein Vater ward aus Florenz vertrieben, und ging mit seinem noch jungen Sohne nach Avignon, dem damahligen Sitze des päbstlichen Hofes. Hier ward er erzogen: hier wählte er den geistlichen Stand, um darin sein Glück zu suchen.

Dieser Umstand ist aus mehreren Gründen wichtig. Die mittäglichen Theile von Frankreich waren der Sitz der Galanterie und der Poesie der Troubadours, deren Charakter ich in dem vorigen Buche entwickelt habe. Nichts natürlicher, als daß Petrarka den Geschmack daran mit den Ideen, worauf sie beruhen, früh eingeflößt erhielt. Avignon selbst war allen Italiänern äußerst zuwider. Päbste von französischem Herkommen hatten den heiligen Stuhl aus Rom hieher verlegt, und haßten die Italiäner. Diese hingen mit schwermüthigem Zurücksehnen an ihrem Vaterlande, und waren über den [208] Vorzug, der einem fremden Volke am päbstlichen Hofe widerfuhr, äußerst erbittert. Nach ihrer Beschreibung war dieser ein Zusammenfluß von Abentheurern und Glücksrittern, die aus allen Theilen der Welt dahin strömten, eine völlige Sittenlosigkeit einführten, und durch die niedrigsten Mittel zu den ersten Stellen der Hierarchie hinaufzusteigen trachteten.

Vieles von den früheren Sitten des Petrarka, vieles von seiner nachherigen Stimmung muß aus der Lage derjenigen großen Welt erklärt werden, worin er zuerst auftrat.

Petrarka wußte früh durch seine Leibesgestalt und seine Talente die Aufmerksamkeit des großen Haufens auf sich zu ziehen: er wußte sich Freunde und Gönner zu machen, die er Lebenslang behielt. Petrarka hatte von der Natur einen unbestimmten Trieb nach Hervorragung erhalten. Er war eitel auf seine Figur und auf die Gaben seines Geistes. Noch in seinem Alter gefällt er sich dabey uns mit zweydeutiger Bescheidenheit zu sagen, daß die Vorübergehenden, durch seine körperliche Schönheit angezogen, stehen geblieben, und, ihm zum Ueberdruß und Ekel, mit Fingern auf ihn gewiesen hätten. Er klagt sich an, Tagelang mit dem Schmuck seiner Haare zugebracht, die Reinlichkeit seiner Kleidung ängstlich besorgt, und sich den Beschwerlichkeiten gewisser Trachten zur größern Zierde seines Aeußeren unterworfen zu haben. Das Gefühl seines Werths, welches durch eine astrologische Prophezeihung noch verstärkt wurde, gab ihm ein Selbstvertrauen, vermöge dessen er sich der größten Ehrenstellen würdig, und fähig hielt, auf Alles Anspruch zu machen. Er versuchte das, was man in der Welt sein Glück machen nennt, und trat [209] in den geistlichen Stand, den einzigen, jedoch damahls ziemlich sichern Weg, bey einigen Talenten, zu Macht, Ansehn und Reichthümern zu gelangen.

Aber Petrarka hatte nicht die nöthigen Anlagen, um sich in der politischen Laufbahn auszuzeichnen. Er suchte daher einen andern Ausweg für seine Ruhmsucht, und strebte nach litterärischem Ruf.

Was gemeiniglich verbunden zu seyn pflegt, er war zugleich eitel und sinnlich. Noch in seinem spätern Alter klagt er über ein beynahe unbezwingbares Temperament. Inzwischen erhielt eine sehr religiöse Erziehung ihn lange in den Grenzen der Zucht und der Ehrbarkeit. In Avignon rissen ihn böse Beyspiele hin, er ward ausschweifend, und um diese Zeit war es, als er Lauren kennen lernte.

Wir wissen wenig von Lauren. Man hat sogar ihre Existenz bezweifelt: man hat sie für eine allegorische Person gehalten, für den Lorber, den Preis der Dichtkunst, mit dem Petrarka in Rom gekrönt wurde, und dem er lange nachstrebte. Allein die Wirklichkeit ihrer Person, als Geliebten des Petrarka, scheint außer Zweifel zu seyn, wenn gleich die Aehnlichkeit der lateinischen und italiänischen Benennung des Lorbers, (Laurus, Lauro) und des poetischen, aus Blättern dieses Baums geflochtenen Kranzes, (Laurea) mit dem Nahmen der Geliebten, für den nach Liebe und Ruhm gleich strebenden Dichter kein unbedeutender Zusatz gewesen seyn mag. Vielleicht ist es schon dem Genius der Zeiten angemessen, daß witzige Verbindungen entfernter Verhältnisse nicht bloß gedacht, sondern gefühlt wurden. Hier lag ohnehin das Verhältniß ziemlich nah. Apollo, der Gott [210] der Dichtkunst, hatte Daphnen geliebt: er war nicht erhört worden: er hatte kalten Lorber statt eines warmen Herzens gefunden; aber der Baum war seit der Zeit dem Gotte und Allen, die er begeistert, geheiligt gewesen. Petrarka liebte Lauren: auch er erwärmte nicht ihr Herz; aber die Gedichte, die er auf sie machte, erwarben ihm den Lorberkranz. Und gewiß! manches Gefühl, das ihm Ehrgeitz einflößte, ward auf Rechnung der Liebe gesetzt: manche Empfindung der Liebe unterstützte den Ehrgeitz. Man hat mit Recht gesagt, Petrarka würde nicht berühmt seyn, wenn er nicht geliebt hätte. Man kann vielleicht mit eben dem Rechte sagen, er würde nicht so geliebt haben, wie er that, wenn er nicht ruhmsüchtig gewesen wäre.

Wahr bleibt es inzwischen, Petrarka hat eine Dame, die er unter dem Nahmen Laura besang, wirklich gekannt, und bey seinen Gedichten vor Augen gehabt: eine verheirathete Dame von Stande, nach der Sitte der Troubadours. Aber haben bey seinen Gedichten lauter wahre Situationen zum Grunde gelegen: waren seine Poesien lauter Ausbrüche wahrer Empfindungen? Schwerlich! In seinem Verhältnisse zu Lauren muß allerdings die Veranlassung zu der verliebten Stimmung seiner Muse, nicht aber der Grund zu jedem einzelnen Sonett, zu jeder einzelnen Canzone gesucht werden.

Petrarka zeichnet seine Geliebte schön von Körper und Seele. Inzwischen erhellet aus einigen Stellen seiner Gedichte und Schriften, daß Fremde die Höhe seiner Leidenschaft durch die persönlichen Vorzüge des Gegenstandes nicht völlig gerechtfertigt gefunden haben. In ihrem Betragen gegen ihn erscheint sie als eine [211] Frau, der Mangel an Leidenschaft die Sorge für ihre Ehre erleichterte; über den Vorwurf einer eitlen Gefallsucht nicht völlig erhaben. Durch Anziehen und Zurückstoßen (hor benigne accoglienze ed hora Sdegni[WS 13]) hielt sie den nicht erhörten Liebhaber zwanzig Jahre lang in ihren Fesseln.

Dieser entbrannte nicht gleich für sie von einem heiligen Feuer. Er suchte Befriedigung gewöhnlicher Triebe. Aber Laura war verheirathet: sie hielt auf Anstand und Tugend, und wieß den andringenden Jüngling zurück mit den Worten: ich bin nicht diejenige, für die du mich hältst.

„Die Weigerungen der Keuschheit, sagt Montaigne, mindern die Liebe nicht.“ Gewiß nicht bey Seelen, die Gefühl für das sittliche Schöne haben! Und am wenigsten bey Männern von feuriger Imagination, bey Dichtern aus der Periode, worin Petrarka lebte. Hatten nicht die Troubadours, seine Vorgänger, Damen ihres Herzens gehabt, deren Bild, Vorzüge, Strenge, der Gegenstand ihrer Verse gewesen war? War nicht der Grundsatz unter ihnen allgemein, daß ein zu leichter Sieg der Liebe alle ihre Reitzungen nehme? Petrarka fing an zu achten, anzubeten, zu besingen: Seine Leidenschaft erhielt eine neue Spannung.

Es war die Spannung der Eitelkeit, sich geliebt zu wissen, und den äußern Umständen, nicht dem Herzen, diejenige Weigerung verdanken zu wollen, welche seine gröberen Begierden erfuhren. Ein unzweydeutiges Zeichen des innern Kampfes der Leidenschaft mit der Pflicht, wie selig würde es ihn gemacht [212] haben! Aber auch diese Forderung ward nicht gewährt, und nun will er brechen, eine Leidenschaft aus seinem Herzen vertilgen, die nicht einmahl durch Hoffnung auf Gegenliebe genährt wird. Er steht auf diesem Punkte, und ein minder ernster Blick, ein halbfreundliches Wort hält ihn auf: ja! beflügelt ihn zu den verwegensten Wünschen. „Daß ich nur eine Nacht mit ihr zubringen könnte, ruft er in einer seiner Sestinen aus, nur eine Nacht beym Schein des Mondes in der Dickung des Gehölzes, und daß dann nie die Morgensonne wieder für mich aufgehe!“

Vergebliche Hoffnungen, vergebliche Wünsche! Laura liebt seine Aufwartung, nicht seine Person. Er klagt, er klagt in Versen. Die Liebe findet keine Erhörung, aber des Dichters Ruhm wird verbreitet: seine Sonnets gehen von Munde zu Munde, sie sind die Unterhaltung aller Menschen von Gefühl und Geschmack. Die unglückliche Liebe bringt also doch Früchte, giebt doch Genuß, freylich nicht für sich selbst, aber für die Ruhmsucht des verliebten Dichters, dessen andere beynahe gleich starke Leidenschaft sie war!

Und dieser litterärische Ruf wird unserm Petrarka doppelt interessant, da er auf seiner politischen Laufbahn lauter Versagungen findet. Er wirbt um den Dichterkranz, der ihn für die aufgegebene Bürgerkrone schadlos halten soll. Er fühlt, daß er zu diesem Kranze durch seine Gedichte an Laura die schönsten Blätter flicht, und daß er wieder diese der Begeisterung für seine Dame verdankt. So findet er in seiner Liebe zu gleicher Zeit Mittel, sich für die Versagungen einer Art des Ehrgeitzes zu trösten, und eine andere Art desselben zu befriedigen.

[213] Aber nicht bloß den Schriftsteller machte die unglückliche, und eben daher der Begeisterung günstigere Liebe interessanter. Auch der Mensch im gemeinen Leben zeichnete sich aus durch den hinschmachtenden, schmelzenden Zustand der Leidenschaft, besonders nach den Begriffen des damahligen Zeitalters. Man sahe die begeisterte Empfindsamkeit als ein Zeichen des Edelsinns an. Man fand in der Zurückgezogenheit von Zerstreuungen und rauschenden Freuden, in der Beschränkung seiner Wünsche, in der Aufopferung für eine gesellige Leidenschaft, eine Erhöhung über die niedere Sinnlichkeit, und über den gröberen Egoismus. Selbst in Thränen unerhörter Liebe Wollust zu finden; ihre Qualen jedem Vergnügen, das sie nicht giebt, vorzuziehen; lieber für seine Dame sterben, als bey einer andern das höchste Glück genießen wollen; das waren Ideen, welche die damahlige Zeit bewunderte, schön fand, und welche die Werke der Troubadours und die Romanciers ausgebreitet hatten. Petrarka war mit ihrem Geiste vertraut.

Unzufriedenheit mit seiner Lage, Kränklichkeit, Launen, zwangen Petrarka oft, die Welt und seine Verhältnisse zu ihr in der Einsamkeit zu vergessen. Hier ward es ihm besonders wichtig, ein Bild mit sich herumzutragen, das seine Phantasie füllen, und diese zur verschönernden Schöpfung auffordern konnte. Die Hemmung seines Triebes nach Vereinigung mit seiner Geliebten leistete ihm hier mehr Diensie, als ihre Begünstigung, und die Entfernung ließ seiner Imagination ein freyeres Spiel, als die Annäherung.

Petrarka war sinnlich: aber er hatte Gefühl für Zucht und Reinheit der Sitten. Sein Stand und [214] sein Herz legten ihm Keuschheit als Pflicht auf. Er verachtete sich selbst, wenn er gefallen war; so sagt er es selbst, und es ist zu glauben. Seine Leidenschaft zu Lauren schlug seine Begierden nieder: sie bewahrte ihn vor groben Ausschweifungen. So erleichterte sie ihm die Mittel, sich selbst zu achten, und seine Leidenschaft veredelte sich vor seinen Augen durch ihre Folgen.

Petrarka war devot. Alle zärtlichen Seelen, alle reitzbaren Imaginationen sind es, aber er ward dazu als Geistlicher und nach der Denkungsart seines Zeitalters doppelt aufgefordert. Freunde und Feinde machten ihm Vorwürfe über seine Liebe zur Kreatur. Der Kampf, den seine Seele empfand, verstärkte seine Leidenschaft: er suchte seine Schwäche mit seinem Gewissen auszusöhnen. Was er war, war er ja durch Lauren! Sie hatte ihn von größeren Lastern befreyet! Sie hatte ihn das Eitle ehrgeitziger Wünsche kennen gelehrt! Und seine Triebe zu ihr sind so rein! Was er an ihr liebt, sind ihre Vollkommenheiten, ihre Tugenden! Religiöse Schwärmerey gesellt sich zur Liebe: Er verehrt das höchste unsinnliche Wesen in dem vollkommensten seiner sichtbaren Werke.

Petrarka war ein enthusiastischer Verehrer des Alterthums. Er strebte unaufhörlich, die Denkungsart der Griechen und Römer zu seiner eigenen und zu der seines Zeitalters zu machen. Als er im Plato Ideen fand, die mit seiner Lage und mit seiner Denkungsart im Verhältnisse standen; wie reitzend mußten sie ihm nicht schon darum seyn, weil sie das Ehrwürdige des Alterthums für sich hatten!

[215] Aus diesen Zügen läßt sich die Natur des Verhältnisses erklären, worin Petrarka mit Lauren stand. Es war nicht Liebe: es war begeisterte Empfindsamkeit, die sie ihm einflößte. Er strebte, seine Phantasie mit einem Ideale zu täuschen, wozu ihm Laura bloß den Stoff hergegeben hatte, theils um in dem Zustande der Spannung seiner edelsten Kräfte zu schwelgen, theils um den Stolz zu nähren, sich selbst so außerordentlich liebend zu fühlen, und seine Ruhmsucht zu befriedigen, von Andern für den lieblichsten Sänger der Liebe gehalten zu werden. Laura’s Bild in der idealisierten Gestalt, die er ihm gegeben hatte, fing am Ende an, ihn völlig zu besitzen. Aber mehr aus einem angewohnten Bedürfnisse, als aus anhaltender Leidenschaft. Diese hat nun wohl Petrarka überhaupt für Laurens Person nicht empfunden: und wenn gleich einzelne leidenschaftliche Aufwallungen darauf schließen lassen; so bemerkt man doch im Ganzen eine Nüchternheit des Herzens, welche die Oberherrschaft des Triebes, seinem Kopfe eine angenehme Unterhaltung zu verschaffen, über die sympathetischen Neigungen deutlich zu erkennen giebt.

Mit einem Worte: Petrarka’s Liebe zu Lauren war eine angewöhnte begeisterte Empfindsamkeit, vermöge deren er das Bild ihrer Person und seines Zustandes im Verhältnisse zu ihr zu idealisieren, und dadurch die Vorstellung von seinem Selbst zu verschönern suchte.

Nur dadurch wird es begreiflich, wie Petrarka den größten Theil seines Lebens in einer Stimmung habe zubringen können, die, wenn sie Folge einer Leidenschaft nach Vereinigung der Personen gewesen [216] wäre, ihn um den Verstand hätte bringen müssen. Nur dadurch wird es begreiflich, wie er in seinen gelehrten Schriften so ruhig, so kalt, so überlegt, und in seinen verliebten Gedichten so schwärmerisch erscheinen kann. Seine Neigung zu Lauren hatte nie sein ganzes Wesen eingenommen. Sie beherrschte nur seine Phantasie, und ließ ihn kalt, wo er von dieser keinen Gebrauch machte. Lächerlich ist es, ihn als das Modell des uneigennützigsten Liebhabers aufzustellen. Er war so eigennützig als möglich; aber seine Selbstheit war von feinerer Art: sie war auf sympathetische Neigungen geimpft. Man kann ihm kein Verdienst aus seiner Beständigkeit und seiner Geduld machen. Er verzärtelte sich in seinem leidenden Zustande wie gewisse Kranke, die das körperliche Mißbehagen, das sie vor ihren eigenen und fremden Augen interessant macht, gegen das Bewußtseyn der vollkommensten Gesundheit, das sie in die Reihe gewöhnlicher Menschen zurückversetzen würde, nicht vertauschen möchten.

Den Beweis dieser Behauptung liefern alle Schriften des Petrarka, liefern alle Nachrichten, die er uns von seinem Leben hinterlassen hat.

Es ist schwer, einzelne Stellen auszuheben, die völlig beweisend sind, da der Charakter sich aus einer Menge kleiner Züge am besten zusammensetzen, und aus dem Geiste, der das Ganze belebt, am sichersten herausahnen läßt. Inzwischen will ich doch Einiges anführen. Er selbst gesteht, daß er seine Laura nie reitzender gefunden habe, als in der Abwesenheit von ihr: daß seine Imagination sie um so reitzender ausgemahlt habe, je entfernter sie von ihm gewesen sey. [217] Er sagt uns, daß er jene wollüstigen Schauer geliebt habe, welche eine Mischung von heftiger Erschütterung der Lebensgeister und nachdehnender Mattigkeit zum Grunde hätten! – Eine deutliche Bezeichnung jener Lüsternheit der Seele, die in der Spannung einer süßen Melancholie ihre größten Freuden sucht!

Auf einer Reise, die ihn von Laura entfernte, wirft er in einem Sonnet die Frage auf: wie es möglich sey, daß er, als der Körper, von Lauren, seiner Seele, entfernt leben könne? und er beantwortet diesen Zweifel mit der Bemerkung: es sey das Vorrecht der Liebenden, entbunden von allen menschlichen Eigenschaften zu leben.

Ich gebe es gern zu: in den Zeiten, worin Petrarka lebte, lag Vieles, was uns jetzt weit hergehohlt, und bloße Sache des Kopfs zu seyn scheint, dem Herzen näher, und ward nicht bloß bemerkt, sondern gefühlt. Ich will daher gern unsern Dichter von dem Vorwurfe frey sprechen, diese entfernten Verhältnisse mühsam herbeygezogen zu haben, um witzig zu scheinen. Aber wahre Wesenverwebung, Leidenschaft der Liebe, oder auch nur der Geschlechtssympathie wirft solche Zweifel nicht auf, und beantwortet sie nicht auf diese Art.

Beynahe in allen seinen Sonnets und Canzonen liegt etwas Spielendes, das freylich nicht auf einen Mangel an wahrer Empfindung, wohl aber auf einen Mangel an jenen sympathetischen und liebenden Neigungen schließen läßt, die sich mehr mit der Person, als mit ihren Zufälligkeiten zu vereinigen suchen. Alles, was Lauren umgiebt, Alles, was von ihr ausgeht, wird zu einem Stoffe, der seine Phantasie zur sinnlichen Verschönerung, oder zur Vergeistigung auffordert. Er ruhet auf dieser Beschäftigung und Sorge mit einer Genügsamkeit, [218] mit einer Muße, welche mit der einseitigen Belustigung eines angenehm Träumenden, und zuweilen eines Entzückten die größte Aehnlichkeit hat. Seine Schwermuth hat nicht den zärtlichen Ausdruck eines Tibull, nicht die Energie einer Sappho: sie gleicht ganz der Stimmung eines Weichlings, der in der Auflösung und hinschmelzenden Abspannung seiner Kräfte das sicherste Mittel zu einem üppigen und behaglichen Zustande findet. Nie überschreitet er in seinen Klagen und Vorwürfen die Grenzen der Ehrfurcht und Demuth: er genießt in seiner Niederwürfigkeit vor dem angebeteten Gegenstande die ganze Süßigkeit, welche diesen Zustand den Schwärmern in ihren Verhältnissen zu Gott so angenehm macht. Darum ladet er uns auch nie zu peinlichen Empfindungen des Mitleidens ein. Wir halten es gern mit ihm aus, uns mit einiger Mischung von Schmerz anzapfen und dehnen zu lassen, und der Eindruck, der nachbleibt, ist im Ganzen sanfte Spannung, süße Melancholie!

Wie leicht konnte Petrarka in einer solchen Stimmung die Abwesenheit von seiner Geliebten ertragen! Beym Anblick der schönen Ufer der Loire, welche die Mauern Avignons, ihres Wohnorts, bespühlt, geräth er in die höchste Bewegung: er eilt sich ihr zu nähern. Aber kommt nur bis Lyon, und obgleich nur wenige Meilen von Avignon entfernt, bleibt er an dem ersten Orte die heiße Jahreszeit über ruhig liegen.

Petrarka fürchtet seine Geliebte durch Krankheit zu verlieren. Ueberläßt er sich verzweiflungsvoll den Empfindungen seines Unglücks? Nein! er untersucht den Platz, den sie unter den Sternen am Himmel einnehmen würde. „Stellt sie sich zwischen der Venus und dem [219] Mars, sagt er, so wird sie die Sonne verdunkeln; denn alle auserwählten Seelen werden sich zu ihr drängen, ihre unendliche Schönheit zu bewundern. Stellt sie sich unter der Sonne hin, so verfinstert sie alle Planeten, und sie allein wird man nennen. Im fünften Zirkel wird sie nicht wohnen wollen; aber fliegt sie noch höher; so wird sie, das weiß ich gewiß, alle andern Sterne auslöschen.“

Welcher Frost, welcher Schwulst, welche Kostbarkeit, wird man ausrufen! Und mit Recht, sobald man bloß die Lage eines Verliebten betrachtet. Aber man darf deßhalb nicht annehmen, daß Petrarka sich in die Gefühle, welche solche Bilder hervorbringen, willkührlich hineingelogen habe. Sie liegen nicht dem Herzen, wohl aber dem Beschauungshange ganz nahe, sobald man das Zeitalter des Petrarka, und den Werth, den er auf den platonischen Mythus, nach welchem reine Seelen nach ihrem Tode irgend einen Stern beleben, in Anschlag bringt. Die verweilende, beynahe ins Kindische fallende Spielerey mit diesem Bilde gehört freylich nicht dem Manne, der mit der Person seiner Geliebten Alles auf dieser Welt zu verlieren fürchtet; aber sie ist demjenigen eigenthümlich, der an ihrem Bilde hängt, und in dessen Verschönerung seinen süßesten Genuß findet.

Einst als er an den Küsten von Toskana nach einer Seereise aus der Provence aussteigt, ist das erste, was ihm in die Augen fällt, ein Lorberbaum. Bey diesem Anblicke sinkt er ohnmächtig zu Boden, und in eine Quelle, die zu den Füßen des Baumes rauscht. Was ist seine Empfindung dabey? Er erröthet vor sich selbst: er freuet sich, daß nun seine Füße naß geworden sind, statt daß ehmahls seine [220] Augen weinten, und hofft, daß ein anderes Klima diese trocknen werde.

Gewiß hat Petrarka seine Phantasie mit vielen Bildern unterhalten, welche der gute Geschmack nicht billigen kann. Aber daneben finden wir auch andere, (und dieser ist gewiß die größte Anzahl,) welche auch die kältesten Seelen zur Bewunderung und zum Antheile an seinen Schönheitsgefühlen einladen, und zugleich einen erhöheten Reitz durch die sympathetischen Züge erhalten, die ihnen beygemischt sind.

Seine Sonnette und Kanzonen sind zu bekannt, als daß ich sie hier anführen sollte. Aber ich kann der Versuchung nicht widerstehen, eine der rührendsten Stellen aus seinem Triomfo della morte auszuheben. Nach diesem Gedichte erschien ihm seine Laura an eben dem Tage, als sie zu einem bessern Leben überging. Sie preiset sich glücklich: sie fängt nunmehro erst an zu leben, und Petrarka ist noch todt, wird todt bleiben, bis die letzte Stunde kommt, die ihn von dieser Erde weghebt. Sie geht eben so gern zum Himmel über, als der Verwiesene, der nach einem langen Elende wieder in sein Vaterland zurückkehrt. Ihr einziger Kummer ist, daß sie den Petrarka zurücklassen muß. – „Ist es möglich? ruft dieser. O sage mir, ich beschwöre dich darum bey der treuen Liebe, die ich so lange für dich gehegt habe, und die dir nicht zweydeutig seyn kann, hast du wirklich Mitleiden mit meiner Marter gehabt? Hab’ ich mich nicht betrogen, wenn ich in deinen Blicken und Worten bey mancher Aeußerung von Strenge auch Güte habe durchblicken sehen, und dadurch lange Jahre in Zweifel über deine wahren Gesinnungen geblieben [221] bin?“ – Ein sanftes Lächeln überglänzte hier der Geliebten Antlitz. „Du hast stets mein Herz gehabt, sprach sie. Aber das Uebermaß deiner Leidenschaft erlaubte mir nicht, mich dem Ausbruch der meinigen zu überlassen. Ich mußte dir den wahren Zustand meines Herzens verhehlen, um unsern Ruf und unsere Seelen zu retten. Tausendmahl war der Ausdruck des Zorns auf meinem Gesichte, und brennende Liebe in meinem Herzen. Ach! die Gefühle, welche die Vernunft zu verhehlen befiehlt, sind nicht selten gewaltsamer, als diejenigen, die man ausläßt! Wie oft warf ich dir einen Blick voll Güte zu, wenn ich dich der Verzweiflung nahe sah! Wie oft drückten sich Schmerz und Furcht über deinen Zustand in meinen Mienen aus! Erinnre dich des Tages, da wir allein waren, und ich die Verse gütig aufnahm, die du mir mit den Worten überreichtest:“ das ist Alles, was die Liebe sagen darf! „Durfte die meinige mehr sagen? Nichts mißfiel mir in deiner Leidenschaft, als das Uebermaß. Deine Aufführung machte sie der ganzen Welt kund. Ich wechselte oft mit strenger und sanfter Behandlung ab; aber dieser Kunstgriff war nöthig, um dich und meine Tugend meinem Herzen zu sichern. Beydes nehm’ ich mit mir von der Erde weg, und das macht mein Glück und meinen Stolz aus. Mein Nahme ist durch deine Gedichte überall hin verbreitet: er wird mich überleben. Ich danke dem Schicksal: nur hätte ich in deinem Italien geboren werden mögen! Doch sollte mir das Land nicht gefallen, worin ich dir habe gefallen können? Wer weiß, ob nicht dein Herz, das jetzt meinen ganzen Stolz ausmacht, an diesem Aufenthalte deiner Jugend für einen andern Gegenstand entbrannt [222] seyn würde! – Nie! rief Petrarka, nie! Die Natur schuf mich, um dich anzubeten!“– Der Morgen brach an, und Laurens Gestalt verschwand in den Lüften. –

Ein Paar Züge in Petrarka’s Charakter scheinen mir noch merkwürdig, um die Natur seiner Schwärmerey und seiner Liebe zu entwickeln. Das Außerordentliche, das Seltene, das Alte beflügelte leicht seine Imagination, und riß sein Herz mit sich fort. Er liebte den Aufenthalt in Mayland, mit aus der Ursach, weil er nahe an der Kirche des heiligen Ambrosius lebte. Der leidenschaftliche Antheil, den er an der Revolution des Rienzi nahm, der die römische Republik wieder herstellen wollte, gehörte weit mehr dem Reitze, den das Bild des wiederkehrenden Alterthums für ihn hatte, als der Ueberzeugung von der innern Güte der Sache selbst. Denn mit gleichem Enthusiasmus sehen wir ihn in der Folge für die Wiederherstellung[WS 14] der römischen Monarchie durch den Kayser Karl den Vierten, und sogar für die Wiederkehr des Sitzes der päbstlichen Hierarchie in den Mauern Roms sich interessieren. Ja! der schwärmerische Republikaner hing sich sogar an den größten Despoten von Italien, Johannes Visconti, trat in seinen Rath, und nahm Theil an den Planen, die Genua’s Freyheit untergraben sollten. Warum? weil, wie er selbst sagt, Johann Visconti ihm mehr Ehre erwies, als er verdiente, erwartete, und wünschte.

Ueberhaupt ist Eitelkeit, oder vielmehr Ruhmsucht, ein Hauptzug in seinem Charakter gewesen. Er schreibt an einen Griechen, daß er dem Kayser von Konstantinopel eben so bekannt zu seyn wünsche, als dem Kayser des Abendlandes. Auch Beweise einer enthusiastischen [223] Bewunderung von Personen niedern Standes reitzten ihn durch das Ungewöhnliche in der Hingebung. Ein Goldschmidt, dem die Liebe zu den Wissenschaften den Kopf verrückt hatte, opferte sich auf um der Ehre willen, mit Petrarka in Verbindung zu stehen. Er bewies ihm eine Art von Abgötterey, und Petrarka ward so sehr dadurch gerührt, daß er Gefälligkeiten gegen ihn hatte, die er für keinen Großen der Erde gehabt haben würde.

Was mit einer lebhaften Imagination leicht vereinigt zu seyn pflegt, Veränderlichkeit in den Neigungen, zeichnete besonders unsern Petrarka aus. Er ward von einer beständigen Unruhe getrieben, seinen Wohnort zu verändern, und kaum war er an dem neuen angelangt, so sehnte er sich wiederum nach demjenigen zurück, den er verlassen hatte. Würde, fragt man billig, dieser Mann nicht eben so mit Herzen gewechselt haben, wenn er dasjenige wirklich eingenommen hätte, nach dessen vollkommenem Besitz er vergebens strebte? „Das Einerley, sagte er, ist die Mutter der Langenweile. Ich suche beyden zu entgehen, indem ich oft meinen Aufenthalt verändere.“

Er hing sich mit unendlicher Wärme an seine Freunde. Wenn er sie nicht sah, so nahm er, wie er selbst sagt, seine gewöhnliche Zuflucht zu seiner Einbildungskraft, und dachte sie sich, als wenn sie gegenwärtig wären. Die Besorgniß, sie zu verlieren, war ihm peinlicher, als der Schmerz über ihren Verlust.

Er war über mehrere Vorurtheile seiner Zeit erhaben, ohne sich ganz von den Fesseln seiner Erziehung frey machen zu können. Er glaubte, wenigstens in den letzten Jahren seines Lebens, weder an astrologische [224] Weissagungen, noch an die Unfehlbarkeit des Pabstes; aber desto mehr an Träume, an Vorahnungen, und sogar an die Kraft der Steine, den Menschen, der sie trüge, unüberwindlich zu machen.

Noch ein Zug, der das Verhältniß seiner Vernunft zu seiner Einbildungskraft beweiset: er liebte die Karthausen und ihre Bewohner. Er hatte einen Bruder, der selbst dieß Gelübde auf sich genommen hatte. Auch lebte er gern in ihrer Nachbarschaft, füllte seine Phantasie gern mit den Bildern, die sie bey ihm erweckten; aber das Gelübde selbst auf sich zu nehmen, dazu fehlte es ihm an Muth. Er liebte die Einsamkeit, aber keine völlige Abgezogenheit von der Welt, und seine Freyheit ging ihm über Alles.

Diese Züge rechtfertigen also gewiß den Charakter, den ich vorhin unserm Petrarka und seiner Liebe beygelegt habe. Weich, sinnlich, eitel von Natur, nicht ohne Anlagen zu wohlwollenden geselligen Neigungen überhaupt, und zu zärtlicher Anhänglichkeit und Angewöhnung an bestimmte Personen, war er dennoch zu einer anhaltenden, sich aufopfernden Leidenschaft ursprünglich nicht geschaffen. Das Verhältniß, worin er zu Lauren stand, beruhte nicht auf Leidenschaft nach Vereinigung der Personen; es war eine angewöhnte gespannte Lage, eine zur Natur gewordene begeisterte Empfindsamkeit. Will man diesen Zustand Leidenschaft nennen, so war es Leidenschaft der Selbstheit, die den Beschauungshang und die sympathetischen Neigungen dazu nutzte, den Geist in einer üppigen, hinschmelzenden Spannung zu erhalten. Seine Schwärmerey war nicht von finsterer und wilder Art. Sie war auch nicht von der Stärke, um ihm das richtige Urtheil über [225] die Verhältnisse zu seiner Sinnlichkeit und Vernunft zu rauben. Er würde sich gewiß nicht wie eine Sappho ins Meer gestürzt, oder wie ein Rance in ein Karthäuserkloster geworfen haben. Er vergaß sich selbst und sein Verhältniß zu den Dingen um ihn her nie weiter, als es nöthig war, um seiner Imagination ein freyes Feld zu lieblichen Schöpfungen zu lassen. Er liebte nicht Lauren selbst, sondern die Bilder, die er von ihrer Person und ihren Beschaffenheiten aufnahm, und vermittelst seines Schönheitssinnes verarbeitete.

Das Außerordentliche in dieser Stimmung ist bloß die Dauer derselben, der Reichthum und die Vortrefflichkeit der Bilder, die sie ihm eingab. Aber die Dauer läßt sich aus den Lagen und Umständen erklären, die ich vorhin entwickelt habe. Der Reichthum gehört großen Theils seinen Vorgängern, den Alten und den Troubadours. Die mehrsten seiner Bilder findet man schon bey diesen. Petrarka hatte weit mehr Talent als Genie, weit mehr Kunst, zu bearbeiten und auszuschmücken, als zu schaffen. Seine Bekanntschaft mit den Alten, und besonders mit den Ideen des Plato, hatte aber seinen Geschmack gebildet, und erhob ihn über die Dichter seines Jahrhunderts und der beyden vorhergegangenen. Daher finden wir so viel schönere und so viel erhabenere Bilder bey ihm als bey seinen Vorgängern.

Es läßt sich nach dem Charakter des Petrarka und nach der ganzen Art seines Genies kaum erwarten, daß er ein völlig zusammenhängendes System über die Liebe gehabt habe. Diejenigen, welche ihm das System des Plato beylegen, haben wahrscheinlich das Charakteristische des letzten nicht völlig begriffen. [226] Es läßt sich kaum von Petrarka erwarten, daß er völlig in die Ideen dieses Philosophen der Vorzeit eingedrungen seyn sollte, um so mehr, da dieser sich darüber nicht völlig einstimmig mit sich selbst in allen seinen Schriften äußert.

Es läßt sich nicht läugnen, daß beyde aus der Vereinigung mit den Gegenständen ihrer Anhänglichkeit einen geistigen Genuß zu ziehen gesucht haben. Eben so wahr ist es[WS 15], daß beyde behauptet haben, das Geistige verdiene in der Liebe den Vorzug vor dem Körperlichen, oder sey vielmehr einzig würdig, geliebt zu werden. Endlich kommen beyde darin überein, daß sie in der Liebe einen Anreitz zur Tugend finden, und sich durch die Bewunderung der physischen Schönheit zur geistigen, und von dieser sogar zu dem übersinnlichen und höchsten Wesen erheben wollen. Aber dieser anscheinenden Aehnlichkeit ungeachtet trifft man bey genauerer Prüfung dennoch eine große Verschiedenheit unter ihnen an.

Petrarka dachte über die Liebe ganz anders als Dichter und als Laurens Liebhaber, ganz anders als Moralist. In dieser letzten Eigenschaft verdammte er alle Liebe zur Kreatur, und glaubte, daß alles falschen Adels ungeachtet, welchen man dieser Leidenschaft beyzulegen suche, sie allemahl auf Sinnlichkeit beruhe, von der Liebe zu Gott und von der Religion abziehe, die besten Kräfte des Menschen verzehre, und folglich sowohl den Pflichten gegen das höchste Wesen, als gegen uns selbst und die Gesellschaft entgegen sey. Das Beste, was sie allenfalls einflöße, sey die Begierde nach Ruhm, mit der der Mensch aber gleichfalls nicht weit reiche.

[227] Dieß erhellet ganz deutlich aus seinen Unterredungen mit dem heiligen Augustin, worin dieser Kirchenvater offenbar die Rolle des bessern Selbstes unsers Petrarka übernimmt. Es erhellet aus seinen Briefen an den Pater Dionysius, und es liegt in den Begriffen seiner Zeit über Tugend und Religiosität.

Schon hier eine auffallende Verschiedenheit vom Plato, nach dessen sittlichen Begriffen die Liebe wirklich ein Weg zur Tugend, und ein Mittel zur Veredlung des Geistes und des Herzens war.

Wir können also bloß die Denkungsart des Petrarka als Dichter mit dem Systeme des Plato vergleichen. Hier fällt es wieder auf, daß die Ideen, welche dieser dem Sokrates in seinem Gastmahle in den Mund legt, mit den Schwärmereyen des Petrarka gar keine Aehnlichkeit haben. Jener Zug zur Urschönheit für ewige Harmonie und Vollkommenheit genommen, aus dem Plato dort den Zug zur Schönheit überhaupt, und weiter hinunter zur Unsterblichkeit, ja! sogar zur physischen Zeugung erklärt, war gewiß für den Petrarka zu abstrakt, als daß er ihm auf die Spur hätte kommen sollen. Auch findet man davon bey genauer Prüfung keine Spur in seinen Schriften. Näher stimmt er mit den Ideen des Plato in seinem Phädrus zusammen, worin dieser die erhaltenen Begierden als ein Mittel zur Begeisterung für das Edle und Schöne, nach den Begriffen seiner Zeit, betrachtet.

Allein die Begeisterung, welche Plato von der Unterjochung der Begierden erwartet, war rüstig, unternehmend, wacker. Hingegen ist diejenige, auf welche Petrarka rechnet, hinschmelzend und träumend. Auch waren sie in ihren Begriffen von der Art der Vereinigung, [228] von dem Genusse des Geistigen, und von Tugend, Edelsinn und Schönheit sehr von einander abweichend.

Plato’s Liebhaber strebt nach Annäherung an den geliebten Gegenstand, um mit ihm gemeinschaftlich nach Bürgertugend zu ringen, sich dadurch über eine niedere Sinnlichkeit zu erheben, und mittelst dieser Vorbereitung der Wiedererlangung des verlornen Platzes in der Oberwelt würdig zu werden. Von der Ahnung einer schönen Seele aus einem schönen Körper ist dem Plato nichts bekannt, noch weniger sucht der Liebhaber, den er darstellt, seinen Liebling unter idealischen Gestalten zu sehen, sich Träume von ihren glücklichen Verhältnissen zu bilden, und überhaupt Genuß aus einer unglücklichen Liebe zu ziehen. Am wenigsten denkt er an die religiösen Ideen der neueren Zeit, den Werkmeister in seinem schönsten Werke zu bewundern, und in den Sitten seines Lieblings ein Bild des himmlischen Lebens zu finden. Ja! das ganze Verhältniß, welches zwischen dem griechischen Liebhaber und seinem jüngeren Lieblinge Statt fand, ließ die Ideen der neueren Galanterie, die Niederwürfigkeit vor seinen höhern Verdiensten, der Ausgleichung seines Werthes und Rufs, überall nicht zu.

Beym Petrarka ist die edlere Liebe ganz auf das Verhältniß eines unglücklichen Liebhabers zu einer Dame, die an Stand und innerer Würde über ihn erhaben ist, berechnet. Nach ihm beruht jede zärtliche aber leidenschaftliche Anhänglichkeit an einer Person von verschiedenem Geschlechte auf der Begierde, wieder geliebt zu werden, und durch den Besitz ihres Herzens zugleich einen Anspruch auf Alles zu erhalten, was Seele und Körper in der engsten Verbindung sich einander geben [229] können. Wenn aber äußere Umstände, oder gar Mangel an Gegenliebe, eine völlige Vereinigung hemmen; so bleibt dem Liebhaber in seiner unglücklichen Liebe dennoch ein Genuß übrig. Petrarka drückt dieß so aus: „Hoffnung und Liebe nisten sich zusammen im Herzen ein. Aber wenn auch jene verschwindet, so bleibt doch diese zurück!“

Diese Liebe des unerhörten Liebhabers bildet sich dann die Person des Geliebten und alle seine wirklichen und möglichen Verhältnisse unter den schönsten Gestalten. Schon diese Beschäftigung der Imagination ist ein geistiger Genuß. Aber er wird dadurch noch mehr vergeistiget, daß diese Formen wieder Bilder unsinnlicher Vorzüge, ja! des höchsten aller Wesen erwecken. Man ahnet daher aus einem schönen Körper eine schöne Seele: man bewundert den Schöpfer in dem Schönsten, was man auf der Welt sieht. Das Herz wird dadurch zur Anbetung gegen ein so vollkommenes Wesen, und zur fernern Nacheiferung seiner Tugenden aufgefordert. Ob der Liebhaber gleich auf Gegenliebe nicht mehr Anspruch machen darf; so strebt er doch noch dahin, die Geliebte mit einem Bilde seines Wesens zu erfüllen, das demjenigen gleich sey, was er von ihr in seinem Herzen trägt. Sein Ruf, seine Tugenden, sollen ihn ihr interessant machen, und indem sie sich sagen kann: durch mich ist er dasjenige geworden, was er ist, soll sie fühlen, daß er würdig sey, von ihr geliebt zu werden, wenn gleich Pflicht und Anstand ihr verbieten, diese Gesinnungen in diesem Leben zu entdecken. In einem künftigen sind sie dann sicher, frey von allen Banden, die hier ihre verschwisterten Seelen trennten, auf immer vereinigt zu werden.

[230] So sehr ich zweifle, daß dieß System je so zusammenhängend in Petrarka’s Kopfe existiert habe; so sicher bin ich, daß er es unterschrieben haben würde, wenn es ihm vorgelegt wäre. Denn es leuchtet aus allen seinen Schriften hervor.


Eilftes Kapitel.
Fortsetzung. Italiänische Dichter nach dem Petrarka.

Petrarka hat in und außer seinem Vaterlande viele Nachfolger gefunden. Inzwischen ist seine Denkungsart über die Liebe bey weitem nicht alleinherrschend geworden. Schon neben ihm stand Boccaz, der diesen Gegenstand nicht bloß leicht, sondern sogar ausgelassen in mehreren von seinen Schriften behandelt hatte. Luigi Pulci, Boyardo, Ariosto, Teofilo Folengo, und mehrere Andere folgten seinem Beyspiele, und stellten die Geschlechtsverbindungen als Verhältnisse dar, bey denen Sinnlichkeit und geselliges Vergnügen zum Grunde lägen.

Ueberhaupt konnte sich bey dem zunehmenden Geschmack an der klassischen Litteratur der Alten die metaphysische und excentrische Wendung der Ideen des Petrarka nicht halten. Selbst diejenigen, welche auf eine edlere Art von der Liebe dachten, Sannazaro, und Tasso, Vater und Sohn, strebten bey ihren Darstellungen von der Liebe einem natürlichen Ausdruck [231] von Gefühlen nach, die mehr mit dem Herzen als mit der Imagination in Verbindung standen. Eine feinere Sinnlichkeit mischte sich mit ein. Man behielt aus den Ideen der Vorzeit nur dieß bey, daß der höchste Reitz der Geschlechtsverbindung in der Beschäftigung liege, die sie dem Geiste giebt: daß die Seele allein lieben könne, und daher allein der Liebe werth sey: daß diese die Freuden des Körpers hauptsächlich schätzbar mache: daß selbst in den Qualen unerhörter Liebe eine geheime Wollust liege: und daß endlich Treue, Aufopferung und Beständigkeit die einzigen zuverlässigen Beweise einer wahren und edlen Zärtlichkeit wären.

So erscheint die Liebe noch beym Guarini und Marino. Aber ihr Ausdruck hat sich schon wieder von der Natur entfernt, und den bald pomphaften, bald schmelzenden, und bald witzigen Ton angenommen, dessen Entstehung theils dem Bestreben, die Vorgänger an poetischem Schwunge und an tönender Sprache zu übertreffen, theils dem Einfluß der spanischen Litteratur zuzuschreiben ist.

[232]
Zwölftes Kapitel.
Liebe bey den spanischen, französischen, englischen und deutschen Dichtern.

Die Spanier haben wahrscheinlich von den Troubadours und Arabern zu gleicher Zeit gelernt.

Ihre erotischen Gedichte zeichnen sich durch den abgemessenen steifen Ausdruck einer schwärmerischen Verehrung der Schönheit aus. Es ist nicht genug, daß der Liebhaber traure; er muß in Verzweiflung gerathen, wenn er vollkommen lieben soll. Der Witz der Spanier braucht nicht bloß Seufzer und Thränen, sondern Feuer, Brand und Tod, um die Leidenschaft zu bezeichnen. Dabey mischt sich ihr religiöser Fanatismus allerwärts mit ein. Einige Dichter haben die Klaglieder der Propheten, andere den Psalm de profundis auf ihre Leiden parodiert. Andere haben diejenigen als Märtyrer kanonisiert, die aus Mangel an Gelegenheit, ihre Damen zu sehen, gestorben sind. Man hat kaum einen Begriff von den abentheuerlichen Bildern und dem falschen Witze, wodurch sie ihre Bewunderung der Schönheit, und ihre Leidenschaft auszudrücken suchen. „Seitdem ihr geboren seyd, sagen sie, ist die Schönheit aus der Welt verschwunden, ihr allein habt sie hingenommen.“ – „Ihr entfernt das Gegenwärtige, und vergegenwärtigt das Entfernte; denn euer Anblick raubt zu gleicher Zeit alle Erinnerung an das Abwesende, und alle Empfindung des Nahen.“ – „Wer eure Größe mit weltlichen Dingen vergleichen wollte, würde die Vernunft brauchen, um die Geheimnisse des Glaubens [233] zu erklären. Es ist unmöglich, euch zu loben, weil das Wahre das Unwahre brauchen müßte, um sich deutlich zu machen, und die Vernunft dasjenige, was sie für vernünftig erkennt, verwerfen muß. Demungeachtet verdiene ich Entschuldigung wegen meiner Schuld, weil mich meine große Schuld entschuldigt.“ – „Ich fühle mich frey in meinem Gefängnisse, sicher in meiner Gefahr, im Widerspruche mit mir selbst bey meiner Entschlossenheit. Die Liebe ist für mich ein freudiger Schmerz, eine unvernünftige Vernunft, eine muthige Furchtsamkeit, ein langweiliges Vergnügen, ein finsteres Licht, ein unbelobter Ruhm, ein kränkliches Wohlseyn. Sie hört nicht auf, mich zu verbrennen, und verwandelt mich doch nicht in Asche.“ u. s. w.

Eine solche fade Uebertreibung der Abhängigkeit von dem geliebten Gegenstande, verbunden mit der Begierde, durch Witz zu glänzen, wo die Empfindung reden sollte, ist der Hauptcharakter der spanischen Galanterie, die sich sogar in ihr Theater eingeschlichen hatte, und die sich bald über alle Länder von Europa ausbreitete.

Inzwischen findet man auch unter ihnen Spuren einer leichteren Behandlungsart der Liebe, und besonders sehr viel List, und sehr viel pomphafte Intrigue, als Mittel gebraucht, um aus den Geschlechtsverbindungen eine gesellige Unterhaltung zu ziehen. Von einer willkührlichen Beschränkung auf geistigen Genuß findet man wenig oder nichts in ihren Dichtern; allein der Zustand eines unglücklichen und verzweifelnden Liebhabers nimmt jenen Genuß als eine Schadloshaltung [234] an, und als solcher wird er natürlicher Weise oft von ihnen dargestellt.

Bey den Franzosen nahm die Dichtkunst mit dem vierzehnten Jahrhunderte sehr ab. Gegen das Ende desselben traten die sogenannten Chants royaux, die Balladen, Rondeaux und Pastoralen an die Stelle der Provenzalpoesie, und wurden zusammen mit der Benennung neuer Poesie bezeichnet. In dieser herrschte viel Gelehrsamkeit, viel Allegorie, ein schwerfälliger, geschraubter Witz, und ein schwülstiger, hyperbolischer Styl. Clement Marot, der unter Ludwig dem Zwölften und Franz dem Ersten lebte, hat in seinen Elegien noch ganz den Ton der Troubadours und des Petrarka. In seinen Contes ist er schmutziger wie Boccaz.

Diese Italiäner waren damahls die Muster und Lehrer aller Nationen. Marot hat sehr viel Leichtigkeit des Witzes, und hin und wieder wahres Gefühl in seine verliebten Gedichte gebracht. Inzwischen hat er doch im Ganzen die Geschlechtsverbindungen mehr als ein Mittel zum sinnlichen Vergnügen und zur geselligen Unterhaltung, als wie ein ernstes Geschäft behandelt. Der asotischen Gattung hat er seinen Ruf hauptsächlich zu verdanken, und hierin ist ihm auch wohl allein etwas Eigenthümliches beyzulegen. Dieser Ton scheint sich unter den Nachfolgern Franz des Ersten bis zu Ludewig dem Dreyzehnten herunter erhalten zu haben. Unter dem letzten schlichen[WS 16] sich die spanische Galanterie und der falsche Geschmack der neueren Italiäner in die französische Poesie ein, und die Liebe erschien auf dem Theater, in Gedichten, und in den Werken der Beredtsamkeit als das Hauptgeschäft [235] des Lebens. Abentheuerliche Empfindungen wurden in gesuchte Ausdrücke eingekleidet. Selbst der große Corneille huldigte diesem Aberwitz, und schilderte Helden, welche die Liebe dem Ehrgeitz vorziehen, und Weiber, welche den Ehrgeitz über die Liebe setzen. Doch war dieser Geschmack nicht allgemein. Einige Schriftsteller wollten die Liebe mit Leichtigkeit darstellen, aber sie wurden matt, gemein, und zugleich geschroben.

In England hat Chaucer diejenigen Ideen über die Liebe verbreitet, welche seine Vorbilder, die Troubadours, Boccaz, und die Verfasser des Romans de la Rose darüber hatten. Er vermischt oft seine Darstellungen der Liebe mit abstrakten, metaphysischen Begriffen, und giebt ihnen einen pedantischen und scholastischen Anstrich, oft aber behandelt er sie auch mit einem Leichtsinn, der bis zum Muthwillen geht. Unter seinen Zeitgenossen soll sich Gower in seiner Beichte eines Verliebten ausgezeichnet haben, in der jene pedantischen Spielereyen und Zierereyen mit der Liebe und allen ihren Abstufungen vorkommen sollen, welche dazumahls den französischen und italiänischen Dichtern geläufig waren, und wozu die Troubadours den Ton angegeben hatten. Ich habe sein Werk nicht gelesen.

Späterhin, im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts, soll sich Heinrich Howard Graf Surrey durch seine Gedichte auf die schöne Geraldine berühmt gemacht haben, in denen, wie man behauptet, die Gedanken natürlich und ungezwungen sind, auch Natur verrathen. In den Reliques of ancient Poetry findet man mehrere Stücke, von denen sich das nehmliche sagen läßt. Dem Zeugnisse des Warton zu Folge trugen sonst die [236] Liebesgedichte unter der Königin Elisabeth alle Fehler an sich, die ich oben an den spanischen gerügt habe. „Wenn ein Liebhaber seine Dame pries, so geschah es in Deklamationen, die weder das Verdienst der Feinheit noch der Stärke hatten, ohne Eleganz und ohne Zärtlichkeit. Sie ward nicht in einem verständlichen, sondern bloß künstlichen Panegyrikus beschrieben, nicht mit echten Farben und natürlichen Vorzügen dargestellt, sondern als ein excentrisches Ideal aus einem andern Weltsystem, das Empfindungen einflößte, die eben so unverständlich hyperbolisch als unnatürlich waren.“

Mit Recht behauptet Warton, daß die Unterredungen zwischen beyden Geschlechtern in Shakespear den Fehler der steifen Galanterie an sich tragen, der eine Folge ihres wenigen Umganges mit einander war. Inzwischen müssen die Gespräche zwischen Julia und Romeo davon ausgenommen werden, in denen wahres Gefühl herrscht. Richtig ist dagegen die Bemerkung, daß die Weiber beym Shakespear, so wichtig sie auch in der Handlung sind, allemahl in den Hintergrund gestellet werden.

Nach dem Verfalle der schwäbischen Poesie in Deutschland kamen die Meistersänger ungefehr in der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts auf. Ich bin außer Stande, etwas von dem Charakter zu sagen, den die Liebe in ihren Gedichten angenommen hat. Doch läßt sich nach dem platten Tone, der im Ganzen darin herrscht, kaum eine Veredlung in diesem Punkte erwarten.

Die schlesischen Dichter, besonders Hofmannswaldau und Lohenstein, haben den falschen Geschmack der Spanier und neueren Italiäner noch übertrieben, und [237] Schwulst für Erhabenheit, abgeschmackte Bilder, Gleichnisse und Anthithesen für den Ausdruck wahrer Empfindungen und Leidenschaften verkauft.


Dreyzehntes Kapitel.
Ueber die sogenannten Cours d’amours, und andere gesellige Unterhaltungen, zu denen die Liebe den Stoff geliefert hat.

Mit der Poesie, besonders mit der erotischen, stehen die sogenannten Cours d’amours, Cours amoureuses, Parlamens d’amours in Verbindung. Sie verdienen eine nähere Untersuchung, weil man so viel über sie geschrieben, so viel aus ihnen hergeleitet hat, ohne hinlängliche Kenntnisse von ihrer Einrichtung und Bestimmung zu haben.

Man setzt ihre Entstehung in das zwölfte Jahrhundert, aber ohne allen hinreichenden Beweis. In den Werken der Troubadours kommt keine Spur wirklich angeordneter Gerichtshöfe der Liebe vor. Diese Dichter warfen zuweilen Zweifel über die Pflichten der Liebe auf, oder untersuchten den Werth, den gewisse Gesinnungen oder Handlungen in Rücksicht auf Vollkommenheit der Liebe hatten: Sie vertheidigten die eine oder die andere Meinung gegen einen andern Troubadour, den sie in ihren Gedichten redend einführten, und riefen am Ende ihrer poetischen Komposition eine oder mehrere vornehme Damen zu Schiedsrichterinnen auf. [35] Aber [238] man würde sehr Unrecht haben, in einer poetischen Idee, die vielleicht die Veranlassung zu den Gerichtshöfen der Liebe gegeben haben mag, bereits eine förmlich eingerichtete und geordnete Gesellschaft zu suchen. [36] Man führt einen Gerichtshof der Liebe an, der gegen das Ende des zwölften Jahrhunderts von Maria Gräfin von Champagne zu Troyes soll gehalten seyn. Man will sogar die Erkenntnisse dieses Tribunals kennen. [37] Allein die ganze Nachricht beruht auf der Autorität eines italiänischen Manuscripts vom Jahre 1408, welches die Akademie della Crusca in ihrem Wörterbuche anführt, das wir gar nicht weiter kennen, und dem viel frühere Schriften vorausgegangen waren, worin man unter dieser Form dialektische Erörterungen über die Liebe vorgetragen hatte.

Es ist möglich, daß hin und wieder Gesellschaften zusammengetreten sind, die, nach Art der heutigen Akademien der Dichtkunst, unter dem Vorsitze eines Fürsten, oder einer Dame von Stande, welche die schöne Kunst beschützten, gewisse Aufgaben festgesetzt, und die beste Ausführung derselben in Versen mit ausgelobten Preisen belohnt haben. Da der gewöhnliche Gegenstand der Dichtkunst damahls Liebe [239] war, so ist es sehr möglich, daß dergleichen Hofhaltungen Cours d’amours genannt sind. Aehnliche gesellige Institute wurden plaids et gieux sous l’Ormelle genannt, und in der Piccardie gehalten. [38] Diesen gab man gleichfalls oft den Nahmen Parlement. [39]

Nichts natürlicher nun, als daß in diesen der verliebten Dichtkunst gewidmeten Zusammenkünften auch zuweilen Streitfragen, zweifelhafte Fälle in der Liebe, Gegenstände der Aufgaben gewesen sind, und daß die Dichter sich in verschiedene Meinungen getheilt, der eine diese, der andere jene vertheidigt haben. Es ist nicht weniger wahrscheinlich, daß man nach dem ganzen Geiste der Förmlichkeit, der damahls selbst in den geselligen Belustigungen herrschte, und dem Jünglingsalter der Menschheit so angemessen ist, Partheyen habe auftreten lassen, daß Advokaten bestellt sind, und daß endlich der vorsitzende Fürst, Prince d’amour, oder die vorsitzende Dame ein förmliches Erkenntniß, Arrêt, ausgesprochen haben. Ja! es ist am allerwahrscheinlichsten, daß in diesem Zeitalter, worin Dialektik und Rhetorik so sehr zu Hause waren, und worin die ganze Philosophie und Theologie beynahe allein darauf ausging, Streitfragen aufzusuchen, und darüber für und gegen zu disputieren, dieses ernste Geschäft der Schulen zum Vorbilde einer geselligen Unterhaltung gedient habe. Mir ist es sehr [240] glaublich, daß die sogenannten Tençons der Troubadours hierin ihren Ursprung finden.

Es können dergleichen Gesellschaften zu Pierre feu, zu Romanin und zu Signes häufiger als an andern Orten gehalten seyn. Ich will ferner glauben, daß die Personen, welche man gemeiniglich als Theilnehmer dieser Cours d’amours anführt, wirklich gewisse Aemter dabey verwaltet, und sich darnach haben nennen lassen. Eben dieß trifft man bey den neueren poetischen Gesellschaften in Deutschland, Frankreich und Italien an.

Aber haben die Aussprüche dieser Cours d’amours wirklich eine anerkannte Autorität, ich will nicht sagen in der bürgerlichen, sondern nur in der guten örtlichen Gesellschaft gehabt? Sind es wahre Sittengerichte gewesen, deren Ansehn auf Uebereinkunft, Anstand, allgemeiner Mode beruhte: deren Erkenntnisse mit derjenigen Gewissenhaftigkeit befolgt wurden, womit wohlerzogene Menschen sich den Gesetzen der Ehre unterworfen glauben? Ward der Ungehorsam, der Widerstand gegen ihre Entscheidungen mit Ausstoßung aus der guten Gesellschaft, oder wenigstens mit ihrer Verachtung bestraft?

Hierüber haben wir schlechterdings keine anderen Data, als diejenigen, welche die Kenntniß des Menschen überhaupt, und besonders in den damahligen Zeiten liefert.

Diese macht es nicht unwahrscheinlich, daß sich gewisse Schwärmer in der Liebe jenen Cours d’amours wirklich können unterworfen, ihre Sache vor denselben vertheidigt, und ihren Ausspruch befolgt haben. Möglich, und wahrscheinlich! Wir finden in den [241] Werken der Troubadours, daß sich Freunde und Freundinnen zuweilen als Vermittler der Sache entzweyter Liebenden annehmen, oder daß diese in ihren Streitigkeiten einen Schiedsrichter wählen. Sehr leicht können sie auch auf eine Gesellschaft von Freunden und Bekannten, allenfalls unter gehöriger Beobachtung der Verschwiegenheit, compromittiert haben. Es ist auch möglich, daß die Resultate der Verhandlungen verliebter Materien in diesen Cours[WS 17] in der Folge unter den Liebenden im gemeinen Leben ein gewisses Ansehn erhielten, und daß man sich zur Vertheidigung seines Betragens in einzelnen Fällen gegen den Verbündeten und gegen die Gesellschaft darauf berief. Aber das liegt nicht in jenen Fragen! Es kommt vielmehr darauf an: hatten jene Cours d’amours eine Autorität, welche von der ganzen guten Gesellschaft anerkannt wurde?[WS 18] Haben sie eine beständige und anhaltende Gerichtsbarkeit ausgeübt, und hat man der Regel nach in Sachen, welche die Sicherheit und den angenehmen Genuß des geselligen Lebens betrafen, vor ihnen plaidiert, ihre Erkenntnisse abgewartet und befolgt: Kurz! sind es wahre Sittengerichte gewesen?

Dieß läßt sich nicht allein gar nicht beweisen, sondern widerspricht vielmehr allen Nachrichten, die wir von den Sitten der damahligen Zeit übrig behalten haben.

Zuerst ist es unbegreiflich, daß die gleichzeitigen Geschichtschreiber von diesen Cours d’amours entweder gar nicht, oder nur im Vorbeygehn, und als von einem Spiele sprechen. Die Troubadours erwähnen ihrer gar nicht. Der Roman von der Rose [242] läßt freylich den Liebesgott ein Parlament von seinen Baronen zusammenrufen; aber diese poetische Fiktion beweist nichts für ihr wirkliches Daseyn, und vielmehr gegen ihre festgesetzte Organisation. Die Romanenschreiber, welche einen so vortheilhaften Gebrauch von dieser Sitte hätten machen können, nutzen sie gar nicht. Petrarka behandelt sie nicht mit demjenigen Ernste, den ein so ehrwürdiges Sitteninstitut erfordert haben würde, und deutet ganz offenbar auf eine gesellige Belustigung hin. Die Jeux floreaux, die im Jahre 1324 zu Toulouse errichtet wurden, haben sehr vieles mit den sogenannten Cours d’amours gemein, sind aber offenbar eine poetische Akademie, die sich in die Angelegenheiten der wirklichen Welt gewiß nicht mischte. Johann Boccaz, der im vierzehnten Jahrhunderte neben dem Petrarka lebte, hat uns die Auflösung von dreyzehn Streitfragen über die Liebe aufbewahrt. [40] Sie dient zur Unterhaltung einer Gesellschaft, die zufällig zusammenkommt, und des Dichters Geliebte, Fiametta, zur Königin wählt. Jedes Mitglied der Gesellschaft erzählt einen Fall, und wirft eine Frage zur Entscheidung auf. Die Königin giebt diese, der Erzähler macht Einwendungen, und zuletzt erfolgt das Endurtheil. Die Fragen sind höchst allgemein, und die Fälle betreffen nicht die Personen der Anwesenden. [41]

[243] Man hat ein fabliau aus dem dreyzehnten Jahrhunderte, welches auch le Grand anführt, worin der Liebesgott einen Gerichtshof von Vögeln zusammensetzt, welche über die Frage urtheilen müssen: ob der Gelehrte, (le Clerc,) oder der Ritter in der Liebe den Vorzug verdiene? Es ist mir unbegreiflich, wie man diese poetische Spielerey zum Beweise eines ernsthaften Sittengerichts anführen könne.

Ohne alle Kritik bezieht sich Rolland [42] auf einen Ausspruch, der in Sachen Guillaume de Cabestaing gefället seyn soll. Dieser Cabestaing ist ein Troubadour aus dem zwölften Jahrhunderte, dem man sehr viele fabelhafte Geschichten und Situationen angedichtet hat. [43] Der Proceß, in den er verwickelt gewesen seyn soll, gehört unter die Erfindungen der späteren Zeiten. Und von welcher Art ist er? Wie wird er entschieden? Cabestaing wird der Untreue gegen seine Dame angeklagt, weil er sich mit einer Bäuerin abgegeben hatte. Die Bäuerin übernimmt seine Vertheidigung, und versichert, daß sie ihm freywillig ihre Gunst geschenkt hätte. Das Tribunal erkennt, daß Cabestaing Recht gehabt habe, von der Gelegenheit Gebrauch zu machen. – Wenn die vornehmen Damen, welche dieses Sittengericht hielten, wirklich ein solches Erkenntniß gefället haben, so muß man gestehen, daß die weiblichen Censoren wenigstens nicht die strengsten Grundsätze hatten.

[244] Eine völlig von der Geschichte bewährte Nachricht ist die von der Cour amoureuse, die unter Carl dem Sechsten in Paris gehalten wurde. [44] Sie ist offenbar eine Nachahmung der vorigen Cours d’amours, und von diesem gewiß dem Wesen nach nicht verschieden gewesen: eine gesellschaftliche Einrichtung zur Unterhaltung und Belustigung eines müßigen Hofes! Sie trägt alle Charaktere einer lächerlichen Förmlichkeit, und eines steifen Hofceremoniels an sich, welche alle Belustigungen der damahligen Zeit auszeichneten. [45] Im funfzehnten Jahrhunderte schrieb Martial d’Auvergne, (er starb erst 1508) arrêts d’amour, et l’amant Cordelier à l’observance d’amour. Diese arrêts sollen aus den Werken der Troubadours ausgezogen seyn. Aber diese Meinung würde geradezu beweisen, daß es poetische Fiktionen sind. Denn es ist ausgemacht, und sowohl Millot als Papon [46] kommen darin völlig überein, daß die Troubadours keine Sittengerichte der Liebe anerkannt haben. Allein es ist auch ganz klar, daß sie von neuerer Erfindung, und wahrscheinlich das Machwerk eines müßigen und galanten Prokurators sind.

[245] Ich habe ein Werk vor mir, [47] in dem alle diejenigen Erkenntnisse vorkommen, welche Rolland aus dem Martial d’Auvergne anführt. Auch den Prozeß wegen der Maskenfreyheit, und das Edikt, das ihre Rechte und Freyheiten bestimmt, (welche nach Rolland von Benoit de Court, dem Kommentator des Martial unter Nr. 52 hinzugefügt seyn sollen,) finde ich hinten angehängt, und die von Rolland ausgezogenen Stellen stehen wörtlich darin. Ich vermuthe daher mit Recht, daß dieß Werk die arrêts d’amour vielleicht nur mit einigen Abkürzungen enthält. Es läßt sich nichts abgeschmackteres denken, als diese Sammlung. Zugleich fehlt es nicht an Obscenitäten, und höchst ekelhaften und gemeinen Scherzen. Es wird z. B. darüber gestritten, ob der Liebhaber das Recht habe, eine Wachtel vom Fenster seiner Dame wegzunehmen, die allemahl Lärm mache, wenn er zu ihr komme? Welche Strafe eine Dame verdiene, die bey einem zu hart aufgedrückten Kusse ihren Geliebten verwundet habe? Die Entscheidung der ersten Frage fällt dahin aus, die Wachtel solle [246] hängen bleiben: die der zweyten, die Dame solle bis zur Besserung die Wunde mit ihrem Speichel bestreichen. Erben eines Liebhabers, den seine Dame aus Furcht vor ihrem Manne nackend in einen Hünerstall geschlossen hatte, und der darin von dem Hünervieh todt gebissen war, fordern Gerechtigkeit. Ein Liebhaber beklagt sich, daß seine Dame ihm einen Eimer mit Wasser, ein anderer, daß die seinige ihm Blut beym Vorbeygehen vor ihrem Hause auf den Kopf geschüttet habe. Den Pastetenbäckern wird verboten, ihre Backofen nicht in der Nähe der Kirchen anzulegen, damit der Rauch die Liebhaber nicht verhindere, ihre Damen beym Ein- und Ausgehen aus der Kirche zu sehen. Ein Liebhaber, der sich an seiner Dame wegen eines gesellschaftlichen Spaßes thätlich vergriffen hat, wird verdammt, von vier Waschweibern in einer Decke voller Ungeziefer geprellt, und dann nackend auf einem Felde voller Disteln und Nesseln gewälzt zu werden. Den Masken wird endlich alle mögliche Freyheit gestattet. [48]

Uebrigens kommen auch hier juges ecclesiastes d’amour, und religieux de l’observance d’amour vor; kurz! Alles zeigt, daß hier eine gesellige Unterhaltung, und noch dazu für eine ziemlich schlechte Gesellschaft zum Grund liege.

Ungefähr von der nehmlichen Art ist eine Sammlung von Streitfragen über die Liebe, unter dem Titel: le Pourquoi d’Amours, welche Rolland nicht gekannt [247] hat. [49] In der Vorrede wird dieß Büchelchen für einen Auszug aus den Kommentaren des Nikolas Leonicque aus Padua über die Ethic des Aristoteles ausgegeben. Die Fragen gehen auf Ergründung der Natur und Eigenschaften der Liebe, z. B. warum die Liebenden durch Blicke gefangen werden? warum die Liebenden des Nachts nicht schlafen können? u. s. w. Die Ausführung ist ärmlich; inzwischen zeigt der Ton der Decenz, der darin herrscht, daß dergleichen Fragen in der guten Gesellschaft haben aufgeworfen und beantwortet werden können.

Es ist bekannt, daß in spätern Zeiten in Frankreich, Deutschland, und besonders in Italien dergleichen Gerichtshöfe der Liebe zur Belustigung der Höfe bey feyerlichen Gelegenheiten, eben so wie die Tourniere, Caroußels, u. s. w. gedient haben. Auch Privatgesellschaften haben sich oft damit unterhalten. Mehrere italiänische Schriftsteller haben die Erfindung eines verliebten Hofes genutzt, um durch Darstellung der Unterhaltungen, die daran gewöhnlich waren, für die Belustigung der Leser zu arbeiten. [50] Andere haben Privatgesellschaften [248] von Damen und Herren bey Landpartien dargestellt, die sich über die Natur der Liebe und ihre Pflichten unterreden. Andere haben verliebte Zweifel aufgeworfen und erörtert. [51]

Wenn im siebzehnten Jahrhunderte im Hôtel de Rambouillet zu Paris unter Mitwirkung des Kardinals von Richelieu und der Scudery noch eine Cour amoureuse gehalten wurde; so war dieß keinesweges etwas Ungewöhnliches, keine Erneuerung einer längst abgekommenen geselligen Unterhaltung; sondern eine der letzten Spuren von einer vorher sehr gewöhnlichen Belustigungsart. Man findet in der Astrée vom d’Urfé und in den Romanen der Scudery, des Calprenede, und anderer Verfasser aus dieser Zeit sehr viele Questions d’amour, die mit der damahls gewöhnlichen Förmlichkeit in geselligen Zusammenkünften erörtert und entschieden wurden.

Genug! ich glaube bewiesen zu haben, daß die sogenannten Cours d’amours nie zum Range fest organisierter Sittengerichte erhoben, sondern allemahl in der Klasse litterärischer Institute oder geselliger Belustigungen geblieben sind.

[249] Das Merkwürdige liegt also bloß darin, daß man sich in diesen Jahrhunderten mit Spitzfindigkeiten belustigen konnte, die uns jetzt die größte Langeweile machen. Allein man muß Vieles darauf abrechnen, daß dergleichen Gegenstände der Dialektik damahls Stoff zu Deklamationen abgaben, und in der Gesellschaft abgehandelt, von einem gewissen Ceremoniel begleitet waren. Es waren jeux d’esprit, woran aber in früheren Zeiten Herz und Imagination mehr Antheil nahmen, als sie bey uns daran nehmen würden.

Die Liebe diente damahls auf unendliche Art zur Unterhaltung: sie machte Alles schmackhaft und interessant, was ohne sie trocken und langweilig gewesen wäre. Man schrieb Pacht- und Kaufbriefe, deren Gegenstand das Herz war. Calliere schrieb eine Logik der Liebe: eine wahre Logik, worin aber die Beyspiele zur Erläuterung der vorgetragenen Sätze aus der Galanterie hergenommen sind. [52]

[250]
Vierzehntes Kapitel.
Einfluß der Liebe und der Geschlechtsverbindungen auf das handelnde Leben in dieser Periode.

Aus Allem, was ich bis jetzt gesagt habe, erhellet so viel unwidersprechlich, daß die Liebe und die engeren Verbindungen mit dem zärteren Geschlechte in der gegenwärtigen Periode der Lieblingsgegenstand der schönen Litteratur gewesen sind, und den Hauptstoff zur geselligen Unterhaltung hergegeben haben. Es erhellet ferner daraus, daß sie oft mit einem excentrischen Schwunge und mit einer Ziererey behandelt sind, welche der Geschmack des Zeitalters liebte, und daß man in dieser Art, sie zu behandeln, ihre Veredlung gesetzt hat.

Menschen, die zwischen Kultur und Rohheit schwanken, und ihren Zeitvertreib auf eine so ernsthafte und umständliche Art suchen, machen nicht so wie wir einen bestimmten Unterschied zwischen dem Reiche der Fictionen und der wirklichen Welt, zwischen Belustigung und dem handelnden Leben. Bey ihnen ist die Lust, zu realisieren, mit jedem Ideale verbunden, das ihre Phantasie lebhaft rührt, und der Zeitvertreib wird für sie ein ernsthaftes Geschäft.

Es ist daher höchst wahrscheinlich, daß sie die Grundsätze über die edlere Liebe, die in ihren philosophischen Rednern, in ihren Romanenschreibern und Dichtern angetroffen wurden, im wirklichen Leben anzuwenden gesucht haben. Es ist nicht minder wahrscheinlich, daß sie diejenigen Formen, welche ihnen bey feyerlichen Gelegenheiten in ihrem Betragen gegen das Frauenzimmer vorgeschrieben waren, auch im [251] gewöhnlichen Umgange aus der Idee beybehalten haben, daß sie sich dadurch recht wohlerzogen zeigen würden.

Dieß bestätigt denn auch die Geschichte völlig. Die Geschlechtsverbindungen haben einen sehr großen und wichtigen Einfluß auf das handelnde Leben der Männer und auf die Begebenheiten der damahligen Zeit gehabt, und es hat unstreitig einen Theil der Wohlerzogenheit ausgemacht, diesen Einfluß öffentlich zur Schau zu legen.

Die Data darüber sind zu oft angeführt und zu bekannt, als daß ich sie hier wieder aufzählen sollte. [53] Wichtiger wird es mir, die Grenzen und die Natur dieses Einflusses so wie den Charakter der Verbindungen, denen man ihn zuschrieb, zu bestimmen.

Die Höfe Eduards des Dritten, und der Elisabeth in England, Karls des Sechsten und Siebenten, Franz des Ersten, Heinrichs des Vierten, Ludewigs des Dreyzehnten, und der Minorennität Ludewigs des Vierzehnten in Frankreich, stellen eine Menge von Helden auf, die sich zu Ehren ihrer Damen in die gefährlichsten Unternehmungen eingelassen haben, unter dem Ausruf ihres Nahmens Mauern erstiegen, und ihrer Leitung bey der Ausführung der wichtigsten Plane in Krieg und Frieden gefolgt sind. Andere Zeiten zeigen weniger von diesem Einflusse, und man darf daher annehmen, daß er nicht immer gleich gewesen sey. Er erstreckte sich auch nicht auf alle Stände, und ward in keinem [252] allgemein empfunden. Dieß lassen schon die sehr verschiedenen Grundsätze in der Denkungsart über Liebe und Weiber, die wir bey Philosophen, Dichtern und Romanenschreibern antreffen, vermuthen. Die Geschichte lehrt uns aber auch, daß zu den nehmlichen Zeiten, worin so viel zu Ehren der Damen geschah, die ausschweifendsten Sitten herrschten, und das schwächere Geschlecht auf mancherley Art bedrückt wurde. Wenn man behauptet, daß jeder Ritter eine Dame seiner Gedanken gewählt habe, der er, gleich dem höchsten Wesen, alle seine Gefühle, alle seine Handlungen zum Opfer darbrachte, so ist dieß eine Uebertreibung, der kein Kenner des Menschen und der Geschichte Glauben beymessen wird. [54]

[253] Ferner hat sich dieser Einfluß der Geschlechtsverbindungen auf das handelnde Leben gewiß nicht weiter, als innerhalb der Klasse der Höflinge gezeigt, bey denen es Ton und Mode war, ihn, oft auf die abentheuerlichste Art, an den Tag zu legen.

Es gehörte nehmlich zum Ideale eines vollkommenen Ritters, für Liebe Alles dulden, Alles überwinden zu können. Dieß Ideal hatten die Romane aufgestellt: es ging in den allgemeinen Charakter der pomphaften Unterhaltungen über, wozu die Höfe den Stoff aus jenen Romanen entlehnten. Dazu kam die natürliche Folge des excentrischen Schwunges, den die Begriffe von Sittlichkeit und Anstand im Betragen gegen das schwächere Geschlecht nahmen, indem man Anbetung mit schonender Gefälligkeit, Wegwerfung mit Bescheidenheit verwechselte. Bey Tournieren, bey andern öffentlichen Gelegenheiten mußte der Höfling einer Dame dieses Hofes, die durch Stand und durch persönliche Vorzüge sich auszeichnete, seine Geschicklichkeit, seinen Muth, seine Talente zum Opfer bringen, die Zeichen seiner Weihe aus ihren Händen nehmen, sie öffentlich tragen, und endlich den Preis von ihr empfangen. Dieß Spiel, das mit dem größten Ernste betrieben wurde, ging bey mehreren Personen in Wahrheit über, und ward von ihnen selbst in den gefährlichsten Angelegenheiten des Lebens beybehalten. Man trug fortwährend die Merkzeichen, die Unterpfänder, welche die vornehme Dame ertheilt hatte, mitten im Kriege. Man ermunterte sich zur Tapferkeit durch den Gedanken an den Beyfall dieser Dame, und stritt sich um der Ehre willen, ihre Farben zu tragen. Fleuranges rief, indem er zuerst die Mauern einer belagerten Stadt [254] erstieg: Ach wenn mich meine Dame sähe! [55] Walter Manny, ein englischer Ritter, rief: daß ich nie Gnade vor meiner Dame erlange, wenn ich diesen Streit ausschlage! [56] Galeaz von Mantua zog in der Welt umher, um zwey Ritter zu überwinden, und diese der Königin Johanna als Gefangene darzustellen, weil sie ihn zum Tanz aufgefordert hatte.

Das Frauenzimmer bey Hofe durfte diese öffentlichen Huldigungen annehmen. Sie waren bloßes Spiel bey Tournieren und andern feyerlichen Lustbarkeiten, und den Ernst, den ihre Diener daraus machten, konnten sie als Wirkung einer bloßen Courteoisie betrachten.

Natürlicher Weise aber waren diese Verbindungen von sehr verschiedenem Gehalt. Gewiß sehr häufig lag bloßer Austausch von Eitelkeitsgewährungen dabey zum Grunde: oft Belustigungstrieb, oft Mode, oder zunftmäßige Loosung. Zuweilen aber stiegen sie zu einem hohen Grade von Schwärmerey. Agnes von Navarra, Gemahlin des Grafen Phöbus de Foix, war eine der tugendhaftesten Prinzessinnen ihres Zeitalters, und sie genoß allgemein dieses Rufs. Aber dieß hinderte sie nicht, einen der besten französischen Dichter aus dem vierzehnten Jahrhunderte, Wilhelm Machault, zu lieben. Sie machte Verse auf ihn, welche Leidenschaft athmeten: sie erlaubte ihm, in den seinigen von Zärtlichkeit zu ihr zu sprechen. Er ward eifersüchtig ohne Grund, und sie wandte ein sonderbares Mittel an, um ihn zu beruhigen. Sie sandte ihm ihren Beichtvater [255] mit dem Auftrage, ihn durch Eröffnung des Inhalts ihrer Beichte von der Aufrichtigkeit ihrer Gesinnungen und der Ungerechtigkeit seines Verdachts zu überzeugen. [57]

Aber vieles von dieser Schwärmerey gehörte nicht sowohl der Liebe, als einer thörichten Jactanz, und dem Stolze, die abentheuerlichen Begebenheiten und Gesinnungen der Ritterromane zu realisieren. Geniesüchtige hat es zu allen Zeiten gegeben. Zu diesen würde allenfalls die Brüderschaft der verliebten Bußfertigen gehören, die unter dem Nahmen Galois und Galoises bekannt ist, wenn nicht ihre wirkliche Existenz auf dem höchst verdächtigen Zeugnisse des Ritters de la Tour beruhte. [58] Diese Thoren sollen nach dem Grundsatze, daß die Liebe hinlänglich erwärme, allen Schutz gegen Kälte verschmäht haben, und im Winter erfroren seyn.

So wenig sich die Natur dieser Verbindungen im Einzelnen bestimmen läßt, so sicher darf man die pomphaften Beschreibungen der allgemeinen Denkungsart darüber, welche neuere Schriftsteller aufgestellt haben, für unwahr erklären. Auffallend unwahr ist es, daß der Ausspruch der Frauen über den Werth des Mannes je in der Maße entschieden habe, daß ihr Urtheil von dem Publiko erwartet, und unbedingt angenommen sey. Eben so auffallend unwahr ist es im Allgemeinen, daß die Geschlechtsverbindungen rein [256] von sinnlichen Begierden gewesen, oder auch nur allgemein dafür gehalten sind. Alles dieß widerspricht nicht nur der Kenntniß des Menschen überhaupt, sondern auch der herrschenden Denkungsart, die wir in den Werken der schönen Litteratur aus dieser Zeit antreffen, und welche gewiß den sichersten Maßstab für dasjenige abgiebt, was die gute Gesellschaft für anständig und edel gehalten hat.


Funfzehntes Kapitel.
Begriff der Galanterie; ihre Entstehungsursachen und ihre Arten, nach Verschiedenheit der Länder.

Demungeachtet läßt sich eine gewisse ziemlich allgemeine Denkungsart in Europa nicht verkennen, nach welcher man den Einfluß der Geschlechtsverbindungen auf das Betragen des Mannes, unter Beobachtung einer gewissen Form, für edel und für einen wesentlichen Bestandtheil der Wohlerzogenheit gehalten hat.

Diese Form hat, ich weiß nicht genau wann, aber sicher in dem Zeitraume, mit dem ich mich jetzt beschäftige, [59] den Nahmen der Galanterie erhalten. So verschieden sie in verschiedenen Ländern modificiert gewesen seyn mag, so hat sie dennoch im Wesentlichen überall die nehmlichen Züge an sich getragen. Diese [257] setze ich in die wahre oder scheinbare Unterwürfigkeit unter den Willen des schönen Geschlechts, in der lauten Bewunderung seiner Vorzüge, und in der öffentlichen Darstellung dieser Gesinnungen, unter dem Schutze der guten Sitte, in Fällen, worin Moral und Gesetze die Bewerbung um die Gunst eines Weibes nicht billigen.

Unstreitig sondern diese Züge die Galanterie von allen ähnlichen Sitteninstituten ab, welche die Vorzeit gekannt hat. Keines gestattete dem Manne, dem Weibe eines Andern öffentlich zu huldigen: keines verlangte den Schein einer vergötternden Verehrung, einer gänzlichen Niederwürfigkeit gegen das zärtere[WS 20] Geschlecht. Die Galanterie zeigte eine enge auf Leidenschaft beruhende Verbindung zwischen den Geschlechtern, welche nicht Ehe war, ja! die sich nach den herrschenden Begriffen nicht einmahl mit der Ehe vertrug. Denn allgemein war die Idee, daß diese gesetzliche Verbindung das Grab der Galanterie sey, wenn sie vorhin Statt gefunden habe, und daß sie besonders in der Aufwartung bestehe, welche man verheyratheten und solchen Damen brächte, mit denen eine Vereinigung durch ein eheliches Band nicht zu hoffen war.

Ihre Entstehung ist nicht einem Umstande allein beyzulegen, und hat sich erst nach und nach gebildet.

Der erste Keim hat in den Werken der Troubadours und der Romanenschreiber des zwölften und dreyzehnten Jahrhunderts gelegen, deren Geist im vorigen Buche entwickelt ist. Dieser ist in den Pomp übergegangen, mit dem die Tourniere und andere Feyerlichkeiten der Höfe, wozu der Stoff aus jenen Romanen genommen wurde, gehalten wurden. Aus diesen mit Ernst getriebenen Belustigungen haben einige Abentheurer von Ansehn, [258] die zugleich Schwärmer waren, die ceremonieuse Verehrung des schönen Geschlechts und den prunkenden Ausdruck der Begeisterung für Damen von großem Stande ins gemeine Leben übertragen. Ihr Beyspiel hat auf ganze Korporationen von Rittern gewirkt, und da es bereits in ihrem Gelübde lag, des Schwachen zu schonen, und das bedrängte Frauenzimmer zu schützen, so haben sie, vermöge eines in den damahligen Zeiten sehr natürlichen Schwunges, diese Schonung in eine Entäußerung alles Selbstgefühls, und diesen Schutz in gänzliche Aufopferung verwandelt. Mystische Ideen über die Vollkommenheit der Liebe zu Gott, welche nach diesen in Zerknirschung, Leiden und Duldung bis zur gänzlichen Selbsttödtung bestehen soll, sind auf die Vollkommenheit der Geschlechtsliebe übertragen. Die Bemühungen der neueren Platoniker haben diese Begriffe noch weiter ausgebildet, und ihre Lehren von dem geistigen Zweck der Liebe haben den Kredit der Galanterie immer weiter ausgebreitet. Endlich haben zufällige Umstände, die Denkungsart einiger Regenten, die Würde einiger Frauenzimmer, und der zurückwirkende Einfluß der Litteratur zu ihrer Ausbreitung und Herrschaft beygetragen, bis sie endlich zu einem Theile der Courteoisie, der Wohlerzogenheit bey Höfen, geworden ist.

Der Hauptgrund, welcher dieser Galanterie, ungeachtet aller Mißbräuche und aller Thorheiten, wozu sie die Veranlassung geben konnte und mußte, dennoch den Schutz der guten Gesellschaft sicherte, war unstreitig der beträchtliche Nutzen, den die gesellige Unterhaltung daraus zog. Wir können uns keinen wahren Begriff davon machen. Wir haben einen Ueberfluß an Mitteln [259] zum Zeitvertreib und zu Zerstreuungen. Lektüre und angenehme Talente machen uns fast die Vergnügungen des Umgangs mit andern Menschen ganz entbehrlich. Wir brauchen uns mit keinem genau zu verbinden, um an Schauspielen, Bällen, Assembleen und andern öffentlichen Gelagen Theil zu nehmen. Wir wissen durch die Art, wie die gewöhnlichsten Vorfälle des Tages in der Unterredung behandelt werden, und vermöge unserer Kenntniß allgemein interessanter Wahrheiten aus dem Umgange mit den unbekanntesten Menschen die leichte Nahrung für unsern Witz und unsern Verstand zu ziehen, die wir zur Erhohlung oder zum Zeittödten aufsuchen. Das Herz und die Einbildungskraft haben nach unserm Klima und nach unserer Erziehung wenig Bedürfnisse, und über diejenigen, welche uns übrig bleiben, werden wir durch Geschäfte und Zerstreuungen betäubt. Weiber gehen jetzt mit Weibern um, verbinden sich sogar unter einander, ohne Furcht, durch den unbewachten Ausbruch beleidigter Eitelkeit in steter Zwietracht zu leben. Die Männer, gleichfalls mehr gewöhnt, ihre Leidenschaften zu unterdrücken, sammeln sich mehr unter einander in Haufen zusammen, haben mehr bloße Bekanntschaften, ohne Besorgniß, daß ein unvorsichtiges Wort, eine unüberlegte Handlung, Ungezogenheit, ängstliche Begriffe von Ehre, oder andere Triebe des Eigennutzes zur Selbstwehr oder zur Rache auffordern. Männer tändeln mit Weibern: Weiber lassen sich den Beyfall unsers ganzen Geschlechts genügen. Wie so ganz anders war damahls Alles! Man kannte Gelage, man kannte Horden von Menschen, die zusammen kamen, um pomphaften Festen beyzuwohnen bey feyerlichen Gelegenheiten. Aber bestimmte Gesellschaften in [260] Privathäusern, Belustigungen für alle Tage, Zusammenkünfte zu einer Unterhaltung, wozu Jeder einen persönlichen Beytrag durch solche Talente lieferte, die ungefehr von jedem Menschen aus den höheren Ständen zu erwarten sind; die kannte man nicht. Der Stoff zur Unterredung war äußerst mangelhaft. Für die höheren Stände waren außer dem Kriege wenig Geschäfte. Jagd ward die Unterhaltung des Friedens, und wenn man Lektüre suchte, so bestand sie in Ritterromanen. Die Gattinnen der Großen saßen zwischen ihren Hofdamen, beschäftigt mit der Sorge für ihren Putz und mit Handarbeit, unterhalten durch Musik und durch eben jene Romane. Feste bey feyerlichen Gelegenheiten waren die einzigen Gelegenheiten, um mit Männern zusammen zu kommen. Franz der Erste führte zuerst die Damen seines Hofes in die Zirkel ein, wo sich beyde Geschlechter zum Spiel und zur Unterredung in größeren Haufen an bestimmten Tagen vereinigten. [60] Wie förderlich war diese ganze Lage der Neigung nach Verbindungen, woran das Herz und die Imagination Antheil nehmen können! Schon das Klima fordert die südlichen Nationen dazu auf, wenn nicht durch fremde Sitten ihre ursprüngliche Anlage verdreht wird. Einsamkeit und Muße befördern diese Anlage, und noch mehr die Wahl solcher Unterhaltungen, welche entweder der Imagination freyen Spielraum lassen, oder sie gar noch mehr beflügeln. Welche Beschäftigung lag nicht darin, auf die Mittel zu sinnen, eine wahre oder angenommene Leidenschaft sinnreich an den Tag zu legen! Welche Plane die [261] Eitelkeit entworfen haben mag, an dem kommenden Feste einen möglichst starken Eindruck auf den Gegenstand ihrer Bemühungen zu machen! Wie wichtig müssen die Gewährungen und die Versagungen der Wünsche dieser Eitelkeit damahls gewesen seyn! Welche Unruhen nach der Entzweyung, welche Freuden nach der Wiederversöhnung! Kurz! welch eine unversiegliche Quelle von interessanterem Zeitvertreib in der Besorgung einer galanten Intrigue, nach einer ohnehin von gewissen Regeln vorgeschriebenen Form, deren Kenntniß und Anwendung schon allein ein gewisses Studium und einige Fertigkeit erforderte! Selbst das Publikum war bey dieser Sitte interessiert. Sie vervielfältigte die Feste, jene Gelegenheiten für die Liebenden, sich häufiger zu sehen, und sich ihre Gesinnungen zu erkennen zu geben: sie gab ihnen neues Leben. Erfindung, Pracht, Geschicklichkeit vereinigten sich zur Hervorbringung der Mittel, der angebeteten Dame zu huldigen, und der große Haufe nutzte sie entweder zu ähnlichen Zwecken, oder zum gaffenden Zeitvertreib.

Unstreitig hat sich auch die Natur dieser Verbindungen nach Verschiedenheit des Charakters der Nationen und ihrer Lagen besonders modificiert. Die Italiäner wurden bald ein Raub kleiner Fürsten, welche die Republiken, die sich auf kurze Zeit zwischen ihnen gebildet hatten, unterjochten. Diejenigen Freystaaten, welche sich erhielten, seufzten unter der zunehmenden Macht der Aristokratie. Die päbstliche Hierarchie schlug wieder ihren Thron in Rom auf. Auswärtige Mächte stritten um die Oberherrschaft und um die Eroberung einzelner Provinzen dieses Landes. Wenn [262] der Trieb nach Freyheit und nach kriegerischem Ruhme in der Brust seiner Einwohner nicht ganz erstarb, so sank doch die Energie des Charakters und der Muth, welche nöthig sind, ihn zu befriedigen.

Dagegen wuchs bey diesem Volke der Geschmack an der Ruhe, am süßen Nichtsthun, an einer Muße, die durch die Reitze der Phantasie, der Sympathie, und einer zwanglosen angenehmen Beschäftigung erheitert wird. Zu dieser feinen Sinnlichkeit gesellte sich eine gewisse Melancholie über ihren bürgerlichen Zustand, und Beydes brachte einen Geist der Behutsamkeit, der Eingezogenheit, der Intrigue hervor, wodurch sich ein Jeder für sein Individuum die möglichst glückliche Lage in der allgemeinen Bedrückung ohne vordringende Aktivität zu verschaffen suchte.

Die Galanterie der Italiäner hatte allerdings einen gewissen Prunk, aber es war nicht der Prunk eines rüstigen, muthigen Egoismus, und er diente nur zum Schutzmantel eines weiter liegenden heimlichen Genusses. Der Italiäner verdeckte mehr als er zeigte. Er gab sich freylich das Ansehn einer hinschmelzenden Empfindsamkeit, welche selbst aus der Spannung des Leidens Genuß zieht, viel wünscht, wenig hofft, und nichts verlangt, sich mit der bloßen geselligen Unterhaltung, mit dem bloßen Anschauen begnügen läßt; er verbreitete den Ruhm seiner Dame durch Deklamationen und geschmackvolle Verse; aber sein Hauptgenuß bestand in der Besorgung einer geheimen Intrigue, die ihn angenehm beschäftigte, und zur engeren Vereinigung führte; und blutige Auftritte, welche Eifersucht und Ueberdruß hervorbrachten, offenbarten oft den wahren Gehalt jener anscheinend geistigen Verständnisse.

[263] Der Spanier suchte in seiner Galanterie überall das Pomphafte und Abentheuerliche auf. Dahin führte ihn sein eigener Charakter, und die Bildung, die er von den Mauren erhalten hatte. Sein Ansehn in Europa nährte seinen Stolz, und häufige Siege hatten seinen angebornen Muth erhöhet. So wie der Italiäner fand er Vergnügen an heimlichen Intriguen, denen er das Ansehn einer edlen Leidenschaft zu geben suchte. Aber er liebte das Heimliche, nicht sowohl um desto sicherer zu seinem Zwecke zu gelangen, als vielmehr, um desto mehr Schwierigkeiten zu überwinden zu haben, und seinen Stolz durch das Bewußtseyn seines Unternehmungsgeistes und seiner Feinheit zu befriedigen. Dieser mit einem hervorstechenden Zuge zur Melancholie und einer finsteren Schwärmerey gepaart, bewog ihn, die Martern, welche ihm die Liebe erdulden ließ, möglichst zur Schau zu tragen, sich vor dem Fenster der Geliebten bey öffentlichen Prozessionen doppelt zu geißeln, um ihr Mitleiden zu erwecken, klagende Guitarren zur Nachtzeit hören zu lassen, und überall darauf auszugehen, daß seine Dame ihn bey seiner Unterwürfigkeit unter ihren Willen bewundern sollte. Dabey war seine Ruhmsucht rüstig und muthvoll. Er warf sich vor den Augen seiner Dame dem Stiere entgegen, und trotzte in ihrer Abwesenheit den Gefahren des Zweykampfs und des Getümmels im Kriege für die Ehre, von ihr beweint oder bewundert zu werden. Vielleicht kam es ihm bey allen seinen Tollheiten auch nur darauf an, sich selbst bewundern zu können.

Der Italiäner gab folglich seiner Verbindung, die heimlich auf feinerer Sinnlichkeit und dem[WS 21] Beschäftigungstriebe beruhte, den äußern Anschein einer süßen Empfindsamkeit [264] zur Erhöhung der Freuden eines geselligen und kontemplativen Lebens. Der Spanier, der heimlich neben einer gröberen Sinnlichkeit die Befriedigung seines geistigen Stolzes suchte, gab seiner Liebe den Schein einer auf Heldenmuth im Dulden und Handeln beruhenden Leidenschaft.

Die nördlichen Nationen nahmen von der Galanterie der Spanier und Franzosen eine Mischung an, die sie noch mit einigen Eigenthümlichkeiten ihres Nationalcharakters vermischten. Die Liebe als eine auf Ruhmbegierde gebauete Leidenschaft zu betrachten, welche Sinnlichkeit nicht ausschloß, aber ihre Befriedigung auch nicht wesentlich voraussetzte, und die gesellige Unterhaltung beförderte, scheint die gewöhnlichste Ansicht an den Höfen Johannes des Zweyten, Carls des Sechsten und Siebenten in Frankreich gewesen zu seyn. Aber auch damahls schon zeigt sich in diesem Reiche die eitle Anmaßung, durch die Galanterie und mit der Gunst der Damen zu glänzen.

Franz der Erste zog die Damen seines Hofes öfterer in Gesellschaft, und unter ihm nimmt die Galanterie den unsichern schwankenden Charakter an, der den Regenten bezeichnete. Sie war zu gleicher Zeit edel und verworfen, kriegerisch und gesellig, ernsthaft und spielend. Man trifft Eifersucht, Haß, Rache, schreckliche Verbrechen, Heldenthaten und Verschwörungen im Gefolge der Liebe an, und dann erscheint sie wieder als ein petrarchischer Beschauungshang, oder als die Beförderin geselliger Freuden.

Unter Heinrich dem Vierten hatte sie nur diese letzte Bestimmung, und die Sinnlichkeit nahm sich nicht einmahl [265] die Mühe, sich zu verstecken. Alles, was von der älteren Galanterie übrig blieb, war ein gewisser äußerer Schein von ceremonieuser Verehrung des Geschlechts, und ein kriegerischer Muth, der sich mit der Sucht nach Vergnügen verband. Beydes wurde mit der diesem Volke eigenen prahlenden Eitelkeit geltend gemacht. [61]

Unter Ludewig dem Dreyzehnten und während der Minorennität Ludewigs des Vierzehnten erreichte aber die Galanterie in Frankreich ihre größte Höhe, durch die Verpflanzung spanischer Sitten auf einen Boden, wo die Weiber weit mehr Freyheit hatten, die Huldigungen der Männer öffentlich anzunehmen, und auf sie einzuwirken.

Die Damen des französischen Hofes bekamen in dieser Zeit ein Gefühl ihrer Wichtigkeit, das sie auf alle mögliche Art durch ihre persönlichen Eigenschaften begründeten. Sie zeichneten sich durch Talente und Geistesbildung aus, und da ihrem Geschlechte besonders diejenige Klugheit zu Theil geworden ist, die zu Führung von Hof- und Stadtintriguen dient; so fanden sie in einem Lande und zu einer Zeit, wo diese so häufig waren, ein geräumiges Feld zum Wirken und Handeln. Damahls waren Weiber an der Spitze jeder Parthey: damahls geschah alles durch und für sie. Die Huldigungen, die ihnen dargebracht wurden, nahmen den Charakter der Pflicht an, und die geringste Gunstbezeugung von ihrer Seite ward als die merkwürdigste Begebenheit in dem [266] Leben des Höflings betrachtet. Galant seyn, hieß damahls, für seine Dame Könige und Götter bekriegen. [62] Zu gleicher Zeit that man alles, um seine Leidenschaft möglichst laut werden zu lassen. Jedermann wollte für verliebt gehalten werden. Man bediente sich der hyperbolischen Sprache der Spanier, des glänzend sentimentalischen Ausdrucks der neueren Italiäner, und mischte beyden noch einen schalen und geschrobenen einheimischen Witz bey. Daß bey diesen Verbindungen geistige Liebe untergelegen habe, wird keiner glauben, der die Memoiren der Zeit gelesen hat: aber man schonte des Anstandes, und sprach nur von dem Ruhme, Gegenliebe zu gewinnen, und schönen Augen zu gefallen.

An dem Hofe Eduards des Dritten in England zeigt sich in der Verbindung dieses Königs mit der Gräfin von Salisbury eine Galanterie, die anfangs auf Sinnlichkeit von Seiten des Liebhabers ausging, aber von der Dame zurückgewiesen, auf Ruhmbegierde und geselliger Unterhaltung beruhen blieb. In den nachherigen Kriegen mit Frankreich erscheinen die englischen Helden wie die französischen, nur etwas schwerfälliger, und drückender anmaßend. Dieser Charakter bleibt ihnen unter der Königin Elisabeth eigen, und spanische Aufgeblasenheit und Schwulst scheinen sich in ihre Galanterie eingeschlichen zu haben. Unter Jakob dem Ersten und Carl dem Ersten nahm sie mehr von dem italiänischen und [267] französischen Charakter an. Unter dem Protektor hatte die Galanterie ihr Ende erreicht. Alles verfiel in eine schwärmerische Devotion.

Den Deutschen scheint der Charakter der Nachahmung aller Nationen in der Galanterie, wie in ihren Sitten überhaupt, in dieser Periode eigen gewesen zu seyn, und schwerlich haben sie sich durch etwas anders als durch ihre Steifigkeit ausgezeichnet.


  1. Die ersten Anleitungen zur Wohlerzogenheit rührten von den Mönchen her. Sie waren Frucht des Nachdenkens, nicht der Erfahrung in der größeren Welt. Ich habe ein Buch vor mir, das in dieser Rücksicht sehr interessant ist. Bienseances de la Conversation entre les hommes, eine Uebersetzung des [160] Lateinischen Communis vitae inter homines scita Urbanitas. Lyon 1623.
  2. Man vergleiche Thomas sur les femmes, p. 71 seq.
  3. Z. B. Charron, Montaigne u. s. w.
  4. In seinem Essais sur les femmes, p. 91. et seqq.
  5. Henrici Cornelii Agrippae ab Nettesheym de nobilitate et praecellentia feminei sexus, ejusdemque supra virilem Eminentia.[WS 2] Libellus lectu jucundissimus. Ich habe eine Ausgabe vor mir, die zu Haag 1653 gedruckt ist.
  6. Thomas Essais sur les femmes liefert S. 100 u. f. ein Verzeichniß mehrerer Schriftsteller über diese Materie, die sich noch leicht durch andere vermehren ließen. So habe ich ein Werk vor mir. La bella e dotta diffesa delle Donne in Verso e Prosa di Messer Luigi Dardano, Gran Cancelliero dell’ Illustrissimo Senato Venetiano. In Venetia 1554.
  7. Il labirinto d’Amore.
  8. L’Alphabet de la Malice des[WS 4] femmes à Paris 1716. par Jaques Olivier Licentié en droit. Es ward in dem nehmlichen Jahre widerlegt in der Schrift la defense des femmes par le Capitaine Vigoureux. Darauf folgte sogleich von dem Verfasser der ersten Schrift, der sich nunmehr nannte, La reponse aux impertinences de l’aposté Capitaine Vigoureux. Im folgenden Jahre trat der Chevalier de l’Escale mit einem Werke hervor unter dem Titel: le Champion des femmes!
  9. Maria Equicola d’Alueto, Di natura d’Amore, Venetia 1587. L. II. cap. 2.
  10. Nichts ist in dieser Rücksicht merkwürdiger, als ein kleines Werk des Raymundus Lullius: Blanquernae Anachoretae interrogationes et responsiones 365. de Amico et Amato Raymundo Lullio Eremita auctore claruit circa annum Domini 1311. Libellus omnibus viris spiritualibus non minus jucundus quam utilis Parisiis 1585. Hierin sind für alle Tage des Jahrs kurze Unterredungen zwischen dem Menschen und Gott enthalten, die hier in dem Verhältnisse von Liebhaber und Geliebten erscheinen. Es herrscht der höchste Ausdruck der Leidenschaft darin, und es leidet bey mir keinen Zweifel, daß die Niederwürfigkeit, Zerknirschung, [170] und Selbsttödtung, welche nach den Ideen der Mystiker der höchste Beweis der Liebe gegen Gott ist, auf die Art, wie man die Liebe zum Geschlecht zu veredlen gesucht hat, von dem größten Einflusse gewesen ist.
  11. Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir gehabt, die von Symon Silvius, dit J. de la Haye, valet de Chambre de Marguerite de France Royne de Navarre verfertigt und zu Poitiers 1546 heraus gekommen ist.
  12. Ich habe eine Ausgabe vor mir die 1587 zu Venedig herausgekommen ist.
  13. Von dem Werke des Platina habe ich eine Ausgabe vor mir. Der Titel lautet: Veneres et Cupidines venales, Augustini Niphi Itali. Accedit Baptista Platina de Remedio Amoris. Lugd. 1646.
  14. Ich habe eine französische und spanische Uebersetzung vor mir. Die französische heißt: Philosophie d’amour de Mr. Leon Hebreu; par le Seigneur du Parc Champenois, Paris 1577. Die spanische: Los Dialogos d’Amor de Mestre Leon Abarbanel medico e filosofo. En Venetia 1568.
  15. Ich habe Due Lezzioni di M. Benedetto Varchi, l’ una d’amore, l’ altra della Gelosia, con alcune utili e dilettevoli quistioni, da lui nuovamente aggiunte. In [182] Lione 1560, und dann Lezzioni d’amore di Benedetto Varchi; Fiorenza 1561 vor mir.
  16. Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir: Les Azolains de Bembo. 1555. en douze.
  17. Dialoghi di M. Ludovico Dominichi. Venezia 1562.
  18. Dialogo della Bellezza, detto Antos, secondo la Mente di Platone. In Venezia 1581.
  19. Prose di M. Agnolo Firenzuola Fiorentino[WS 8] 1552. In Firenza.
  20. Psafone Trattato d’Amore del Melchiore Zoppio. In Bologna 1590. Eine vermehrte Auflage ist 1627 herausgekommen. Psafone ist ein afrikanischer Prinz, der in den Gärten der Hesperiden lebt, um göttliche Ehre zu erlangen, mehrere Vögel abrichtet: il Gran Psafone zu rufen, und durch diese nachher seinen Ruf in der ganzen Welt ausbreiten läßt. Dieser Psafone ist Amor. Eine erbärmliche Allegorie!
  21. Augustini Niphi Medici de pulcro et amore Libri II. Lugduni 1549. eine zweyte Ausgabe ist von 1641.
  22. Discorsi del Conte Annibale Romei Gentilhuomo Ferrarese. In Venezia 1619.
  23. Essays de Montaigne. Liv. I. ch. 27. Liv. III. ch. 5.
  24. Petri Godofredi Carcasonensis Icti. Proc. Reg. in fide Dialogus de amoribus. Antwerpiae 1553.
  25. Genealogie de l’amour par Jean de Veyries, Docteur en Medicine. Paris 1610.
  26. Z. B. Traité de la Jalousie, ou Moyens d’entretenir la paix dans le Marriage. Paris 1682. Exercices de Josias Macherault de Chalons sur Marne, touchant l’amitié. Geneve 1611. etc.
  27. Ich habe das Original, aller angewandten Mühe ungeachtet, nicht einsehen können, und ich zweifle, daß es im nördlichen Deutschlande aufzutreiben sey. Die göttingische und wolfenbüttelsche Bibliothek enthalten es nicht. Die Uebersezzung, die ich zu Rathe gezogen habe ist von des Essars, Nicolas de Herberay: Ausgabe von 1550.
  28. Ich habe zwey Uebersetzungen vor mir: eine italiänische, die 1537 von Messer Lelio[WS 9] di Manfredi, Ferrarese, verfertigt, und zu Venedig herausgekommen ist. Die letzte deutsch vom Freyherrn Khuefsteiner 1660. Diese ist viel weitläuftiger als die erste.
  29. So nennt sie der deutsche Uebersetzer. Der Italiäner anders.
  30. L’Astreé de Mr. d’Urfé à Paris 1733. T. II. p. 189.
  31. Man erinnere sich an die Contes de la Reine de Navarre und an Rabelais aus dem sechzehnten Jahrhunderte. Ihre Nachahmer dauerten im siebzehnten Jahrhunderte fort. Man vergleiche: Gordon de Percel de l’Usage des Romans T. II. p. 254 und 310. Uebrigens herrschte in den asotischen Produkten dieser Zeit eine Plattheit, welche den guten Geschmack eben so sehr wie die Sitten beleidigt. Brantome ist gleichfalls hierher zu rechnen.
  32. Man findet ihn in des Hilarii Drudonis Practica artis amandi. Amstelodami 1652.
  33. S. unter andern den Auszug aus dem Libius Disconius, den Percy in den Reliques V. III. Introd. p. XVII. liefert.
  34. Außer dem Ritter Wigoleis vom Rade, den die deutsche Bibliothek der Romane anführt, nenne ich hier noch eine andere Komposition dieser Art, die wenig bekannt ist, und sich auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek befindet: Eine schöne und liebliche History von dem edeln und theuren Ritter Galmien und von seiner züchtigen Liebe, so er zu einer Herzogin getragen hat, welche er in eines Mönchs Gestalt von dem Feuer und schändlichen Tod erlöst hat, zuletzt zu einen gewaltigen Herzogen in Brittannien erwählt, und mit schönen Figuren angezeigt. Am Ende steht: Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Frölich im Jahre 1548. Ich stehe inzwischen nicht dafür ein, daß der Roman auf deutschem Boden gewachsen sey. Der Plan ist sehr gut angelegt. Schade daß ihm die Ausführung nicht entspricht.
  35. Millot hist. des Troubadours T. 2. p. 105. Article Savary de Mauléon.
  36. Dieß thut der Präsident Rolland, Recherches sur les prérogatives des Dames chez les Gaulois, sur les cours d’amours etc. à Paris, 1782. Herr Klüber hat, meiner Einsicht nach, mit Unrecht dieser höchst unkritischen Kompilation sein Vertrauen geschenkt. Uebers. von St. Palaye T. II. 260.
  37. Crescimbeni della volgar poesia. Memoires de la vie de Petrarque par l’Abbé de Sade in den Noten.
  38. Velly hist. de France. T. III. p. 242.
  39. Fauchet hist. des anciens poetes François. T. II. p. 578.
  40. Ich habe eine französische Uebersetzung vor mir. Treizes élegantes Demandes d’amours premierement composées par le trèsfaconde Poëte Jéhan Bocace et depuis translatées en François 1541 à Paris in 16.
  41. Z. B. Es wird gefragt, wer den Vorzug in der Liebe verdiene, der Tapfere oder der Weise? Wer die größten Aufopferungen [243] in der Liebe mache, derjenige, der seine Ehre oder der sein Leben, oder seine Güter hingiebt? u. s. w.
  42. Recherches sur les prérogat. des Dames p. 130.
  43. Millot hist. des Troub. T. I. article Cabestaing.
  44. Villaret hist. de France. T. XII, p. 97. Memoires de l’académie des inscriptions T. VII. p. 287. Melanges tirés d’une grande Bibliotheque. T. IV. p. 244.
  45. Beym Rolland Recherches S. 163 findet man nähere Nachrichten. Er behauptet aber ohne Grund, daß diese Cour amoureuse ihrer Einrichtung nach von den älteren Cours d’amours verschieden gewesen sey, weil jene den Charakter des Ernstes an sich getragen hätten. Dieser Ernst läßt sich nicht erweisen, und wird willkührlich vorausgesetzt.
  46. Hist. de Provence. T. II. Livre 3. p. 216–219.
  47. Der vollständige Titel heißt: Droits nouveaux publiez de par Messieurs les Senateurs de Cupido, sur lestat et police Damour pour avoir entendu le plusieurs amoureux et amoureuses. Avec Privilege. Am Ende heißt es: Lecta, publicata et registrata in parlemento amoris audito procuratore generali in vigilia Regum 1540. Es ist möglich, daß dieß Werk eben dasselbe sey, welches Rolland p. 43. von Coquillart unter dem Titel droit nouveaux d’amour anführt. Allein dann ist dieß letzte eine Abkürzung der arrêts d’amour von Martial d’Auvergne, die mir nicht zu Gesicht gekommen sind. Rolland selbst scheint es nur aus der Description de l’arc de triomphe d’Aix zu kennen.
  48. Il est permis à tous Masques taster, baiser, accoler, et passeront laisement, sauf aux demoiselles leurs defenses au contraire.
  49. Der vollständige Titel heißt: le Pourquoy d’Amours, auquel sont contenus plusieurs questions, demandes, ou problemes de ceste matiere desquelles s’ensuyvent les solutions et reponses, deduites par authoritez de raison naturelle, matiere fort joyeuse et delectable a ceulx principalement qui ont suyvi, suyvent, et ont desire de suyvir la triumphante Court du Seigneurial prince Cupido 1573. à Lyôn chez Morice Roy et Louys Pesnol mit gothischen Lettern in 16mo.
  50. Dahin gehören z. B. die Raguali di Amore e di Cipro. Venetia 1646. eine Sammlung von Erzählungen, [248] Aufzügen, Gerichtshaltungen, witzigen Unterredungen, u. s. w. die zum Zeitvertreib am Hofe der Venus beygetragen haben sollen.
  51. Dahin gehören unter den ältern die Dubbi amorosi di Gia Giacomo Canlandra Mantovano, welche bereits Equicola anführt: die Quistioni und Dubbi d’amore von Varchi, Zoppius, M. Agn. Firenzuola, Dominichi, Romei, die den von diesen Verfassern angezeigten Werken angehängt sind: Dubbi amorosi di Gia Franc. Loredano in Venezia 1652. u. s. w.
  52. Man findet sie auf der Wolfenbüttelschen Bibliothek. Rolland spricht davon, als wenn er das Werk nur vom Hörensagen kennte.
  53. Vergleicht Thomas Essay sur les femmes. Meiners Geschichte der Weiber. St. Foix Essays historiques sur Paris. Rolland sur les Prerogatives[WS 19] des Dames Gauloises, St. Palaye, u. s. w.
  54. Merkwürdig ist die Anekdote eines deutschen Ritters von großem Nahmen und ausgebreitetem Rufe, Reinharts von Westerburg. Er war beständig im Gefolge des Kaysers Ludwigs des Bayern, und zeichnete sich zu gleicher Zeit durch seine Ritterthaten und seine Gedichte aus. Als er einst nach einer Niederlage der Bürger zu Koblenz mit dem Kayser ritt, machte er folgende Verse:

    Ich dürfte den Hals mir brechen, wer rächet mir den Schaden dann?
    So hätt ich niemand der mich räche, ich bin ein ungefreundter Mann.
    Auf ihr (der Weiber) Gnad’ acht’ ich kleine Sach,
    Das laß ich sie verstahn, u. s. w.

    Erst als er auf Befehl des Kaysers das Gedicht „zu Ehren der Frauen“ bessern mußte, sang er:

    In Jammers Nöthen ich gar verbrinn
    Durch ein Weib so minniglichen, u. s. w.

    worauf der Kayser sagte: Westerburg hat es wohl gebessert. S. Klübers Uebersetzung des St. Palaye Th. 2. S. 58.

  55. St. Foix T. IV. S. 13.
  56. Warton Geschichte der englischen Dichtkunst. S. 256.
  57. Memoires de l’academie des Inscr. et belles lettres. T. XX. p. 403.
  58. St. Palaye noch der Klüberschen Uebersetzung 2. Th. S. 262.
  59. Ein anonymischer Schriftsteller behauptet in den Essays sur divers Sujets interessans de Politique et de Morale 1761. T. 1. Essay II. der Nahme Galanterie sey unter Franz dem Ersten aufgekommen.
  60. Vergl. St. Palaye und Alexanders history of Women.
  61. Wie leichtsinnig, wie ausgelassen die Franzosen damahls über die Galanterie dachten, sieht man aus des Brantome femmes galantes.
  62. Der Duc de la Rochefaucault richtete folgende Verse an Mad. de Longueville.

    Pour meriter son coeur, pour plaire à ses beaux yeux,
    J’ai fait la guerre aux Rois, je l’aurois faite aux Dieux.

    S. Thomas sur les femmes p. 165.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hinter und am wenigsten fehlt in jedem, (siehe Verbesserungen)
  2. Vorlage: nobititateEmnientia (siehe Verbesserungen)
  3. Vorlage: hinter Scharfsinn steht ein Komma (siehe Verbesserungen)
  4. Vorlage: de (siehe Verbesserungen)
  5. Vorlage: in (siehe Verbesserungen)
  6. Vorlage: alle (siehe Verbesserungen)
  7. Vorlage: Aber nur den (siehe Verbesserungen)
  8. Vorlage: Fiorentnio
  9. Vorlage: Lelis (siehe Verbesserungen)
  10. Vorlage: Clissor (siehe Verbesserungen)
  11. Vorlage: heimliche (siehe Verbesserungen)
  12. Vorlage: zwöfte
  13. Vorlage: id hora Idegni (siehe Verbesserungen)
  14. Vorlage: Wiederhersterstellung
  15. Vorlage: es fehlt (siehe Verbesserungen)
  16. Vorlage: schlich (siehe Verbesserungen)
  17. Vorlage: hinter Cours steht ein Komma (siehe Verbesserungen)
  18. Vorlage: wurde! (siehe Verbesserungen)
  19. Vorlage: Preogatives (siehe Verbesserungen)
  20. Vorlage: zartere (siehe Verbesserungen)
  21. Vorlage: dem fehlt (siehe Verbesserungen)