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Verheißung (Anton Ohorn)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: Anton Ohorn
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Titel: Verheißung
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 42, S. 688, 689
Herausgeber: Ernst Ziel
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1884
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[688]
Verheißung.[1]
Mit Illustration.

Es leuchtet sonnig der Frühlingstag,
Die Blüthen duften im grünen Hag,
Da wandelt still durch des Gartens Au
Mit ihrem Knaben die bleiche Frau.
„Ach, Mutter, wie ist’s so schön ringsum
Und Du bist traurig, blaß und stumm!“ –
„Wohl fächelt die Stirn mir der Frühlingswind,
Im Herzen ist’s Winter, mein armes Kind.
Es klang das Horn, das zum Streite rief,
Dein Vater hört’s nicht, er schläft so tief;
Sein Harnisch rostet, umflort ist sein Schwert,
Und Feinde bedräuen ihm Land und Herd.
Aus blühenden Gärten, aus fürstlichem Haus
Verjagt man die Seinen – in’s Elend hinaus!“

Sie leitet weiter das schweigende Kind,
Umschlingt das Gewand ihm mit Blättergewind’
Und reicht ihm die Rose mit schmerzlichem Kuß:
„Deiner Heimath letzter Blüthengruß!“

Nun stehen sie still an der Mauer Rand
Und blicken hinaus in’s sonnige Land;
Da schallt gedämpfter Rossestrab:
Ein Reiter sprengt den Hohlweg herab,
Auf braunem Hengste ein frischer Gesell,
Das Wamms von Sammet, die Waffen hell.
Die Frau an des Knaben Seite erschrickt,
Sobald sie des Ritters Antlitz erblickt:
Dem einstens das liebende Herz sie verletzt,
Der lang’ sie gemieden, er naht ihr jetzt.

Er hält an der Mauer sein edles Thier:
„Gertrudis, heut’ komm’ ich wieder zu Dir.
Wie ist Dein Antlitz so bleich wie Schnee,
Mir blutet das Herz, da ich Dich seh’;
Du stehst mit Deinem Kinde allein –
Darf ich Dein Hort und Schützer sein?“ –

Es schweigt die Frau, doch der Knabe spricht:
„Du fremder Mann, so gut und licht,
Ja, schütze mich und mein Mütterlein,
Dann sollst Du so lieb wie der Vater uns sein!“

Die Herrin sieht bebend zum grünen Grund,
Sie schließt mit der Linken des Knaben Mund,
Der aber reichet mit kindlichem Sinn
Dem Ritter das rothe Röslein hin. –
Er nimmt es mit Hast aus der kleinen Hand:
„Das sei mir des Sieges Unterpfand!
Die Blüthe werde des Helmes Zier,
Die rothe Rose sei mein Panier!
Und kehre ich wieder aus glücklichem Streit,
Dann lege ab Dein Wittwenkleid,
Dann komm’ ich, die weiße Rose zu frein;
Gertrudis, darf ich? – Du sagst nicht nein? –
Hinaus denn zum Streite, sei Gott mit mir.
Den Vater, mein Knabe, erkämpf’ ich Dir!“ – –

Er steckt die Rose an seine Brust,
Das Pferd trabt weiter durch Gras und Blust.
Die Frau sieht ihm nach in träum’rischer Ruh,
Dann küßt sie den Knaben und – lächelt dazu.
 Anton Ohorn.

  1. Aus einer Gedichtsammlung, welche der unsern Lesern wohlbekannte Verfasser unter dem Titel: „Heimchen“, Gedichte von Anton Ohorn, soeben im Verlage von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig erscheinen läßt.

[689]

Verheißung.
Nach dem Oelgemälde von Carl Hoff.