Verkehrserleichterungen und Zeitersparnisse

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Arthur Michelis
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Verkehrserleichterungen und Zeitersparnisse
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 7, S. 119
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[119] Verkehrserleichterungen und Zeitersparnisse gehören unter die großen Tagesfragen. Seitdem wir Eisenbahnen, Telegraphie, Stenographie, Nähmaschinen, Schnellpressen etc. haben, regt sich’s allerwärts, alte, schwerfällige Formen abzuwerfen und neue Einrichtungen zu schaffen, welche, den gesteigerten Anforderungen der Gegenwart entsprechend, den Weg zu den verschiedensten Zielen ebnen und abkürzen. Daß der Umgestaltungsproceß in allen Gebieten so ungemein lebhaft geworden, ist aber die Ursache, daß vom Publicum viel Einzelnes, obwohl fast Jeder Nutzen daraus ziehen könnte, unbeachtet bleibt und eine Reihe von Jahren dazu gehört, um es allgemeiner einzubürgern. Hier nur ein Pröbchen aus dem Postgebiete.

Lange hat es gedauert, bis man sich gewöhnte, die Frankirung der Briefe nicht durch Einzahlung am Schalter, sondern durch Aufklebung von Freimarken zu bewirken. Auch der Gebrauch von Postanweisungen für kleinere Geldsendungen, sowie von offenen Correspondenzkarten für kurze Nachrichten fängt bereits an, sich weiter auszubreiten, selbst in ländlichen Kreisen. Sehr selten benutzt, ja fast ganz unbekannt im großen Publicum ist aber zur Zeit noch die seit Jahr und Tag bestehende Form dieses Vehikels mit angebogener Karte für die Antwort.

In jeder Postanstalt sind nämlich zusammengefaltete Karten zu haben, auf deren oberer, für die Adresse bestimmter, gedruckt steht:

Correspondenz-Karte.
(Rückantwort bezahlt.)
An . . . . . . . . . . . . . .
     in . . . . . . . .

darunter Gebrauchserklärung. Die Rückseite dieses Blattes dient, wie bei der einfachen Postkarte, für die Mittheilung Seitens des Absenders. Die angebogene untere Karte, „bezahlte Rückantwort“ überschrieben, kann der Letztere mit seiner eigenen Adresse versehen, um seinem Correspondenten die Mühe zu ersparen. Beide Karten, die obere wie die untere, werden jede mit einer halben Groschenmarke beklebt.

Der Hauptvortheil dieser Einrichtung liegt nicht sowohl darin, daß beiden Theilen die Mühe und das Porto zweier Briefe erspart wird, als vielmehr in dem Umstande, daß der Adressat in einer sanften, aber unwiderstehlichen Art zu einer Antwort, und zwar zu einer raschen, kurzhändigen, bewogen wird. Referent hat nicht nur selbst in dieser Weise viele glückliche Versuche gemacht mit hartnäckig säumigen Briefschreibern, von denen die Welt wimmelt, sondern auch mehrfach Bekannten, die gesprächsweise über ausbleibende Antworten verzweifelten, den Rath gegeben, jenen Modus anzuwenden, und – nicht ein einziges Mal blieb derselbe ohne Erfolg!

Die Erklärung ist einfach genug. Erstens übt schon die Neuheit der Sache einen spornenden Reiz aus. Sodann wird selbst bei einem verhärteten, mit Briefschulden aller Art belasteten Gemüthe ein Rest von Gefühl sich regen, wenn solch schmuckes Kärtchen als Bittsteller vor ihm erscheint. Das artige kleine Ding wirbt ja nur um wenige Zeilen. Der Befragte braucht sich nicht den Kopf zu zerbrechen, welche Form der Anrede er wählen, ob er „hochachtungsvoll“ oder „freundschaftlich ergebenst“ zeichnen soll, sondern kann, Hegel zum Trotze, den Beweis führen, daß es doch „Inhalt ohne jedwede Form“ in der Welt giebt. So wird denn flugs Bleistift und Scheere genommen, in drei Minuten ist die Sache erledigt und einem hülfsbedürftigen Nebenmenschen ein Dienst erwiesen.

Wie geht’s dagegen mit Briefen? – Hand auf’s Herz! fast Keiner von uns hat da ein ganz sauberes Gewissen. Es ist eine alte Geschichte, doch wem sie just passiret, dem reißt die Geduld entzwei und er ärgert sich (was sehr übel gethan ist), anstatt zu bedenken, daß er selber früher schon Anderen ähnliches Aergerniß gab, den Fall als Sühne zu betrachten und sich zu bessern.

Der „offenen Fragen“, politischer, socialer, confessioneller, giebt’s in der That genug, um einen erklecklichen Theil der vierzig Millionen Deutschen zu beschäftigen und zu beunruhigen. Preis und Dank also unserm unermüdlichen Stephan in Berlin, der durch seine rosenfarbigen Doppelzettel uns hilft, Hunderttausende von kleinen Fragen des Privatverkehrs aus der Welt zu schaffen.

Arthur Michelis.