Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs/§.24

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
« §.23 Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs §.25 »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
Textdaten
Autor: Johann Christoph Harenberg
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vernünftige und Christliche Gedancken über die Vampirs ...
Untertitel: §.24 - Hieher gehört die beschriene Brockenfahrt der Hexen.
aus: Vorlage:none
Herausgeber: {{{HERAUSGEBER}}}
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1733
Verlag: Johann Christoph Meißner
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Wolfenbüttel
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums bzw. bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]

§. XXIV.

[89] Man kann auch durch Kunst und natürliche Hand-Griffe die Menschen in solche Umstände setzen, daß sie von den abwesenden Sachen, woran sie gedencken, so lebhaftige Bilder in ihrem Gehirn hervorbringen, als man sonst von den gegenwärtigen Sachen empfindet, welche die äussern Gliedmassen der Sinnen rühren. Wir wollen dieses mit dem Exempel der Hexen, und der so genannten Heiligen, oder Schwärmers erklähren. Die Vorstellungen, welche sich in der Einbildung der Hexen von dem Fluge durch die Luft, von dem Brocken Tantze, von der Hochzeit und Beyschlaffe des Satans und andern sieben Sachen befinden, rühren lediglich von einer Kräuter-Salbe und den Erzehlungen anderer Hexen her. Denn wenn eine junge Hexe angeworben wird, so wird sie erst mit Kräutern geräuchert, welche die Einbildung verderben, und darauf mit vielen Fabeln, so in der Ordnung der Dinge nicht gegründet sind, in dem Gehirn angefüllet. Wenn eine Hexe nach [90] dem Brocken oder zu andern unholden Versammlungen fahren wird, salbet und schmieret sie sich zuforderst in der Schläfe und den äussersten Theilen des Leibes, wo die Nerven am ersten können Empfindungs-los gemacht werden. Darauf schläft sie ein, und bleibt auf der Stätte sitzen oder liegen. Was ihr vorhin gesagt worden von dem Luft-fliegen und Brocken-Tantz, das stellet sich in dem Schlafe der Einbildung so deutlich vor, daß sie nachgehends, wenn sie erwachen, nicht anders meynen, als ob sie würcklich durch die Luft geflogen, und mit ihren Gilde-Genossen dem Brocken-Tantze beygewohnet hätten. Vor einigen Jahren hat man dieses gar deutlich wahrgenommen (a)[1] an einer Hexe, so in dem Hertzogthum Mecklenburg sich selbst aus Angst des Gewissens bey der Obrigkeit gemeldet, und die gerechte Straffe über sich losgebeten. Man setzte dieselbe vest, und gab wohl acht, ob sie auch würcklich wegfahren würde, wie sie vorgab. Allein nach geschehener Beschmierung schlief sie ein, blieb an dem Orte liegen, wachte erst nach dreyßig und etlichen Stunden wieder auf, erzehlte was auf dem Brockens-Berge vorgegangen, und machte alle Persohnen nahmhaftig, so zugleich da gewesen und ihr sonst nicht unbekannt waren. Ein gleiches haben schon angemercket VALVASOR L. III. c. 12. p. 359. sqq. in der Ehre des Ertz-Hertzogthums Crayn, und ERASMVS FRANCISCI in den [91] beygefügten Anmerckungen. FRIDERICVS HOFFMANNVS, ein gar gründlicher Weltweiser und Kenner der Natur, schreibet hievon auf gleichen Schlag: (b)[2] Ex Veneficarum Actis ipse, quum degerem in Westphalia, notavi, sagas prius semper, quandocunque diaboli suggestionibus & operationibus sese tradituræ essent, se inunxisse, praesertim in carpis manuum ac plantis pedum, temporibusque, unguentis quibusdam somniferis, v. gr. ex mandragora, semine hyosciami, lolii, cicuta, OPIO consectis, Quo facto, alto & profundo somno sepeliuntur, in quo diabolus suggestionibus suis revolationibusque variis in phantasiam earum exercet operationes. Nach eben diesem Fusse machten es die Schwartz-Künstler der Perser, wie wir aus den Todten-Gesprächen des Luciani (c)[3] gar weitläuftig nachlesen können. Die Wahrsagers und Wahrsagerinnen der Heyden nahmen auch alzeit vor der Weissagung etwas zu sich, wodurch sie in eine Verzückung und Wahnsinnigkeit gesetzet wurden. (d)[4] Einige Klüfte der Erden sind auch so beschaffen, daß sie erstarrende und kalte Dünste aushauchen, so mit unreinen Schwefel angefüllet sind. Das Loch, worauf nachher der Wahrsagungs-Dreyfuß zu Delphos in [92] Griechenland gestellet wurde, setzte so gar die Ziegen und Thiere in eine Verzückung. (e)[5] Dieses hatten spitzfindige und listige Menschen angemercket, und solches nachhero zu ihrem Vortheil gemisbrauchet. Insonderheit befördern einige natürliche Dinge die Unrichtigkeit der Einbildungs-Kraft. Dieses siehet man an den Leuten, so in dicker und verdickter Luft wohnen oder arbeiten, so sich auf hohen und kalten Gebürgen aufhalten, so allen frölichen Umgang der Menschen scheuen, so grobe Speisen, und kalte, blähende Geträncke zu sich nehmen, auch dabey wenig arbeiten: Ferner diejenigen, so viele gedorrete Hülsen-Früchte, Bonpurnickel, starck-gehopfte Biere, und viel Schweine-Fleisch, geniessen, dabey aber keine schwere Arbeit haben, und der gehörigen Bewegung ermangeln. Die Berg-Männleins und Kobolden sind lediglich in dem Gehirn der Berg-Leute gebohren. Man hat den Berg-Mönch erdacht, als die Walckenroder[6] Mönche viele Kuxen[7] auf dem Hartze besessen. Die dicke Luft unter der Erden, der stete Gebrauch des Schweine-Fleisches, die unreinen und verkältenden Ausdünstungen, die viele Einsamkeit, sind allerdings fähig, daß die Gruben-Leute auf gleiche Weise, wie die Hexen, in der Einbildung von ihren Gedancken gerühret werden. Die eigene Erfahrung lehret mich, daß dieses nicht allein möglich, sondern auch bey gewissen [93] Umständen würcklich sey. Denn a. 1719. bin ich dergestalt von der hypochondrischen Seuche, wegen beständiges Sitzens und genossenes blehenden Biers, angefallen, daß ich nicht recht schlafen können, und doch alzeit müde gewesen, zugleich aber eine so lebhafte Einbildung von den Sachen, so ich dachte, gehabt habe, dergleichen man sonst von gegenwärtigen Dingen bey hellen Lichte zu haben pflegt. Wenn die Bergknappen so sehr an einer verdorbenen Phantasie von göttlichen Dingen Beliebung haben, so ist solches gar nicht zu bewundern.


  1. (a) GODELMANNVS in Tractatu de Magis L. II. c. 4. &. ex eo FRIDERICVS HOFFMANNVS in Diss. de Diaboli potentia in corpora §. 6. p. 379. sq.
  2. (b) In Dissert. de Diaboli potentia in corpora §. XIX. p. 399. inter Opuscula Physico-Medica Ulmæ edita 1725. 8. To. I.
  3. (c) Dial. LXX. p. 225. sqq. & Lips. 1583. 8.
  4. (d) MICHAEL PSELLVS in Dialogo de operationibus daemonum p. 94. sqq. VIRG. Aen. L. IV. v. 485. sqq.
  5. (e) IVSTINVS L. XXIV. c. 6. STRABO L. IX. p. 419. DIODORVS Siculus L. XVI. c. 26. Mr. SCHOTT en Explication nouvelle de l’Apotheose d’Homere p. 100. sqq.
  6. [WS: heute Walkenried im Harz]
  7. [WS: Bergwerke]