Verordnung, betreffend das Verfahren und den Geschäftsgang des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung

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Titel: Verordnung, betreffend das Verfahren und den Geschäftsgang des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1901, Nr. 50, Seite 498 - 507
Fassung vom: 23. Dezember 1901
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 27. Dezember 1901
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(Nr. 2824.) Verordnung, betreffend das Verfahren und den Geschäftsgang des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung. Vom 23. Dezember 1901.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 80 des Gesetzes über die privaten Versicherungsunternehmungen vom 12. Mai 1901 (Reichs-Gesetzbl. S. 139) im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths, was folgt:

I. Eintheilung und Bearbeitung der Dienstgeschäfte.[Bearbeiten]

§. 1. Dienststellung des Präsidenten.[Bearbeiten]

Dem Präsidenten steht die Leitung und Beaufsichtigung des gesammten Dienstes bei dem Kaiserlichen Aufsichtsamte für Privatversicherung zu.
Er vertheilt die Geschäfte und bestellt, soweit erforderlich, die Beauftragten und Vertreter der Behörde.

§. 2. Präsidialsachen.[Bearbeiten]

Der Präsident erledigt die durch besondere Bestimmung ihm überwiesenen Angelegenheiten (§. 73 Abs. 6, §. 75 Abs. 3 des Gesetzes). Er ordnet die Einrichtung der Büreaus, der Akten und der Geschäftsregister; er hat die Verfügung in allen die Verwaltung des Amtes betreffenden Angelegenheiten, insbesondere in Personalsachen sowie in denjenigen Angelegenheiten, welche das Haushalts- und Kassenwesen, die Diensträume und deren Einrichtung, die amtlichen Veröffentlichungen, die Bibliothek und ähnliche Gegenstände betreffen (Präsidialsachen).
Der Präsident bezeichnet diejenigen sonstigen Sachen, deren Bearbeitung oder Revision er sich vorbehält. Er ist befugt, in jeder Sitzung den Vorsitz zu übernehmen; er vollzieht die Ausfertigungen und Reinschriften in den ihm vorbehaltenen Sachen. [499]

§. 3. Vertretung des Präsidenten.[Bearbeiten]

Die ständige Vertretung des Präsidenten für dessen sämmtliche Dienstobliegenheiten steht dem Direktor und, sobald mehrere Direktoren bestellt sind, demjenigen Direktor zu, welcher vom Reichskanzler (Reichsamt des Innern) zur ständigen Vertretung des Präsidenten bestimmt wird.
Im Falle der Verhinderung des ständigen Vertreters erfolgt die Vertretung durch die anderen Direktoren und, sofern nicht der Reichskanzler, (Reichsamt des Innern) etwas Anderes bestimmt, in der Reihenfolge des Dienstalters durch die übrigen ständigen Mitglieder im Hauptamte.

§. 4. Abtheilungen.[Bearbeiten]

Auf Vorschlag des Präsidenten kann der Reichskanzler (Reichsamt des Innern) die Einrichtung von Abtheilungen anordnen sowie deren Geschäftskreis, Leitung und Geschäftsgang bestimmen, insbesondere auch Anordnung darüber treffen, wieweit Abtheilungssitzungen an die Stelle der Gesammtsitzungen des Amtes (§§. 13 ff.) treten.

§. 5. Nichtständige Mitglieder.[Bearbeiten]

Die Zahl der vom Bundesrathe zu wählenden nichtständigen Mitglieder des Aufsichtsamts wird auf vier festgesetzt. Durch Beschluß des Bundesraths kann die Zahl bis auf sechs erhöht werden.
Die nichtständigen Mitglieder werden durch den Staatssekretär des Innern mittelst Handschlags an Eidesstatt auf ihre Obliegenheiten verpflichtet.

§. 6. Richterliche Beamte und Mitglieder höchster Verwaltungsgerichtshöfe.[Bearbeiten]

Die zu den Rekursentscheidungen zuzuziehenden richterlichen Beamten und Mitglieder höchster Verwaltungsgerichtshöfe (§. 74 Abs. 2, 3 des Gesetzes) werden in gleicher Weise durch den Präsidenten des Aufsichtsamts verpflichtet.

§. 7. Geschäftsgang im Allgemeinen.[Bearbeiten]

Die Geschäfte des Aufsichtsamts werden durch Verfügung erledigt, sofern nicht
a) das Gesetz die Entscheidung in Spruchsenaten vorschreibt (§§. 73 bis 76 des Gesetzes), oder
b) der Präsident in bestimmten Fällen, in denen Anordnungen oder Verfügungen zu erlassen sind, die Berathung und Beschlußfassung in einer Gesammtsitzung (§. 13) anordnet.

II. Versicherungsbeirath.[Bearbeiten]

§. 8. Zusammensetzung.[Bearbeiten]

Der Versicherungsbeirath (§. 72 des Gesetzes) besteht aus vierzig Mitgliedern. Nach Bedarf kann der Bundesrath auf Antrag des Reichskanzlers die Erhöhung dieser Zahl bis auf sechzig beschließen. [500]
Die Mitglieder des Versicherungsbeiraths werden unter Berücksichtigung ihrer besonderen Sachkunde von dem Präsidenten auf folgende Gruppen vertheilt:
1. auf das Gebiet der Lebensversicherung und der Krankenversicherung;
2. auf die Unfall- und die Haftpflichtversicherung;
3. auf die Viehversicherung, die Hagelversicherung und die sonstige landwirthschaftliche Versicherung;
4. auf die Feuerversicherung sowie die Versicherung gegen Sturmschäden; Wasserschäden und Diebstahl;
5. auf die sonstigen verschiedenen Versicherungszweige.
Die einzelnen Mitglieder können mehreren Gruppen zugetheilt werden.

§. 9.[Bearbeiten]

Die Mitglieder des Versicherungsbeiraths werden durch den Präsidenten des Aufsichtsamts mittelst Handschlags an Eidesstatt auf ihre Obliegenheiten, insbesondere auch auf die Wahrung des Amtsgeheimnisses verpflichtet.
Im Falle der Wiederberufung genügt die Verweisung auf die frühere Verpflichtung.

§. 10. Zuziehung.[Bearbeiten]

Zur gutachtlichen Berathung des Aufsichtsamts wird der Versicherungsbeirath, sofern seine Anhörung gesetzlich vorgeschrieben ist, entweder in seiner Gesammtheit oder in einzelnen Gruppen nach näherer Bestimmung des Präsidenten berufen.
In sonstigen Fällen kann der Präsident einzelne Mitglieder des Versicherungsbeiraths für die Begutachtung in Anspruch nehmen.
Sind nur einzelne Gruppen oder einzelne Mitglieder des Versicherungsbeiraths zu hören, so kann der Präsident bestimmen, daß statt mündlicher Berathung eine schriftliche Begutachtung erfolgt.

§. 11.[Bearbeiten]

Zur Mitwirkung bei den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen der §§. 73 bis 76 des Gesetzes sollen in den einzelnen Fällen Mitglieder derjenigen Gruppen des Versicherungsbeiraths zugezogen werden, welche für die betreffenden Versicherungszweige gebildet sind. Dementsprechend bestimmt der Präsident nach Art der zu entscheidenden Fälle die jedesmal zu betheiligenden Gruppen.
Innerhalb einer jeden Gruppe sind die Mitglieder zu den einzelnen Sitzungen, gleichviel ob es sich um eine Entscheidung in der ersten oder in der Rekursinstanz handelt, vorbehaltlich der Vorschriften im §. 73 Abs. 2 des Gesetzes, in der alphabetischen Reihenfolge ihrer Namen zuzuziehen.

§. 12. Geschäftsgang des Versicherungsbeiraths.[Bearbeiten]

Die Einladung der Mitglieder des Versicherungsbeiraths erfolgt von Amtswegen oder im Auftrage des Reichskanzlers (Reichsamt des Innern) durch den Präsidenten des Aufsichtsamts. [501]
Die Einladung darf von den Mitgliedern des Versicherungsbeiraths nur aus zwingenden Gründen, die auf Erfordern glaubhaft zu machen sind, abgelehnt werden.
Dem Präsidenten oder einem von ihm hierzu beauftragten ständigen Mitgliede des Aufsichtsamts steht die Leitung der mündlichen Berathungen des Versicherungsbeiraths zu.
Den nichtständigen Mitgliedern des Aufsichtsamts steht es frei, den Gesammtsitzungen und den Gruppensitzungen des Versicherungsbeiraths beizuwohnen. Sie sind von den Sitzungen unter Mittheilung der Tagesordnung zu benachrichtigen, sofern sie am Sitzungstage voraussichtlich in Berlin anwesend sein werden.
Der Präsident kann zu den Berathungen des Versicherungsbeiraths die ständigen Mitglieder des Aufsichtsamts, die dem Amte sonst beigegebenen Beamten sowie besondere Sachverständige zuziehen.

III. Gesammtsitzungen des Aufsichtsamts.[Bearbeiten]

§. 13.[Bearbeiten]

Zur Berathung wichtigerer Angelegenheiten kann auf Anordnung des Präsidenten (§. 7) und unter seinem Vorsitz eine gemeinsame Berathung und Beschlußfassung in Gesammtsitzungen stattfinden.
Zur Theilnahme sind alle ständigen und nichtständigen Mitglieder des Aufsichtsamts sowie die zur Bearbeitung von Geschäften der Mitglieder herangezogenen Hülfsarbeiter einzuladen, soweit sie am Sitzungstage voraussichtlich in Berlin anwesend sein werden.
Der Präsident kann bestimmen, daß für einzelne Gegenstände auch andere Beamte des Aufsichtsamts sowie höchstens je zwei richterliche Beamte, Mitglieder eines höchsten Verwaltungsgerichtshofs (§. 74 Abs. 2 des Gesetzes) und Mitglieder des Versicherungsbeiraths zu den Sitzungen zugezogen werden.
Bei der Einladung ist die Tagesordnung mitzutheilen.

§. 14.[Bearbeiten]

Die Gesammtsitzungen sind nicht öffentlich.
Stimmberechtigt sind nur die eingeladenen und in der Sitzung anwesenden ständigen und nichtständigen Mitglieder des Aufsichtsamts sowie die zugezogenen richterlichen Beamten, Mitglieder höchster Verwaltungsgerichtshöfe und Mitglieder des Versicherungsbeiraths.
Die von dem Bundesrathe gewählten Mitglieder nehmen ihre Stelle nach dem Vorsitzenden, also vor den übrigen Mitgliedern, und zwar in der Reihenfolge der Bundesstaaten ein, denen sie angehören. Den nichtständigen Mitgliedern schließen sich unmittelbar die nebenamtlich berufenen ständigen Mitglieder an. [502]
Der Vorsitzende leitet die Berathungen, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen. Meinungsverschiedenheiten über den Gegenstand, die Fassung und die Reihenfolge der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung werden gemäß §. 15 entschieden.

§. 15.[Bearbeiten]

Für den mündlichen Vortrag in den Sitzungen wird ein Berichterstatter ernannt. Aus besonderen Gründen können Mitberichterstatter bestellt werden.
Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt, bei Stimmengleichheit giebt der Vorsitzende den Ausschlag.
Bilden sich in Beziehung auf Summen, über die zu entscheiden ist, mehr als zwei Meinungen, deren keine die Mehrheit für sich hat, so werden die für die größte Summe abgegebenen Stimmen den für die zunächst geringere abgegebenen Stimmen solange hinzugerechnet, bis sich eine Mehrheit ergiebt.
Die Stimmen werden bei namentlicher Abstimmung in folgender Reihenfolge abgegeben:
1. von den Berichterstattern in der Reihenfolge ihrer Bestellung;
2. von den Mitgliedern des Versicherungsbeiraths;
3. von den richterlichen Beamten und Mitgliedern höchster Verwaltungsgerichtshöfe;
4. von den ständigen Mitgliedern im Hauptamte;
5. von den nebenamtlich berufenen ständigen Mitgliedern;
6. von den vom Bundesrathe gewählten Mitgliedern;
7. von dem Vorsitzenden.
Innerhalb der einzelnen Gruppen richtet sich die Reihenfolge der Abstimmung nach dem Dienstalter im Aufsichtsamte, bei gleichem Dienstalter nach dem Lebensalter und zwar in allen Fällen dergestalt, daß der Jüngste zuerst stimmt. Bei den vom Bundesrathe gewählten Mitgliedern ist die im §. 14 Abs. 3 bestimmte Reihenfolge umgekehrt zur Anwendung zu bringen.

IV. Geschäftsgang und Verfahren bei den Senaten.[Bearbeiten]

§. 16. Besetzung.[Bearbeiten]

Die Entscheidung der in den §§. 73 bis 76 des Gesetzes bezeichneten Angelegenheiten erfolgt durch Spruchkollegien, welche die Bezeichnung „Senate“ führen.
Den Vorsitz in den Senaten führen der Präsident, der Direktor oder die nach Bedürfniß vom Reichskanzler (Reichsamt des Innern) mit dem Vorsitze zu betrauenden ständigen Mitglieder.
Die Vertretung im Vorsitze wird durch den Präsidenten besonders geregelt. [503]

§. 17.[Bearbeiten]

Die nichtständigen Mitglieder des Aufsichtsamts sollen bei der Besetzung der Rekurssenate in den wichtigeren Angelegenheiten in der Regel betheiligt und zu dem Zwecke abwechselnd nach der im §. 14 Abs. 3 bestimmten Reihenfolge berufen werden.

§. 18.[Bearbeiten]

Die Einberufung zu den einzelnen Sitzungen soll in der Regel mindestens zwei Wochen vor den Sitzungen erfolgen.

§. 19.[Bearbeiten]

Ueber Ablehnungsgesuche (§. 73 Abs. 3, §. 74 Abs. 4 des Gesetzes) entscheidet der betreffende Senat durch Beschluß.

§. 20. Verfahren.[Bearbeiten]

Der Vorsitzende leitet die Verhandlungen und Berathungen in den Sitzungen, er stellt die Fragen und sammelt die Stimmen. Im Falle einer Meinungsverschiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung entscheidet der Senat.
Die Abstimmungen erfolgen nach Vorschrift des §. 15.

§. 21.[Bearbeiten]

Bei den nach §§. 73, 76 des Gesetzes zu erledigenden Sachen wird in der Regel nur ein Berichterstatter ernannt. Dieser hat ebenso wie der nach §. 75 Abs. 3 des Gesetzes in Rekurssachen zu ernennende erste Berichterstatter vor der mündlichen Berathung einen schriftlichen Bericht nebst Gutachten vorzulegen; der zweite Berichterstatter hat ein schriftliches Gutachten vorzulegen.

§. 22.[Bearbeiten]

Die Verhandlung beginnt mit der Darstellung des Sachverhalts durch den ersten Berichterstatter, demnächst sind die etwa erschienenen Betheiligten zu hören.
Der Vorsitzende hat jedem Mitgliede des Senats auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen.

§. 23.[Bearbeiten]

Die Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereidigten Protokollführers. Von demselben ist ein Protokoll aufzunehmen, das den Gang der Verhandlung im Allgemeinen angiebt. Anträge und Erklärungen der Betheiligten, welche von den Schriftsätzen abweichen, sind in das Protokoll aufzunehmen.

§. 24.[Bearbeiten]

Das Aufsichtsamt kann Bevollmächtigte und Beistände, welche das mündliche Verhandeln vor Gericht geschäftsmäßig betreiben, von der mündlichen Verhandlung [504] zurückweisen. Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf Rechtsanwälte und auf Personen, denen das mündliche Verhandeln vor Gericht durch Anordnung der Justizverwaltung gestattet ist.

§. 25.[Bearbeiten]

Die Vorschriften der §§. 176 bis 182, 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Aufrechterhaltung der Ordnung finden entsprechende Anwendung.

§. 26.[Bearbeiten]

Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sachverständiger vernehmen zu lassen und die Aussagen eidlich zu erhärten, finden die Bestimmungen der Civilprozeßordnung entsprechende Anwendung. Insbesondere ist das Aufsichtsamt befugt, gegen Zeugen und Sachverständige, welche sich nicht oder nicht rechtzeitig zu den Sitzungen einfinden, oder ihre Aussage oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder noch dann verweigern, nachdem der angeführte Grund für unerheblich erklärt ist, eine Geldstrafe bis zu dreihundert Mark festzusetzen. Kommt die Verhängung oder Vollstreckung von Zwangsmaßregeln in Frage, so ist das Amtsgericht zu ersuchen, in dessen Bezirke die Zeugen oder Sachverständigen ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen ihren Aufenthalt haben. Auf Militärpersonen, die dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehören, finden die Vorschriften des §. 380 Abs. 4, §. 390 Abs. 4, §. 409 Abs. 3 der Civilprozeßordnung Anwendung.
Erfolgt nachträglich eine genügende Entschuldigung für das Verhalten des Zeugen oder Sachverständigen, so sind die getroffenen Anordnungen wieder aufzuheben.
Die Zeugen und Sachverständigen erhalten Gebühren nach Maßgabe der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 689).

§. 27.[Bearbeiten]

Die vom Aufsichtsamt auf Grund der §§. 25, 26 festgesetzten Strafen werden in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben und fließen in die Reichskasse.

§. 28.[Bearbeiten]

Die Berathung über die Entscheidung erfolgt in nicht öffentlicher Sitzung auch in den Fällen, in denen auf Grund öffentlicher Verhandlung (§. 75 Abs. 4 des Gesetzes) entschieden wird.
Bei den Entscheidungen, die auf Grund mündlicher Verhandlung ergehen, dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor denen diese Verhandlung stattgefunden hat. [505]

§. 29.[Bearbeiten]

In Rekurssachen verkündet der Vorsitzende das Ergebniß der Berathung in öffentlicher Sitzung. Die Verkündung kann auf eine spätere Sitzung vertagt werden; diese soll in der Regel binnen einer Woche stattfinden.
Wird die Verkündung der Gründe für angemessen gehalten, so erfolgt sie durch mündliche Mittheilung ihres wesentlichen Inhalts.

§. 30.[Bearbeiten]

Die Entscheidungen werden nebst Gründen von den Berichterstattern entworfen und in der Urschrift von dem Vorsitzenden, den Berichterstattern und einem anderen Senatsmitgliede, das an der Entscheidung Theil genommen hat, unterzeichnet. Im Falle der Behinderung des Vorsitzenden erfolgt die Unterzeichnung durch das älteste mitwirkende ständige Mitglied.

§. 31.[Bearbeiten]

Im Eingange der Entscheidung sind die Mitglieder, welche an der Entscheidung Theil genommen haben, namentlich aufzuführen, auch ist der Sitzungstag zu bezeichnen, an dem die Entscheidung erfolgt ist.
Die Ausfertigungen der Entscheidungen werden mit der Ueberschrift versehen:
„Im Namen des Reichs.“
Sie enthalten neben dem Siegel des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung die Schlußformel:
„Urkundlich unter Siegel und Unterschrift,“
„Das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung.“.
Die Vollziehung erfolgt durch den Vorsitzenden, im Falle seiner Behinderung durch das dem Dienstalter nach älteste ständige Mitglied des Aufsichtsamts, welches bei der Entscheidung mitgewirkt hat.

§. 32.[Bearbeiten]

Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in der Entscheidung vorkommen, sind jederzeit auch von Amtswegen zu berichtigen.
Ueber die Berichtigung einer auf Grund mündlicher Verhandlung ergangenen Entscheidung kann ohne neue mündliche Verhandlung entschieden werden, der Berichtigungsbeschluß wird von dem Vorsitzenden und den Mitgliedern des Senats, die die Entscheidung unterzeichnet haben, erlassen; er wird auf der Urschrift der Entscheidung und den Ausfertigungen vermerkt. [506]

V. Schlußbestimmungen.[Bearbeiten]

§. 33.[Bearbeiten]

Alle Zustellungen des Aufsichtsamts können mittelst eingeschriebenen Briefes durch die Post erfolgen.
Läßt sich die Zustellung an die Person, der zugestellt werden soll, innerhalb des Deutschen Reichs nicht bewirken, so genügt die Bekanntmachung des Hauptinhalts der Entscheidung oder der Verfügung im Reichsanzeiger. Neben dieser Bekanntmachung soll jedoch der Hauptinhalt des zuzustellenden Schriftstücks auch durch Aushang während einer Woche in den Geschäftsräumen des Aufsichtsamts zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden.
Die Zustellung gilt in den Fällen des Abs. 2 als bewirkt, nachdem eine Woche nach dem Tage verstrichen ist, an dem die betreffende Nummer des Reichsanzeigers ausgegeben worden ist.

§. 34.[Bearbeiten]

Das Verfahren vor dem Kaiserlichen Aufsichtsamte für Privatversicherung ist kostenfrei; ein Ersatz der durch dieses Verfahren dem Aufsichtsamte verursachten baaren Auslagen durch die Antragsteller findet nur in den Grenzen des §. 82 des Gesetzes statt.
Die auf Grund des §. 82 des Gesetzes den Antragstellern auferlegten baaren Auslagen werden in derselben Weise beigetrieben wie Gemeindeabgaben und fließen in die Reichskasse.

§. 35.[Bearbeiten]

Die Geschäftssprache ist die deutsche. Eingaben, welche nicht in deutscher Sprache abgefaßt sind, werden nicht berücksichtigt.
Antragsteller, welche der deutschen Sprache nicht mächtig sind, haben bei Verhandlungen vor dem Aufsichtsamte für ihre Vertretung durch eine Person, welche der deutschen Sprache mächtig ist, Sorge zu tragen.
Im Uebrigen finden die Bestimmungen der §§. 187 bis 193 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung.

§. 36.[Bearbeiten]

Vorladungen und sonstige, nur dem Geschäftsbetriebe dienende formularmäßige Schreiben werden durch die Unterschrift eines dazu bestimmten Beamten und unter Beifügung des Siegels des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversicherung beglaubigt.
Das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung führt zwei Siegel, nämlich
1. ein großes Siegel, welches dem Siegel des Reichsgerichts entspricht und nur bei förmlichen Ausfertigungen, insbesondere der Entscheidungen in den Fällen des §. 73 Abs. 1, §§. 74, 75 des Gesetzes, gebraucht wird, [507]
2. ein kleineres Siegel, welches den bei den Gesandtschaften des Deutschen Reichs eingeführten Siegeln entspricht, mit der Umschrift: „Kaiserliches Aufsichtsamt für Privatversicherung.“.
Die Ausfertigungen und Reinschriften ergehen unter der Unterschrift: „Das Kaiserliche Aufsichtsamt für Privatversicherung.“.

§. 37.[Bearbeiten]

Diese Verordnung tritt am 1. Januar 1902 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Neues Palais, den 23. Dezember 1901.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Posadowsky.