Verordnung, betreffend die Ausübung der Prisengerichtsbarkeit aus Anlaß der ostafrikanischen Blokade

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Titel: Verordnung, betreffend die Ausübung der Prisengerichtsbarkeit aus Anlaß der ostafrikanischen Blokade.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1889, Nr. 3, Seite 5 - 10
Fassung vom: 15. Februar 1889
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 19. Februar 1889
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(Nr. 1842.) Verordnung, betreffend die Ausübung der Prisengerichtsbarkeit aus Anlaß der ostafrikanischen Blokade. Vom 15. Februar 1889.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des §. 2 des Gesetzes vom 3. Mai 1884, betreffend die Prisengerichtsbarkeit (Reichs-Gesetzbl. S. 49), im Namen des Reichs, was folgt:

I. Behörden.

§. 1.

Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der von dem deutschen Geschwader aus Anlaß der Blokade der ostafrikanischen Küste gemachten Prisen erfolgt:
in erster Instanz durch das Prisengericht in Zanzibar,
in zweiter Instanz durch das Oberprisengericht in Berlin.
Die allgemeine Geschäftsaufsicht über diese Gerichte steht dem Reichskanzler zu.

§. 2.

Dem Prisengericht steht als Einzelrichter der Kaiserliche Generalkonsul in Zanzibar oder, im Falle seiner Behinderung, derjenige Kaiserliche Beamte vor, welcher ihn bei der Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit zu vertreten hat.

§. 3.

Das Oberprisengericht besteht aus einem Vorsitzenden und sechs Beisitzern.

§. 4.

Bei dem Prisengericht wie bei dem Oberprisengericht wird je ein Kaiserlicher Kommissar bestellt.
Kaiserlicher Kommissar bei dem Prisengericht ist der Auditeur des Blokadegeschwaders, welcher im Behinderungsfalle durch einen vom Geschwader-Chef zu bezeichnenden Offizier vertreten wird. [6]
Die Kaiserlichen Kommissarien haben den Anweisungen des Reichskanzlers Folge zu leisten.

§. 5.

Die Ernennung der Mitglieder des Oberprisengerichts und ihrer Stellvertreter sowie des Kaiserlichen Kommissars bei dem Oberprisengericht erfolgt durch Kaiserliche Order.

§. 6.

Die erforderlichen Anordnungen hinsichtlich der Büreau- und Unterbeamten, der Geschäftsräume und der Büreaubedürfnisse für das Oberprisengericht werden vom Reichskanzler getroffen.

II. Vorbereitendes Verfahren.

§. 7.

Ueber den Hergang bei der Aufbringung der Prise wird dem Kaiserlichen Konsulat in Zanzibar durch das Geschwader-Kommando sobald als thunlich Mittheilung gemacht.
Dieser Mittheilung werden eine von dem Befehlshaber, welcher die Prise gemacht hat, abgefaßte oder zu Protokoll gegebene Darstellung über das der Aufbringung zu Grunde liegende Sachverhältniß, sowie etwaige Verhandlungen und Aufzeichnungen über die Aussagen der sonst bei dem Hergang betheiligten Personen und außerdem etwa vorgefundene Schiffspapiere beigefügt.
Falls die Prise vernichtet oder untergegangen ist, wird auch eine Verhandlung über diesen Hergang eingereicht.

§. 8.

Die eingebrachte Prise wird dem Kaiserlichen Konsulat übergeben, welches, soweit thunlich unter Zuziehung des Schiffers, für Aufnahme eines Inventars und für Sicherung von Schiff und Ladung Sorge zu tragen hat.

§. 9.

Wenn es sich ergiebt, daß die Prise einer erheblichen Werthsverringerung ausgesetzt ist, oder ihre Aufbewahrung unverhältnißmäßige Kosten verursachen würde, kann das Kaiserliche Konsulat im Einvernehmen mit dem bei dem Prisengericht bestellten Kaiserlichen Kommissar den öffentlichen Verkauf und die Hinterlegung des Erlöses veranlassen.
In gleicher Weise werden Anträge erledigt, welche die Herausgabe von Schiff oder Ladung gegen Hinterlegung des Werthes betreffen.

§. 10.

Das Kaiserliche Konsulat hat alle Thatsachen, welche für die Beurtheilung der rechtmäßigen Aufbringung der Prise und für die Frage, inwieweit dieselbe zu verurtheilen oder freizugeben ist, noch von Erheblichkeit sind, durch Aufnahme der Beweise mit möglichster Beschleunigung festzustellen. [7]

§. 11.

Der Kaiserliche Kommissar kann stets von dem Stande des vorbereitenden Verfahrens Kenntniß nehmen und den Verhandlungen beiwohnen.
Nach Abschluß des vorbereitenden Verfahrens sind die Akten ohne Verzug dem Kaiserlichen Kommissar zuzustellen.
Der Kaiserliche Kommissar kann sowohl selbständig als durch Anträge bei dem Kaiserlichen Konsulat weitere Erhebungen veranlassen. Erachtet er die Sache für spruchreif, so überreicht er die Akten dem Prisengericht mit einem schriftlichen Antrag.

III. Verfahren vor dem Prisengericht.

§. 12.

Ist der Antrag des Kaiserlichen Kommissars auf Freisprechung der Prise gerichtet, so erläßt das Prisengericht, insoweit dasselbe den Antrag für begründet erachtet, die freisprechende Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.

§. 13.

Soweit nicht auf Grund des §. 12 eine Entscheidung ergeht, hat das Prisengericht die Betheiligten ohne Verzug aufzufordern, ihre etwaigen Ansprüche binnen einer drei Wochen nicht übersteigenden Frist durch Einreichung einer schriftlichen Reklamation geltend zu machen.
Die Aufforderung ist durch Anheftung an die Gerichtstafel bekannt zu machen.
Die Bekanntmachung gilt als bewirkt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach erfolgter Anheftung.
An die in Zanzibar sich aufhaltenden sowie an die sonst ohne Verzögerung des Verfahrens erreichbaren Betheiligten soll eine besondere Bekanntmachung erfolgen. Jedoch gilt auch diesen Personen gegenüber die Bekanntmachung mit dem im Absatz 3 bezeichneten Zeitpunkt als bewirkt.

§. 14.

Die Reklamation muß einen bestimmten Antrag enthalten.
Wohnt der Reklamant nicht in Zanzibar, so ist, falls er nicht einen daselbst wohnhaften Bevollmächtigten bestellt hat, in der Reklamationsschrift eine in Zanzibar wohnhafte und unter der deutschen Konsulargerichtsbarkeit stehende Person zu bezeichnen, welche die für ihn bestimmten Schriftstücke in Empfang zu nehmen hat.
Geschieht dies nicht, so erfolgen alle Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung durch Anheftung an die Gerichtstafel.
Die Zustellung gilt als bewirkt mit dem Ablauf des zweiten Tages nach erfolgter Anheftung. [8]

§. 15.

Wenn Reklamationen bis zum Ablauf der Frist nicht eingegangen sind, wird die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, jedoch nach Anhörung des Kaiserlichen Kommissars erlassen. Ist eine Reklamation rechtzeitig eingegangen, so wird Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, zu welcher der Kaiserliche Kommissar und der Reklamant geladen werden.

§. 16.

Die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung und die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung kann auf Antrag oder von Amtswegen erfolgen.

§. 17.

Der Reklamant kann sich in dem Verfahren vor dem Prisengericht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

§. 18.

Die mündliche Verhandlung erfolgt unter Zuziehung eines vereideten Protokollführers. Das Protokoll muß die Namen der Anwesenden enthalten und den wesentlichen Hergang und Inhalt der Verhandlungen wiedergeben.

§. 19.

Die auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Entscheidungen müssen verkündet werden. Einer Zustellung an den Reklamanten bedürfen nur Endurtheile, sowie nicht verkündete Beschlüsse.

IV. Berufung.

§. 20.

Gegen das Endurtheil des Prisengerichts steht die Berufung an das Oberprisengericht sowohl dem Kaiserlichen Kommissar als dem Reklamanten zu.
Die Berufung muß bei dem Prisengericht binnen zwei Wochen nach Mittheilung der Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll eingelegt werden.
Der Beschwerdeführer muß binnen einer weiteren Frist von zwei Wochen schriftlich oder zu Protokoll eine bestimmte Erklärung darüber abgeben, inwieweit er die Entscheidung anfechten und deren Aufhebung beantragen will. Die Rechtfertigung der Berufung kann mit der Einlegung verbunden werden.
Die Rechtfertigungsschrift des Reklamanten muß von ihm selbst oder von seinem Bevollmächtigten unterzeichnet sein.

§. 21.

Ist die Berufung nicht rechtzeitig eingelegt oder ist die Rechtfertigungsschrift nicht in der vorgeschriebenen Frist oder Form angebracht, so hat das Prisengericht das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Oberprisengerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten durch [9] den Kaiserlichen Kommissar an das Oberprisengericht einzusenden. Das letztere entscheidet nach Anhörung des bei ihm bestellten Kaiserlichen Kommissars.

§. 22.

Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt und in der vorgeschriebenen Frist und Form gerechtfertigt, so ist die Berufungs- und Rechtfertigungsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Diesem steht frei, binnen zwei Wochen eine Gegenerklärung einzureichen.
Auf die Gegenerklärung des Reklamanten findet die Vorschrift des §. 20 letzter Absatz Anwendung.
Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist erfolgt durch den Kaiserlichen Kommissar die Einsendung der Akten an das Oberprisengericht.

§. 23.

Auf das Verfahren vor dem Oberprisengericht finden die Bestimmungen der §§. 186 bis 193, auf die Berathung und Abstimmung die Vorschriften der §§. 194 bis 199 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung.

§. 24.

Das Oberprisengericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung nach Anhörung des bei demselben bestellten Kaiserlichen Kommissars. Vor Fällung des Endurtheils kann das Oberprisengericht weitere Erhebungen anordnen.

§. 25.

Das Endurtheil des Oberprisengerichts ist dem Reklamanten sowie dem Kaiserlichen Kommissar beim Oberprisengericht zuzustellen.

V. Allgemeine Bestimmungen.

§. 26.

Endurtheile sind mit Gründen zu versehen und mit der Eingangsformel „Im Namen des Kaisers“ auszufertigen.

§. 27.

Die verurtheilte Prise ist, vorbehaltlich anderweiter Kaiserlicher Anordnung, zu verkaufen. Der Verkauf wird durch das Kaiserliche Konsulat in Zanzibar bewirkt.
Die Verwendung des Erlöses bleibt Kaiserlicher Bestimmung vorbehalten.

§. 28.

Auf die zu bewirkenden Zustellungen finden, soweit diese Verordnung nicht andere Bestimmungen enthält, die Vorschriften der Civilprozeßordnung über Zustellungen entsprechende Anwendung.
Zustellungen an den Kaiserlichen Kommissar erfolgen durch Vorlegung des zuzustellenden Schriftstücks.
Wenn mit der Zustellung der Lauf einer Frist beginnt, so ist der Tag der Vorlegung von dem Kaiserlichen Kommissar auf der Urschrift zu vermerken. [10]

§. 29.

Gerichts- und Verwaltungsbehörden haben innerhalb ihrer Zuständigkeit den Ersuchen der Prisenbehörden und der Kaiserlichen Kommissare zu entsprechen. Auf die von den Gerichten zu leistenden Rechtshülfen finden die §§. 158 bis 167 des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung.

§. 30.

Auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen sowie auf die Einnahme eines Augenscheins finden die §§. 48 bis 93 der Strafprozeßordnung mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, daß die Beeidigung der Zeugen und Sachverständigen in der Regel bei ihrer ersten Vernehmung zu erfolgen hat und daß der Schiffer der Prise nicht beeidigt wird.

§. 31.

Wird von einem der bei Schiff oder Ladung Betheiligten eine Handlung beantragt, mit welcher baare Auslagen verbunden sind, so kann die Vornahme derselben von der vorgängigen Zahlung eines zur Deckung dieser Auslagen hinreichenden Vorschusses abhängig gemacht werden.

§. 32.

Das Verfahren in Prisensachen ist gebühren- und stempelfrei.
Die in Prisensachen mitwirkenden Beamten erhalten bei Dienstreisen außerhalb ihres Wohnortes aus Reichsmitteln Tagegelder und Fuhrkosten, deren Höhe der Reichskanzler bestimmt.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 15. Februar 1889.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst von Bismarck.