Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo

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Titel: Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo.
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Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1888, Nr. 31, Seite 211–215
Fassung vom: 2. Juli 1888
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Bekanntmachung: 7. Juli 1888
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(Nr. 1813.) Verordnung, betreffend die Rechtsverhältnisse in den Schutzgebieten von Kamerun und Togo. Vom 2. Juli 1888.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete (Reichs-Gesetzbl. 1888 S. 75), im Namen des Reichs, was folgt:

§. 1.

Das Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit vom 10. Juli 1879 (Reichs-Gesetzbl. S. 197) tritt für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo in Gemäßheit des §. 2 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete, mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Abänderungen am 1. Oktober 1888 in Kraft.

§. 2.

Der Gerichtsbarkeit (§. 1) unterliegen alle Personen, welche in dem Schutzgebiete wohnen oder sich aufhalten, oder bezüglich deren, hiervon abgesehen, ein Gerichtsstand innerhalb des Schutzgebietes nach den zur Geltung kommenden Gesetzen begründet ist, die Eingeborenen jedoch nur, soweit sie dieser Gerichtsbarkeit besonders unterstellt werden.

§. 3.

Der Gouverneur von Kamerun bestimmt mit Genehmigung des Reichskanzlers, wer als Eingeborener im Sinne dieser Verordnung anzusehen ist und inwieweit auch Eingeborene der Gerichtsbarkeit (§. 1) zu unterstellen sind.

§. 4.

Für das Schutzgebiet von Kamerun wird in Kamerun und für das Schutzgebiet von Togo wird in Togo eine Gerichtsbehörde erster Instanz errichtet. [212]

§. 5.

Als Berufungs- und Beschwerdegericht wird an Stelle des Reichsgerichts (Gesetz über die Konsulargerichtsbarkeit §§. 18, 36, 43) für die Schutzgebiete eine Gerichtsbehörde in Kamerun errichtet, welche aus dem zur Ausübung der Gerichtsbarkeit zweiter Instanz ermächtigten Beamten als Vorsitzenden und vier Beisitzern besteht.
Auf die Beisitzer und den Gerichtsschreiber finden die Vorschriften in §. 6 Absatz 2, §§. 7, 8 und 10 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit entsprechende Anwendung.

§. 6.

Die Zustellungen werden ausschließlich durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten veranlaßt.
Derselbe hat dafür zu sorgen, daß die innerhalb des Schutzgebietes, in welchem die Gerichtsbehörde ihren Sitz hat, zu bewirkenden Zustellungen mit der nach den vorhandenen Mitteln möglichen Sicherheit erfolgen. Er erläßt die hierfür erforderlichen Anordnungen und überwacht deren Befolgung.
Zustellungen außerhalb des Schutzgebietes erfolgen im Wege des Ersuchens.

§. 7.

In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten sind in dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden in den Schutzgebieten alle Entscheidungen, einschließlich der auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergehenden, von Amtswegen zuzustellen. Diese Vorschrift findet auch auf die Zustellung der Zahlungs- und Vollstreckungsbefehle an den Schuldner, sowie der Pfändungs- und Ueberweisungsbeschlüsse an den Schuldner und den Drittschuldner Anwendung.
Für Beschlüsse, welche lediglich die Prozeß- oder Sachleitung, einschließlich der Bestimmung oder Aenderung von Terminen betreffen, genügt die Verkündung.
Die Beglaubigung der zuzustellenden Schriftstücke kann in allen Fällen durch den Gerichtsschreiber erfolgen.
Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt oder der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen werden, so treten die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Einreichung des zuzustellenden Schriftstücks bei der Gerichtsbehörde ein, sofern die Zustellung demnächst bewirkt wird.
Bei Bewilligung der öffentlichen Zustellung einer Ladung kann die Gerichtsbehörde anordnen, daß eine Einrückung in öffentliche Blätter nicht erforderlich sei.
Wohnt eine Partei außerhalb des Schutzgebietes, in welchem die Gerichtsbehörde ihren Sitz hat, so kann, falls sie nicht einen daselbst wohnhaften Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, angeordnet werden, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange der für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen. Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gerichtlichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz zustellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht [213] dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung durch Anheftung an die Gerichtstafel bewirkt werden.
Der Nachweis über die erfolgte Zustellung ist zu den Gerichtsakten zu bringen.

§. 8.

In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz findet in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in Konkurssachen und in den zur streitigen Gerichtsbarkeit nicht gehörenden Angelegenheiten der §. 16 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit mit der Maßgabe Anwendung, daß die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beschwerde unter Mitwirkung der Beisitzer erfolgt, wenn die angefochtene Entscheidung unter Mitwirkung von Beisitzern ergangen ist.
In dem Verfahren zweiter Instanz ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten und findet der §. 269 der Civilprozeßordnung keine Anwendung.
Die Vorschriften in §§. 464 und 468 der Civilprozeßordnung gelten auch für das Verfahren zweiter Instanz.

§. 9.

Die Zwangsvollstreckung im Schutzgebiete erfolgt ausschließlich durch den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit erster Instanz ermächtigten Beamten. Der Beibringung einer vollstreckbaren Ausfertigung bedarf es nicht, soweit dieselbe von dem Gerichtsschreiber der Gerichtsbehörde erster Instanz im Schutzgebiete zu ertheilen sein würde.
Der Beamte kann nach Anordnung der Zwangsvollstreckung mit der Ausführung andere Personen beauftragen, welche nach seinen Anweisungen zu verfahren haben.

§. 10.

Vollstreckbare Ausfertigungen dürfen von dem Gerichtsschreiber nur auf Anordnung des zur Ausübung der Gerichtsbarkeit ermächtigten Beamten ertheilt werden.

§. 11.

In Strafsachen findet die Hauptverhandlung ohne die Zuziehung von Beisitzern statt, wenn der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens eine Handlung zum Gegenstande hat, welche zur Zuständigkeit der Schöffengerichte oder zu den in den §§. 74, 75 des Gerichtsverfassungsgesetzes bezeichneten Vergehen gehört.

§. 12.

Der Angeklagte kann auf seinen Antrag oder von Amtswegen wegen großer Entfernung seines Aufenthaltsortes oder wegen sonstiger Hindernisse von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werden, wenn nach dem Ermessen der Gerichtsbehörde voraussichtlich keine andere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, oder Geldstrafe oder Einziehung allein oder in Verbindung mit einander zu erwarten steht. [214]

§. 13.

Die Gerichtsbarkeit in den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen wird für die Schutzgebiete von Kamerun und Togo der Gerichtsbehörde erster Instanz in Kamerun übertragen.
Für diese Sachen finden die Vorschriften Anwendung, welche für die im §. 28 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit bezeichneten Strafsachen gelten.

§. 14.

In dem Verfahren vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz finden in Strafsachen die §§. 23 und 29 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit Anwendung, der §. 23 mit der im §. 8 Absatz 1 bezeichneten Maßgabe.
Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt.
Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat Anspruch auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte des Berufungsgerichts befindet.
In den im §. 13 Absatz 1 bezeichneten Sachen ist die Vertheidigung auch in der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptverhandlung ist die Anwesenheit des Vertheidigers erforderlich; der §. 145 der Strafprozeßordnung findet Anwendung.
Im Uebrigen verbleibt es bei den Vorschriften im §. 40 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit.

§. 15.

Die Todesstrafe ist durch Erschießen oder Erhängen zu vollstrecken.
Der Gouverneur von Kamerun bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten in dem einzelnen Falle stattzufinden hat.

§. 16.

In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden das Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für Zeugen und Sachverständige, sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung.
Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben, werden von dem Reichskanzler erlassen.

§. 17.

Der Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke regelt sich, soweit nicht in dieser Verordnung abweichende Bestimmungen getroffen sind, nach den Vorschriften des preußischen Rechts, insbesondere des Gesetzes über den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten vom 5. Mai 1872 (Gesetz-Samml. S. 433).

§. 18.

Die Auflassungserklärungen des eingetragenen Eigenthümers und des neuen Erwerbers (§. 2 des Gesetzes über den Eigenthumserwerb vom 5. Mai 1872) [215] können auch schriftlich erfolgen. Eine gleichzeitige Abgabe beider Erklärungen ist nicht erforderlich.

§. 19.

Die auf die Grundschuld und auf das Bergwerkseigenthum bezüglichen Vorschriften des Gesetzes über den Eigenthumserwerb, sowie die Grundbuchordnung vom 5. Mai 1872 bleiben außer Anwendung.
Die an Stelle der letzteren zur Ausführung dieser Verordnung erforderlichen Vorschriften werden vom Reichskanzler erlassen.

§. 20.

Die vorstehenden Bestimmungen finden auf die Grundstücke der Eingeborenen keine Anwendung. Jedoch bleiben Grundstücke, welche in das Grundbuch eingetragen sind, den Bestimmungen der §§. 17 bis 19 unterworfen, auch wenn sie in das Eigenthum eines Eingeborenen übergehen.

§. 21.

Die Voraussetzungen für den Erwerb von Grundstücken durch Verträge mit den Eingeborenen oder durch Besitzergreifung von herrenlosem Land werden mit Genehmigung des Reichskanzlers von dem Gouverneur von Kamerun festgestellt.
Die Eintragung der in dieser Weise erworbenen Grundstücke erfolgt auf Grund einer über den Eigenthumserwerb ertheilten Bescheinigung des obersten Beamten des Schutzgebietes oder eines von diesem hierzu ermächtigten anderen Beamten.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Marmorpalais, den 2. Juli 1888.
(L. S.)  Wilhelm.

  Fürst von Bismarck.