Verordnung über die Enteignung von Grundeigentum in den Schutzgebieten Afrikas und der Südsee

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Gesetzestext
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Titel: Verordnung über die Enteignung von Grundeigentum in den Schutzgebieten Afrikas und der Südsee.
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Rechtsmaterie:
Fundstelle: Deutsches Reichsgesetzblatt Band 1903, Nr. 5, Seite 27 - 36
Fassung vom: 14. Februar 1903
Ursprungsfassung:
Bekanntmachung: 26. Februar 1903
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(Nr. 2925.) Verordnung über die Enteignung von Grundeigentum in den Schutzgebieten Afrikas und der Südsee. Vom 14. Februar 1903.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen etc.

verordnen auf Grund des § 3 des Schutzgebietsgesetzes (Reichs-Gesetzbl. 1900 S. 813) in Verbindung mit den §§ 20, 21 des Gesetzes über die Konsulargerichtsbarkeit vom 7. April 1900 (Reichs-Gesetzbl. S. 213) für die Schutzgebiete Afrikas und der Südsee, was folgt:

I. Zulässigkeit und Voraussetzungen der Enteignung im allgemeinen.[Bearbeiten]

§. 1.[Bearbeiten]

Das Eigentum und alle sonstigen Rechte an Grundstücken sowie das Bergwerkseigentum und das Recht der Besitzergreifung von herrenlosem Lande (Kronland) können aus Gründen des öffentlichen Wohles für Unternehmen, deren Ausführung die Ausübung des Enteignungsrechts erfordert, gegen Entschädigung entzogen oder beschränkt werden.

§ 2.[Bearbeiten]

Die Entschädigungspflicht liegt dem Unternehmer ob.
Die Entschädigung besteht, wenn ein Grundstück entzogen wird, in dem vollen Werte des Grundstücks. An Stelle der entsprechenden Geldleistung kann als Entschädigung die Überlassung eines Grundstücks bestimmt werden. Eine Werterhöhung, welche das entzogene Grundstück infolge des Unternehmens erfährt, wird bei der Bemessung der Entschädigung nicht in Anschlag gebracht. Eine Werterhöhung, welche ein dem Eigentümer verbleibendes Grundstück infolge des Unternehmens erfährt, wird auf die Entschädigung angerechnet. [28]
Die Entschädigung für die Beschränkung des Eigentums sowie für die Entziehung oder Beschränkung anderer Rechte ist unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen in Geld festzusetzen. Die Vorschriften des Abs. 2 Satz 3, 4 finden entsprechende Anwendung.

§ 3.[Bearbeiten]

Neben der Entschädigungspflicht liegt dem Unternehmer ob, Einfriedigungen, Bewässerungs-Vorflutanstalten oder sonstige Anlagen insoweit einzurichten und zu unterhalten, als sie durch das Unternehmen für die benachbarten Grundstücke oder im öffentlichen Interesse gegen Gefahren und Nachteile notwendig werden.

II. Enteignungsverfahren.[Bearbeiten]

a. Einleitung des Verfahrens und Verleihung des Enteignungsrechts.[Bearbeiten]

§ 4.[Bearbeiten]

Auf den vom Unternehmer zu stellenden Antrag, zu dessen Begründung Zweck und Umfang des Unternehmens im allgemeinen darzulegen sind, entscheidet der Gouverneur (Landeshauptmann), ob das Enteignungsverfahren einzuleiten ist.
Der Gouverneur kann verlangen, daß innerhalb einer bestimmten Frist eine Beschreibung oder auch ein Plan des Unternehmens vorgelegt wird.

§ 5.[Bearbeiten]

Wird die Einleitung des Verfahrens bewilligt, so hat der Gouverneur eine Beschreibung des Unternehmens und, wenn ein Plan vorhanden ist, auch diesen durch das zuständige Bezirksamt (§ 31) während einer angemessenen Frist zu jedermanns Einsicht offen zu legen; die Frist soll nicht weniger als einen Monat betragen. Beginn, Dauer und Ort der Offenlegung sind vor dem Beginne der Frist in ortsüblicher Weise bekannt zu machen.

§ 6.[Bearbeiten]

Während der im § 5 vorgesehenen Frist kann jeder Beteiligte bei dem Bezirksamte schriftlich oder zu Protokoll Einwendungen erheben.

§ 7.[Bearbeiten]

Nach dem Ablaufe der Frist hat der Bezirksamtmann zur mündlichen Verhandlung über die Einwendungen einen Termin zu bestimmen.
Der Termin ist in ortsüblicher Weise öffentlich bekannt zu machen. Der Unternehmer und die bekannten Beteiligten sind zu dem Termine zu laden. Die Ladung soll den Hinweis enthalten, daß ungeachtet des Ausbleibens eines Beteiligten über die Enteignung verhandelt werden würde.
Dem Bezirksamtmanne bleibt es überlassen, Zeugen und Sachverständige zuzuziehen. [29]
Der Bezirksamtmann hat darauf hinzuwirken, daß in diesem Termine zugleich eine Vereinbarung über die Entschädigung getroffen wird. Über die Verhandlungen ist ein Protokoll aufzunehmen.

§ 8.[Bearbeiten]

Nach Abschluß der Verhandlungen hat der Bezirksamtmann diese mit einer gutachtlichen Äußerung darüber, ob das Enteignungsrecht zu verleihen sei, dem Gouverneur vorzulegen.
Dieser trifft die Entscheidung, ob und in welchem Umfange das Enteignungsrecht verliehen wird.
Der die Verleihung aussprechende Beschluß hat im einzelnen festzustellen:
a) den Gegenstand der Enteignung, insbesondere die Größe und die Grenzen des etwa abzutretenden Grundbesitzes, die Art und den Umfang der aufzulegenden Beschränkungen, auch die Zeit, innerhalb deren längstens vom Enteignungsrechte Gebrauch zu machen ist,
b) die Anlagen, zu deren Errichtung wie Unterhaltung der Unternehmer verpflichtet ist (§ 3).
Die Entscheidung ist schriftlich abzufassen, mit Gründen zu versehen und den Beteiligten zuzustellen, außerdem aber in ortsüblicher Weise öffentlich bekannt zu machen.

b. Feststellung der Entschädigung.[Bearbeiten]

§ 9.[Bearbeiten]

Nach Zustellung des das Enteignungsrecht verleihenden Beschlusses an den Unternehmer ist dieser durch den Bezirksamtmann, unter Stellung einer angemessenen Frist, zu einer Erklärung darüber aufzufordern, welche Entschädigung er zu gewähren bereit ist.

§ 10.[Bearbeiten]

Falls die Personen, deren Rechte durch das Enteignungsverfahren betroffen werden, noch nicht feststehen, hat der Unternehmer für die Herbeischaffung der erforderlichen Nachweise Sorge zu tragen.
Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, so kann ihm auf Antrag des Bezirksamtmanns durch den Gouverneur das Enteignungsrecht wieder entzogen werden.

§ 11.[Bearbeiten]

Zur Verhandlung über die Entschädigung hat der Bezirksamtmann einen Termin anzuberaumen.
Der Termin ist in ortsüblicher Weise öffentlich bekannt zu machen. Die Bekanntmachung soll die Androhung enthalten, daß, soweit für ein Recht, das durch die Enteignung betroffen wird, bis zum Schlusse des Termins die Person des Berechtigten nicht bekannt geworden ist, der Anspruch des Berechtigten auf [30] die Entschädigung nicht berücksichtigt werden würde. Der Unternehmer, der Eigentümer und die bekannten sonstigen Personen, deren Rechte von der Enteignung betroffen werden, sind zu dem Termine zu laden. Die Ladung soll den Hinweis enthalten, daß ungeachtet des Ausbleibens eines der Beteiligten die Entschädigung festgestellt werden würde.

§. 12.[Bearbeiten]

Treffen die erschienenen Beteiligten eine Vereinbarung über die Entschädigung, so hat der Bezirksamtmann die Vereinbarung zu beurkunden.

§ 13.[Bearbeiten]

Zu dem Termin ist von Amts wegen nach Möglichkeit mindestens ein Sachverständiger zuzuziehen; außerdem sind in den Bezirken, für welche Gemeindevertretungen bestehen, diese gutachtlich zu hören, soweit das ohne erhebliche Verzögerung tunlich ist.

§ 14.[Bearbeiten]

Auf Grund der nach §§ 11 bis 13 gepflogenen Verhandlungen hat der Bezirksamtmann durch einen mit Gründen zu versehenden Beschluß die Entschädigung festzustellen.
In dem Beschluß ist auszusprechen, daß die Enteignung erst nach der Leistung oder Sicherstellung der Entschädigung erfolgen wird. Zugleich hat der Beschluß zu bestimmen, daß und in welcher Weise der Entschädigungsberechtigte wegen der Rechte, die anderen an dem enteigneten Grundstück oder Rechte zustehen, diesen aus der Entschädigung eine Zahlung oder Sicherheit zu leisten hat.
Der Beschluß ist den Beteiligten zuzustellen.

§ 15.[Bearbeiten]

Soweit nicht die Feststellung der Entschädigung auf einer Vereinbarung der Beteiligten beruht, steht den Beteiligten gegen den Beschluß des Bezirksamtmanns bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Rechtsweg offen.

c. Vollziehung der Enteignung.[Bearbeiten]

§ 16.[Bearbeiten]

Die Enteignung wird auf den Antrag des Unternehmers von dem Bezirksamtmann ausgesprochen, wenn der nach § 15 vorbehaltene Rechtsweg durch Ablauf der einmonatigen Frist oder durch rechtskräftiges Urteil oder durch Verzicht erledigt, und die Entschädigung erfolgt oder ihre Leistung sichergestellt ist.
Im Falle eines dringenden Bedürfnisses kann der Gouverneur auf Antrag des Unternehmers anordnen, daß vor Erledigung des Rechtswegs die Enteignung erfolgen soll, sobald die Entschädigung nach Maßgabe des sie feststellenden Beschlusses geleistet oder die Leistung sichergestellt ist. [31]

§ 17.[Bearbeiten]

Der Enteignungsbeschluß ist dem Entschädigungsberechtigten und dem Unternehmer zuzustellen. Sofort nach erfolgter Zustellung hat der Bezirksamtmann von dem Beschluß und von dem Zeitpunkte der Zustellung an den Entschädigungsberechtigten dem Grundbuchamte Nachricht zu geben.

d. Verlust und Aufgabe des Enteignungsrechts.[Bearbeiten]

§ 18.[Bearbeiten]

Wenn der Unternehmer von dem Enteignungsrechte binnen der im § 8a vorgesehenen Frist keinen Gebrauch macht, oder wenn er von dem Unternehmen zurücktritt, bevor die Festsetzung der Entschädigung durch Beschluß des Bezirksamts erfolgt ist, so erlischt jenes Recht. Der Unternehmer haftet in diesem Falle den Entschädigungsberechtigten im Rechtswege für die Nachteile, welche ihnen durch das Enteignungsverfahren erwachsen sind.
Tritt der Unternehmer zurück, nachdem die Festsetzung der Entschädigung durch Beschluß des Bezirksamts erfolgt ist, so hat der Entschädigungsberechtigte die Wahl, ob er lediglich Ersatz für die Nachteile, welche ihm durch das Enteignungsverfahren etwa erwachsen sind, oder nach Maßgabe des Beschlusses Leistung der Entschädigung gegen Auflassung des Grundstücks oder Einräumung der dem Unternehmer in dem Beschlusse zugesprochenen Rechte verlangen will.

III. Wirkungen der Enteignung.[Bearbeiten]

§ 19.[Bearbeiten]

Mit der Zustellung des Enteignungsbeschlusses an den Entschädigungsberechtigten erwirbt der Unternehmer das Eigentum an dem enteigneten Grundstück oder das sonstige ihm durch den Beschluß zugesprochene Recht.

§ 20.[Bearbeiten]

Das enteignete Grundstück oder Recht wird mit dem im § 19 bezeichneten Zeitpunkte von allen Rechten, die an dem Grundstück oder dem Rechte bestehen oder gegen den Eigentümer oder den sonstigen Berechtigten geltend gemacht werden können, frei, soweit nicht das Fortbestehen eines Rechtes in dem Enteignungsbeschlusse vorbehalten ist.
Die Entschädigung tritt hinsichtlich des Eigentums und der sonstigen Rechte an die Stelle des enteigneten Grundstücks oder Rechtes.

IV. Vereinfachungen des Verfahrens in besonderen Fällen.[Bearbeiten]

a. Enteignung von Bodenmaterialien.[Bearbeiten]

§ 21.[Bearbeiten]

Beschränkt sich die Enteignung darauf, daß zum Baue oder zur Unterhaltung öffentlicher Wege Materialien entnommen werden sollen, so ist der Antrag auf [32] Einleitung des Enteignungsverfahrens bei dem Bezirksamtmanne zu stellen oder vom Gouverneur diesem zu übermitteln. Der Bezirksamtmann hat alsdann geeignete Ermittelungen über die Höhe der voraussichtlich zu gewährenden Entschädigung zu bewirken.
Findet er, daß diese den Wert von eintausend Mark übersteigt, so hat er die Sache an den Gouverneur abzugeben, der alsdann gemäß §§ 4 ff. verfährt, gleich als ob der Antrag des Unternehmers, bei ihm gestellt wäre.
Gewinnt der Bezirksamtmann die Überzeugung, daß die Entschädigung den Betrag von eintausend Mark nicht erreichen wird, so entscheidet er in einem mit Gründen zu versehenden Beschlusse gleichzeitig über die Verleihung des Enteignungsrechts und die Höhe der zu gewährenden Entschädigung.

§ 22.[Bearbeiten]

Gegen den Beschluß steht jedem Beteiligten binnen einem Monat, von der Zustellung an ihn, die Beschwerde an den Gouverneur offen.
Die Vollziehung des Beschlusses wird dadurch nicht aufgehalten.
Zur Vorbereitung der Entscheidung können der Bezirksamtmann und der Gouverneur Zeugen und Sachverständige hören.
Die Vorschrift des § 19 findet entsprechende Anwendung.
Das Recht zur Entnahme der Materialien erlischt, wenn der Unternehmer nicht binnen einer vom Bezirksamte zu setzenden Frist davon Gebrauch macht.

b. Eigentumsbeschränkungen von geringerer als einjähriger Dauer.[Bearbeiten]

§ 23.[Bearbeiten]

Soll nach dem Antrage des Unternehmers das Eigentum an einem Grundstücke nur für eine bestimmte, ein Jahr nicht übersteigende Zeit einer Beschränkung unterworfen werden, so kann der Gouverneur die Erledigung des Antrags dem Bezirksamtmann überweisen.
Der Bezirksamtmann entscheidet sodann über die Verleihung des Enteignungsrechts und über die Höhe der zu gewährenden Entschädigung. Der Beschluß ist mit Gründen zu versehen. Die Vorschriften des § 22 Abs. 1 bis 3 und des § 19 finden entsprechende Anwendung.

c. Enteignung von Rechten Eingeborener.[Bearbeiten]

§ 24.[Bearbeiten]

Soweit das Recht, gegen welches sich die Enteignung richtet, Eingeborenen zusteht, trifft auf Antrag des Unternehmers der Bezirksamtmann nach Vornahme geeignet scheinender Ermittelungen in einem mit Gründen zu versehenden Beschlusse die Entscheidung über die Verleihung des Enteignungsrechts, die Frist zu seiner Geltendmachung und die Art und Höhe der zu gewährenden Entschädigung. Die Vorschriften des § 22 Abs. 1 bis 3 und des § 19 finden entsprechende Anwendung. [33]

V. Kosten.[Bearbeiten]

§ 25.[Bearbeiten]

Für das gesamte Enteignungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden hat der Unternehmer eine Gebühr nach dem Gebührensatz A des § 57 des preußischen Gerichtskostengesetzes (Gesetz-Samml. 1899 S. 326) zu entrichten.
Für den Wert des Gegenstandes ist die Höhe der endgültig festgestellten Entschädigung maßgebend.
Für die Entscheidung in der Beschwerdeinstanz wird, wenn die Beschwerde gänzlich erfolglos bleibt, von dem Beschwerdeführer eine besondere Gebühr im Betrage von mindestens 1 Mark und höchstens 20 Mark, jedoch nicht mehr als die Hälfte der im Abs. 1 vorgesehenen Gebühr erhoben.
Außer den Gebühren nach Abs. 1, 3 werden die baren Auslagen erhoben, namentlich:
1. die Kosten, welche durch Reisen der Beamten entstehen,
2. die an Zeugen und Sachverständige zu zahlenden Gebühren,
3. die Schreibgebühren.
Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen bestimmen sich nach der Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige (Reichs-Gesetzbl. 1898 S. 689).
Für andere als die im Abs. 4 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Auslagen ist eine Pauschalsumme anzusetzen.
Bei Unternehmungen der Regierung wird die im Abs. 1 bestimmte Gebühr nicht erhoben.

§ 26.[Bearbeiten]

Über die Höhe der Kosten und die Person des Zahlungspflichtigen hat nach endgültiger Feststellung der Entschädigung der Bezirksamtmann in einem besonderen Beschluß Entscheidung zu treffen.
Schon vorher kann der Bezirksamtmann von dem Unternehmer einen angemessenen Kostenvorschuß unter der Androhung erfordern, daß bei Nichteinzahlung binnen einer zu setzenden Frist die Einstellung des Verfahrens auf Kosten des Unternehmers erfolgen werde.
Mehrere Schuldner derselben Kostenforderung haften als Gesamtschuldner.
Die nach Abs. 1 und 2 ergangenen Entscheidungen können von jedem Beteiligten binnen einem Monat nach der Zustellung durch Beschwerde beim Gouverneur angefochten werden.
Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Der Bezirksamtmann und der Gouverneur können anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist. [34]

VI. Zeugen und Sachverständige.[Bearbeiten]

§ 27.[Bearbeiten]

Auf die Zuziehung und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über den Beweis durch Zeugen und Sachverständige mit den folgenden Maßgaben Anwendung.
Als Partei im Sinne der Vorschriften der Zivilprozeßordnung ist jede Person anzusehen, der ein von der Enteignung betroffenes Recht zusteht.
Über die Beeidigung eines Zeugen oder Sachverständigen entscheidet, unbeschadet der §§ 393, 402 der Zivilprozeßordnung, das Ermessen der vernehmenden Behörde. Die Beeidigung findet nach dem Abschlusse der Vernehmung statt.
Die vernehmende Behörde bestimmt, ob das Zeugnis oder Gutachten schriftlich oder zu Protokoll abzugeben ist. Wird die Beeidigung angeordnet, so soll die Abgabe zu Protokoll der Behörde erfolgen; die Behörde hat einen Protokollführer zuzuziehen.
Eine Umwandlung der wegen Ausbleibens eines Zeugen oder Sachverständigen oder wegen Verweigerung des Zeugnisses oder des Gutachtens festgesetzten Geldstrafe in Freiheitsstrafe findet nicht statt. Im Falle wiederholter Weigerung kann nur die für den Fall der ersten Weigerung zulässige Geldstrafe noch einmal festgesetzt werden; weitere Zwangsmaßregeln finden nicht statt. Die Vollstreckung der Strafen erfolgt auf Anordnung der Behörde, welche die Strafe festgesetzt hat. Die Vorschriften des § 26 Abs. 4, 5 finden entsprechende Anwendung.

VII. Bekanntmachung.[Bearbeiten]

§ 28.[Bearbeiten]

Die Zustellungen erfolgen mittels eingeschriebenen Briefes (Telegramm) oder durch Übergabe der Urschrift oder einer beglaubigten Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks.
Die die Zustellung veranlassende Behörde ist befugt, ihr unterstellte Beamte mit der Beglaubigung oder Übergabe zu beauftragen, die Übergabe auch durch Ersuchen einer anderen Schutzgebietsbehörde zu bewirken.
Auf die Zustellung durch Übergabe eines Schriftstücks finden die Vorschriften des § 170 Abs. 1 und der §§ 171 bis 173, 180 bis 184, 186, 189 der Zivilprozeßordnung entsprechende Anwendung; in den Akten ist zu vermerken, in welcher Weise, an welchem Orte und an welchem Tage die Übergabe erfolgt ist.
Die Zustellung mittels eingeschriebenen Briefes nach dem Deutschen Reiche hin erfolgt gegen Rückschein.
Bei Zustellungen nach dem Auslande bestimmt der Gouverneur für den einzelnen Fall die Frist, nach deren Ablaufe die Zustellung als bewirkt anzusehen [35] ist. In dem nach den §§ 21 bis 24 vor dem Bezirksamtmanne stattfindenden Verfahren bestimmt dieser die Frist. Der Gouverneur kann anordnen, daß auch in anderen Fällen die Frist durch den Bezirksamtmann bestimmt wird.

§ 29.[Bearbeiten]

Wohnt ein Beteiligter außerhalb des Bezirkes des für das Enteignungsverfahren zuständigen Bezirksamtmanns, so kann dieser anordnen, daß der Beteiligte innerhalb einer bestimmten Frist zur Empfangnahme von Zustellungen eine in dem Bezirke wohnhafte Person bevollmächtige. Leistet der Beteiligte der Anordnung nicht Folge, so bedarf es seiner Zuziehung zu dem weiteren Verfahren nicht. Bei der Anordnung soll auf den drohenden Nachteil hingewiesen werden.

§ 30.[Bearbeiten]

Wo der Beginn einer Frist an die öffentliche Bekanntmachung geknüpft ist, entscheidet die erste Bekanntmachung dieser Art. Bei späteren Bekanntmachungen ist auf die erste zu verweisen.

VIII. Zuständigkeit.[Bearbeiten]

§ 31.[Bearbeiten]

Zuständig für das Enteignungsverfahren ist der Bezirksamtmann, in dessen Bezirke das Grundstück belegen ist, welches enteignet werden soll oder an welchen das von der Enteignung betroffene Recht besteht. Ist das Grundstück in den Bezirken verschiedener Bezirksämter belegen, so bestimmt der Gouverneur den zuständigen Bezirksamtmann; er kann auch die Teilung des Verfahrens nach den Bezirken anordnen.
Welche Behörde in den Gebieten, die zu keinem Bezirksamte gehören, die in dieser Verordnung den Bezirksamtmännern zugewiesenen Befugnisse wahrzunehmen hat, bestimmt der Reichskanzler (Auswärtiges Amt, Kolonialabteilung).
Derselbe ist allgemein ermächtigt, die Zuständigkeit der Behörden für das Enteignungsverfahren in einzelnen Schutzgebieten abweichend von dieser Verordnung zu regeln.

IX. Sonderbestimmungen zum Schutze der Rechte Eingeborener auf Eigentum und Besitz an Grundstücken.[Bearbeiten]

§ 32.[Bearbeiten]

Der Reichskanzler ist ermächtigt, auch außer den Fällen des § 1 die Enteignung von Grundstücken, die aus der Herrschaft oder dem Besitz Eingeborener an Nichteingeborene übergegangen sind, zum Zwecke der Wiedereinsetzung der Eingeborenen in den Besitz insoweit zuzulassen, als die Enteignung nach dem Ermessen [36] der Behörde notwendig ist, um den Eingeborenen die Möglichkeit ihres wirtschaftlichen Bestehens, insbesondere das Recht einer Heimstätte, zu sichern.
Die Entschädigung der gegenwärtigen Eigentümer oder Besitzer dieser Ländereien wird von dem Fiskus des Schutzgebiets geleistet. Die Entschädigung kann auf die Erstattung der Unkosten für den ersten Erwerb der Ländereien von den Eingeborenen beschränkt werden.
Die enteigneten Ländereien fallen als Kronland in das Eigentum des Fiskus des Schutzgebiets, welcher sie den Eingeborenen zur Nutzung überläßt.
Die Einzelheiten des Verfahrens hat für jeden Fall auf den Bericht des Gouverneurs der Reichskanzler anzuordnen. Der Gouverneur ist befugt, den Besitzstand bis zum Erlasse dieser Anordnung zu regeln oder die Regelung einer anderen Behörde zu übertragen.

X. Schlußbestimmungen.[Bearbeiten]

§ 33.[Bearbeiten]

Die auf die Entziehung und Beschränkung des Grundeigentums im Interesse des Bergbaues sich beziehenden besonderen Vorschriften bleiben von dieser Verordnung unberührt.

§ 34.[Bearbeiten]

Diese Verordnung tritt am I. Juni 1903 in Kraft.
Mit dem gleichen Zeitpunkte sind aufgehoben: die Verordnung des Kaiserlichen Gouverneurs von Deutsch-Ostafrika über die Enteignung von Grundeigentum vom 15. Januar 1894 (Kol. Bl. S. 270), § 8 der Verordnung des Gouverneurs von Kamerun, betreffend den Erwerb und Verlust sowie die Beschränkungen des Grundeigentums, vom 27. März 1888 und die Verordnung des Kaiserlichen Gouverneurs von Deutsch-Südwestafrika, betreffend den Grundstückserwerb an der Bahnlinie Swakopmund-Windhoek, vom 24. September 1901 (Kol. Bl. 1902 S. 4).
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 14. Februar 1903.
(L. S.)  Wilhelm.

  Graf von Bülow.