Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern/Abschnitt IV

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Abschnitt III Versuch einer Theorie der electrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern (1895)
von Hendrik Antoon Lorentz
Abschnitt V
[59]
ABSCHNITT IV.
DIE BEWEGUNGSGLEICHUNGEN DES LICHTES FÜR PONDERABLE KÖRPER.

Gleichungen für den in ponderablen Körpern eingeschlossenen Aether.

§ 39. Wir wenden uns jetzt der Lichtbewegung in ponderablen, dielectrischen, vollkommen durchsichtigen Körpern zu. Es soll angenommen werden, dass sich diese mit der Geschwindigkeit in beliebiger Richtung verschieben, und dass, wie bereits gesagt wurde, die Molecüle Ionen enthalten, welche an bestimmte Gleichgewichtslagen gebunden sind.

Für eines dieser Theilchen bezeichnen wir wieder die Ladung mit e, und die Verschiebung aus der Gleichgewichtslage mit . Die Componenten ,,, sowie die Geschwindigkeiten ,,, betrachten wir als unendlich klein; d. h. neben Grössen, welche nur eine dieser Componenten als Factor enthalten, vernachlässigen wir Glieder, in denen zwei derartige Factoren vorkommen.

Jeder der betrachteten Körper soll homogen sein. Damit indess die Fälle der Reflexion und Brechung nicht ausgeschlossen seien, denke man sich zwei verschiedene Körper, sei es nun, dass diese (Fig. 1) sich an einer Fläche scharf von einander abheben, oder in einer dünnen Grenzschicht, etwa zwischen [60] den Flächen und (Fig. 2), stetig in einander übergehen. Ist in diesem letzteren Falle von der „Grenzfläche“ die Rede, so soll damit z. B. eine Fläche , auf halbem Wege zwischen und , gemeint sein.

Wir werden immer mit Mittelwerthen rechnen, und zwar nicht nur mit den im § 4, l definirten, sondern hin und wieder auch mit anderen, welche in Betracht kommen, wenn die betreffende Grösse nur in einzelnen Punkten Q, etwa in je einem Punkte der verschiedenen Molecüle, besteht, oder aber, wenn man Anlass hat, nur die Werthe einer Function in derartigen Punkten ins Auge zu fassen. Einen solchen Mittelwerth zweiter Art unterscheiden wir von Mittelwerthen erster Art durch einen doppelten horizontalen Strich, folgen übrigens bei der Berechnung einer ähnlichen Regel wie bei diesen letzteren. Wir verstehen nämlich unter dem Werth von in einem Punkte P das arithmetische Mittel der Werthe von in den Punkten Q, sofern diese letzteren innerhalb der im § 4, l genannten, um P beschriebenen Kugel I liegen.

Zufolge der über den Radius R gemachten Annahme (§ 4) sind aus den Mittelwerthen sowohl der zweiten, als auch der ersten Art alle „raschen“ Veränderungen verschwunden; es ist jedoch, was die Geschwindigkeit der noch übriggebliebenen Veränderungen betrifft, zu unterscheiden zwischen dem Inneren der Körper und der Grenze. Bringt man in den Figuren 1 und 2 die Flächen und so an, dass in der ersten Figur beide um die Strecke R von entfernt sind, während in der zweiten diese Entfernung einerseits zwischen und , andererseits zwischen und besteht, so kommen bei der Berechnung von oder in Punkten, die ausserhalb der Schicht (, ) liegen, nur die Werthe von in je einem der Körper ins Spiel. Während sich nun die Mittelwerthe, wenn auch vollkommen stetig, von zu sehr beträchtlich ändern können, wollen wir annehmen, dass die Aenderungen von Punkt zu Punkt im Inneren der Körper viel langsamer vor sich gehen. Dem wird in den zu behandelnden Problemen in der That genügt, wenn nur die Wellenlänge vielmal grösser als die Entfernung a von und ist.

Wir wollen sogar voraussetzen, dass sich zwischen und a [61] noch eine solche Strecke l einschalten lasse, dass und sehr gross werden. Der Zweck dieser Annahme wird bald deutlich werden.

Ist die Grenzfläche gekrümmt, so sollen ihre Krümmungsradien grösser als , oder doch wenigstens von derselben Ordnung sein.

§ 40. Es war bereits im § 33 von dem electrischen Momente eines Molecüls die Rede. Die dort gegebene Definition wollen wir auch jetzt beibehalten und in ähnlicher Weise den Vector

(47)

wo sich die Summe über alle Ionen im Inneren der Kugel I erstreckt, das Moment der Volumeinheit nennen. Genauer sagen wir, es gebe (47) den Werth dieses Momentes im Mittelpunkte der Kugel an. Wählt man für diesen neuen Vector das Zeichen , so ist

u.s.w. (48)

Mit diesem hängt eine andere Grösse aufs engste zusammen. Bei der Verschiebung der Ionen aus den Gleichgewichtslagen wird nämlich irgend eine feststehende Fläche von einigen derselben durchsetzt, was man einen „Convectionsstrom durch die Fläche“ nennen kann. Ist nun ein Flächenelement, dessen Mittelpunkt P, und dessen Normale n ist, so wird die Ladung , welche durch dasselbe nach der durch n bezeichneten Seite gegangen ist, von der Lage von P abhängen, wenn man die Grösse und die Richtung von n ein für alle Mal festsetzt. Es sei sehr klein im Verhältnis zu den molecularen Entfernungen, jedoch so gross, dass wir nicht die Fälle zu berücksichtigen brauchen, in denen ein Ion gerade die Randlinie trifft. Offenbar wird es nun einige Lagen von P geben, bei welchen das Element gar keine Ionen auffängt, und andere, bei denen es den Weg eines Ions schneidet. Im ersteren Falle ist , im letzteren gleich der positiv oder negativ gerechneten Ladung des Ions.

Da von der Lage von P abhängt, so können wir in gewöhnlicher Weise den Mittelwerth bilden; dieser ist nun, wie im nächsten § gezeigt werden soll,

[62] § 41. Die in der Formel

enthaltene Regel lässt sich etwas anders ausdrücken. Man wähle nämlich für den Punkt P unendlich viele, wir wollen sagen k, gleichmässig über die Kugel I zerstreute Lagen, und nehme das arithmetische Mittel der für diese Lagen geltenden Werthe von , d. h. man setze

(49)

Jedes Ion, das seine Gleichgewichtslage im Inneren von I hat, wird nun bei seiner Verschiebung durch einige der dem Elemente zugetheilten Positionen hindurchgehen und also einige Glieder zu der Summe liefern. Man erhält die ganze Summe, wenn man zunächst die von einem bestimmten Ion herrührenden Glieder zu einander addirt, und dann über alle Ionen summirt.

Es sei Q die Gleichgewichtslage des betrachteten Ions, und Q' die neue Lage; mithin . Die Länge und die Richtung dieser Linie sind gegeben, und ebenso die Richtung und Grösse von . Ob das Theilchen das Flächenelement trifft und für die gesuchte Summe den Beitrag e liefert, das hängt nur noch von der relativen Lage von P und Q ab. Man kann daher, anstatt dem Punkte P die k Positionen in der Kugel l zu geben, auch ebenso gut diesen Punkt an seinem Ort belassen und den Punkt Q durch eine Kugel I herumführen. Da nun QQ' das jetzt festliegende Element trifft, wenn Q in einem gewissen, leicht anzugebenden Cylinder vom Inhalte liegt, so verhält sich die Zahl der „wirksamen“ Positionen zu der ganzen Zahl k, wie der Inhalt dieses Cylinders zu dem Kugelinhalte I. Jene Zahl ist somit

und die Summe , soweit dieselbe von dem Ion Q herrührt,

[63] Es wird schliesslich in der Formel (49)

wo sich die Summe über alle Ionen der Kugel I erstreckt, und

oder nach (48)

§ 42. Den Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen mögen die Gleichungen () — () (§ 20) bilden. Zunächst bemerken wir, dass die erste derselben gleichbedeutend ist mit

für eine beliebige geschlossene Fläche (n ist nach aussen zu ziehen), wenn E die von dieser umfasste electrische Ladung ist. Besteht nun in einem Elemente des inneren Raumes im Gleichgewichtszustande die Dichtigkeit , und hat, für ein Element der Oberfläche, die oben angegebene Bedeutung, so ist

wo sich die Summe auf sämmtliche Elemente bezieht.

Es wird demnach

Aus der Definition der Mittelwerthe findet man jetzt leicht

Da nun

und

ist, so ergibt sich schliesslich

[64] Wir wollen nun einen neuen Vector definiren durch die Gleichung

und denselben die dielektrische Polarisation nennen.

Dieser Vector, der für den freien Aether, wo , in übergeht, ist eben das, was Maxwell „dielectric displacement“ nennt. Seine Grundeigenschaft besteht nach Obigem darin, dass für jede geschlossene Fläche

(50)

und also im Inneren jedes Körpers

()

ist.

§ 43. Zu einer wichtigen Grenzbedingung führt die Formel (50), wenn man sie auf eine Fläche anwendet, die theils im ersten, theils im zweiten Körper liegt. Rings um einen bestimmten Punkt P der Grenzfläche (Fig. 1 und 2) lege man eine der Normale in P parallele Cylinderfläche C, und wähle für die besagte Fläche die Oberfläche des aus der Schicht (, ) herausgeschnittenen Raumes. Sind nun die Dimensionen der in und abgegrenzten Theile von der Ordnung l (§ 39), so darf man diese Theile als gleiche und parallele, ebene Elemente betrachten, und, da dieselben sehr viel grösser sind als der zwischen und liegende Theil von C, von dem über diesen letzteren genommenen Integral

Abstand nehmen. Man findet also, wenn man die in und geltenden Werthe durch die Indices 1 und 2 von einander unterscheidet, und sowohl an , als auch an die Normale n von dem ersten nach dem zweiten Körper zieht,

(51)

Hierzu ist noch Eins zu bemerken. In jedem Medium lassen sich als langsam (§ 39) veränderliche Functionen der Coordinaten darstellen, und man müsste, um und zu erhalten, in diese Functionen die Coordinaten eines Punktes von oder einsetzen. Statt dessen kann man aber auch ohne merklichen Fehler — wegen der kleinen Distanz [65] der Flächen — die Coordinaten des in liegenden Punktes P einführen. Es ist also erlaubt zu sagen, dass und die Werthe an der Grenzfläche seien und dass obige Formel die Continuität von ausdrücke.

Aehnliche Formeln wie die Gleichungen () und (51) gehen aus () hervor; nämlich für das Innere eines Körpers

und für die Grenzfläche

§ 44. Aus der Grundgleichung () leiten wir ab

oder, da vermöge der Definition

Diese Ableitung gilt für das Innere eines Körpers. Um zu der entsprechenden Grenzbedingung zu gelangen, beachte man zunächst, dass (§ 4, h) nach der Gleichung () für eine beliebige Fläche , mit der Randlinie s,

ist, und also auch

(52)

Man lege nun durch den Punkt P (Fig. 1 und 2) eine Ebene, welche die Normale der Grenzfläche und die beliebige, zu tangentiale Richtung h enthält, und wähle als Fläche den Theil dieser Ebene, der zwischen und liegt und von zwei jener Normale parallelen Linien begrenzt wird. Ist die Länge dieses Streifens in der Richtung h von der Ordnung l (§ 39), so darf man alle Grössen von der Ordnung a vernachlässigen und erhält aus (52)

wo die Indices 1 und 2 dieselbe Bedeutung haben wie oben. Für die beiden Componenten von darf man hier die Werthe wieder im Punkte P nehmen, und die Gleichung sagt also aus, dass die tangentialen Componenten des Vectors stetig seien.

[66] § 45. Die Gleichung () lässt eine ähnliche Anwendung zu. Ich schicke die Bemerkung voraus, dass keine magnetischen Kräfte existiren, so lange die Ionen ruhen, und dass also von derselben Ordnung ist wie die Geschwindigkeiten . In () ist somit das letzte Glied zu vernachlässigen; es wird , sodann nach () für das Innere eines Körpers

und für die Grenzfläche

Zuletzt folgt noch aus () und ()

(53)

und

(54)




Bewegungsgleichungen für die Ionen.

§ 46. So weit war alles ziemlich einfach. Auf grosse Schwierigkeiten stösst man aber, wenn man nun auch die Bewegungsgleichungen für die schwingenden Ionen selbst bilden will. In diesen Gleichungen die Verhältnisse auszudrücken, auf welchen die Dispersion, die Doppelbrechung und die Circularpolarisation beruhen, würde einen Einblick in moleculare Vorgänge erfordern, wir wie ihn leider auch nicht entfernt gewonnen haben. Wir wollen uns darauf beschränken, aus einer sehr einfachen Voraussetzung die wahrscheinlichste Gestalt der gesuchten Beziehungen abzuleiten, und uns dann so gut wie möglich weiterzuhelfen suchen. Ein Vortheil ist es allerdings, dass wir bei dieser neuen Aufgabe nur das Innere der homogenen Körper zu betrachten haben, da, was die Grenzflächen betrifft, die bereits abgeleiteten Gleichungen alle nothwendigen Bedingungen in sich schliessen.

Die erwähnte Voraussetzung ist nun diese, dass jedes der einander vollkommen gleichen Molecüle nur ein einziges verschiebbares Ion enthalte, alle übrigen aber festliegen.

Es sei m die Masse eines beweglichen Ions, die gesammte, [67] auf dasselbe wirkende Kraft, N die Anzahl der Molecüle in der Volumeinheit. Aus den Gleichungen

u. s. w.

folgt, wenn man die Mittelwerthe zweiter Art nimmt und mit e N multiplicirt,

u. s. w.

Was betrifft, so ist zunächst zu beachten, dass nach unserer Annahme die festliegenden Theile des Molecüls auf das Ion mit einer gewissen Kraft wirken, die eben durch die Verschiebung hervorgerufen wird. Es seien die Componenten dieser Kraft lineare, homogene Functionen von , oder vielmehr, denn nur dieses ist für das Weitere von Belang, es seien die Mittelwerthe jener Componenten gegeben durch

(55)

worin mit s gewisse Constanten bezeichnet sind.

Wir nehmen von diesen Kräften noch an, dass sie durch die Translation nicht geändert werden, wenigstens nicht in Betreff der Grössen erster Ordnung.

§ 47. Infolge der electrischen Bewegungen übt nun ferner der Aether eine Wirkung auf das Ion aus. Diese lässt sich aus der Formel () ableiten, da, wie wir sahen (§ 45), ist. Wäre es gestattet, für die electrische Kraft überall den Mittelwerth zu setzen, der in sämmtlichen Punkten eines Ions dieselbe Grösse und Richtung hat, so hätte man den Ausdrücken (55) nur die Glieder

(56)

hinzuzufügen.

Aber die Sache ist nicht ganz so einfach. Einmal bringt das schwingende Ion selbst einen Werth von hervor, der nicht in allen Punkten des Theilchens der gleiche ist, sodass man den demselben entsprechenden Theil von nur durch eine [68] Integration über den vom Ion eingenommenen Raum finden könnte. Zweitens käme es, selbst wenn man hiervon absehen dürfte, bei der Berechnung von nicht auf den Mittelwerth , sondern auf den Mittelwerth an, und ist es nicht erlaubt, diese beiden mit einander zu verwechseln. Freilich stände dem nichts entgegen, insoweit die Ionenbewegungen, welche die electrische Kraft hervorrufen, in einer Entfernung vom betrachteten Punkte P stattfinden, die viel grösser als die Distanz der Molecüle ist, doch rührt zum Theil auch von näher gelegenen Molecülen her — wir wollen sagen, von den Schwingungen innerhalb der um P beschriebenen Kugel I —, und ist bei der unregelmässigen Vertheilung der hierdurch im Aether erzeugten Zustände eine Ungleichheit von und sehr gut möglich.

Wenn wir nun, diesen Bemerkungen gemäss, um zu erhalten, zu den Ausdrücken (55) nicht nur die Werthe (56), sondern auch noch gewisse Zusatzglieder

addiren und also

u. s. w. (57)

setzen, so lässt sich von den Grössen behaupten, dass sie nur von den Vorgängen innerhalb der Kugel I abhängen. Ausserdem steht fest, dass auch diese Zusatzglieder nur bei Verschiebung der Ionen aus den Gleichgewichtslagen bestehen und — da die als unendlich klein betrachtet werden — lineare, homogene Functionen der Grössen u. s. w., oder vielmehr von deren Mittelwerthen, sein müssen. Den Gleichungen (48) zufolge sind also die auch homogene, lineare Functionen der Werthe, welche u. s. w. in den verschiedenen Punkten des Kugelraumes I haben. Schliesslich ist noch zu bedenken, dass sich alle diese Werthe durch Anwendung des Taylor’schen Satzes ausdrücken lassen in den Werthen, welche u. s. w. und die Differentialquotienten nach x, y, z in dem betrachteten Punkte P, dem Mittelpunkte der Kugel, annehmen. Alle diese Werthe können somit linear in die Ausdrücke für eingehen.

Inwiefern diese letzteren die Translationsgeschwindigkeit enthalten [69] müssen, bleibt vorläufig unentschieden. Jedenfalls werden, da wir die Grössen zweiter Ordnung vernachlässigen, nur die ersten Potenzen von auftreten. Erwägt man nun noch, dass in den Formeln (57) die Grössen , u. s. w. durch , u. s. w. ersetzt werden können, und denkt man sich diese Gleichungen nach , u. s. w. aufgelöst, so sieht man, dass diese Componenten der electrischen Kraft sich als lineare, homogene Functionen von und deren Derivirten nach x, y, z, t darstellen lassen, und dass die Coefficienten in diesen Functionen die Geschwindigkeiten linear enthalten können.

Der Kürze halber mögen die Gleichungen, die sich aus einer vollständig entwickelten Theorie für ergeben würden, zusammengefaßt werden in die Formel

(58)

Bei jedem der Vectoren ist hier auch an die Differentialquotienten seiner Componenten nach den Coordinaten zu denken.

Lassen wir nun endlich unsere vereinfachende Voraussetzung fallen und betrachten jedes Molecül als ein Gebilde von vielleicht sehr verwickelter Structur, das mehrere bewegliche Ionen enthält, so liegt es nahe anzunehmen, dass noch immer eine Beziehung wie die in (58) dargestellte obwalte. Unsere nächste Aufgabe soll es sein, diese Relation mittelst gewisser allgemeiner Betrachtungen soviel wie möglich zu vereinfachen.




Vereinfachung für durchsichtige Körper.

§ 48. Besteht in einem System von Ionen eine gewisse Bewegung, so ist, wie im § 18 nachgewiesen wurde, auch die umgekehrte Bewegung möglich, sobald bei dieser auch die Kräfte nicht electrischen Ursprungs für eine bestimmte Lage der Ionen dieselben sind, wie in dem ursprünglichen Falle. Hieraus folgt unmittelbar, dass sich alle Bewegungen in einem Körper, der neben Ionen auch noch ungeladene Massentheilchen enthält, [70] rückläufig machen lassen, falls nur sämmtliche Molecularkräfte durch die Configurationen bestimmt sind und nicht etwa von den Geschwindigkeiten abhängen.

Bei der Umkehrung der Bewegungen erhalten alle Geschwindigkeiten die entgegengesetzte Richtung, also auch die Translation . Weiter sieht man leicht — vgl. die Formeln der §§ 43 und 44 —, dass in dem neuen Zustande zur Zeit t die Vectoren

und

dieselbe Richtung und Grösse haben, wie die Vectoren

und

in dem ursprünglichen Zustande zur Zeit –t.

Offenbar sind es die durchsichtigen Körper, und zwar nur diese[1], in welchen die Lichtbewegungen in dem angedeuteten Sinne umkehrbar sind, wobei noch ausdrücklich hervorgehoben werden mag, dass die circularpolarisirenden Stoffe keine Ausnahme von dieser Regel bilden[2].

Wir wollen nun sehen, welche Vereinfachung der Gleichung (58) sich aus der Umkehrbarkeit ergibt; es sollen dabei die Glieder ohne und mit gesondert betrachtet werden.

§ 49. Ist , so müssen sich als homogene, lineare Functionen von den Grössen u. s. w. und deren Differentialquotienten nach den Coordinaten ausdrücken lassen; die hierzu dienenden Beziehungen müssen ungeändert bleiben, wenn man zu der umgekehrten Bewegung übergeht. Bei dieser Bewegung haben nun (zur Zeit t) und ebenso die Componenten sowie deren Differentialquotienten nach den Coordinaten dieselben Werthe und dieselben Vorzeichen wie bei der ursprünglichen Bewegung (zur Zeit –t). Gleiches gilt auch von allen geraden Differentialquotienten nach der Zeit. Die ungeraden Differentialquotienten nach t haben dagegen bei den beiden Bewegungen zwar dieselbe Grösse, aber entgegengesetzte Zeichen, und es können diese [71] Derivirten daher nicht in den Beziehungen zwischen und vorkommen. Um dies anzudeuten, ersetzen wir (58) für ruhende Körper durch

(59)

Lässt man jetzt wieder die Translation zu, so hat man zu noch einen Vector zu addiren, dessen Componenten lineare und homogene Functionen von sind und in jedem Gliede einen der Factoren enthalten; auch dieser neue Vector muss bei dem Uebergange zur umgekehrten Bewegung unverändert bleiben. Da hierbei die Componenten das entgegengesetzte Zeichen erhalten, so können sie nur mit solchen Grössen multiplicirt sein, die gleichfalls das Zeichen wechseln, d. h. also mit ungeraden Differentialquotienten nach der Zeit. Die Gleichung (58) nimmt demgemäss im allgemeinen die Gestalt

(60)

an.

Eine weitere Vereinfachung erzielen wir dadurch, dass wir uns an eine bestimmte Art homogenen Lichtes halten, also an goniometrische Functionen der Zeit mit einer bestimmten Periode T. Es ist dann

(61)

Indem man so in (60) alle geraden Differentialquotienten in und alle ungeraden in ausdrückt, wird

(62)

Die Componenten von sind jetzt lineare und homogene Functionen von und deren Differentialquotienten nach x, y, z, während in ähnlicher Weise von abhängt. Die Coefficienten dieser Functionen können freilich von der Schwingungsdauer T abhängen, da wir die Werthe (61) in (60) eingeführt haben.

[72]
Die Dispersion des Lichtes.

§ 50. Man kann eine Erklärung der Farbenzerstreuung auf zweierlei Weise versuchen, indem man entweder, wie Cauchy es that, die Veränderung der Gleichgewichtsstörung von Ort zu Ort, oder die Veränderung mit der Zeit als maassgebend betrachtet. Es ist in dem einen Falle die Wellenlänge, in dem anderen die Schwingungsdauer, was die Fortpflanzungsgeschwindigkeit unmittelbar bedingt, obgleich am Ende Beides auf dasselbe hinauskommt.

Wollten wir den erstgenannten Weg einschlagen und also gleichsam die von Cauchy gegebene Erklärung — der mathematischen Form nach — in unserer Theorie reproduciren, so hätten wir einfach anzunehmen, dass die in (59) zusammengefassten Gleichungen wohl Differentialquotienten nach x, y, z, nicht aber solche nach t enthalten, und dass namentlich, wegen der Kleinheit von m, das erste Glied in (57) verschwinde. Es ist klar, dass sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit mit der Wellenlänge ändern muss, sobald Glieder mit z. B. und neben einander stehen. Es gewinnt nämlich die letztere Grösse der ersteren gegenüber einen um so grösseren Einfluss, je kleiner die Wellenlänge ist.

Die gerade entgegengesetzte Annahme wäre, dass nur Differentialquotienten nach t, keine aber nach x, y, z in der Formel (59) vorkommen. Insofern nun die einzige Grösse der ersteren Art, deren Einführung sich als nothwendig erwiesen hat, das Glied

in der Gleichung (57) ist, können wir sagen, dass die zweitgenannte Auffassung die Erscheinung auf die Masse der mitschwingenden Ionen zurückführe.

Dass diese Erklärung nun wirklich gelingt, wurde schon von v. Helmholtz und früher auch von mir nachgewiesen. Die neue Gestalt, die ich der Theorie jetzt gebe, macht in dieser Hinsicht keinen Unterschied.

[73] Wie man weiss, sind es hauptsächlich die Erscheinungen der anomalen Dispersion, welche zu Gunsten der Annahme mitschwingender Massen sprechen. Was andererseits die Differentialquotienten nach x, y, z betrifft, so fragt es sich, ob die Glieder, in denen sie vorkommen, auch gross genug sind, um einen nennenswerthen Einfluss auszuüben. Leider lässt sich hierüber schwerlich urtheilen. Wie wir sahen, können die genannten Glieder nur davon herrühren, dass das electrische Moment nicht in allen Punkten der Kugel I dieselbe Grösse und Richtung hat. Da der Radius viel kleiner als die Wellenlänge ist, so sind die Differenzen sicherlich sehr geringfügig, und wird man daher keinen Anstand nehmen, dieselben zu vernachlässigen, wenn es sich um eine Wirkung auf entfernte Punkte handelt. Allein es wäre voreilig, zu behaupten, dass nicht auch diese kleinen Aenderungen von einen Einfluss auf die Erscheinungen im Inneren der Kugel haben können. Die Drehung der Polarisationsebene, auf die wir noch zurückkommen werden, und die wohl nicht ohne Zuhülfenahme der Differentialquotienten nach x, y, z zu verstehen ist, muss uns schon davon abhalten, einen Einfluss derartiger Glieder auf die Dispersion von vornherein zu verneinen.

Mit mehr Recht kann man aus den Erscheinungen auf die Unerheblichkeit dieses Einflusses schliessen. Behält man nämlich in den Gleichungen (59) die Differentialquotienten nach x, y, z bei und vereinfacht dann die Formeln, soweit es auf Grund der bekannten Symmetrieverhältnisse der Krystalle geschehen kann, so wird man zu Gesetzen für die Lichtbewegung geführt, die verwickelter als die thatsächlich geltenden sind und in diese nur übergehen durch eine weitere Vereinfachung der Formeln, für welche kein Grund anzugeben ist. Beispielsweise würden nach jenen Gesetzen die regulären Krystalle nicht isotrop sein, sondern eine eigenthümliche Art Doppelbrechung zeigen müssen[3].

[74] Das Gesagte möge es rechtfertigen, dass wir, während vorläufig die circularpolarisirenden Medien ausgeschlossen bleiben, für die übrigen durchsichtigen Körper annehmen, dass die Beziehung (62) keine Differentialquotienten nach x, y, z enthalte. Wir setzen also

(63)

und verstehen hier unter Ausdrücke, die sowohl in Bezug auf , als auch auf linear und homogen sind. Die Coefficienten in diesen Ausdrücken, sowie die Factoren sind als Funktionen von T anzusehen.

Ich werde jetzt nachweisen, dass für eine sehr allgemeine Klasse von Körpern die Glieder , u. s. w. verschwinden; zugleich erreichen wir dabei noch eine Vereinfachung der von unabhängigen Glieder.




Körper mit drei zu einander senkrechten Symmetrieebenen.

§ 51. Es sei A irgend ein Körper, und A' ein zweiter Körper, der das Spiegelbild des ersten in Bezug auf eine gewisse Ebene E ist, und zwar bis in die kleinsten Züge, also auch in der Anordnung der kleinsten Theilchen. Hängen die Molecularkräfte in solcher Weise von den Configurationen ab, dass die Vectoren, durch welche sie in A und A' dargestellt werden, sich wie Gegenstände und deren Spiegelbilder verhalten, so können sich (§ 18) in den beiden Körpern Ionenbewegungen und damit verbundene Zustandsveränderungen des Aethers so abspielen, dass auch was diese Erscheinungen betrifft das eine System immerfort das Spiegelbild des anderen ist. Bei dem Uebergange vom ersten System zum zweiten verwandeln sich dann die Vectoren und in ihre Spiegelbilder.

Es kann nun der innere Bau des Körpers A derart sein, dass, bei geeigneter Wahl der Ebene E, A und A' in Bezug [75] auf dasselbe Coordinatensystem dieselben Eigenschaften haben, dass sich also die Erscheinungen in A und A' durch dieselben Gleichungen, ohne Veränderung einer Constante oder eines Zeichens, darstellen lassen. In diesem Falle nennt man E eine Symmetrieebene. Die Körper, die wir jetzt ins Auge fassen und auf welche wir uns vorläufig beschränken, sind die, für welche es drei derartige, zu einander senkrechte Symmetrieebenen gibt.

Wir ertheilen den Coordinatenebenen die Richtung der Symmetrieebenen und betrachten zunächst das Spiegelbild in Bezug auf die yz-Ebene. Bei dem Uebergange zu diesem Bilde wechseln und das Zeichen, während die übrigen Componenten von und gänzlich unverändert bleiben. Die Formeln (63) müssen jedoch ihre Gültigkeit behalten. Es ist das nur möglich, wenn, nachdem u. s. w. als Functionen von dargestellt sind, der Index x in jedem Gliede der ersten Formel einmal, und in jedem Gliede der zweiten und dritten entweder gar nicht, oder zweimal vorkommt. Zu einem ähnlichen Schluss gelangt man auch hinsichtlich der Indices y und z. Betrachtet man überdies noch die Spiegelbilder in Bezug auf die zx- und die xy-Ebene, so findet man, dass kein einziges Glied wie zulässig ist, und dass, von den neun Coefficienten , nur , und von Null verschieden sein können.

Man erhält also

(64)

oder

u. s. w.

Addirt man nun diese Formeln zu den drei in (53) zusammengefassten und setzt

so wird

u. s. w.

worin, für eine bestimmte Lichtart, und Constanten sind.




[76]
Zusammenfassung der Gleichungen.

§ 52. Unter Weglassung der Striche über den Buchstaben — da ja weiterhin nur von Mittelwerthen die Rede sein wird — fassen wir jetzt die Bewegungsgleichungen folgendermaassen zusammen.

Im Inneren jedes Körpers ist

und

da man, mit Vernachlässigung von Grössen zweiter Ordnung, in der Gleichung (54), vermöge der Beziehung (53), durch ersetzen darf.

An der Grenzfläche gelten die Bedingungen

Besteht keine Translation, so fällt mit zusammen; es gehen dann die Gleichungen () und () über in

u.s.w.

und die letzte der Grenzbedingungen () in

Es ergeben sich also für diesen Fall die bekannten Bewegungsgleichungen und Grenzbedingungen der electromagnetischen Lichttheorie. Aus den Formeln und leitet man, wenn von einander verschieden sind, die Gesetze der Lichtbewegung in zweiaxigen Krystallen, und wenn zwei dieser Grössen denselben Werth haben, die Gesetze für einaxige Krystalle ab, während die Annahme , auf isotrope Körper zurückführt. Da übrigens und von der [77] Schwingungsdauer abhängen, so ist auch die Erklärung der Dispersion des Lichtes in den Formeln enthalten.

Auch der Fall des reinen Aethers ist nicht ausgeschlossen. Da in diesem keine electrischen Momente bestehen, so hat man nach (64) , und also zu setzen. Die Gleichungen () und () verwandeln sich dadurch in

Man sieht leicht, dass die Gleichungen, die man auf diese Weise für den Aether erhält, mit den Formeln () – (), oder () – () übereinstimmen.

Selbstredend ist, was das Innere des reinen Aethers betrifft, der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Grössen immer derselbe, die ponderable Materie möge sich bewegen oder nicht.




Circularpolarisirende Medien.

§ 53. Körper, welche die Polarisationsebene drehen, wurden im Obigen ausgeschlossen. Eine gründliche Theorie für dieselben aufzustellen, ist bis jetzt nicht thunlich; dennoch mögen einige allgemeine Betrachtungen, wie unser Zweck sie erfordert, hier Platz finden.

Da die Drehung der Polarisationsebene gerade damit zusammenhängt, dass das Medium nicht in allen Eigenschaften mit seinem Spiegelbilde übereinstimmt, so ist das im § 51 Gesagte nicht mehr anwendbar. Nichtsdestoweniger wird alles ziemlich einfach, wenn man sich auf isotrope Medien beschränkt.

Nimmt man an, dass in die Beziehung zwischen und keine Differentialquotienten nach x, y, z eingehen, so hat man unter dem der Gleichung (62) einen Vector zu verstehen, der schon durch völlig bestimmt ist, und zwar erfordert die Isotropie, dass die aus und bestehende Figur in beliebiger Weise gedreht werden kann, ohne dass aufhört, zu zu passen. Wählt man nun die Richtung von selbst für die Drehungsaxe, so bleibt immer [78] derselbe Vector; es muss dann also auch unverändert bleiben, was nur möglich ist, wenn dieser Vector die Richtung von hat. Mit Rücksicht auf den linearen Character der gesuchten Relation ist folglich zu setzen

(65)

worin eine scalare Constante ist.

Der zweite in (62) vorkommende Vector hat folgende Eigenschaften. Erstens sind seine Componenten homogene, lineare Functionen von und ebenso von . Zweitens muss nach einer beliebigen Drehung der aus den drei Vectoren und bestehenden Figur, noch immer zu und passen. Man leitet hieraus ab[4]

(66)

worin k eine positive oder negative Constante ist, die übrigens, wie oben , noch von der Schwingungszeit T abhängen kann.

[79] § 54. Die Voraussetzung, dass in (62) keine Differentialquotienten nach x, y, z vorkommen, hat uns zu der Gleichung (65) geführt, aus welcher eine Drehung der Polarisationsebene nicht hervorgeht. Es ist daher, wie schon früher angedeutet wurde, nöthig, wenigstens in dem Ausdrucke Derivirte nach den Coordinaten anzunehmen. Das Einfachste ist, dem zweiten Gliede von (65) noch einen Vector hinzuzufügen, dessen Componenten linear und homogen von den ersten Differentialquotienten von abhängen. Grösse und Richtung von werden nun wieder durch die Isotropie näher bestimmt. Denkt man sich nämlich in jedem Punkte des Raumes eine Linie, welche den Vector darstellt, und ausserdem im betrachteten Punkte den Vector , so muss nach einer beliebigen Drehung dieser ganzen Figur noch immer zu den Vectoren passen. Verträglich hiermit ist nur die Annahme[5]

[80] worin j eine gewisse Constante ist, und wollen wir also für ruhende Körper (65) zu

ergänzen.

Man könnte nun auch noch in das Glied Differentialquotienten nach x, y, z einführen; wir werden das aber unterlassen, da das bereits Gesagte für unseren Zweck ausreicht. Nach demselben haben wir, wenn wir von jetzt ab den Strich über weglassen, für isotrope, circularpolarisirende Medien zu setzen

(68)

§ 55. Es ist nicht ohne Interesse, noch einen Augenblick das Spiegelbild einer Bewegung, für welche die gefundene Gleichung gilt, zu betrachten. Die für diese neue Bewegung geltenden Vectoren, welche und heissen mögen, sind die Spiegelbilder der Vectoren und . Daraus folgt, dass die Spiegelbilder von und nicht mit und , sondern mit und zusammenfallen. Da nun die in (68) ausgedrückte lineare Relation zwischen vier Vectoren auch dann bestehen bleibt, wenn man jeden derselben durch sein Spiegelbild ersetzt, so muss

sein. Man ersieht hieraus, dass die Vorgänge, welche in dem Spiegelbilde des betrachteten Körpers stattfinden können, nicht mehr der Beziehung (68) genügen, sondern einer Relation, in der die Glieder mit j und k andere Vorzeichen haben. So bestätigt es sich, dass diese Glieder durchaus damit zusammenhängen, dass der Körper und sein Spiegelbild verschiedene Eigenschaften haben; wir dürfen erwarten, dass denselben wirklich eine Drehung der Polarisationsebene entsprechen wird.

Das Nähere hierüber verschiebe ich auf später. Hier sei nur noch bemerkt, dass die Grösse , von der wir die natürliche Drehung der Polarisationsebene abhängig machen werden, viele Aehnlichkeit hat mit den Gliedern, die von verschiedenen Physikern in den Bewegungsgleichungen des Lichtes angenommen [81] worden sind, um die Circularpolarisation zu erklären. In der That halte ich, in Ermangelung einer Theorie, welche der Erscheinung tiefer auf den Grund geht, die Einführung des Gliedes für nicht besser und nicht schlechter als die Hypothesen jener Physiker.

Das letzte Glied in (68) hat eine eigentümliche Bedeutung. Demselben entspräche nämlich eine Drehung der Polarisationsebene, welche in einem Körper, der von seinem Spiegelbilde verschieden ist, durch die Bewegung der Erde hervorgerufen würde[6].


  1. Kehrte man die Bewegungen in einem absorbierenden Medium um, so würde sich ein Zustand ergeben, bei dem die Amplitude in der Fortpflanzungsrichtung wüchse.
  2. Die magnetische Drehung der Polarisationsebene bleibt von unseren Betrachtungen ausgeschlossen.
  3. Vgl. meine früheren Betrachtungen (Over het verband tusschen de voortplantingssnelheid van het licht en de dichtheid en samenstelling der middenstoffen. Verhandelingen der Akad. van Wet. te Amsterdam, Deel 18, pp. 68—77; Wied. Ann., Bd. 9, p. 656).
  4. Zerlegt man in zwei Componenten und , so folgt aus der zuerst genannten Eigenschaft von

    Man nehme an, dass in die Richtung von falle, und senkrecht darauf stehe. Dreht man nun die aus und bestehende Figur um eine mit zusammenfallende Axe, so bleiben und wie sie sind, und es darf sich also auch nicht ändern. Dieser Vector muss folglich die Richtung von und haben. Dass

    (67)

    ist, zeigt man dann weiter mittelst einer Drehung von 180° um eine Axe, die senkrecht zu und steht. Bei dieser Drehung würde der Vector die entgegengesetzte Richtung erhalten; er dürfte sich aber nicht ändern, weil die beiden Vectoren und das Zeichen wechseln.

    Um die Richtung von zu ermitteln, drehe man die Figur, welche dieser Vector mit und bildet, um eine Axe, die senkrecht zu der Ebene oder steht, und zwar um 180°. Dabei gehen und in und über; der Vector darf sich daher nicht ändern, was nur möglich ist, wenn er die Richtung der Axe hat.

    Es steht somit der Vector — und also nach (67) auch der Vector — senkrecht zu der Ebene ; seine Grösse ist den Werthen von und proportional. Beides haben wir in (66) ausgedrückt.

  5. Nach einer Drehung der erwähnten Figur wollen wir, wie uns das wirklich freisteht, bei der Zerlegung der Vectoren und der Bildung der Differentialquotienten wieder die ursprünglichen Coordinatenaxen anwenden. Zunächst finde nun eine Drehung von 180° um die x-Axe statt. Es bleibt dabei unverändert; folglich können in dem Ausdrucke für diese Componente nur diejenigen Differentialquotienten von vorkommen, welche das Zeichen nicht wechseln. Die sind

    Beachtet man weiter, dass bei einer Drehung von 180° um die y- oder die z-Axe die entgegengesetzte Richtung annimmt, und dass also diejenigen Differentialquotienten ausgeschlossen sind, welche bei einer dieser Drehungen dasselbe Zeichen behalten, so findet man, dass von der Form

    sein muss.

    Schliesslich denke man sich noch eine Drehung von 90° um die x-Axe, wodurch O Y in O Z übergeführt wird. Nach dieser Rotation haben und die Werthe, welche früher und hatten; da sich aber nicht geändert hat, so muss sein. Aus findet man und , durch Vertauschung der Buchstaben.

  6. Die folgende Betrachtung dürfte wohl geeignet sein, die Existenz der electrischen Kraft , von der im Texte nur die Möglichkeit dargethan wurde, auch einigermassen wahrscheinlich zu machen. Da ein Molecül einer circularpolarisirenden Substanz eine gewissermaassen „schraubenförmige“ Struktur haben muss, so dürften die Theilchen, aus denen es besteht, dergestalt mit einander verbunden sein, dass die Verschiebung eines derselben eine kreisförmige Bewegung eines oder mehrerer anderen hervorruft. Es möge sich z. B. ein positives Ion A der Geraden G entlang bewegen und dadurch das Moment hervorrufen, sodass die Geschwindigkeit proportional ist, und es möge diese Bewegung begleitet sein von einem Umlaufe einiger anderen, ebenfalls positiven Ionen B in einem Kreise, der G zur Axe hat. Zwischen den Geschwindigkeiten von A und B bestehe hierbei ein constantes Verhältniss. Die Bewegung der Theilchen B constituirt dann einen kreisförmigen electrischen Strom, der proportional ist, und dieser erzeugt in dem Molecül und in seiner Nähe eine „locale“ magnetische Kraft, welche bei A mit der Linie G, also auch mit , zusammenfällt und proportional ist. Combinirt man nun, dem letzten Gliede der Grundgleichung (V) gemäss, diese magnetische Kraft mit der Geschwindigkeit , so erhält man eine electrische Kraft wie .
Abschnitt III Nach oben Abschnitt V
{{{ANMERKUNG}}}
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.